FSK-18 Weidenkätzchen
#1
Ich bin jetzt seit einem Mond in Candaria. Ein paar Wochen länger auf Amrhan. Interessante, erschreckende, furchteinflößende Woche. Wochen in denen ich seltsam angeschaut wurde. Wochen in denen ich nicht wusste wohin mit mir oder wie ich am besten an etwas zu essen käme. Wochen in denen die seltsame Jurin unter Fremden war. Es war wie ein Staffellauf. Jeder Schritt auf den Strassen konnte mein Letzter sein. Zumindest fühlte es sich so an. Meister Winterbach hatte mich versucht vorzubereiten. Das was er mir gab, reichte gerade so für die Seereise. Und bei all den Anweisungen, Befehlen und Ratschlägen die er mir noch eingeprügelt hatte... es war nicht genug.
Chucai war für mich stets ein Ort voller Schrecken und Wunder gewesen. Ich dachte höher konnten Menschenhände nicht bauen. Es war voller Leben und Krach. Ein Ort des Wissens und Lernens für mich. Ein Ort an dem ich zu dem gemacht wurde, was ich heute bin.
Doch Chucai ist ein Dorf verglichen mit Löwenstein. Es nahm mir den Atem als ich bei der Hafeneinfahrt schon die Löwenburg über den Klippen thronen sah. So viele Menschen und so viel Stein. Tausende verschiedenster Gerüche und Geräusche, dass mir schwindelig wurde. Ich wusste sofort, das ich hier nicht bleiben konnte und wollte. Sie hatte Respekt vor jedem Freien in dieser Stadt. Jeden Tag hier zu überleben ohne die gemütlichen Polster eines Adelstitels oder des bürgerlichen Daseins. Für sie unvorstellbar. Nicht nur auf Grund der Härte dieser Stadt. Dies war in Chucai nicht anders gewesen. Doch war es hier so farblos und kalt. Die Welt schien so weit weg. Getrennt von Fallgittern und Zugbrücken trottete der Alttag in Löwenstein dahin. Es war erstickend.

Und so suchte ich weiter. Und ich fand etwas wundervolles. Ein wahres Juwel. Ein Schatz der nur darauf wartete das ich Teil von ihm würde.
Candaria war in so vielem der Juretai ähnlich. Diese saftigen, grünen Weiden die sich über das Lehen erstreckten. Die Sonne die jeden Tag ungehindert auf meiner Haut brennen konnte. Es war kühler, vor allem in den Morgenstunden. Und doch konnte ich die fruchtbare Erde riechen und die Pferde auf den Wiesen wiehern hören,  konnte das Meer an den Klippen zerschellen hören. Hier habe ich nun ein eigenes Heim. Eigene Kleidung, eigene Möbel, Tiere und ein Stückchen Land auf dem ich mein Gemüse pflanze. Ich besitze nun Dinge! Dies alles gehört mir. ICH gehöre mir. Manchmal erwische ich mich sogar dabei gänzlich mein altes Leben zu vergessen, welches überhaupt nicht Meines war. Jeden Atemzug den ich nun tue, tue ich bewusst und mit Stolz im Herzen.
Canadria hat etwas ganz Besonderes an sich, das ich sonst nirgends gesehen habe. Seine Bewohner. Erst war es befremdlich und ich hatte meine Zweifel. Doch sie sind, was sie scheinen zu sein: Freundliche, hilfsbereite und offene Menschen aus allen Winkeln der Welt. Sebastien war der Erste gewesen. Und seit unserem ersten Treffen hat er mir, jeden Tag aufs Neue, die Sprache verschlagen. Er hat mich, ohne mich und meine Geschichte zu kennen, sofort aufgenommen. Sein Lächeln war das erste, was ich von Candarias Einwohnern zu Gesicht bekam und es hat mich kalt erwischt. Kälter als ich es eingestehen wollen würde.

