Wachsoldat!
#1
„Stillgestanden“,“In Formation...Marsch!“,“Bachenbruuuuuuch!“ Jost schreckte aus seinen Träumen hoch und wäre dabei fast aus seiner Koje gefallen. Nicht das diese für ihn ohnehin viel zu klein gewesen wäre und er schon zwei der Betten aneinander geschoben hatte um wenigstens halbwegs bequem zu liegen. Nein, immer wieder spukten die Ereignisse der letzten Tage durch seinen Kopf und raubten ihm mit unheilvoller Gewissheit Nacht für Nacht den Schlaf.

Er war nie ein guter Soldat gewesen und seitdem er verwundet worden war. machte ihm seine Körperfülle ein ums andere mal einen Strich durch die Rechnung. Er hatte seinem Vater am Totenbett versprochen den Weg der Rechtschaffenheit einzuschlagen um schlussendlich doch etwas aus sich zu machen. Im Gegensatz zu seinem Bruder hatte er mit der Familientradition gebrochen und wollte eigentlich gar kein Soldat werden.

Nun hockte er in der Baracke der Wachmänner und starrte aus dem Fenster. Auf den Wehrgängen wanderte der Fackelschein der wachhabenden Gardisten auf und ab und erhellte spärlich das Gemäuer. Schwerfällig erhob er sich und suchte seinen Weg durch das Garnisonsgebäude. Als er vor die Tür trat nahm er einen tiefen Zug der kühlen Nachtluft. Der süßliche Geruch der Verwesung stieg ihm in die Nase der dieser Tage nur leider all zu oft durch die Stadt waberte und er verzog das Gesicht.

Es waren schwere Zeiten für Löwenstein, die Keuche ging um und er viele waren bereits gestorben. Gedankenverloren wanderte der Hüne über den verlassenen Platz vor dem Wachgebäude. Nachdem er ihn überquert hatte, hockte er sich auf die Stufen die auf den Wehrgang führten und legte sich seine Decke über massigen Schultern.

Jost wusste, das er wohl nie zu einem Mustersoldaten gereichen würde, aber die Geschehnisse der letzten Tage lagen ihm schwer im Magen. Die Hahnenkämpfe unter seinen Vorgesetzten gaben ihm schwer zu denken. Wie wollten sie die Ordnung aufrecht erhalten wenn sie sich gegenseitig an die Gurgel gingen?

Nach dem gestrigen Apell und der Ansprache des Oberleutnants hatte es ihm gereicht! Er war vielleicht nur ein Rekrut aber er war es Leid gewesen. Vielleicht hatte er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt als er die Abstimmung selbst in die Hand genommen hatte und jedem den Schwitzkasten angedroht hatte der jetzt noch durcheinander redete. Aber es hatte Wirkung gezeigt. Jetzt hatten sie ihren Obmann!

Ob Rauental die richte Wahl war, wusste er nicht. Aber er hoffte inständig das dieses Durcheinander nun zumindest vorerst ein Ende gefunden hat. Es war eigentlich nicht seine Art sich in derlei Dinge zu mischen und war eigentlich froh wenn man ihn in Ruhe ließ aber was zu weit ging, ging zu weit. Die Kameraden hätten sich fast gegenseitig den Hals durchgeschnitten!

Kurz wanderte sein Blick zum Himmel hoch und er musterte den halb von Wolken verhangenen Mond. Wo waren die Zeiten hin als alles noch einfacher schien? Seitdem er sich zur Wache hatte einziehen lassen schien die Welt unnötig kompliziert geworden zu sein.

Hätte er seinem Vater nicht Wort gegeben,hätte er vermutlich schon den Dienst quittiert. Er wollte den Menschen einfach nur helfen und schmunzelte etwas über den Gedanken das er auch noch so dämlich war dies umsonst zu tun. Denn Sold gab es keinen und Ansehen brachte diese Anstellung auch nicht unbedingt mit sich, wenn er manchen Einwohner der Stadt so über die Wache reden hörte.

Jost steckte sich einen Prim Kautabak in die Backe den er von Ecke bekommen hatte und stützte das Kinn auf die klobige Hand. Jeder Knochen tat ihm weh vom Drill und seinen Rücken spürte er schon gar nicht mehr.

Die Kameraden hielten es für besonders lustig sich immer mal wieder einen Spaß auf seine Kosten zu gönnen. So hatten sie ihm weiß machen wollen, er sei der neue Obmann oder hatten seine Angst vor den Toten zum Anlass genommen sich auf dem Friedhof einen Jux über ihn zu machen. Was wussten diese kleinen Abgebrochenen Gestalten schon über ihn?

