Gerüchteküche in Löwenstein und Umgebung
#1
Das war nun selbst für ihre friedliebende, candarische Seele zuviel,
sah man einmal von der heimatlichen Fehde mit den Apfelfressern ab...
erst dieses Weibsstück, was es wagen wollte, ihre gebratenen Fischfilets anzufassen,
noch ehe sie welche davon gekauft hatte, dann ihr lautes Gezeter der Fisch sei schlecht und sie wolle die Leute vergiften und sie solle verschwinden, denn die einzige Löwensteiner Fischverkäuferin sei sie selbst und dann noch dieser scheinheilige Herr Jehann, den das Fischweib auf sie ansetzte.
Seine Magda... so benannte er das keifende Weibsbild... sicherlich war sie eine aus Ravinsthal und so etwas wie seine Leibeigene... sollte an ihrer Stelle stehen und Fische verkaufen, während sie selbst, doch gut vor dem Stadttor die Fischfilets verkaufen könne, so sein Vorschlag.
Und als sie nicht darauf eingehen wollte, wagte er es gar sie zu bedrohen... zumindest hatte es so gewirkt, auch wenn er eine Drohung nicht direkt ausgesprochen hatte...
und genau verstanden womit er eigentlich gedroht hatte, hatte sie auch nicht.
Irgendetwas von den lockeren Zungen seiner Söhne wie seiner eigenen hatte er gesagt... sicher war auch er und seine Familie aus Ravinsthal.
Einerlei! Gedroht und wenn auch nur irgendwie gedroht war eben immer noch gedroht!

Nachdem sie noch voller Entrüstung ihrer Schwester von den Geschehnissen berichtet hatte,
machte sie sich auf den Weg...
so sollten nach und nach alle umliegenden Höfe und deren Besitzer oder Pächter vom zänkischen Fischweib „Magda“ des Hauses Jehann erfahren, die es sich erlaubt hatte in solch schwierigen Zeiten, wo man einander eher half, statt sich die paar Heller gegenseitig streitig zu machen, die einem das Überleben sicherten, ihren Candarischen Ruf zu beschmutzen.
Und war nicht vor drei Tagen erst in der Löwensteiner Gösselpost gewarnt worden vor den Ravinsthaler Marktschreiern und Marktschreierinnen?
Was hatte der alte Jehann seine Magda noch gleich am Ende gefragt? Ob sie heute beim Apell der Wache anwesend sein würde, was sie bejahte.

Der Himmel mochte Drachen frei sein, aber es zogen Wolken auf...
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#2
"Soweit kommt es ja wohl noch!" dachte sich die kleine, rundliche Fischhändlerin, als sie nach der Auseinandersetzung ihrem Herren folgte. "Ich erober mir hier einen guten Platz und dann kommt da so eine Dahergelaufene an und will mir meine Kundschaft wegnehmen? Aber nicht mit mir. Wer sich mit einer aus Ravinsthal anlegt, der muss schon aus härterem Holz geschnitzt sein."

Nicht nur, dass sie den Fisch der Frau, die sie kurz vorher auf den Feldern vor Löwenstein kennen gelernt hatte, vor möglichst vielen Leuten madig gemacht hatte, nein - sie hatte auch noch ihren Herren auf sie gehetzt.

Eigentlich hatte sie nicht viel zu befürchten, aber eine Konkurrenz und dazu noch genau vor ihrer Nase, das ging ihr massiv gegen den Strich. Und nun holte sie zum nächsten Schlag aus. Sie hatte sich einige sehr alte Fischköpfe aus dem Müll der Taverne besorgt und diese im Stall in einer uneinsehbaren Ecke in Wasser einweichen lassen. Ein Latrineneimer mit Deckel war da genau das richtige.

Oh, die Löwensteiner hatten doch keine Ahnung, wie sehr alter Fisch stinken konnte! Oder doch? Auf jeden Fall würden sie bald eine kleine Kostprobe davon bekommen.

Nachdem der Eimer bei dem schönen Wetter eine Weile im warmen Stall gestanden hatte, damit der Inhalt seine ganze umwerfende Wirkung erzielen konnte, schlich sie sich bei Dunkelheit in den Stall, bewaffnet mit einem Quast, der eigentlich nur aus fransigen, alten Stoffffetzen bestand, die an einen Holzstock gebunden waren und holte den Eimer. Diesen brachte sie dann zum Eingang der Markthalle, genau zu dem Punkt, an dem die Händlerin gestanden hatte. Nun brauchte sie nur noch ein wenig Geduld, bis die Straßen leerer wurden, damit sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnte.

