FSK-18 Zu den Wurzeln zurück
#1
Es war der erste Schritt in dieser Gegend seit Jahren. 
Ein zögerlicher, lautloser Schritt zurück ins Leben, wenn man es so dramatisch ausdrücken wollte... denn Dramatik war schon immer ihre Art gewesen. Tragödien, Ärger, Trauer, Streit, Liebeleien, Trennungen und Solcherlei folgten ihr auf Schritt und Tritt wie in einem kitschigen Schauspiel. Dies war ihr altes Leben gewesen.
Dieser Schritt bedeutete für sie mehr als nur eine banale Körperbewegung. Es war ein einschneidender, ja wichtiger Schritt, als ginge sie durch eine Tür im Dunkeln, unter welcher am Boden ein sanftes, warmes Licht zu sehen war. 
Fast war es wie damals als sie das erste mal den Pier des Löwensteiner Hafens betrat. Nach Wochen auf See, endlich wieder festen Boden unter den Füssen. Und genauso fühlte es sich gerade wieder an. Nur das aus Wochen Monate wurden und aus Monaten Jüber ein Jahr. Und diesmal wurde sich nicht von einer ermutigend sommerlichen Meeresbriese begleitet. Die letzten Jahre waren eine Zeit ohne viel Gesellschaft und das sonst stetig folgende Drama. Es war Fluch und Segen zugleich. Es hat ihren Geist ins Gleichgewicht gebracht und ihn genauso an den Rand des Wahnsinns getrieben. Die Stille hatte sie die Götter sprechen hören lassen. Die Einsamkeit hatte sie näher zu eben Diesen gebracht. 
Sie war ein Schatten ihres früheren Selbst, wie sie da stand, umgeben von der winterlichen Kälte. Eingewickelt in einen alten Umhang des Rabenkreises, der inzwischen kaum mehr als solcher zu erkennen war. Dreckig, zerfleddert und dutzende Male wieder zusammengeflickt. 

Ein seltsames, beklemmendes Gefühl durchströhmte Elda als sie ihrer Heimat nun wieder so nahe war. Sie ging in die Knie und berührte mit der flachen, bandagierten Hand die Erde unter sich. Eine liebevolle Berührung die man wohl einem alten Freund zukommen lassen würde. Der Dreck unter ihren Fingern war kalt, hart und unnachgiebig, was sie kurz schnaufen ließ. Der Kopf, versteckt unter einer weiten, schwarzen Kapuze richtete sich gen Osten. Dort lag ihr Ziel. Dort lag eine Möglichkeit den losgelassenen Faden ihres Lebens wieder aufzunehmen. Die Götter hatten es ihr geflüstert. Sie war soweit...
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#2
Es war ein Rammler der da bei den Grabsteinen saß und an, wie es den Anschein hatte, etwas Grabmoos knabberte. Der tiefe Winter hatte sein Fell in ein helles Grau gefärbt, welches im Licht der untergehenden Sonne golden schien. Das arme Vieh fand wohl in der tief gefrorenen Erde nichts anderes zu knabbern mehr und griff nun auf die letzten Möglichkeiten zurück seinen Körper am Leben zu halten. Und so saß es für eine ganze Weile auf seinen Hinterläufen, die langen Ohren zuckten zu allen Seiten. Und trotzdem bemerkte es den Fuchs nicht der sich da langsam heran schlich. Der Schnee verschluckte wohl einen Großteil der Geräusche und das arme Tierchen sah sein Verderben nicht kommen, als es da fröhlich an dem Moos nibbelte. Es war ein schneller, gnädiger Tod. Der Fuchs sprang hervor, die Zähne bohrten sich in das Genick des Rammlers. Ein kurzes Zucken der Hinterläufe, ein letzter Versuch sein Schicksal zu bekämpfen, doch es war vergebens. Der Schnee über den Gräbern wurde mit dem warmen Blut des Nagers getränkt. Es war ein interessanter Anblick, dem Fuchs dabei zuzusehen wie er sich an dem armen Tier labte. Fast eine Stunde lang betrachtete Elda dieses Schauspiel der Natur. Das Fenster an dem sie saß war milchig beschlagen - eine Wechselwirkung der Eiseskälte des Winters und des heißen Wassers in dem Holzzuber in welchem sie gerade saß - und immer wieder musste sie die Scheibe mit ihrer nassen Hand freiwischen um alles genau sehen zu können. Sie war gefangen in makaberer Faszination.
Als der Hase verschlungen war, glitt sie zurück in das inzwischen deutlich kühlere Wasser und schloss die Augen. 
Jedes Ereignis dieser Welt war ein kleines Wunder. Jeder Herzschlag ein genialer Streich der Götter. Sie schufen diese Welt und alles was auf ihr wandelte und geschah. Man dachte niemals darüber nach wie dies alles zustande kam und wie erstaunlich es war, dass die Welt sich derart im Gleichgewicht halten konnte. Die Waage schwang unaufhörlich von einer Seite zur anderen. Doch nie gewann eine Seite die Überhand. So war es immer gewesen und so wird es immer bleiben. 
Sie dachte an all die Konflikte und Gefahren die Amrhan momentan in ihrem Griff hielten und Elda lächelte. Es war ein selbstbewusstes, wissendes Lächeln. Eine Geste der inneren Ruhe. Die Waage wird wieder ins Gleichgewicht kommen. Das Schicksal ist unausweichlich. Man musste sich einfach fallen lassen und dem Faden folgen den die Einundzwanzig für jeden flochten. 
Ihr Faden führte sie an einen Ort, an den sie vorher nie viele Gedanken verschwendet hatte. Vor zwei Tagen sahen ihre Pläne noch ganz anders aus und es brauchte nur eine einzige zufällige Begegnung auf den Straßen Löwensteins und das Blatt hatte sich komplett gewendet. 
Sie dankte den Göttern dafür und nahm es nicht für selbstverständlich hin, obwohl sie noch nicht erahnen konnte wohin dieser Weg sie führen würde... 
Wozu auch? Ihrem Schicksal konnte sie doch nicht entkommen. Würde sie es ändern, gar verhindern können, wenn sie es kannte? Würden die Götter dies zulassen? Das lag wohl in keines Menschen Hand. Und so gibt man sich dem Willen der Götter hin und genießt die Zeit und die Möglichkeiten die einem geschenkt werden.
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#3
Schwarze Löcher welche jegliches Licht verschluckten, drehten und wanden sich immer und immer wieder. 
Man konnte nicht fortblicken, man konnte sich nicht entziehen. 
Man sank immer tiefer und tiefer. 
Einem Moor gleich versuchte man sich frei zu strampeln, in verzweifelter Panik dem Sog zu entkommen. 
Doch ließ es einen nur noch tiefer niedersinken. 
Ein Malstrom der das Herz in seinem kalten Griff hielt und mit sich zog. 
Hinein in die unendliche Dunkelheit dieser widernatürlichen Magie, umschlang es einen mit seiner eisernen Kälte. 