Ich habe viele Aufgaben. Dinge die ich gerne tue. Ohne Androhung von Strafe und ohne das sie mir als Befehl auferlegt werden, gehe ich ihnen jeden Tag nach. Es ist ein gesunder Rhythmus. Stetig wie ein jurischer Trommelschlag. Es bringt Körper und Geist in Einklang und hält mich bei Laune.
Es sind nur noch Narben von dem übrig, was einst mein Leben war. Keine Gedanken will ich mehr an die Juretai verschwenden. Weder an das Land, an dieses Volk, noch an Meister Winterbach, welcher stets mein Mentor und mein Peiniger gewesen war.

Es ist nun an mir etwas aus dem zu machen, was die drei Unsterblichen mir schenkten.
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#2
Der kalte, fest getretene Boden ist deutlich durch die dünne Lederhaut und das Laken zu spüren. Ich rieche die Erde, und wie sich dieser Geruch mit den vieler Körpern vermischt, welche auf engstem Raum zusammen gepfercht sind. Ich höre das Atmen meiner Schwestern während sie schlafen. Eine unruhiger als die andere. Je nachdem was für einen Tag sie hinter sich hatten. Ich kann Jarah leise weinen hören und die eiserne Note von Blut in der Luft riechen. Sie hatte keinen guten Tag gehabt.
Jede Nacht umgibt mich dieses Meer an Sinneseindrücken. In machen Nächten droht es mich zu ertränken. Dann wenn auch ich keinen guten Tag hatte...
Ein dünnes Fell, ein Stück Stoff, der als Decke dienen soll, und ein Kissen, ausgestopft mit etwas trockenem Heu. Es ist kein Schlafplatz für normale Menschen. Für Menschen mit Stand und selbst für viele ohne Stand wäre es wohl eine Zumutung. Doch ich bin nichts davon. Ich bin, wie meine Schwestern, mit denen ich diesem Raum teile, Besitz. Wie Meister Winterbach immer sagt: "potenzielles Kapital". Ich bin wieder eine von sieben Gebrannten. Ich bin zurück in Chucai und es fühlt sich an als wäre ich niemals weg gewesen. Jarahs schluchzen wird lauter, also krabbel ich zu ihr und leg ihr meine Hand über den Mund. "Sch...sch...Jarah. Willst du das der Hausvater kommt?" flüster ich ihr zu. Das zittern in meiner Stimme lässt sich nicht verbergen. Doch Jarah kann sich nicht beruhigen. Sie hält sich den krampfenden Bauch und der Geruch von Blut ist derart intensiv das mir ganz schwindelig wird.
Arme Jarah. Sie hat es schwer getroffen. Sie ist älter als wir anderen und hübscher. Sie hat schon einen richtigen Busen und der Hausvater mag sie am liebsten. Meister Winterbach schaut weg, wenn eine meiner Schwestern "ins Bett müssen". Wir alle schauen weg. Um keinen Preis auffallen. Man lernt hier schnell sich so unsichtbar wie möglich zu machen. Nur die arme Jarah nicht. Ich lege mich neben sie, die Hand immer noch auf ihrem Mund um ihr Klagen zu dämpfen. Ich streichle ihr über die Haare, in der Hoffnung sie würde sich beruhigen. Ein nervöser Reiter, kann das scheuende Pferd nicht besänftigen. Es hilft nichts. Und ich höre die Schritte. Da ist das beängstigend vertraute Licht unter dem Türschlitz und das Klicken des Schlosses. Ich halte den Atem an und bete zu den Dreien, das Jarah endlich ihre Klappe hält.
Der orange Lichtkegel einer Laterne durchschneidet die Dunkelheit des Raumes, als die Türe sich öffnet. Mir bleibt fast das Herz stehen und ich presse meine Hand mit all meiner Kraft auf Jarahs Lippen.
Die Dunkelheit kehrt erneut ein, als die Türe sich nach endlos scheinenden Momenten wieder schließt. Der Schlaf überkommt mich, meine magere Hand immer noch auf Jarahs zitternden Lippen. Als ich am morgen aufwache hat das schluchzen und wimmern aufgehört. Ihr Körper ist eiskalt und ihre leeren Augen stieren mir entgegen. Wir sind nur noch sechs. Dem Hausvater wird das gar nicht gefallen. Ich krabbel zurück auf meinem Schlafplatz und es ist nun an mir lautlos in mein Kissen zu weinen.