Die Krönung hatten sie sich am gestrigen Abend geleistet als sie ihn vor Magda in eine unangenehme Situation gebracht hatten. Sie glaubten wohl mit ihm könnten sie es machen! Er grummelte mürrisch und schaut griesgrämig wieder über den Platz. Er wusste das sie es nicht so meinten aber er wollte auch nicht das Magda schlecht über ihn dachte. Als er sich die Züge ihres Gesichtes ins Gedächtnis rief ,wanderte ein Lächeln über die vom Wetter gegerbten Züge. Sie schien zu erkennen was er für ein Mann war und sprach ihm beständig etwas Mut zu. Er hatte seit langem das Gefühl wieder von jemandem ernst genommen zu werden. Seine Kameraden würden das auch noch lernen!

Ein ums andere Mal war es nur der Gedanke an sie ,der ihm über den Tag half. Seltsam! Tat er sich mit derlei doch immer etwas schwer und kam schnell ins schleudern wenn es um derlei ging. Er war nie der große Weiberheld gewesen und konnte vermutlich auch nicht auf das fundierte Wissen eines Koris Reeben zurück greifen, der stetig versuchte ihn in dieser Sache zu ärgern!

Na dem würde er es noch zeigen! Er wusste das sein Kamerad es vermutlich nicht bös meinte und der Schalk wohl ein ums andere Mal in seiner Handlungsweise mitschwang. Aber wenn er noch einmal vor Magda üble Rede über seine Person halten würde, dann würde er Jost von einer anderen Seite kennen lernen. Jost schmunzelte. Die Leute mochten ihn aufgrund von Größe und Körperfülle vielleicht für einfältig halten aber den Spieß konnte er auch umdrehen. Er fragte sich was Koris wohl davon halten würde wenn er die hässlichste Hafendirne dazu anhalten würde, bei einem Apell aufzukreuzen um Koris ihre unsterbliche Liebe zu gestehen da er ja ein so strammer Hengst in der letzten Nacht gewesen wäre.

Bei dem Gedanken daran musste Jost loslachen. Oh von dieser Idee musst er Magda erzählen! Jost erhob sich und ging wieder in die Garnison um wenigstens noch etwas Schlaf zu bekommen, bevor seine Schicht begann.

Er freute sich schon auf ein Wiedersehen mit ihr und bei dem Gedanken daran schlug sein Herz etwas höher.

Vielleicht war er endlich dort angekommen wo er hingehörte!
Zitieren
#2
"Sturznacht"

Jost hockte wieder einmal auf der Treppe hinauf zum Wehrgang und beobachtete das Treiben auf dem Exerzierplatz der Stadtwache. Ab und an biss er in sein Wurstbrot und kaute gedankenverloren darauf herum.

Die Tage wurden wärmer. Doch auch wenn das Wetter langsam freundlicher wurde und die kalte Zeit ihr Ende fand, lag die Hexerkeuche wie ein schwarzer Schatten über der Stadt.

Jeden Tag kämpften seine Kameraden und er darum wenigstens ein bisschen Ordnung in das Chaos zu bringen,das diese schwere Zeit so mit sich brachte. Ein ums andere Mal standen sie gezückten Waffen gegenüber und mussten sich dem Argwohn derer erwehren mit denen es Mithras nicht so gut gemeint hatte.

Die Stimmung in der Wache war gedrückt,wenngleich sie schlimmer sein könnte. Sie hatten wenigstens etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf. Ein Platz der Sicherheit in diesen unsteten Tagen.

Langsam wuchsen die Männer zusammen die sich vor einigen Tagen nicht mal gekannt hatten. Ganz allmählich machte sich ein Gefühl der Kameradschaft breit. Wenn sich einige auch immer noch nicht leiden konnten, wurde der Dienst zumindest so ausgeführt wie der Hauptmann es angeordnet hatte.

Beim gestrigen Posten stehen vor dem Viertel der besser betuchten Bürger der Stadt, hatten sie sich wiedereinmal der üblichen Flachsereien hingegeben. Ecke schaute jedem Weiberrock hinterher und die anderen waren dem Ganzen auch nicht sonderlich abgeneigt gewesen. Sogar eine warme Suppe hatte man ihnen gebracht!
Manchmal glaubte Jost das man sich mit solchen Dingen einfach ablenken musste. Ablenken vor dem was an ihnen allen nagte. Sie bekamen keinen Sold und mussten dennoch ihren Dienst tun. Bei einigen war es der feste Glauben an die Ordnung ,die Mithras und der König ihnen auferlegte. Bei anderen war es vielleicht Dummheit oder die Aussicht auf etwas Ansehen die mit einer eventuellen Beförderung einhergehen mochte. Jost wusste es nicht. Er war einfach nur froh Freunde an seiner Seite zu wissen und etwas zu tun was seinen Vater sicher mit Stolz erfüllt hätte.