Hier unten gab es weder den Schimmer des Mondes, noch die Strahlen der Sonne. 
Hier existierten keine Götter, keine Wärme, kein Leben.
Das kreischen wurde ohrenbetörend.
Bohrte sich wie Messerstiche in ihr Hirn, wärend sie der übermächtigen Gewalt des Strudels nachgab.
Kreischend kratzte es über ihr Bewusstsein, wie spitze Nägel über eine Granitplatte.
Dünne Fäden roten Blutes liefen von ihren Ohren über ihren Hals und sie schrie nach dem Gott der ihr Schicksal lenkte.
Zwischen ihren zitternden Lippen hervor kam jedoch nur ein leises Wispern.
"Galates..."
Ihre Lungen, ihres letzten Bisschens Luft beraubt, krampften sich zusammen und sie drohte zu ersticken - im schwarzen Strudel zu ertrinken.
Ihre Lippen formten tonlos abermals das selbe Wort. 
So fühlte es sich an zu sterben.
Ein grausamer Übergang der sie entzwei zu reißen drohte...

Und dann.... warme Hände die sie packten und mit einem Ruck aus dem Sumpf dieser Augen zogen.

Ihr Wams war durchnässt von Schweiß und klebte klamm an ihrer Haut, als Elda aus dem Schlaf gerissen wurde. Panisch richtete sie sich auf der harten Pritsche auf, drückte den Körper an die Wand. Sie hatte nur einen instinktiven Gedanken im Kopf: Flucht.
Es dauerte einige qualvolle Lidschläge lang ehe sie zu Bewusstsein kam und erkannte wo sie war und... das sie lebte. Sie wurde sich nur langsam ihrer Umgebung gewahr und ein stetig pulsierender Schmerz in ihrer linken Hand riss sie immer mehr zurück in die Realität. Ihre Hände hatten krampfhaft versucht sich an der Holzwand in ihrem Rücken festzukrallen und das kostete sie ein paar abgebrochene Fingernägel.
Ihr schweißnasser Körper verlor mit einem mal jegliche Anspannung und sie sank in sich zusammen.
"Danke, dunkler Vater..." krächzte sie leise in das dünne Kissen unter ihrem Gesicht.
Elda hatte ihre Beine nah an den Körper gezogen die Arme fest um sie geschlungen. Da erst bemerkte sie den lockeren, von Wundwasser benetzten Verband an ihrer Hand. Der Schmerz der Verbrennung pocherte, wie ein leiser Trommelschlag der sie stets an die unheilvolle Berührung erinnern wollte.