Dies wird ein schlechter Tag für uns alle... und ich höre schon seine Schritte. Ich rufe die Göttinnen an, das ich meinen Tag wieder bei Meister Winterbach verbringen darf. Kein schlechtes Gewissen. Hier ist jeder für sich. Chucai ist nicht wie die Steppe. Hier braucht es keinen Stamm zum überleben.
"Khiri! Wasch dich und geh hinauf zum Meister!" kommt die ölige Stimme sofort als die Türe sich öffnet. Ich rappel mich auf so schnell ich kann, steige über die erwachenden Körper meiner Schwestern. Ich stolpere fast über den reglosen Körper Jarahs und flüchte auf den Hof. Die frische Morgenluft trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht und auch wenndie Sonne sich gerade erst über den Horizont wagt, steigt schon der schwüle Wind eines heißen Tages auf. Ich höre den Hausvater brüllen, als ich mir am Wassertrog das Gesicht wasche und krampfhaft versuche Jarahs Blut von meinem Kleid zu waschen. Die Göttinnen haben mich gehört. Ich bin seinem Zorn entgangen...
Mit lautlosen Schritten tragen mich meine nackten Füsse wieder hinein ins Haus. Ich komme vorbei an der Kammer des Hausvaters. Die Tür steht offen und man hat einen guten Blick auf sein zerwühltes Bett. Die Lederriemen die am Kopfende hängen, sind wie eine stille Warnung. Eine Erinnerung daran möglichst unsichtbar zu bleiben. Es geht die Treppen hinauf, vorbei an des Meisters Arbeitszimmer, seinem Labor, dem Esszimmer und ich klopfe dreimal an die Türe seines Schlafgemachs. Als ich eintrete sitzt Meister Winterbach, wie jeden Morgen, an seinem Tisch und nimmt sein karges Frühstück zu sich. Er ist ein so schrecklich dürrer Mann. Es scheint das all die Energie die er zu sich nimmt sofort von dem wachen, ständig grübelnden Geist in seinem Kopf vereinnahmt wird. Er sieht auf als ich eintrete und mustert mich mit strengem Blick. "Wessen Blut ist das, Khiri?" fragt er sofort und seine Tonlage sagt mir, dass er keine gute Nacht hatte und nur eine knappe, präzise Antwort geduldet wird. "Jarah ist nicht mehr, Herr." kommt meine piepsige Stimme und ich senke den Blick ergeben vor ihm. Ich sehe nicht wie er darauf reagiert. Das will ich auch gar nicht. "Zieh das verfluchte Kleid aus und setz dich aufs Bett. ich lasse dir später ein neues bringen." Es ist eisig kalt in seiner Kammer. Im Kamin liegt Tage alte Asche. Meister Winterbach beendet sein Frühstück in aller Ruhe, als würde ich nicht existieren. Dann setzt er sich zu mir, streicht über das Brandzeichen auf meinem Rücken und flüstert mir zu: "Heute üben wir ein paar neue amrhanische Redewendungen, Khiri..."



Als meine Augen sich öffnen bin ich wieder in Hohenquell. Ich bin wieder in der Gegenwart. Und in dieser klebt mir das Nachtkleid schweißnass auf der Haut. Ich liege allein auf dem Boden. Kein Geruch fremder Körper und alter, trockener Erde. Nur der Duft der Felle auf denen ich schlief und die harzige Note frisch geschnittenen Holzes aus der kleinen Werkstatt. Es war nur ein Traum... und doch war es mehr. Eine Erinnerung. Eine von vielen. "Ich mag Betten einfach nicht."
Es wird Zeit den Tag zu beginnen. Die Tiere haben Hunger und ich muss die Nachwehen dieser Nacht aus meinem Geist vertreiben.