Doch wer hinter die Fassade blickte merkte das sich die schweren Zeiten auf die Gemüter der Wachleute niederschlugen. Jost wusste, würden sie nicht zu einer Einheit werden, würde das die Sache nur unnötig erschweren.

So kam es das Jost etwas in den Berichten der Wachleute schmökerte die vor ihm Dienst getan hatten. Eigentlich wollte er nur schauen wie die solche Dinge angegangen waren. Doch er fand etwas ganz anderes.

In einem der alten Wachberichte des Kastellans an den alten Hauptmann, war die Rede von einem feisten Umtrunk der Wachmänner der in Andenken an einen ehemaligen Wachsoldaten gehalten wurde. Er habe wohl noch versucht dies zu unterbinden,kam den Geheimniskrämereien der Rekruten und Gardisten jedoch nicht auf die Schliche. In dem Bericht des Kastellans war die Rede von einem Gelage das die Männer der Wache die „Sturznacht!“ nannten. Laut des Kastellans, so entnahm Jost dem alten Bericht, trafen sie die Wachmänner einmal im Jahr, meist irgendwann um diese Zeit, wenn es wärmer wurde zu einem geheimen Umtrunk.

Einmal die Seele baumeln lassen und die Last des Alltags vergessen. Dieser ganze Brauch ging wohl auf einen alten Kameraden zurück der sich Hermann Sturz rufen ließ. Dieser hatte dem Hauptmann nach einer durchzechten Nacht wohl übel mitgespielt. Worin sein Schabernack bestand und wie er dem Hauptmann eins ausgewischt hatte, konnte Jost dem Schreiben nicht entnehmen. Aber das spielte auch keine Rolle!

Sein Gesicht hellte sich auf wie er die Zeilen überflog und ihm kam eine Idee. Er würde diese alte Tradition der Wache Löwensteins wieder aufnehmen. Gerade in so schlimmen Zeiten wie jetzt konnten seine Kameraden etwas Abwechslung gebrauchen.Und Traditionen und alte Bräuche waren schon immer ein guter Anker gewesen um nicht wankelmütig zu werden! Er war sich sicher das diese Sache auch dem Zusammenhalt innerhalb der Truppe zuträglich seien würde.

So kam es das Jost mit ein paar seiner Kameraden darüber gesprochen hatte und zumindest jene,denen er schon davon berichtet hatte, waren dafür gewesen. So sollte Jost der Mann der Wahl sein um diese Sache vorzubereiten. Es würde ein hartes Stück Arbeit werden. Ersteinmal musste er alle Kameraden darauf einschwören, dann galt es Bier und Schnaps zu besorgen. Jede Menge zu essen und vielleicht auch noch ein paar halbnackte Tänzerinnen! Einen geeigneten Ort würde er auch noch auftreiben müssen!

Jost überlegte hin und her..ja das würde sicher die Moral etwas stärken! Ein leicht ungutes Gefühl hatte er jedoch als er an Hauptmann Stenneberg denken musste. Dieser würde vermutlich, sobald er Wind von der Sache bekam, die Sache umgehend unterbinden und Jost dafür disziplinieren.

Es galt also größte Vorsicht walten zu lassen um die Sache nicht vorher schon zum scheitern zu verurteilen!

Aber er freute sich darauf!
Zitieren
#3
Knisternd verbrannte der Brief im Feuer des Kamins. Jost stand einfach nur da und blickte gedankenverloren in die Flammen. Über seinem Gesicht lang ein schwerer,trübsinniger Schatten der die sonst so gutmütigen Züge des alternden Kämpen verhärtet erschienen ließ. Als ob die Zeiten nicht schon schwer genug waren, hatte ihn unlängst ein Brief der Frontkommandantur erreicht. Sein Bruder war gefallen, gefallen im Dienst des Königs.