Das Zittern war wieder da und so griff sie nach der Flasche, die sie in der Nacht zuvor noch neben die Pritsche gestellt hatte. Die entkorkte das Gefäß und sofort stiegt der Geruch von Alkohol, würzigen Kräutern und der muffige Duft von Pilzen in ihre Nase.
Sie trank einen großen Schluck von dem Wein, ihre Hände bebend die Flasche haltend. Ihre Augen waren tränennass und das rote Haar klebte ihr noch an der Stirn. Das glühende Rot ihrer Wangen schien all die kleinen Sommersprossen zu verschlucken, welche sonst ihre Gesicht schmückten. 
Es dauerte nur wenige Augenblicke und der Schmerz in ihrer Hand wurde stumpfer. Das Pochen ihres Herzens, das Rauschen des Blutes in ihren Adern langsamer. Die sanfte Betäubung von Körper und Geist trat schnell ein. 

Das Zittern hatte aufgehört. Ihre Nerven waren beruhig und gebändigt. Die sie ständige begleitende Angst verschwand und die Erinnerungen an die gestrige Nacht, an das Untote Wesen im Kerker, das sie zu verschlingen drohte, traten in den Hintergrund. Elda rüstete sich wie sie es jeden morgen tat. Sie schlüpfte in das enge, weiche Leder und bewaffnete sich mir ihrem Gürtel, der so viele wichtige Dinge trug. Sie war bereit sich dem Leben wieder für ein paar Stunden zu stellen und Elda zu spielen.
Ein neuer Tag an der Front. Ein neuer Tag im Krieg. Und jeder dieser Tage kostet sie etwas mehr ihrer Seele.
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#4
Träume...

Es gab Menschen denen war es vergönnt Abends ins Bett zu gehen, einzuschlafen, neue Energie zu tanken und am nächsten morgen frisch erholt aufzustehen und den Tag zu beginnen. Elda war keiner dieser Menschen. Sie war noch nie ein guter Schläfer gewesen und mit den Jahren wurde es schlimmer. Der Alkohol hatte ihr eine Zeit lang geholfen. Das war Jahre her. irgendwann wurden es die wildesten Kräutermischungen und schlussendlich gänzlich betäubendes Laudanum. Nikolaj war es gewesen der ihr damals, nach einer sehr unruhigen Nacht, das erste Fläschchen schenkte. Alle weiteren musste sie bezahlen, wie jeder andere auch. Es war der Anfang vom Ende gewesen und es gab nur wenige Nächte in denen sie ohne vernebelten Geist einen erholsamen, traumlosen Schlaf geniessen konnte. In solchen Nächten hatte ein Mann neben ihr gelegen. Genau wie in dieser Nacht. Sie öffnete müde ihre Augen, dabei war sie doch gerade erst eingeschlafen? Vor sich sah sie einen blonden Haarschopf auf einem weichen Daunenkissen gebettet. In einer liebevollen Art die ihr völlig natürlich schien und in diesem Moment angebracht, schmiegte sie ihren Körper an den Rücken des Mannes neben ihr und schlang ihren Arm um ihn. Die flache Hand lag über seinem Herzen und sie spürte jeden einzelnen starken Schlag in seiner Brust. Schlaftrunken drehte er sich zu ihr um. "Konstantin" seufzte sie voll verzweifelter Sehnsucht, dass ihr das Wort gar aus dem Traum glitt und sie es an die Brust des Mannes murmelte in dessen Armen sie gerade tatsächlich lag. Und es ging ihr durch den ganzen Körper. So lange hatte sie ihn schon nicht mehr gesehen. Sein Gesicht nur noch eine verschwommene Erinnerung und doch war alles so echt. Es gab eine Zeit, eine lange Zeit in der sie ihn einfach nicht loslassen konnte. Und dann besuchte er ihre Träume immer seltener. Das Gefühl von Verlust blieb all die Jahre. Und nun war er wieder hier. Er roch nach Konstantin. Diese herbe, wilde Note. Er fühlte sich an wie Konstantin. Er war immer ein bisschen zu warm gewesen, als würde in ihm ein stetes, ungesundes Feuer brennen. Und da waren diese Augen. Blau wie Damaststahl und sie verlor sich darin.
"Du bist nicht wieder zurück gekommen" Jedes mal die selben verletzten Worte und sie kannte die Antwort schon. Sie wusste wie das hier ausgehen würde. 
"Aber ich bin doch hier." antwortete er perplex als wäre er nie wirklich weg gewesen und all die Jahre ohne ihn waren in Wirklichkeit der böse Traum. 