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#3
Löwenstein... der Ort an dem meine Reise seinen Auftakt nahm und wo sie scheinbar, mit einem kleinen Schlenker, wieder enden wird. Und doch trieb es mich gestern noch nach Candaria zurück, auf dem Rücken meines Pferdes. Ich trieb den Hengst wie eine Wahnsinnige auf der Flucht über die Weiden des Lehens, bis wir beide, mit zittrigen Beinen und atemlos, Pause machen mussten. Ich weiß warum es mich hier her zieht. Candaria ist der Steppe der Juretai so ähnlich. Weit und frei... egal wo man steht, der Horizont ist überall zu sehen. Hier bekommt man eine Vorstellung dafür wie weit das Land ist. Wie groß diese Welt ist auf der wir Leben. Es lässt einen demütig vor der Schöpfung der Götter niederknien. Anders als in Servano, wo der Horizont da beginnt, wo die Bäume aufhören, immer den Kopf heben müssend um den Himmel zu sehen. Kein Wunder das die Menschen dort derart hochnäsig sind. Und wo Candaria ein etwas blaueres Spiegelbild der Steppe ist, da ist Löwenstein die große Schwester Chucais. Und ebenso wie in Chucai, erwarten mich dort in der Königsstadt Ketten aus Gold.
Meister Winterbach sagte immer, ein Leben in Unfreiheit ist das beste was einem passieren kann, wenn man das Glück hat an einen Herren zu geraten, dem etwas an dir liegt. Keine Verantwortung, keine Sorgen, keine eigenen Gedanken oder Gefühle. Dienen, knien, gehorchen und dafür genährt und beschützt werden. Will ich mich derart ausliefern um feige die Verantwortung für mein Leben abgeben zu können?
War es wirklich einfacher, damals in der Juretai?

Tanju senkt den Kopf ans Ufer des Baches und trinkt durstig, während ich mich neben dem drahtigen Hengst ins feuchte Gras setze. Langsam aber sicher kündigt sich der Herbst an. Erste kühle Schauer kommen hier und da vom Himmel, vertreiben mit ihren grauen Wolken die Sommersonne. Nachts wird es auch kühler und irgendwie habe ich Angst vor dem Amrhanischen Winter.
Angst... ich glaube kein Wort spreche ich ich öfter, denke ich öfter und fühle ich öfter. Mein Blick geht auf zu meinem Pferd, ein schmales Lächeln kräuselt meine Lippen. Ob Pferde wohl solche Ängste haben? Immerhin sind sie Fluchttiere... Geschöpfe Eponas... so wie ich. Und ich bin, mal wieder geflohen, wie es Geschöpfe wie ich und Tanju halt tun. Fort von dem was uns Angst macht, in der Hoffung nicht gefressen zu werden.
Ein tiefes Seufzen rollt über meine Lippen, tief aus dem Bauch heraus und es tut so gut. Keine Räume aus Stein, keine Wände aus Holz... keine Grenzen, keine Käfige. Und auf das Seufzen folgen die Tränen, von denen ich heute schon etliche vergossen habe. Doch hier fühlen sie sich gut an, wenn der Wind so auch noch kälter meinem Gesicht entgegen pustet und mich frösteln lässt. Zumindest spüre ich mich hier. Und auch wenn meine Gedanken wie bei einem Herbststurm hier und da aufblitzen und so schnell auch wieder verschwunden sind, fühlt sich mein Geist leichter an. Dafür scheint mein Herz all das Gewicht zu tragen.

Stunden sitze ich dort, sein Gesicht vor Augen, bis die Sonne schon lange untergegangen ist und mir immer kälter wird... es ist Zeit heim zu kehren. Zurück zu ihm.