Das Glück und Chronos waren ihr hold!

Als der Waffenmeister Gallagher auftauchte und mit ihrem Herrn auf offener Straße eine geschäftliche Besprechung vor der Taverne begann, war ihre Stunde gekommen. Diese Gruppe dort mitten auf der Straße zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Sie schleppte den Eimer hinüber, in den Schatten des gegenüberliegenden Hauses, holte tief Luft, öffnete den Deckel, tauchte den Quast ein und lief dann in einem unbeobachteten Moment hinüber zur der besagten Stelle, um diese großflächig und -zügig mit dem stinkenden Extrakt zu tränken, dabei atmete sie nur ganz flach durch den Mund, um selbst nicht allzuviel von dem Gestank einatmen zu müssen.

Wieder zurück im Schatten des Hauses warf sie den Quast achtlos an der Hauswand entlang ins Dunkle, nahm den Eimer und schleppte ihn in die dunkelste Ecke hinter dem Zunfthaus. Dort ließ sie ihn einfach stehen. Dann ging sie zurück zu der Gruppe auf der Straße, ihre Arbeit war für heute vollbracht. Abgerundet wurde dieser beinahe perfekte Abend allein noch durch den Verkauf der letzten Fischstücke an die nette, alte Dame Drakenquell, die nicht einmal bemerkte, dass ihre Verkäuferin selbst unangenehm müffelte, da etwas von der Fischjauche auf ihren Ärmel gelangt war.

Sie liebte ihr neues, aufregendes Leben in Löwenstein!
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#3
Es stank bis zum Himmel und zwar wortwörtlich.
Schon als sie noch einige hundert Schritt von der Markthalle entfernt war, trieb der leichte beinahe frühsommerliche Wind den Gestank die Straße hinauf.
Das Tuch vor Nase und Mund war gewiss praktisch um eine Ansteckung der Hexerkeuche zu verhindern aber diesem beißenden Gestank hatte es nichts entgegenzusetzen oder zumindest nicht genug.
Sie beschleunigte die Schritte, die Ursache des Übels noch nicht ausmachen könnend, in der Hoffnung aber gleich daran vorüber zu sein.
Auch neben ihr und hinter ihr beschleunigten die Leute ihren Gang und pressten sich vor Münder und Nasen was sie gerade in Reichweite hatten, sei es auch nur ein Ärmel oder ein Kragen.
Gedämpftes Gemurmel wurde dabei laut, es könnt ein neuer Seuchenausbruch sein, ganz gewiss hatten sich einige Leute nicht an die Reinlichkeitsgebote gehalten.
Sofort fiel ihr Magda ein. Bestimmt gehörte die Jehannsche Sardellenpulerin auch zu denen... so wie die neulich ihren Nasenrotz hoch gezogen hatte, hielt die sicher auch vom waschen nichts!
Brrrb, innerlich schüttelte sie sich vor aufkommendem Ekel, der aber auch dem Güllearoma geschuldet war, welches ihr schier den Magen umdrehen wollte, denn inzwischen musste sie dem Ursprung des Jaucheduftes sehr nahe gekommen sein.
Inzwischen rannte sie und hielt erst inne, als der Würgereiz weniger und sie befreit durchatmen konnte.

Beim freien Himmel, welch glückliche Fügung, dass es nach etlichen Wochen gelungen war, einen Teil der heimatlichen Schafherde über die Grenze zu bringen, sodass sie nun nicht mehr gänzlich auf den Fischverkauf angewiesen waren... gestern gaben die Schafe das erste Mal Milch nach der langen Quarantänezeit und die Wolle die die Familie gleich mitgeschickt hatte konnte sie auch an den Schneidersmann bringen.
Ganz insgeheim freute sie sich nun, dass sie noch keine Milch gehabt, als die Jehannsche Forellenflossenauszupferin danach gefragt hatte.

Und irgendwann würde sie sich auch genau wieder dort hinstellen wo die stand, dieses Mal dann mit Absicht... aus Prinzip!
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