"Bleibst du hier? Für immer?"
"Solange du mich hier haben willst Elda."
"Versprichst du es?"
"Ich kann nichts versprechen. Es liegt allein in deinen Händen..." Es gab keine weiteren Worte. Beide verloren sich in einem Kuss der die Zeit still stehen ließ und ihre Körper wurden Eins. Sie hatte ihre zweite Hälfte wieder. Sie war komplett. Der Riss in ihrem Herzen wieder geheilt. Sie war wieder das junge Mädchen aus dem alten Hafen. Das Mädchen, das ihre Tage im Wachmann verbracht und mehr oder minder liebevoll Püppchen genannt wurde. Konstantin zu berühren und seine Lippen auf ihrer Haut zu fühlen war eine grausame Art der Erinnerung. Eine Mischung aus Qual und Ekstase. Sie wusste ganz genau wie unecht dies alles war. Sie öffnete die Augen und sein blondes, strubbeliges Haar war blutgetränkt. Sein Körper lag leblos auf ihr und die eben noch blitzenden blauen Augen plötzlich stumpf und leblos. Sie versuchte sich verzweifelt von dem Leichnam zu befreien, während die Zeit immer schneller voran schritt. Sein Fleisch verfiel und seine Haut spannte sich wie brökeliges Pergament um seine Knochen. Sie schnappte nach Luft, drohte an der wachsenden Panik zu ersticken und wurde aus dem Schlaf geschleudert.


Elda schreckte auf. Immer noch mit einem Bein in der nebeligen Welt der Träume, wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Starke, breite Arme umschlossen ihren zitternden Leib wie einen schützenden Käfig. Sie war nicht in der Lage irgendetwas zu sagen. Sie war nicht einmal in der Lage zu ihm aufzusehen. Sie zog die Beine wieder fest an ihren Körper, umschloss sie mit ihren Armen und kniff die Augen zu. Die Hoffnung auf einen traumlosen Schlaf am Rande ihres Bewusstseins.

Erst war dort Dunkelheit. Dann spürte sie wie ihre nackten Füsse über feuchtes, weiches Moos und Laub traten. Dann kam das Sonnenlicht. Es war viele Lichtpunkte auf den Waldboden, als es durch das Blätterdach des Birkenwäldchens schien, welches sich ihr nun offenbarte. In ihrer Brust manifestierte sich der unbedingte Drang zu laufen so schnell ihre Beine es ihr erlaubten und so setzte sie an und begann zu rennen. Sie flitzte durch das Unterholz, sprang wie ein junges Reh über umgefallene Birkenstämme und Erdlöcher. Und es erschöpfte sie kein bisschen. Die Luft um sie herum pulsierte voller Energie und Leben. Es war wie ein Bad in frischem, kühlen Quellwasser. Sie konnte nicht genug davon bekommen. Dann sah sie einen Raben der über ihren Kopf hinweg flog. Er glitt hinauf in die Baumwipfel und tauchte ein paar Schritt weiter vorn wieder auf. Die Flügel wurden auf ihre volle länge ausgespannt und Elda konnte aufholen. Sie lächelte als sie dem Vogel in die Augen sah und erkannte wer dort mit ihr flog. Und wenig später hörte sie weitere Geräusche neben sich. Hufschläge, die in jeder anderen Umgebung gedonnert hätten wie Taranis Zorn, wurden hier vom weichen Untergrund gedämpft. Ohne an Tempo zu verlieren, kamen sie sich immer näher und Elda griff gekonnt in die schwarze Mähne des Hengstes und zog sich auf den sattellosen Rücken des Tieres. Gemeinsam mit dem Raben über ihnen preschten sie voran und brachen durch die letzte Reihe von Bäumen, welche die Grenze des Wäldchens anzeigten. Vor ihnen lag eine Weide, die sich in sanften Hügeln in die ferne erstreckte und nur von der Silhouette einer Siedlung unterbrochen wurde. Elda erwartete die Holzhütten ihrer Sippe vorzufinden. Schließlich war sie zuhause. Sie war auf Prenne. Doch je näher sie der Siedlung kamen, desto deutlicher wurden aus den Hütten Zelte. Jurische Zelte. Und plötzlich, als hätte jemand einen Schleier der Illusion gelüftet brannten die Zelte lichterloh. Die Flammen zischten und knisterten, wärend sie sich durch dicken Stoff und Häute frass. Sie hörte das Knacken der Holzstreben, wie sie unter der Hitze brachen. Und etwas Schrie lauter als es eine menschliche Stimme jemals könnte. Die Stille. Sie hatte das ängstliche Rufen von menschen in der Siedlung erwartet. Schreie von Kindern, die ihre Mütter suchten und andersherum. Doch es war keine Menschenseele dort. Die zelte waren verlassen gewesen. Elda konnte nichts anderes tun als dazustehen und ohnmächtig dabei zuzusehen. Saresh trat an ihre Seite und sah sie mit Anklage und Enttäuschung in seinen Augen an. Vishaya war an ihrer anderen Seite. Der selbe Blick. Es brauchte keine Worte. Dann kam ein Knall und noch einer.... und noch einer. Und sie hörte das bekannte, ominöse Pfeifen als Kanonenkugeln die Luft zerschnitten. Überall war Erde, Staub, Stein und Blut als die Geschosse alles in ihrer Bahn zerfetzten und Zerstörung über die Szenerie brachten. Elda machte sich so klein wie sie nur kannte und rief die Namen der Einundzwanzig flehend aus. Doch die Götter kannten keine Gnade. Unaufhaltsam fuhr die Vernichtung ihrer Traumwelt fort und sie lag mittendrin. Sie bat wimmernd um irgendeine Art von Erlösung... doch sie kam nicht.