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#4
Das ganze Haus roch muffig. Wie nasse Wollkleidung die man im Winter über den Ofen legte, damit sie trocknete. Es gab der Luft im Raum eine gewisse Note und da es sich um Grabmoos handelte lag noch ein ganz anderer süßlicher Duft über dem Haus. Mit einem ganzen Korb voll des feuchten Mooses kam sie heute nach Hause. Eigentlich auf der suche nach Zuckerrüben, fand sie einen kleinen, frischen Teppich des Mooses in Ravinsthal. Wie könnte sie es stehen lassen?
Khiri mochte keine Gelehrte oder Alchimistin sein, doch wenn sie sich mich mit etwas auskannte dann mit den Pflanzen, Kräutern, Pilzen und Bäumen der amrhanischen Wälder. Jahrelang hatte Meister Winterbach sie darin unterrichtet. Sie hatte Pflanzen auf dem Papier kennen gelernt, die sie nie zu vor in ihrem Leben in der Juretai zu Gesicht bekam. Umso überraschter war sie damals gewesen, als sie zum ersten mal den Südwald betrat, alles genauso zu vorzufinden, wie er es ihr eingetrichtert hatte. Da waren Bäume die den Horizont verschluckten, in Bodennähe wuchs verschiedenstes, glitzerndes Moos über ihre Wurzeln. Gleich darunter versteckten sich eine Vielzahl interessantester Pilze und wenn man diese nun so vor der Nase hatte, erschlug einen die schiere Vielfalt ein wenig. Natürlich konnte sie einen Egerling von einem Schwefelkopf unterscheiden... und doch wollte sie auch den giftigen Pilz mit sich nehmen. Das war die Neugier einer Fremden in einem neuen Land. Khiri kannte die Wirkung der meisten Kräuter und Pflanzen die hier wuchsen. Sie wusste sie vorzubereiten, sodass Meister Winterbach nicht mehr hacken, trocknen, destillieren und mahlen musste...
Nun würde es Alden sein, dem sie diese lästige Arbeit ersparen würde.  
Und so machte sie sich am Abend daran die Küche in das Schlachtfeld einer Kräuterhexe zu verwandeln. Hätte die Jurin den Mut gehabt sich aus dem Badehaus eine Wäscheklammer zu stibizen - sie stand zwanzig Minuten vor dem Haus, nervös auf- und abgehend, ehe sie diese Idee als Blödsinn verwarf - hätte sie nun nicht derartig gelitten. Es war eine Sache gewesen, als das Moos über einem Kessel auszuwringen und die Flüssigkeit zu einem dicken Sud einzukochen. Dies hinterließ eine leicht gammlige Note, die ihr immer wieder in die Nase stieg. Doch es war zu ertragen. Sie würde dringend baden müssen, nach all dem.
Der Sud wurde in eine kleinere Glasflasche abgefüllt und bei Seite gestellt. Es würde abkühlen müssen, ehe sie sie zukorken konnte. Und nun war das Moos selbst dran.
Moose hatten Khiri immer fasziniert. In der Steppe gab es sie ebenso. Doch dort zeigte es sich meist als feste, trockene Platten auf dem sandigen Boden. Nicht sonderlich interessant.
Ihre schlanken Finger pflückten ein Stück ab und sie betrachtete es ganz genau. So dicht vor die Nase gehalten, sah so ein Stück Moos selbst aus wie ein kleiner Wald. Es gab dort drinnen so viele winzige, interessante Einzelheiten zu entdecken und es glitzerte dank der Nässe so hübsch im Kerzenschein. Khiri musste zusammen nehmen. Am liebsten hätte sie ewig hier gesessen und sich dieses kleine Wunder angeschaut. Doch würde Alden sicher bald heim kommen und sie wollte bis dahin fertig sein. Sie erlaubte sich keine Trödeleien. Nur Kinder trödeln und selbst bei denen sieht man das nicht gern. Also ging die Arbeit weiter. Sie zerrupfte die kleinen grünen Kunstwerke der Natur und verteilte sie auf einem großen Buchenbrett. Danach kam ein zweites Brett darüber und das ganze wurde zum trocknen auf den angefeuerten Ofen gelegt. Um die Jurin herum lag eine Duftwolke süßlicher Verwesung. Nun roch sie auch noch wie eine Kräuterhexe. Und ihre Küche gleich dazu. Sie öffnete die Fensterläden und die Laternen der Bogengasse warfen orangenes Licht auf ihr Gesicht. Nun hieß es auf etwas Wind zu hoffen, der den Geruch mit sich hinaus in die Welt tragen würde.
