FSK-18 Sühne
#1
Die grässliche, alles verhüllende Düsternis der Nacht liegt erbarmungslos mit grimmiger Endgültigkeit über den Dächern Löwensteins. 
Stille hüllt die Fassade der sonst so geschäftigen Stadt in einen Mantel der Unwirklichkeit. Wie ein träger Koloss liegt sie da, aufgedunsen und fett. 
Ein Mahnmal der Sündhaftigkeit. Bereit, längst überfälliger Bestrafung zugeführt zu werden.

Sonnenlos. Gottlos. 

Dunkel, Schutzpatronin derer die danach Streben ihr unheiliges Treiben geschützt vor dem flammend strafenden Blick Mithras‘ zu frönen. 
Wie Ratten huschen sie durch die Schatten und wähnen sich sicher. Glauben das Licht würde sie hier nicht finden, nicht urteilen, sie nicht richten. 
Heiden. Narren. Wie sehr sie doch im Unrecht sind. Wie blind.

Sündhaft. Schuldig.

Samuel steht völlig entblößt in einer Pfütze aus Blut und Schweiß, den starren Blick direkt auf das glimmende Herz aus Kohle in der Feuerschale vor ihm geheftet. Seine Gedanken sind in Aufruhr. 
Seine Augen haben Feind geblickt und aus nächster Nähe dessen blasphemisches Handeln erleben müssen. In den Flammen vor sich durchlebt er die schemenhaften Erinnerungen des Tages. Schon vor Stunden hat er jedes Zeitgefühl verloren und die Welt um ihn herum zerfließt zu Schlieren aus Qual und Scham.

Verrat. Schande.

Seine Innerstes fühlt sich schmutzig an. Sein Geist schreit nach Läuterung und sein Körper wird sie erdulden müssen. Buße. Er muss Buße tun. 
Die Muskeln spannen sich an. Ein Ruck. Die Rechte schnellt hoch. Ein feuchtes Klatschen ertönt als der Lederriemen die Haut seines Rückens wie reifes Obst platzen lässt 
und sich tief in das weiche Fleisch darunter frisst. Nur ein Seufzen kommt über seine Lippen als die zusammenfahrenden Schultern das Kreuz in eine krampfhafte Biegung zwingen.
Der Schmerz muss ertragen werden, denn Pein reinigt die Seele. Er fühlt wie frisch ausgetretener Lebenssaft seine Wirbelsäule hinabrinnt und Schauer beuteln ihn als Tropfen, die sich von seinem Gesäß lösen 
durch ihren Fall in den Pfuhl zu seinen Füßen ein sanftes Plätschern von den kalten Steinmauern wiederhallen lassen. 
Wie hatte all das nur geschehen können?
 
Feind. Brudermörder.

Weiß gewordene Knöchel entspannen sich langsam. Zitternde Finger verlieren den Halt über die feuchte Lederkoppel und diese rauscht zu Boden, 
wo sie wie eine tote Schlange liegenbleibt als Samuel ekstatisch das Nachtgebet rezitierend auf beide Knie fällt. Endlich blickt er wieder klar. 
Die Tortur hat seine geschundene Wahrnehmung gewetzt wie eine Klinge, den Verstand geschärft.
Als er den Bußgürtel über den Oberschenkel zieht ist er wieder Herr seiner Sinne. Sein Glaube ist stark, so stark, dass er nicht aufschreit als er die Schnalle spannt 
und Dornen aus blankem Stahl dabei tief in sein Bein treibt. Als er bei jedem seiner Schritte zurück in den Tempel von neuen, heißen Wogen der Marter überflutet wird 
erfüllt ihn nichts als zelotischer Eifer.

Sühne. Katharsis.
Ich bin der Hammer. Ich bin der Panzerhandschuh um seine Faust. Ich bin der Speer in seiner Hand. Obwohl wir verloren sind, bin ich der Schild an seinem Arm, bin ich der Flug seiner Pfeile.
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