Ihr Körper zitterte unaufhörlich und sie wand sich in der Umarmung des Mannes neben ihr. Immer mal wieder schlüpfte ein Wort des Flehens über ihre Lippen, doch schien der Traum sie eisern in seinem Griff zu halten. Sie vergrub ihr Gesicht, feucht von Tränen und Schweiß, an seiner Brust und ihre Arme suchten irgendeine Art von Halt als sie sich förmlich an ihn krallte. Als wäre er der letzte Anker der sie noch in der echten, realen Welt hielt und ihr zeigte dass Träume vergehen werden, suchten ihre Hände unaufhörlich Halt und schlossen sich um den breiten Oberkörper, während sie immer wieder atemlos unzusammenhängende Wortfetzen von sich gab... und so ging es die ganze Nacht. Irgendwann entließ sie der Traum aus seiner grausamen Umarmung. Doch nur um dem nächsten Alb platz zu machen...
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#5

Sie war schon lange nicht mehr das zierliche und hübsche Mädchen von einst. Die feine, delikate Silhouette von früher hatte weichen müssen. Dort wo einst eine schlanke Taille ihre breiten Hüften betont hatte, zeichneten sich nun mühsam erkämpfte Muskeln ab. Ihre Schultern waren breiter... stärker. Ihre Arme, die eines Kriegers. Alles hatte sich verändert. Die Welt stand im Wandel und so auch sie. Ihr Körper war in Stahl gehüllt. Das Gewicht des Krieges, das sie nie zuvor in solchem Ausmaß spüren musste. Was Nikolaj wohl dazu sagen würde? Ein Püppchen war sie wahrlich nicht mehr. Sie sah in einen der Spiegel in Algrids Laden. Sie hatte den Verband von ihrem Kopf entfernt und starrte ihrem Ebenbild entgegen. "Ich fürchte es ist kein schöner Anblick, das muss ich dir leider sagen..."
Es schmerzte. Es schmerzte mehr als sie gedacht hätte. Eitelkeit war nie ein großer Teil ihres Wesens gewesen und doch traf es sie schwer. Der Schnitt zog sich gewaltsam über ihr gesamte Gesichtshälfte und schlug eine tiefe, rote Kerbe vom Haaransatz bis hinab zu ihrem Mundwinkel. Innerlich lachte sie. Es passte so gut zu dem was in ihrem Innersten war. Nun trug sie ihren Charakter also nach außen. Keine Maske dieser Welt konnte das verdecken. Ihre rechte Hand hob sich zitternd und legt sich über ihr rechtes, gesundes Auge.
Dunkelheit.
Ein leichter Schimmer der von dem reflektierten Licht des Spiegels kommen musste, im sonst stumpfen Schwarz. Umrisse der Möbel waren verschwommen wahrzunehmen. Es war als würde sie in eine Schattenwelt blicken. Eine düstere Karikatur ihrer Welt. Sie öffnete das rechte Auge wieder und war zurück in Algrids Kammer. "Verstecken wir das lieber wieder schnell unter einem frischen Verband."
All ihre Hoffnung lag bei Gwendolyn, lag in den Händen der Götter.