Der Sud war abgekühlt, wurde ordentlich verkorkt, die Flasche beschriftet und hinab zu Aldens Arbeitsplatz gestellt. Dort wo auch die Bündel frischen Salbeis und die Handvoll Gnadenkrautwurzeln lagen, welche sie noch vor der Stadt gefunden hatte. Ob er sich darüber freuen würde? Oder mochte er all die Reagenzien lieber selbst vorbereiten. Nun spätestens morgen würde sie es herausfinden.

Mit Handtuch und ihrer Kernseife bewaffnet ging sie hinab ins Badehaus, während das Moos vor sich her trocknete. Es war Zeit den schimmligen Gestank von ihrer Haut und aus ihren Haaren zu waschen.
Die Sonne war schon vor einer Weile untergegangen und so lag das Waschhaus leer da. Das Wasser in den Becken hatte sich merklich abgekühlt. Und so setzte sie einen Kessel zum kochen auf und wartete eine Weile, ehe sie sich von ihrem Sommerkleid befreite und in das Becken stieg. Bis zum Kinn tauchte sie in das warme Wasser. Eine Gänsehaut überzog ihren Körper ob des plötzlichen Temparaturwechsels und sie genoss das sanfte Kribbeln auf ihrer bronzenen Haut. Zehn Minuten des Nichtstuns würde sie sich gönnen. Kurz nur die Augen schließen und genießen. Und schon gingen ihre Gedanken auf reisen. Ein zartes Seufzen quälte sich zwischen ihren Lippen hervor. Hätte Hohenquell doch nur ein Badehaus gehabt. Es hatte seine Vorzüge im kalten Bach zu baden, wenn es richtig heiß war. Doch an einem Tag wie diesen gab es nichts schöneres als sich in heißem Wasser aufzuweichen. Es zog leicht an ihren Oberschenkeln. Ein Muskelkater kündigte sich an. Und er würde kommen, selbst wenn sie Stunden hier im warmen Wasser sitzen würde. Ihre Gedanken kreisten weiter zu dem Mann der heute Abend wieder nicht zuhause war. Sollte sie warten bis er zuhause war? Oder sollte sie müde von dem Bad einfach ins Bett und hoffen morgen neben ihm aufzuwachen? Sie wollte zu sehr in seinen Armen einschlafen. Also würde sie sich wachhalten müssen...
Ganz rot war ihre Haut, nachdem sie sie kräftig sauber geschrubbt hatte. Aus einem Tiegel nahm sie etwas der duftenden Lavendelsalbe und rieb ihren ganzen Körper damit ein. Es linderte die Rötung und gab der dunklen Haut einen ganz besonderen Glanz, machte sie samtweich. Für ihn... dachte sie sich und lächelte glücklich in sich hinein.

Wieder zuhaus, war das Moos immer noch etwas feucht, also feuerte sie den Ofen an. Die Nächte wurden sowieso immer kälter. Sie setzte sich wieder an den Küchentisch und räumte all die Reste des Mooses weg, wischte einmal über die Platte. Dann goss sie sich ein Glas Weißwein ein, lehnte sich zurück, legte gar ihre Beine locker auf der Tischplatte ab und starrte aus dem Fenster zum Himmel auf. Es konnte nicht mehr so lang dauern. Die Mitternacht kam mit zügigen Schritten näher und der Wein stieg ihr zu Kopf, ließ die Zeit schneller vergehen... und verstärkte die vom heißen Bad eh schon hervorgelockte Müdigkeit. Sie schlief auf dem Stuhl ein, anstatt in den Armen ihres Liebsten. Der Tag hatte seinen Tribut gefordert... und setzte sich in ihren Träumen fort...
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