FSK-18 Auszüge aus dem Tagebuch von Larija
#1
Aus dem Tagebuch von Larija - Erinnerungen an die 2. Ankunft

Mein Leben begann vor einem Jahr. Nun eigentlich begann es vor etwa 19 Jahren. Davon liegen 18 im Dunkel, ich kann mich an fast nichts erinnern. Nicht diese erste Zeit als kleines Kind, von der fast keiner mehr etwas weiß. Es ist ein allgemeines und vollständiges dunkles Tuch, das sich über meine Erinnerung ausgebreitet hat.
Die Dunkelheit kam auf dem Weg nach Galatia, kurz vor Erreichen der ersten Insel. Sie kam bei Wellengang, sie kam durch ein unachtsam angebundenes Tau und sie löschte den Schmerz des Schlages an die Stirn gnädiger Weise mit aus. Aus der Ohnmacht erwachte ich auf dem Rückweg nach Löwenstein. Die Schiffsbesatzung war so freundlich gewesen, mich bis dahin einigermaßen zu versorgen und durchzufüttern. Naja am Ende war ich sowas wie das Schiffsmaskottchen, dem man schon mal die weniger faulen Äpfel zusteckt. Trotzdem bleibt eine Frau auf einem Schiff voller Männern ein Problem, sofern sie kein zahlender Passagier ist. Bevor die Blicke zu gierig wurden, erreichte das Schiff wieder Löwenstein und ich nutzte die Gelegenheit, wieder an Land zu gehen. Dort wo ich losfuhr, kam ich also wieder an. Alles war so unbekannt wie bei meiner allerersten Ankunft.
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#2
Eine Ankunft ohne Erinnerung ist wie eine normale Ankunft? Weit gefehlt. Spätestens als mir der 3. Wachmann hinterherpfiff, wahrscheinlich genauso ohne Gedächtnis wie ich selbst, als etliche der Bürger der Stadt mich mit Namen begrüßten und als mein Bankfach nicht so leer war wie mein Magen, da bekam ich ein schlechtes Gefühl. Womöglich lauert hinter der nächsten Ecke nicht einfach mal ein Räuber, sondern ein Ehemann mit einer Schaar Kinder und schlechter Laune, weil er sich die letzten Wochen sein Essen selbst machen musste. Ich glaube, ich ziehe derzeit den Räuber vor. Da weiß man was einem erwartet und ein schneller Tod ist einem unverhofften Familienleben allemal vorzuziehen.
Gut wenn man etwas rechnet, so viele Kinder können es dann doch nicht sein. Eins oder zwei aus dem gröbsten bereits heraus… ICH NEHME DEN RÄUBER!
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#3
Der erste Tag endete in einem einigermaßen bequemen Bett der Taverne, zum Glück allein. Der nächste Tag sah mich früh auf dem Markt. Das Geld im Bankfach schrie förmlich danach, sich in Kleidung zu verwandeln. Das böse Erwachen kam, als der schicke rote Rock nicht gegen Schillinge, sondern gegen eine Kommode aufgerechnet werden sollte. Mein Verstand bat verzweifelt, dass dies eine Anwerbung für einen Diebstahl wäre, vergebens. Der Händler kannte mich seinen Worten nach von früher. Wir wären doch so gute Geschäftspartner gewesen und die Möbel von so guter Qualität und wo war ich nur so lange.
War ich früher ehrlicher gewesen? Allein dass das Gespräch keine Wendung auf einen Ehemann nahm, verlieh meiner Fantasie neuen Ansporn und ich erzählte ihm ausgiebig von einer Suche nach neuen Holzarten. Diese Geschichte würde ich am besten jedem so erzählen, irgendwie klang es sogar vertraut und nicht falsch. Kannte ich mich bei Holz vielleicht wirklich aus?
Ein roter Rock in meiner Hand brachte mich in das Hier und Jetzt zurück. Beim Schwelgen in Erinnerungen an frühere Geschäfte und mit der Begründung auf noch zu schlagendes Holz erstritt ich den Rock zum halben Preis, ebenso ein leichtes Leinenhemd und das ganze für eine neue Kommode und 15 Fackeln. Natürlich bei sofortiger Mitnahme der Kleidung. Hinter der nächsten Ecke begann ich zu rennen. Nach drei Straßen weiter blieb ich stehen. Ich hatte keine Schuhe erstritten, typischer Anfängerfehler.
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#4
Löwenstein kann man eigentlich mit einem Krapfen voller Zuckerguss vergleichen, der bereits ein paar Tage in einer Pfütze liegt, obendrauf lecker, etwas weiter unten noch genießbar und ab der Mitte nach unten widerlich vergammelt. In diesen Pfuhlen sollte es doch irgendwo eine Müllhalde geben, wo ich eine Kommode finden würde. Folgerichtig wanderte die neue Kleidung dann in die Bank und ich begann mit meiner Suche. Immerhin war ich einen bindenden Vertrag eingegangen und musste ein schickes Möbelstück liefern. Ich hatte ja sowas wie Ehre, naja und ich brauchte vor allem noch neue Schuhe.
Es gab eine Gegend namens alter Hafen. Eigentlich leicht zu finden. Man folgt dem Geruch nach alten Fisch für die grobe Richtung, passiert die Tavernen mit den tagelang liebevoll immer wieder aufgefüllten Pfützen von Erbrochenem und Urin an ihren Ecken und sucht nach dem süßlichen Duft aus einer Mischung von geronnenem Blut und der Lust von Freiern und Dirnen. Diese Wegbeschreibung kostete mich 3 Heller und einen Blick auf meine rechte freie Schulter. Eigentlich roch die Kajüte des Kapitäns auf dem Schiff genauso. Nur war der Weg dorthin nicht so voller Unrat und Scherben. Wahrscheinlich würde ich einen Schnitt in den Fuß nicht überleben. Tapfer folgte ich der Spur und sichtete wider Erwarten keine Haufen alter Möbel.
Trotzdem hatten einige der Buden, denn als Häuser geht sowas selbst in einem Alkoholrausch nicht mehr durch, etwas Vertrautes. Kannte ich die Gegend? War ich hier mal gewesen, tags oder nachts?

Oh bei den Göttern: KANNTE ICH MICH HIER ETWA IM DUNKELN AUS?
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#5
Die nächste Erinnerung hatte ich erst wieder weit außerhalb des Stadttores auf einer Lichtung im Wald. Einer meiner Schuhe fehlte, dabei hatte der Tag doch so schön begonnen. Dass sich der verbliebende weigerte, beim schwungvollen Schütteln des Beines davonzufliegen, machte es eigentlich nicht besser. Hatte ich geflucht und wenn ja auf wen? Ein Mann mit grüner Kleidung, braunem Haar mit Pferdeschwanz sowie Schnauz- und Kinnbart fand das Ganze offenkundig so interessant, dass er mir unentwegt zusah. Ich habe mir damals mit Sicherheit gewünscht, der verdammte Schuh würde ihn treffen, wenn er endlich einmal von meinem verdammten Fuß gehen würde. Aber so etwas würde ich niemals zugeben. Wenigstens war ich nur für ihn der Gegenstand einer guten Possenreißerei, für den Blick der Wache war ich bei Weiten zu tief im Wald. Also setzte ich mich in das Gras der Lichtung, zog den Schuh mit den Händen aus und warf ihn in weitem Bogen in die Büsche vor ihm. Natürlich kam er nun auf mich zu und natürlich hatte auch noch eine Axt in der Hand. Dem alten Hafen hatte ich nur einen Schuh Tribut gezollt, um dann vor dem Stadttor auf einen Räuber zu treffen. Dabei hatte der Tag doch wirklich schön begonnen.
Erst als seine Worte das zweite Mal an mich gerichtet wurden, erreichten sie am Ende mein Bewusstsein: „… endlich mal wieder da. Komm hoch und belade jetzt das Pferd hier mit dem Holz und treib es zum Hof. Dann mach dir deine Kammer sauber, sei froh dass ich nicht alles als Lager genommen habe. Nun mach schon…“.Der Himmel über mir wurde fast schwarz: Ohhh bei den Göttern, nicht doch ein Ehemann.
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#6
Der Mann in grün entpuppte sich als mein Lehrmeister, Ley Animar, wie konnte ich das nur vergessen? Nachdem er sah wie es um mich stand, räumte er selbst meine Kammer auf, nur um mich dann ins Bett zu schicken und wohl jeden Heiler des Landes zu mir zu rufen. Der Reigen der gelehrten und weniger gelehrten Männer und Frauen dauerte Tage. Als willkommenes und gezwungenermaßen fügsames Objekt ihrer Studien lernte ich die tiefsten Abgründe menschlichen Schaffens im Bereich Tinkturen und Einflößen derer in verschiedene Körperöffnungen zum Zwecke der Heilung meines Gedächtnisses kennen. Es gab erstaunlicherweise sogar Tränke, die angenehm schmeckten, zumindest auf dem Weg hinein. Nach tagelangen Experimenten stand jedoch am Ende immer wieder eins fest: Mein fehlendes Gedächtnis besiegte das Wissen des Heilers und Ley bezahlte dessen Unvermögen stets mit gut gefüllten Beutel an Münzen.
Nach und nach wurde mit klar, dass ich wohl auch ein umfangreichen Wissen über Holzarten, deren Bearbeitung und das Gestalten von allerlei Möbelstücken besessen haben musste. Nun machten die Worte des Händlers auf dem Markt auch Sinn. Ob ich Ley dazu bringen könnte, mir meinen neuen roten Rock aus der Banktruhe zu holen?
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