"...Ich akzeptiere die Steine auf meinem Weg als Hürden, an denen mein Körper und Geist wachsen können, doch ist dies ein Hindernis das ich ohne deine Hilfe nicht überwinden kann."
Niemand konnte wissen ob Mabon sie erhört hatte. Vielleicht wusste Gwen es. Vermutlich sah sie, was sonst niemand sehen konnte. Doch sie sagte nichts. Sie schwieg auch als Elda die Blüten vom Stab pflückte. Sie wusste nicht ob es richtige und falsche Blumen gab. Sie wählte die aus die ihr richtig erschienen. Die welche zu ihr sprachen. Die Hitze die sich in ihrem Körper ausgebreitet hatte, als sie jede Blüte für sich aß, war unerträglich und gleichzeitig das schönste Gefühl, das sie jemals spüren durfte. Es fühlte sich an als würde eine Schlange aus flüssigem Licht durch ihren Körper kriechen und alles auf ihrem Weg in Flammen aufgehen lassen. Aus den Flammen wurde ein zartes Feuer. Elda betete darum das es ein Feuer der Heilung war.
Sie hatte sich noch mitten in der Nacht auf den Weg zurück nach Candaria begeben. Sie wollte in dieser Nacht nicht alleine sein. Als sie auf Saoirse stieg, wollte die Stute im ersten Moment in typisch wilder Gangart lospreschen. Doch schien das Pferd zu spüren, dass ihre Reiterin heute nicht mehr in der Lage sein würde, solch einen Ritt zu meistern. Elda beugte sich vor und legte den Kopf auf dem Hals des Tieres ab, die Arme darum geschlungen und so trabten sie von Lehen zu Lehen.  Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, ehe sie den Holzwall erreichten, der Hohenquell umgab. Eldas Körper glühte weiterhin in einem unnatürlichen Fieber, dass sie mehr antrieb als sie zu erschöpfen.
Er war nicht in seinem Zimmer gewesen. Wie gerne hätte sie sich einfach in die Felle gelegt und geschlafen. Doch irgendetwas nicht greifbares trieb sie weiter an und hielt sie auf den Beinen. Es war als würde eine unsichtbare Kraft an ihr ziehen und zupfen. Sie folgte diesem Gefühl und lief suchend durch Hohenquell als der Mond am höchsten stand. Es musste schon nach Mitternacht sein als sie diverse Wachen befragte und diese ihr schließlich eine grobe Richtung vorgaben. Langsam schienen die Flammen in ihr ihren Tribut zu fordern. Sie war so schrecklich müde. Der Rotschopf stapfte durch den seichten Bach um sich zu dem kleinem Chronosschrein zu begeben. Und dort lag er am Boden. Im ersten Moment hatte sie das Verlangen ihn einfach dort liegen zu lassen. Diese Szene für immer festzuhalten und sie nicht mit ihrer Existenz zu stören. Sie passte nicht in das Bild. Sie war der dunkle, dreckige Fleck auf dem Gemälde. Ab und zu schienen die Götter einen Moment der Kreativität auszukosten und dann schaffen sie gar sonderliche Dinge. Besondere Wesen, die so abseits der Norm waren, das sie Gefahr liefen vom Rest der Welt verdorben zu werden. Er war äußerst schützenswert. Etwas Außergewöhnliches und Eindrucksvolles. In ihm brannte ein Licht das Elda wärmte und zur gleichen Zeit schmerzhaft blendete.
Sie würden wie Nacht und Tag sein. Gewalt und Heilung. Schmerz und Liebe. Das alles ging ihr in den Sekunden durch den Kopf in denen sie zu ihm trat, vor ihm in die Hocke ging und er sich langsam aufrichtete.


Sie erwachte erst mitten am Tag aus einem tiefen, erholsamen Schlaf. Es war Jahre her, das sie derart ruhig und lange geschlafen hatte. Kein Traum hatte ihren Geist gebeutelt. Und nun wurde sie vom blendenden Licht der Mittagssonne geweckt, die ihr aufs Gesicht schien. Als sie sah wie das Licht Sulis' versuchte durch die schwarze Augenbinde zu dringen riss sie diese von sich und sofort traten ihr Tränen in die Augen. Ihre Hände befühlten das noch schläfrige Gesicht. Sie fühlte die Nähte nicht. Kein Schorf, kein Blut... nicht einmal ein Kratzer. Mabon hatte sie erhört!
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#6
Die Nacht wollte einfach nicht vorübergehen. Es war einer dieser Momente in denen es einem vorkam als würde die Welt sich mit Absicht langsamer drehen, um diese Augenblicke noch qualvoller zu machen. Sie sehnte sich nach dem Licht Sulis'. Nach irgendeinem Licht, das sie wärmen könnte, denn ihr war so schrecklich kalt.
Greifanger lag still und dunkel vor ihr und die Stimmung die sich vor Monden um die Stadt ausgebreitet hatte, kroch nun immer tiefer in ihr Herz und packte es, wie das geifernde Maul eines Steppenwolfs. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein registrierte sie das gewalttätige Rauschen der Wellen und wie sie an den Klippen zerschellten. Sie spürte durchaus den nassen Sand unter ihren Fingern. Doch, alles überdeckend, war da nur diese nasse Kälte und ein dumpfer Schmerz in ihrem Hinterkopf. Wäre da nicht dieser verfluchte Krieg, diese verfluchten Sandfresser, sie würde hier einfach liegen bleiben. Irgendwann würde Chronos sich ihren Körper schon holen. Doch diesen Luxus konnte sie sich nicht leisten. Sie wurde gebraucht. Sie hatte eine Aufgabe. Eine weitere Aufgabe die sie vermutlich versauen würde.
Man konnte es inzwischen fast schon als Talent verbuchen, wie sie es jedes mal wieder schaffte den Karren mit voller Geschwindigkeit gegen die Wand zu fahren. Und dabei alle Insassen zu töten. Und vielleicht noch ein, zwei Passanten mitzunehmen. Wenn sie etwas falsch machte, dann zumindest richtig. Das musste man ihr lassen.

Es gab so viele Dinge die ihrer Aufmerksamkeit bedurften. Die Zusammenkunft der Druiden war ein wichtiger Punkt und durchaus die Zuwendung ihrer Gedanken wert. Auch die momentane Situation in der sich nicht nur Candaria, sondern nun auch Servano befand, sollte in ihrem Kopf herumkreisen, wie ein Wirbelsturm aus Angst, Wut und noch mehr Angst. Doch alles was da war, war das elendige Zupfen an ihrer Seele, als wäre sie eine Laute die von einem Kleinkind gespielt wird. Schräge Töne und schmerzhaftes Ziehen an den Saiten. Sie wusste in welche Richtung es sie zog, doch bewegte sie sich nicht. Sie lag im Schatten und es war kein Licht in Sicht. Sie hatte es vertrieben. Sie hatte es verdorben... wie Anouk richtig bemerkt hatte. Sie wurde wieder der Fleck auf dem sonst so schönen, makellosen Gemälde und sie geißelte sich selbst dafür. Sie lag da am Strand, keine zwei Fussminuten vom Feind entfernt und es war ihr gleich. Ihre Kleidung wurde langsam aber sicher mit Salzwasser voll gesogen, als die Flut das Wasser ansteigen ließ. Angetrieben vom Lauf des Mondes, der der Sonne einfach keinen Platz machen wollte. Warum war ihr nur so schrecklich kalt?
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#7
Selbst der Schlaf würde keine Erlösung bringen.
Der kleine Krieger, der überhaupt nicht mehr klein war und dessen Fell sie in dieser Nacht wärmte, brachte keine Erlösung.
Artio brachte keine Erlösung... die Götter schliefen.
Elda nicht.
"Kannst du sie hören, kleine Druidin?"
Sie kniff die Augen zusammen und machte sich so klein wie sie nur konnte. So klein wie sie sich fühlte.
"Die Seelen der Gefallenen? Das Wehklagen der Toten die niemals sterben können?"
War da ein Schatten?
Sie hob den Kopf ein wenig, alamiert über den Platz schauend.
Dort lag Algrid und schlief.
Der Schrein lag totenstill vor ihr und da war ein Schatten...
und noch einer...
und noch einer...
und dunkle Klauen griffen nach ihrer schwachen Seele.
Sie vergrub das Gesicht im dicken Fell des Bären und wimmerte leise.
Hätte ihr Körper die Kraft gehabt, sie wäre gerannt.
Dann umschlang sie die Dunkelheit.
Alles was sie sehen konnte... der blutrote Schein des Auges.
Und niemand konnte ihr helfen.
Er hielt sie mit seinen Krallen und lähmte ihren Körper.
Niemals zuvor hatte sie sich derart ausgeliefert gefühlt.
Wo war das Licht? Warum gab es kein Licht mehr?
"Deine Einundzwanzig sind nicht die einzigen Mächte auf dieser Welt..."
Sie hatte die Götter angefleht und die haben sich nur die Ohren zugehalten.
Sie haben zugelassen, dass dieses Wesen ihre Seele berührt,
dass sein Schatten sich darum legt und einen Abdruck hinterlässt.
Vielleicht hatte er recht?
Hatten die Schatten recht?
Wo war das Licht geblieben?
Die Wunde brannte unter der verheilten Haut.
Warum griffen sie immer erst ein wenn es schon zu spät war?
Die Schatten drangen sich um sie... zitterten... tanzten
Und dann waren sie verschwunden
Da war ein Glimmen.
Licht?
Schlief sie?
War sie wach?
Das Schwert, das sie liebevoll Sulis' Kuss nannte, drang in seinen Körper ein.
Er zog sie näher und näher.
Die Klinge trat an seinem Rücken aus dem toten Fleisch.
Und dann war alles wieder weg.
"Du hast keine Ahnung vom Tod kleiner Mensch"
Die Schatten umhüllten sie wieder.
Formlos und doch menschenähnlich
Wie verlorene Seelen die nach dem Leben dürsten.
Nach ihrem Leben...
Sie griffen mit ihren langen Fingern nach ihr.
Sie waren überall und dann wieder verschwunden.
Weiße Flügel umschlossen sie mit einer derartigen Gewalt, dass es ihr die Luft aus den Lungen presste.
"Du wolltest doch mich! Lass sie gehen!"
War Algrid in Sicherheit?
Sah sie die Schatten auch?
"Aber ja... du hast recht... Ich will dich"
Sie umschlangen sie abermals.
Sie griffen durch ihre Haut
...durch ihr Fleisch
Sie rissen an jeder Faser ihres Seins
Elda wollte schreien, doch erstickte sie die manifestierte Finsternis
Die dunkle Fürstin stand daneben und sah zu
wartete...
lauerte...
Bis der Punkt käme an dem ihr Herz seinen letzten Schlag täte.
"Deiner Göttin ist es gleich wessen Blut fliesst."
Nicht nur Morrigú...
Ihnen allen war es gleich.
Elda war nur eine von Vielen.
Ein kleines Rädchen, das schnell ausgetauscht werden könnte
Sie war nur Blut und Fleisch für den Kreislauf
Ihr Sein hatte keine Bedeutung mehr.
"Was.. bist du?"
"Ich bin Aron."

Sie schreckte auf. Die Sonnenscheibe wagte sich langsam über den östlichen Horizont und tunkte den Himmel in ein Farbencrescendo.
Sie rannte und die Schatten folgten wie stumme Diener...
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#8
Ihr Blick lag auf dem bronzenen Schein der Rüstungen, wenn immer mal wieder das Mondlicht durch die Wolkendecke schien. Die Armbrust ruhte, gespannt und zum Schuss bereit auf ihren gekreuzt Beinen. Sie hatte die Bolzenspitze mit Schlamm beschmiert, so das der fahle Mond auf das Metall ihrer Munition nicht die selbe Wirkung hätte, wie auf die Rüstungen des Feindes. Sie saß dort und wartete. Doch es geschah nichts. Wie eine bronzene Mauer standen die Indharimer auf der Brücke und rührten sich kein Stück. Ob sie wohl untot waren? Derart diszipliniert konnte kein Soldat sein. Sie sah nicht einmal wie sich die Waffen bewegten oder einer der Männer das Standbein wechselte. Sie existierten dort einfach und es rührte sich nichts.
Und das wurde Stunde um Stunde langweiliger. Die Müdigkeit kroch schnell in ihre geschundenen Knochen. Ließ aber noch eine ganze Weile von ihrem Geist ab. Die Schatten folgten ihr weiterhin. Ab und zu erschrak sie noch. Doch wurden sie Tag für Tag mehr wie stumme Begleiter. Sie waren überall wo Elda war. Folgten ihr gar bis in die Schlacht. Nur in Gorms Höhle kamen sie nicht mehr. Sie warteten draussen. Das wusste Elda. Das spürte sie.
Erst als abzusehen war das es bald dämmern würde ließ sie sich auf ihrem Posten ablösen. Wie gerne wäre sie zurück nach Hohenquell, um sich dort in ihre Felle zu kuscheln und zu schlafen. Stattdessen bereitete sie sich ein Lager in einem der leeren Höfe. Sie war schnell eingeschlafen... und die Sonne ging auf.

...

"Wer bist du?" 

"Ich bin die Klinge Morrigús, das Feuer Sulis'. Ich bin Galates geflüstertes Wort und Artios Pfeil. Ich bin der Rausch mit dem Branwen dich segnet und das doppelzüngige Flüstern Easars. Ich bin ein Kind der Götter. Geweihte der Raben!" dies alles wollte sie ihm voller Zorn, Angst und Verzweiflung entgegen schreien. Doch riss sie der neue Tag aus dem Albtraum ehe sie den Mund aufmachen konnte. Wieder hatte sie gerade genug Erholung finden können um auf den Beinen zu stehen ohne zu wanken und Worte zu sprechen ohne zu Nuscheln. Eine Nacht wie jede. Und doch war etwas anders. Sie nahm ihren Posten in der Mittagssonne wieder ein. Still und leise ein karges Frühstück vertilgend und starrte auf die Insel in mitten des Sees.
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