Jost hatte ihn seit einigen Jahren nicht gesehen und hätte nicht angenommen das es ihn noch berühren würde. So war es nun mal,Soldaten starben.Das war ihre Aufgabe. Ihm war von seinem Vater stets eingebläut worden das es eine Ehre war sein Leben für die gerechte Sache zu geben. Doch irgendwie fühlte er sich in diesem Moment da der Brief von den Flammen zu Asche verbrannt wurde, dadurch nicht besser an.

Sein Herz fühlte sich an als hätte es jemand mit Steinen aufgefüllt, es in eisiger Umklammerung haltend.

Er wendete sich ab und wanderte unruhig durch das Haus. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen. In der Wache waren die Probleme immer noch allgegenwärtig und Jost fragte sich ein ums andere Mal warum er überhaupt noch versuchte alles zusammen zu halten.

Wer würde für ihn da sein wenn er Hilfe brauchte? Da war zum einen Magda,die ihm stets ein offenes Ohr schenkte wenn er eines brauchte und zum anderen seine alten Kameraden mit denen er zusammen die Hölle von Indharim überstanden hatte. Ja auf diese Menschen konnte er sich wenigstens verlassen, sie würden ihm immer eine Stütze sein.
Als er mit Magda am Fluss war und den Brief geöffnet hatte,fühlte er sich auf einmal sehr allein. Er war nun der letzte seiner Familie und würde den Schwur den er geleistet hatte nun alleine tragen müssen. Schon immer waren die Männer und Frauen seiner Sippschaft treu dem König ergeben gewesen und nun wusste er auf einmal nicht mehr ob er noch in der Lage war das fortzuführen.

Jost war es seinem Vater und nun auch seinem Bruder schuldig das, wusste er.
Anfangs war er fürchterlich sauer gewesen. Ihm überkam das Gefühl das sich sein Bruder, durch seinen Tod vor der Verantwortung gedrückt hatte und alles nun auf seinen Schultern lag. Dieses Gefühl wich aber allmählich der tiefen Bedauerung und Traurigkeit. Magda hatte ihm gezeigt das er Abschied nehmen musste. Auch wenn er ihrem Glauben weiterhin skeptisch gegenüber stand, verstand er doch die Wichtigkeit und vor allem Richtigkeit in dem kleinen Ritual das sie mit ihm vollzogen hatte.

Es war die Zeit gekommen die Dinge von einer anderen Seite her aufzuziehen wenn er weiterhin für des Königs Rechtschaffenheit eintreten wollte. Die Wache wurde zunehmend von innen heraus zerfressen und auch seine alten Kriegsgefährten wurden der Situation zunehmend überdrüssig. Im Krieg waren die Verhältnisse stets klar definiert, man musste sich nicht Übergriffen aus den eigenen Reihen erwehren. Es war einfacher..offensichtlicher. Aber hier in Löwenstein?

Nachdem er zurück gekommen war, hatte er feststellen müssen das in der Heimat nur noch die Ratten regierten. Die Abwesenheit des König schien alles weitere dazu zu tun. Tugendhaftigkeit war ein kostbares Gut das sich auf den Straßen Löwensteins der Tage nur höchst selten finden ließ.

Er wusste das man ab und an kleine Übel begehen musste um größere Übel zu verhindern. Aber er empfand es zunehmend als schwierig da noch eine Linie ziehen zu können. Wer nach Kameradschaft suchte, fand sie meist nur noch in denen auf die er sich Jahre lang schon verlassen konnte. Wer Freundschaft suchte musste genau hinsehen.

Jost machte sich keine Illusionen mehr, es gab nur eine Hand voll Menschen denen man überhaupt noch vertrauen konnte. Manchmal wünschte er sich, das der König einfach wieder zurück kehren würde um die Ordnung wieder herzustellen, doch darauf konnte er nicht spekulieren.

Jetzt da sein letzter Bruder gefallen war, würde die Sache für ihn nicht einfacher werden. Dennoch würde er nicht aufgeben. Er würde zum König stehen auch wenn alle anderen nur noch ihren eigenen Belangen nachgingen. In seinen Waffenbrüdern würde er die nötigen Mitstreiter finden. Blind hatte er sich stets auf sie verlassen können und das würde auch in Zukunft so bleiben.

Nocheinmal wanderte sein Blick zu den Flammen des Kamins. Das Spiel ihrer züngelnden Reigen einen Moment lang still beobachtend. Dann wendete er sich herum und verliesst den Raum, das Schwert seines Vater nahm er von der Wand.

Manchmal musste man sich anderen Dingen zuwenden um Gutes zu bewirken wenn man auf einem Weg kein fortkommen mehr sah.
Zitieren




Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste