FSK-18 Siubhail / Reisender
#1
Kapitel 1: Enbarrs Mähne
Die Nacht war eingebrochen und es würden nicht mehr viele Wochen vergehen, bis das Rad der galatischen Geschichte sich um ein weiteres Jahr weitergedreht haben würde. Trotz des milden Klimas im Vergleich zum Winter Amhrans hatte sich das Leben der Bevölkerung auf Reinos größtenteils auf die Stuben, Tavernen und sonstige, beheizte und der Gemeinschaft gewidmeten Räumlichkeiten zurückgezogen. Nicht, dass die Arbeit auf den Feldern und den Koppeln, in den Wäldern und Hügeln still stehen würde – nein, das sicher nicht. Doch wo die Tage kürzer und das Licht spärlicher wurde, fanden Gründe einen fruchtbaren Nährboden dafür, etwas früher vor allem die Tavernen des Inselreiches aufzusuchen.

Sara war, wenngleich die größte Siedlung und Sitz des Kleinkönigs von Reinos, ein Dorf in welchem man sich üblicherweise kannte. Und so dürfte es nicht wundern, dass ein Eckpfeiler dieses Zusammenhalts sich vor allem in den zahlreichen Metkrügen wiederfinden sollte, die an diesem Abend über die Theken der örtlichen Pinten wandern sollten. In einer solchen Taverne, dem „Enbarrs Mähne“, drang das Gelächter und die Ausgelassenheit der dort zusammengekommenen Galatier noch bis tief in die Nacht nach außen und erfüllte das Winterdunkel starrsinnig mit Leben. Das „Mähne“ wurde für seinen eigentlichen Namen mehr als einmal von Reisenden belächelt, bis tief beleidigte Galatier mit einer gehörigen Portion Empörung einen mit allerlei Flüchen garnierten Geschichtsunterricht über das sagenumwobene Einhorn abhielten, welches Chronos einst aus dem Meer formte. Das Einhorn, so erzählt man sich im Inselreich, war ein äußerst verspielter Vertreter seiner Art, was einige sogar vermuten lässt, dass eine Klüngelei zwischen Easar und Chronos die Art des Fabelwesens begünstigt haben könnte. In jedem Fall liebte Enbarr das Spiel, was dazu führte, dass er stets an die Küste tänzelte, um kurz darauf mit dem sich zurückziehenden Wasser wieder in das Reich seines Erschaffers zurückzuziehen. Das tat Enbarr viele Tage, wenn nicht sogar Jahre, bis er einsam und traurig wurde, da er seine Freude mit niemandem teilen konnte – denn das Land war, so gerne Enbarr es auch erkundet hätte, unerreichbar für ihn.

Chronos, der die Trauer seiner Kreation sah, hatte jedoch Mitleid und erschuf nach seinem Abbild eine Vielzahl weiterer Einhörner, die wie der einsame Einbarr ihren Gefallen am Spiel mit dem Wasser fanden. Und noch heute erzählt man sich, besonders wenn die See mit hohen, aufschäumenden Wellen an das Ufer brandet, dass Chronos wieder Enbarr und seine Schar losgelassen habe. Das Aufschäumen der Gischt wird dabei mit den wallenden Mähnen der Tiere in Verbindung gebracht – was wiederum zum Namen der Taverne führte, der nichts anderes als eine Ehrerbietung an den Herren der See und die pferdegleichen Wesen ist, insbesondere da man auf Reinos nicht nur seine Schifffahrt, sondern auch auf die Pferdezucht extrem stolz ist.

Diejenigen, die eine solch ausladende Geschichtsstunde genießen durften, hatten jedoch in der Regel nicht viel von ihrem Wissen, denn die Kehle durften sie sich fortan woanders befeuchten, wenn sie nicht riskieren wollten, direkt eine Tracht Prügel für ihre Unwissenheit zu kassieren.

Ich war an diesem Abend in die ‘Mähne’ gekommen, um noch einmal mit guten Freunden und Sippenmitgliedern Branwen zu huldigen, also im Klartext, mich ordentlich zu betrinken und am Ende vielleicht in den Schoß der einen oder anderen holden Maid zu fallen, die die Vorzüge einer Liebschaft mit einem Mann kannte, der bald die Inseln auf unbestimmte Zeit verlassen sollte. Also hatten wir uns dicht gedrängt an einem großen Tisch mit Rundumbank eingefunden und die Krüge, die über unseren Tisch gegangen waren, hatte keiner mehr so recht gezählt. Da Faerghas, der Wirt der Mähne, selbst bereits den einen oder anderen Krug intus hatte, war bereits absehbar, dass die Verhandlungen über Menge und Entlohnung des Gelages für einen anderen Tag aufgespart werden würden, wobei Verhandlungen in diesem Zusammenhang bedeutete, dass Faerghas meine Sippe als heillose Saufnasen beschimpfen würde, die nichtmal wüssten, wieviel sie versoffen haben und mein Vater, Ahaern, den Wirt als Panscher und Halsabschneider bezeichnen würde. Seltsamerweise endeten diese lautstarken Wortgefechte nur selten in einer handfesten Prügelei, sondern fanden ihren Abschluss darin, dass die sich gegenseitig überbietenden Beleidigungen so abstrus wurden, dass am Ende einer nicht anders konnte, als lauthals zu lachen - was die Situation wiederum so sehr entschärfte, dass man die beiden für beste Freunde halten würde und die Summe, die eigentlich schon seit Beginn der Auseinandersetzung im Raum stand, bis auf die letzte Münze von meinem Vater gezahlt wurde. Für denjenigen, der dabei stehen durfte, war das stets eine sehr unterhaltsame Angelegenheit, wenngleich ich nie verstand, warum wir Galatier zuerst so tun müssen, als wenn uns der Himmel auf den Kopf fällt - mögen die 21 uns davor bewahren - nur um am Ende doch klein beizugeben. Das nächste Scharmützel zwischen meinem Vater und dem alten Fearghas sollte ich allerdings nicht miterleben, denn meine Mitfahrgelegenheit auf der Ard-Aynlinn, einem Schiff unter dem roten Banner von Ruathan O’Fiacha, würde, solange der Krieg zwischen Amhran und Indharim tobte, langfristig die letzte Gelegenheit sein, nach Amhran überzusetzen. Ruathan, der seit langer Zeit ein guter Freund und Vertrauter war, wenn er sich denn einmal an Land blicken ließ, gehörte zu den Mitgliedern des Inselvolkes, über deren Existenz sich der Hochkönig in der Regel ausschwieg, um die diplomatischen Beziehungen, insbesondere nach Amhran, nicht zu strapazieren, da es vermutlich zu einem ausgewachsenen Konflikt hätte kommen, wenn die Festländer gewusst hätten, dass der Hochkönig die Freibeuter nicht nur duldete, sondern sie zwischenzeitlich auch unterstützte, wenn es Galatia nutzen konnte. Natürlich hätte dem Hochkönig das aktuell egal sein können, denn Amhran hatte mit den Sandfressern genug zu tun - doch wer wusste schon, was die Zeit bringen würde.

Ruathan und seine Mannschaft hatten sich über die Jahre den Ruf einer rücksichtslosen, kampfstarken Truppe aufgebaut, die es selbst mit dem ein oder anderen Kriegsschiff hätten aufnehmen können, was in der Realität jedoch eher selten vorkam und nur der Fall war, wenn eine Handelskogge in Begleitung segelte. Wehrhaft begleitete Handelskoggen wiederum waren für den Piraten nichts anderes als ein Schild auf dem in großen Lettern stand:”FEINSTE WAREN AUS AMHRAN! BRANDSCHATZT UNS JETZT! DREI SCHIFFE ZUM PREIS VON EINEM!”. Mit steigendem Bekanntheitsgrad hatte Ruathan Reinos immer weniger besucht und er wusste, dass er auch hier dem Krieg zwischen Indharim und Amhran dafür danken musste, dass allenfalls Landsmänner auf die Ard-Aynlinn treffen konnten, die in einer nahegelegenen Bucht vor Anker lag. Denn die würden keine Fragen stellen und erst Recht keinem Festländer erzählen, was da bei Reinos vor Anker lag.

Aber irgendwann, das wusste mein Freund aus Kindheitstagen, würde der Strom von Festländern vielleicht wieder zunehmen und dann galt es, sich einen Ort zu suchen, an dem man nicht Gefahr lief, auf offener Straße von jenen erkannt zu werden, die man zuvor ausgeraubt hatte. Der Hochkönig, das wussten er und seine Mannschaft, würde sie dann nicht in Schutz nehmen können und er sähe sich nicht nur Amhranern, sondern auch seinen eigenen Landsleuten gegenüber.

Umso mehr hatte es mich gefreut, dass der alte Seesack nicht auf seinem Schiff geblieben war, sondern zu uns in die ‘Mähne’ gekommen war und nun eine Ansprache darüber hielt, in was für große Fußstapfen ich seiner Meinung nach treten würde, während er die umstehenden durch wirres Geschwenke mit seinem Metbecher besprenkelte:

“.. und ich sag’ euch, unser erster Hochkönig, der hat’s genauso gemacht! Den juckten die Eier und er wusste, dass’ da draußen mehr sein muss als nur eine Hand voll Inseln mit rothaarigen Schwerenötern, die nich’ mehr können als ihre eig’nen Mütter zu sein!” Ein Aufjohlen der Menge, nicht nur an unserem Tisch und die ersten stolzen Männer von Reinos begannen, ihre Arme hochzukrempeln. Man konnte die Mischung aus Vorfreude der einen, dass gleich jemand eine richtige Tracht Prügel bekommt und der Vorfreude der anderen, diese Tracht Prügel zu geben, förmlich schmecken. Ich spürte die Vorfreude selber und musste bereits den Reflex unterdrücken, laut loszuprusten.

“... awer..!” Und dabei schwenkte der Freibeuter seinen Metkrug theatralisch und musste kurz sein Gleichgewicht auf dem Stuhl ausbalancieren, von dem aus der die Rede hielt und ich stellte mir die Frage, ob es überhaupt eine realistische Wahrscheinlichkeit dafür gab, dass Ruathan die ‘Mähne’ heute unverletzt verlassen wollte. Der ächzende und kippelnde Stuhl meldete seine Zweifel an und das beginnende Lallen des Kapitäns zeigte nur zu deutlich, dass der Einfall, Kornbrand mit Met zu mischen, zu einem inneren Diskurs von Ruathans Körper und seinem Kopf geführt hatte, der noch nicht ganz abgeschlossen war. “...was hat’s uns gebracht, frag’ ich euch?! Fein zur See gefahr’n isser, unser Aidan Cuchulainn, hat Abenteuer erlebt! Und dann…?” Ruathan nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Krug, während die Stimmung in der ‘Mähne’ zu Knistern begann. Wenn er jetzt noch anfangen würde, den ersten Hochkönig Galatias zu beleidigen, dann würde morgen vermutlich die ganze Taverne nicht mehr stehen. Mein Lachen begann langsam zu schwinden, während Ruathan die nunmehr schweigende Menge der Taverne ansah. Alle Augen waren auf den Piraten und seinen surreal wedelnden Metkrug gerichtet, bei dem man sich fragen musste, warum dort überhaupt noch etwas drin sein konnte, bei der Menge, die er schon verschüttet hatte.

Und gerade als ich dachte, dass er sich mit seinen eigenen Worten zu Fall bringen würde und die gesamte Taverne für einige Augenblicke in absolute Stille versunken war… begann Ruathan zu lachen. Er lachte so laut und so schallend, dass die gesamte Anspannung sich spürbar aufzulösen begann und ein hörbares Murmeln den Tavernenraum erfüllte, ehe sich der Freibeuter wieder gefangen hatte und noch einmal ansetzte:

“Ich sag’ euch wasses ihm gebracht hat!” Ich war mir sicher, dass er es nun doch schaffen würde - und ich war damit nicht alleine, es wurde wieder spürbar leiser, die Köpfe richteten sich wieder auf Ruathan und auch ein Bierkrug flog in seine Richtung und verfehlte nur knapp seinen Kopf, was ihm aber nur ein müdes Grinsen abverlangte, während er den Krug anhob und laut brüllte:

“Das versammt nommal besteste Land, das jemals unterm Auge der Gödder existiert hat mit den bestesten Menschen, für die ich jedn Tach sterbm würd’, das hats ihm gebracht! ‘N verdammer Held isser, unser Aidan Cuchulainn, einer auf den man immer ein saufn kann!” Und so schnell wie der gemeine Galatier beleidigt ist, so schnell konnte man beobachten, wie Ruathan, das alte Schlitzohr, im Begriff war, für sein Loblied gefeiert zu werden. Manchmal konnte man nicht anders, als darüber zu schmunzeln wie impulsiv das eigene Volk in die eine, wie die andere Richtung reagieren konnte. Und obwohl Ruathan seine Rede noch nicht beendet hatte, spürte ich, wie die Trauer über meine Abreise langsam in mir hochstieg, als mir bewusst wurde, dass ich Momente wie diese bald so nicht mehr erleben würde. Doch auch das wird der Redner gewusst haben, denn Ruathan stakste nun, soweit es ihm möglich war, auf den Tisch, fegte dabei Krüge, Essensreste und was sich sonst noch fand, vom Tisch und lief direkt bis zu meinem Platz und zeigte mit der freien Hand auf mich. “Der hier! Ualryig unser alter Kartoffelbauer und Pferdelüstling!” Lachen aus der Menge. Ein unwilliges Brummen von mir. “Ich hasse dich so sehr, wie ich dich liebe, Ruathan.” war der Gedanke, der meine aufkeimende Wehmut über die Planke hatte gehen lassen.

“Ualryig hier..leg heude..” Ein Blick zum Fenster, das die Dunkelheit der Nacht an die Tavernenwand spiegelte, korrigierte den Piraten. “Ney, morgen mit mir ab’ und geht auch auf Reisen. Zwar nich’ ins Unbekannte, wie unser erster Hochkönig, aber Ualryig is’ ja auch nur Bauer!” Erneut Lachen, diesmal waren mehr eingestiegen, woraufhin Ruathan mit dem Fuß aufstampfte und sich ein Schwall Met über meinen Kopf ergoss. “Da gib’s nix zu lachen!” brüllte er plötzlich und ebenselbiges verstummte, daraufhin auch sofort. “Keiner von euch.. kein einz’ger würd freiwillich nach Amhran geh’n um Zau..” Diesmal hatte ich aufgepasst und meinem guten Freund mit der Faust einen handfesten Schlag auf den Fuß verpasst, das musste er selbst durch das Leder gespürt haben, was der schmerzverzerrte Blick zeigte, der dafür sorgte, dass der Freibeuter sich sofort unterbrach und den Satz für mich einvernehmlicher beendete: “..freiwillich nach Amhran geh’n um Unbekanntes zu entdecken!” Und dabei deutete er mit dem freien Zeigefinger durch die Menge und tat als sei nichts gewesen. “‘N Held isser! Das isser! Wie unser Hochkönig, nur nich ganz’ so heldenhaft! Aber trotzdem n’ Held und ich lieb’ ihn wie mein’ Bruder!” Und als Ruathan den letzten Rest Met über mir ausgoss, als er sich zu mir herunterbeugte (ernsthaft, wie hat er all’ das Met in seinen Krug bekommen?), drangen die letzten Worte mitsamt einer veritablen Alkoholfahne so nah an mein Gesicht, dass ich befürchtete, er hätte Gefallen an meinen Lippen gefunden. “Lassich nich’ verderben von den Amhan..Amer.. Ammanah.. den Fesländern, Bruderherz.. sons SCHLITZ ich ihn’n die Kehle auf!” Die letzten Worte kamen zum einen mit mehr Spucke als nötig und zum anderen führten sie dazu, dass Ruathan endgültig das Gleichgewicht verlor, vollständig auf mich stürzte und am Ende zwischen mir, meinen Sitznachbarn auf der Bank und dem Tisch eingeklemmt war, wild zu Rudern begann und unter lautem Poltern zwischen unseren Beinen unter die Tischplatte rutschte und mehr oder minder enthusiastisch versuchte, sich wieder freizuschaufeln.

Die Wirkung der durchwachsenen und verwaschenen Ansprache jedoch, führte dazu, dass die Menge in der Mähne laut zu johlen begann und der alte Faerghas mir einen besonders großen Krug mit Met hinstellte und das aufquellende “UAL - RYIG! UAL - RYIG! UAL - RYIG!” gebot, was nun zu tun war. Wer auf Reisen ging, der musste sicherstellen, dass er immer genug Met im Bauch hatte. Ohne abzusetzen. Und Pflicht war Pflicht. Also begann ich den Krug anzusetzen und ihn auszutrinken - in einem Zug, wie es der soeben eingeführte Brauch verlangte. Ich spürte, wie das süßliche, warme Met über meine Lippen rann. Ich kippte den Krug gerade eben so an, dass ich das schlucken konnte, was in meinen Mundraum lief und verstand es, dank diverser Gelage, die diesem hier vorausgegangen waren, durch die Nase zu atmen, während sich der Krug Schluck um Schluck leerte und sich mein Bauch füllte. Branwen sei dank konnte ich den Inhalt auch dort behalten, wenngleich die Erinnerungen an den Rest des Abends sich zunehmend mit dem Nebel aus Schank und Musik gefüllt haben. Zumindest war das feindselige Knistern, für das Ruathan an diesem Abend gesorgt hatte, kein einziges Mal mehr zu spüren und es war - das kann rückblickend mit Fug und Recht behaupten, eine der schönsten Feiern, die ich jemals auf Reinos erlebt habe.

Als mir genau dieser Umstand einmal mehr im alkoholgeschwängerten Zustand gewahr wurde, spürte ich die Wehmut erneut in mir hinaufkriechen - wobei es diesmal nicht Ruathan war, der dies bemerkte, sondern Chloe O`Finnighean, die sich meiner annahm und mir in ihren Federn auf ihre ganz eigene Art zeigte, dass sie mich vermissen würde. Es wäre gelogen zu sagen, dass zwischen Chloe und mir ein besonderes Band bestand - tatsächlich wusste ich bis zu diesem erstaunlich wenig und die für mich maßgeblichste Information war, dass ihr Verlobter derzeit auf Prenne weilte um ein Geschäft abzuschließen, was an diesem Abend alles war, was ich wissen musste, um mich zwischen ihre willigen Schenkel zu bewegen. Gu fortanach leis an neach-siubhail. Glück ist mit dem Reisenden.

Auch wenn ich rückblickend vermutlich mehr von der Begegnung gehabt hätte, wenn ich weniger getrunken hätte, war es zumindest eine Nacht, die ich beileibe nicht vergessen werde - genauso wenig wie den Morgen, denn als die ersten Möwen ihr unseeliges Lied über den Dächern von Sara sangen, bemerkte ich erschrocken, dass die Zeit zum Ablegen schon lange überschritten war. Das wohlige Schnurren meiner Bettgenossin, die sich splitterfasernackt und schlaftrunken an meinen Leib klammerte, als ich aus dem Bett hasten wollte, war eine Folter, die ich nur allzu gerne an Ort und Stelle beendet hätte - doch nachdem ich mit der Verlobten eines stadtbekannten Geschäftsmannes die Federn geteilt hatte und das vermutlich halb Galatia mitbekommen hatte, war der Ruf der Ferne plötzlich noch lauter geworden als ohnehin schon. Vielleicht würde die Ard-Aynlinn noch in der Bucht liegen, vielleicht waren sie noch nicht davongesegelt, vielleicht hatte das Wetter es nicht erlaubt. Panik kroch in mir hinauf, als ich bitter bemerkte, dass meine einzige Möglichkeit auf eine Überfahrt nach Amhran und damit eine Aufnahme in die Akademie der Hermetik plötzlich in weite Ferne gerückt war - Jahre der Vorbereitung, des Sparens und auch noch der Krieg hatten all’ das erschwert und ich hatte nur diese eine Möglichkeit.

Und ich hatte sie zwischen den Schenkeln einer Frau verspielt.

Amadain! Idiot!
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#2
Kapitel 2: Flüchtige Erinnerungen
Als ich mich Chloes Griff entwunden hatte und damit begann, mein über das Zimmer verteilte Hab’ und Gut einzusammeln, setzte sie sich gemächlich in ihrem Bett auf und gewährte mir damit einen weiteren, wenn auch letzten Blick auf ihre verlockenden Brüste, deren Form ein poetischerer Galatier als ich wohl am ehesten mit vollen, reifen Früchten verglichen hätte, die nur darauf warten, gepflückt zu werden. Die roten, gelockten Haare meiner Bettgespielin fielen ob der Nacht wild und ungeordnet über ihre Schultern herab und umrahmten Chloes Körperfrüchte wie ein Feld aus Wildranken, die dem Ganzen den Eindruck eines wilden und ungezähmten Gartens verliehen, in dem jede Frucht viel intensiver schmecken würde, als man es sonst kannte. Vielleicht verriet mich meine einkehrende Untätigkeit oder der unverhohlene Blick meinerseits, der nicht gerade die Augen der Frau fixierte, mit der ich eine vergnügliche Nacht hinter mich gebracht hatte. “Die Laken sind noch warm, Ualryig. Und es ist nocht etwas Zeit..” säuselte diese Undine aus dem Meer an aufgewühlten Laken und Decken, die mich beinahe wieder in ihre Fänge gezogen hätte. Doch die Erwähnung des einen Wortes, der Zeit, war mein Ausgang, meine Fluchttür und ich durchschritt sie so geschwind wie ich nur konnte. Mein Kopfschütteln, das mich wieder in die echte Welt holen sollte, schmerzte aufgrund des Alkohols, der noch immer in meinem Körper steckte und ich antwortete nur beiläufig, während ich in meine Hose schlüpfte, notdürftig mein Hemd zuknöpfte, mir einen Umhang umwarf und mir meine Tasche mit den Traktaten, Aufzeichnungen und sonstigen Dingen umhing, die ich im Laufe der Jahre gesammelt hatte. “Zeit, allerliebste Chloe, ist genau das was ich nicht habe - und ich wünschte die Götter hätten uns mehr Zeit geschenkt.” Chloe seufzte ergeben und ich hörte sie noch etwas sagen, doch war ich da bereits schon durch die Tür ihres Zimmers verschwunden und befand mich auf den Treppen, die mich abwärts, hinab in das Erdgeschoss des Hauses führen sollten, dass sie normalerweise mit ihrem künftigen Gemahl bewohnte.

Es wäre schamlos gelogen zu sagen, dass ich das erste mal die Federn mit einer Frau geteilt hatte, die bereits vergeben war und ich war mittlerweile sehr gut darin, mich deshalb nicht schlecht zu fühlen. Mein bestes Argument war stets, dass der Haussegen wohl nicht so gut gewesen sein muss, wenn sich einfach ein fremder Mann zwischen die Schenkel einer vergebenen Frau drängen konnte und ich hatte selten damit falsch gelegen. Die Zeichen einer miserablen Beziehung konnte ich zumeist bereits an dem Inneren der Behausungen ablesen, in die ich den Frauen gefolgt war, die sich entschlossen hatten, mich zu sich zu lassen. Zugegeben, ich hatte nicht den Ruf ein Schürzenjäger zu sein und hatte auch kein Interesse daran. Aber wenn eines zum anderen kam - nunja, wer wäre ich, mich einem Wink von Branwen zu entziehen. Diesmal fiel mir auf dem Weg hinaus jedoch vor allem eines auf: Dieses Haus zeigte diese Anzeichen nicht. Ich fertigte mir im Kopf eine Fußnote zu dieser interessanten Beobachtung und hörte es oben poltern und Chloe etwas rufen, was im Gepolter unterging. Götter, sie würde nicht locker lassen. Offenbar musste ich sehr überzeugend in der letzten Nacht gewesen sein und erneut wünschte ich mir, ich hätte mehr Erinnerung an das was wir da veranstaltet haben. Ich hörte mich innerlich äußerst maskulin über meine offensichtliche Leistung zufrieden brummen und verließ das Haus.

Das Tageslicht war, nachdem die Tür des Hauses zugefallen war, noch grausamer als es noch in Chloes Schlafzimmer gewirkt hatte und ich hatte im ersten Moment Mühe, mich zu orientieren. Aus lauter Desorientierung war das erste, in das ich stolperte, eines von mehreren angebundenen Pferden, wobei das Tier in einem kraftvollen Schnauben sein Unverständnis darüber äußerte, dass ich mit voller Wucht meine Stirn an den Pferdekopf gepresst hatte. Ich hatte meine Sinne noch nicht ganz wieder, da hörte ich im Hintergrund ein anderes Tier wiehern und würde bei den Göttern und meiner Sippe schwören, dass es mich ausgelacht hat. Diesmal verzichtete ich auf das Schütteln meines Kopfes und versuchte, mich mit halb geöffneten, lichtscheuen Augen zu orientieren. Momente wie Stunden verstrichen, in denen ich die Straßen von Sara in der Taschendimension meiner wiederkehrenden Sinne zum ersten Mal zu sehen glaubte, bis sich schließlich meine Wahrnehmung wieder an die richtige Stelle meines Kopfes gerückt hatte. Ich peilte die nächste, aus der Stadt führenden Straße an und begann mit jedem Schritt und Atemzug schneller zu werden, insbesondere nachdem die frische, kühle Winterluft die Schwere der letzten Nacht aus meinem Körper zu treiben schien. Als ich die Grenzen der Stadt erreicht hatte und das kleine Waldstück durchquerte, welches nordwärts zu einem kleinen Uferpfad führen würde, wie Ruathan es mir beschrieben hatte, war ich bereits nicht nur schnellen Schrittes unterwegs - nein, ich rannte als wären die gesamten Feenwesen der Anderswelt hinter mir her.

Ich kannte das kleine Wäldchen bereits seit meiner Kindheit - und natürlich tat Ruathan das auch. Vermutlich erinnerte er sich an die Bucht und die “Abenteuer”, die wir als Kinder dort erlebt hatten, genauso gut wie ich. Wir schmiedeten dort unsere eigenen Legenden - Geschichten, die nur Kinderköpfe zu erdenken imstande waren und die so farbenreich wie außergewöhnlich waren. Die Inseln verfügten insgesamt nicht über viele Buchten wie diese und ich habe nie herausgefunden, warum gerade diese Bucht über so viel Treibgut verfügte. Ruathan erklärte mir einmal, als er schon längst zur See fuhr und für einige Tage auf Reinos weilte, um Vorräte aufzufüllen, dass es mit der selvetischen Seestraße zu tun habe. Ich kann mich erinnern, dass er mir die Einzelheiten erklärte und mir ganz genau sagen konnte, warum das Wasser das Treibgut genau dorthin trieb wo wir es als Kinder stets als Ausgangspunkt unseres eigenen Mikrokosmos aus Sagen und Legenden genutzt haben, doch die 21 mögen mir verzeihen, dass ich das nautische Kauderwelsch meines Freundes nicht einmal im Ansatz behalten habe. Natürlich war es uns Kindern verboten, die Bucht aufzusuchen, die neben allerhand Tand aus aufgebrachten Handelskoggen auch Strömungsverhältnisse aufwies, die jeden ungeübten Schwimmer in das Wechselspiel gegenläufiger Strömungen zog und man, einmal zu weit vom Ufer entfernt, selten aus eigener Kraft wieder an Land schwimmen konnte.

Wo die Verbote unserer Eltern natürlich keinerlei Bindungswirkung auf zwei abenteuerlustige Galatier entfalteten, sorgte zumindest das wirre Gebrabbel des alten Ghilliwax dafür, dass wir uns nach unserer Begegnung mit dem dürren Einsiedler zumindest nie mehr bei Nacht in die Bucht getraut haben. Ich weiß noch, wie sehr wir uns erschrocken haben, den Alten außerhalb seiner Bruchbude am Rand von Sara zu erblicken, die mehr aus alten Fischernetzen, Muscheln und Treibholz bestand, als aus ernsthaften Baumaterialen. Ghilliwax war so eigentümlich wie sein Name, der vermutlich mal sein Spitzname gewesen wusste - so genau wusste das niemand. Selbst meine Eltern kannten den Alten nur unter dem Namen und auch hier hatten sie Sorge, die Verwirrtheit des alten Mannes könnte ansteckend sein und verboten mir, den dürren Einsiedler auch nur aufzusuchen. Und in der Tat war Ghilliwax seltsam und für uns Kinder unheimlich genug, um ihm keine Streiche spielen zu wollen. Auch an diesem Abend schaffte es der Alte, uns gehörig Angst in die Knochen zu treiben, nachdem er uns erzählte, dass ein “Schlund” kein Spielplatz sei und wir zusehen sollten, dass wir Land gewinnen.

Und wie es so mit Kindern ist, die den Quell ihrer Fantasie nicht kampflos aufgeben wollten, schafften wir es, dem Alten einen Handel abzuringen, obwohl er mit Nachdruck sowie wild fuchtelnd und fluchend versucht hatte, uns ohne Zugeständnisse von der Gefahr dieses Ortes zu überzeugen. Der Handel indes, sah vor, dass wir die Bucht zumindest ab der Dämmerung und über die Nacht meiden würden und im Gegenzug musste Ghilliwax uns erzählen, was er über diesen, nach unserer damaligen Ansicht, absolut magischen Ort zu berichten wusste. Und so selten wie das Treibgut der Schiffe, dem wir uns so schamlos bemächtigt hatten, enttäuschte, wusste auch die Geschichte, die der alte Ghilliwax uns auftischte, die Fantasie zweier Kinder in unermessliche Höhen zu schrauben.

Wie der Alte uns gleich zu Beginn hatte wissen lassen, handelte es sich bei der Bucht um einen Schlund, einen Ort an den Dinge getragen werden, die jenen genommen worden sind, die es versäumt hatten, sich mit den Göttern gut zu stellen. Hier im Besonderen, so wusste uns Ghilliwax zu berichten - und keiner von uns kam auf die Idee, das in Frage zu stellen - handelte es sich um einen Schlund, der besonders unter der Gunst von Chronos, Taranis und Midir stand, denn wenn Seeleute es schafften, sich gegen die drei Götterwesen zu stellen, dann gab es nichts, was das restliche Pantheon hätte tun können: Ohne Midirs Winde würde kein Schiff segeln, Chronos würde die Wellen so hoch schlagen lassen, dass kein Schiff mehr zu manövrieren war und Taranis würde Stürme entfesseln, deren Blitze ganze Schiffe entzwei reißen konnten. Die Opfer, welche die Seeleute schuldig gewesen blieben, die würden dann in einen Schlund getrieben, Orte, die aus der Welt wie wir sie kennen, herausführten und die alles weltliche zerrissen, wenn sie hindurchgetreten waren, weil die Götter es sich danach einverleibten.

Das was übrig blieb, das war das wenige Treibgut, das dann im Kies der kleinen Bucht nicht mehr vom Meer zurückgeholt werden konnte. Wir hätten also noch Glück gehabt, erklärte uns Ghilliwax, denn was die Götter verschmähten, war für die Kinder Galatias zur Verfügung.

Ruathan, der schon immer etwas aufsässiger war als ich, gab sich jedoch mit der Aussicht darauf, von einem göttlichen Strudel zerrissen zu werden, nicht zufrieden. Die Wasser mieden wir ob ihrer Gefahren ohnehin und er wollte von Ghilliwax wissen, warum es gerade bei Nacht gefährlicher sein sollte, als am Tage. An das Kichern des Alten, welches so klang, als würde man kleine Glöckchen gegen das innere eines hohlen Knochens schlagen, erinnere ich mich noch heute. Das, so sagte Ghilliwax, sei wegen der Meermänner. Ruathan und ich lachten damals zunächst über diesen eigentümlichen Begriff, der so klang, als habe eine besonders beleidigte Galatierin versucht zu verbreiten, dass es zu den wunderschönen Meerjungfrauen auch eine männliche Alternative geben musste - was schon für sich genommen ein vollkommen lachhafter Gedanke gewesen wäre. Ghilliwax hingegen, ließ sich davon nicht beirren und erklärte uns, dass nicht immer ein dingliches Opfer ausreichend gewesen wäre und das Chronos diejenigen, die die Götter zu sehr schmähten, verflucht haben soll. Den sterblichen Seelen, die sich derart gegen die Götter gewandt hatten, war es verwehrt, sich wieder mit dem Ursprung der Schöpfung zu vereinen - nein, diese armen Kreaturen mussten fortan dem Herrn der Gewässer und der Gezeiten dadurch dienen, dass sie die Schlünde bewachten und diejenigen von den Toren zur Götterwelt abhielten, die dort nichts verloren hatten - egal wie treu die Sterblichen den 21 ergeben wären.

Der Alte erzählte uns farben- und gestenreich, dass diese armen Kreaturen keinerlei Haare mehr am Körper trugen, sondern eine gummiartige, bläuliche Haut besäßen, Mäuler mit spitzen, scharfen Zähnen und klauenartige Krallen an den Fingern hätten. Zu allem Überfluss hätte Chronos den armen Seelen Fischaugen und Kiemen statt ihrer menschlichen Sehkraft gegeben und ihnen die Sprache und die Intelligenz genommen, die sie zu mehr als einem Werkzeug ihres Auftrages hätte machen können. Um sich besser im Reich des Gottes bewegen zu können, würden sie zudem zwischen Händen und Zehen Schwimmhäute besitzen - also insgesamt mehr einem menschgewordenen Fischmonster ähneln, als ihrem vormaligen selbst.

Und diese Meermänner, so sagte Ghilliwax, kämen manches mal bei Nacht für kurze Zeit an Land. Und obwohl sie nicht zu echtem Denken imstande waren, seien die erinnungsfähigen Seelen der verfluchten Seemänner weiterhin im Leib gefangen und würden fürchterliche Qualen leiden, wenn sie die Gestade ihrer Heimat sehen würden, was dazu führte, dass die Meermänner in Anfällen blinder Wut jeden Menschen angriffen, der sich dem Ort ihrer Verdammnis zu sehr näherte.

Diese Geschichte, das sei an dieser Stelle erwähnt, hatte vor allem zwei Effekte auf Ruathan und mich, da wir zu diesem Zeitpunkt keine 12 Sommer alt waren: Erstens, wir waren niemals, nie mehr, zu keinem Zeitpunkt unserer Kindheit bei Nacht in dieser Bucht. Zweitens habe ich sicher einen vollen Mondlauf lang jede Küste gemieden, was auf einer Insel wie Reinos größtenteils darauf hinauslief, mich in meinem Zimmer einzuschließen und den Hof nicht zu verlassen. Meine Eltern betrachteten das als besonders wertvolle, erzieherische Maßnahme und für mich war es eine der wertvolleren Lektionen meines Lebens, die mir bewusst machten, dass uns die Götter nicht immer nur anlachen würden, sondern auch fürchterlich grausam sein konnten, wenn wir uns von ihnen abwenden würden.

Erst die verstreichenden Tage und die Aussicht darauf, die letzten Sommertage nicht draußen zu verbringen, konnten die Waage am Ende wieder zum Kippen bringen und die Furcht eines Kindes, welches noch jeden Aberglauben ungefiltert in sich aufnimmt, verblasste langsam und Ruathan und ich suchten uns für die nächste Zeit einen anderen Ort, an dem wir Schabernack treiben konnten. Mit Ghilliwax habe ich Jahre später nur noch einmal gesprochen, nachdem ich einen Gegenstand im Treibgut fand, der wohl einer der vielen kleinen Funken war, die mich am Ende zur Hermetik bringen sollten.

Die Erinnerungen alter Kindheitstage flogen derweil in der Gegenwart förmlich an mir vorbei, als ich Bäume passierte, die wir tapferen Ritter unserer Kindheit erklettert hatten (und auch genauso oft heruntergefallen waren), völlig außer Atem den alten Uferweg hinunterhastete, der mehr aus zusammengesetztem Wurzelwerk und nicht ganz so steilen Erdabhängen bestand, als dass man es wirklich einen Weg hätte nennen können. Es gab, das wusste ich, mittlerweile auch einen ordentlichen Weg, der zur Bucht führte. Im Laufe der Jahre hatten ihn viele weitere Galatier für sich entdeckt - da hatte der Ort vergangener Magie für uns längst seinen Reiz verloren. Der schnellste Weg - das war allerdings nach wie vor unbestritten, führte noch immer über den alten Pfad, den Ruathan und ich damals entdeckt hatten.

Als ich einen letzten Erdwall überstieg und das Unterholz verließ und somit klaren Blick auf die Bucht erhaschte, blieb mein Herz für einen Augenblick stehen: Die Ard-Aynlinn lag noch immer in den unsteten Wassern des Schlundes und es sah gerade so aus, als wenn die Männer sich darauf vorbereiteten abzulegen. Was auch immer sie aufgehalten hatte, war meine Möglichkeit, der Schande einer verspielten Chance und dem Groll eines vergrämten Gatten zu entkommen. Ich stolperte mehr als dass ich noch richtig rannte von dem Abhang herunter, brüllte was das Zeug hielt, dass sie auf mich warten sollten - wobei sich meine noch immer vom Alkohol raue Kehle anfühlte, als würde sie in Flammen stehen. Die kühle Luft, die ich beim Rennen in meinen Körper gepresst hatte und anfänglich als wohltuend empfunden hatte, ließ meine Lunge vor Schmerzen fast platzen und doch würde ich verdammt sein, wenn ich jetzt auf Reinos bleiben würde. So verdammt, wie Chronos die Meermänner verdammt hatte!

Brüllend und mit den Armen rudernd erreichte ich nach einem Spurt, der sich wie eine Inselumrundung anfühlte, den kleinen Platz in der Bucht, an dem Teile der Mannschaft die letzten Vorräte zusammengetragen hatten und sich von meiner sehr speziellen Art und Weise, brüllend aus dem Unterholz zu kommen, äußerst unterhalten gefühlt hatten. Ruathan, welcher ebenfalls anwesend war und lässig auf einer der Kisten saß, schmunzelte völlig entspannt und ließ mich erst einmal zu etwas Luft kommen, während mir ein Seemann seinen Trinkschlauch reichte. “D.. danke.” stammelte ich nur außer Atem, unfähig zu weiteren Worten und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Schlauch - ich hatte das Gefühl, dass ich trotz der Kälte die Wasservorräte meines Körpers komplett ausgeschwitzt hatte. Ich hatte bereits zwei tiefe Züge aus dem Schlauch genommen als ich merkte, wie das allgemein heitere Lachen um mich herum verstummt war und die Seemänner mich mit großen Augen anblickten, soweit ich das aus dem Spähblick beurteilen konnte, während ich den Inhalt des Schlauches weiter meine Kehle herabrinnen ließ. Ich finde es noch heute beeindruckend, wie wenig der eigene Geist bemerkt, wenn er in einem Zustand höchster Erregung oder Erschöpfung oder beidem ist, denn erst als ich meinem Umfeld gewahr wurde, merkte ich, dass ich kein Wasser trank, sondern der Gestank und das brennende Gefühl in meinem Rachen nichts anderes bedeutete, als dass mir der Freibeuter soeben seinen Schnapsschlauch angeboten hatte - der mittlerweile so gut wie leer war.

Ich spürte wie mein Bauch sofort zu rebellieren begann, spuckte den Rest aus dem Mund aus, warf den Schlauch von mir und erbrach gleich den Rest einer Mahlzeit, die noch vom Vortag stammen musste. Ich spürte die Hitze der Scham in mir hochsteigen - was gepaart mit meiner Übelkeit ein noch furchtbareres Gefühl war und von dem nun losbrechenden, allseitigen Gelächter noch unterstützt wurde.

Ich weiß noch, dass ich gerne zu der Gesamtsituation etwas besonders Kluges von mir geben wollte, um nicht wie ein Taugenichts dazustehen, kann mich aber erinnern, dass nur sinnloses Gebrabbel aus meinem Mund kam, nachdem der Alkohol durch die Anstrengung und die bereits durchzechte Nacht sofort einen Nährboden fand, sämtliche Körperfunktionen erfolgreich lahmzulegen. Ich kann mich noch an Ruathans väterliches Lächeln erinnern, als er von der Kiste rutschte, sich unter einen meiner Arme hakte und mich an eine Kiste lehnte.

Bevor ich in einen alkohol- und erschöpfungsgeschwängerten Schlaf schlidderte, hörte ich die letzten Worte meines Freundes, die ich auf der Insel noch wahrnehmen konnte:”Wir warten noch etwas, vielleicht kommt sie noch nach.” Was von seiner Mannschaft mehr oder weniger brummend quittiert wurde. Ruathan selbst hatte, die Abfahrt also wegen einem weiteren Mitfahrer verzögert. In einem Augenwinkel sah ich verschwommen eine Reiterin aus dem Unterholz des Wanderpfades brechen. Dann erlosch mein Widerstand und die Schnapskeule prügelte mich so sanft wie ein Erdrutsch in den Schlaf. Ruathan erzählte mir später, dass das dümmliche Grinsen, es doch noch geschafft zu haben, bis meinem Erwachen auf meine Gesichtszüge gemeißelt war. Was für ein wundervoller Beginn meiner Reise nach Amhran.
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#3
Kapitel 3: Chloe O’Finnighean
Mein Körper hatte sich, nachdem ich förmlich aus meiner Heimat herausgetaumelt bin, eine wohlverdiente Auszeit geholt, die beinahe einen ganzen Tag angedauert hatte. Die Ard-Aynlinn schmiegte sich in den leichten Wellengang, während die vollen Segel des von Ruathan über die Jahre hochgerüsteten Schiffes uns fortwährend nordwärts trieben und wie ich später erfahren sollte, gerade aus der selvetischen Seestraße hinaus - weg von den offiziellen Seewegen, deren Strömungen und Winde weitestgehend als erforscht und sicher gelten. Zumindest solange kein Krieg über zwei Kontinente hinweg tobt und Zusammenstöße, insbesondere mit Indharimer Schiffen, auch für so erfahrene Seemänner wie die Ard-Aynlinn mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tod bedeutet hätte - im günstigsten Fall.

Die auf einem Fass ruhenden Stiefel, die viel zu schmale Füße beherbergten, als dass sie von einem Mann hätten stammen können, waren das erste, was mir auffiel, als ich aus der Trance meines Blitzbesäufnisses erwachte. Ich hatte zunächst Mühe, die Füße, auf die ich aus meiner Hängematte blickte, zunächst in den rechten Kontext zu bringen und zwang meine noch immer schlaftrunkenen Augen, den langen, in einer Hose aus rauem Leder steckenden Beinen, bis zu der Frau zu folgen, die den Rest ihres Körpers in einen Haufen aus Säcken mit Proviant gelümmelt hatte. Ich war noch im Begriff das rotgelockte Haar zuzuordnen, während ich bemerkte, dass die Umhängetasche, die auf dem Schoß der seemännischen Schönheit lag, meine eigene war und dass sie eines meiner Pergamente las. Sie schien bemerkt zu haben, dass ich langsam am Aufwachen war und ein hochgezogener Mundwinkel, gepaart mit dem aus den Augenwinkeln geführten Spähblick, gab ihrem Lächeln eine erhabene wie auch begehrenswerte Note. “Guten Morgen Schlafmütze.” ertönte Chloes Stimme, die es irgendwie vermochte, sich immer irgendwo zwischen rau und weich zu bewegen. “Oder eher …Feasgar math - guten Abend. Du hast fast den ganzen Tag verschlafen.” Zu mehr als einem gequälten Aufstöhnen war ich zwar noch nicht fähig, wollte aber zumindest ein Lebenszeichen von mir geben. “Sag mal Ualryig,” begann Chloe einfach weiter zu schnattern. Sie wusste vermutlich ganz genau wie sehr man sich wünschte, dass jemand einem ein Gespräch aufzwang, wenn man noch mit seinem Kater rang - aber wie ich langsam begriff, war das eine der Situationen, die meine Landsfrau nur zu gerne auskostete, weshalb sie auch einfach weitersprach:”Was bedeutet eigentlich Gaei Otae..”

Ich war augenblicklich wach. Genau genommen hatte ich meine Augen bereits aufgerissen als sie bereits die erste Silbe der alten selvetischen Formel zu sprechen begann, ohne dass ich groß darüber nachdachte. Meine rechte Hand streckte sich reflexartig aus und landete noch auf ihrem Mund, bevor sie die dritte Silbe sprechen konnte und da ich all’ meine Kraft daran setzte, sie am Sprechen der letzten Silbe zu hindern, rutschte ich aus der Hängematte und fand mich auf der nun ihrerseits völlig verdutzt blickenden Galatierin wieder, deren untere Gesichtshälfte mittlerweile nicht mehr nur von einer, sondern von meinen beiden Händen verdeckt war. Das Pergament steckte zwischen ihren Händen und unserer beiden Oberkörpern, die Tasche, die vorher auf ihrem Schoß gelegen hatte war, mitsamt ihrem Inhalt zur Seite geflogen und ein Großteil meiner Habe hatte sich erneut im Raum verteilt. Ich spürte, wie mein Atem hektisch ging und versuchte eben noch meine Umgebung zu taxieren, als ich Chloes Zungenspitze spürte, die neckisch an meine Handfläche auf ihrem Mund klopfte. Das plötzlich Gefühl der warmen, feuchten und fleischigen Spitze, zu der sie ihre Zunge geformt hatte, ließ mich zurückschrecken und ihren Mund freigeben, was meine Bettwache nur nutzte, um sich zu einem frechen Grinsen hinreißen zu lassen - einem, das nicht begriffen hatte, in welche Gefahr sie uns gebracht hatte. Möglicherweise. Vielleicht. Ich wusste es nicht, aber ich wollte es auch nicht darauf ankommen lassen.

“Warum so schreckhaft, mächtiger Zauberer? Glaubst du etwa, ich könnte dir den Rang ablaufen?” gluckste Chloe, während ich neben sie auf die Leinensäcke rutschte, die bei nährerer Betrachtung nicht so ungemütlich waren, wie sie von außen gewirkt hatten.”Nein, aber das ganze Schiff in Brand setzen, Chloe.” knurrte ich. “Du hast gerade versucht, eine Formel für einen Flammenpfeil zu wirken.” Die Galatierin neben mir merkte, dass ich tatsächlich verärgert war und ihr Lachen erstarb unverzüglich. “Tut mir leid Ualryig. Ich versteh’ von sowas doch ohnehin nichts. Wahrscheinlich wär’ gar nichts passiert.” “Vielleicht nicht.” antwortete ich noch immer etwas säuerlich. Aber du hattest alles, was du gebraucht hättest, um erfolgreich zu sein. Mein Focus war auch in der Tasche.” “Dein was?” Ich blickte mich um und deutete auf einen notdürftig zusammengesetzten Holzstab, der sichtbar mit diversen Schnitz-Utensilien bearbeitet worden ist. “Das dort.” “Ich versteh’ kein Wort. Willst du mir sagen, ich hätte uns alle in Brand stecken können?” Chloe blickte zunächst mich, dann das in ihren Händen mittlerweile zerknitterte Pergament ungläubig an. “Wie ich sagte: Vermutlich nicht, dazu gehört etwas mehr. Und ich hab’ Jahre gebraucht um überhaupt zu wissen, was ich tun muss, damit ich die Wirkung hervorrufen kann, die die Formel vorgibt. Ein Schüler an der Akademie in Amhran braucht dafür vermutlich bei weitem nicht so lange. Und ich verstehe nicht einmal genau, warum es so funktioniert.”

Chloe entließ das Pergament aus ihren Fingern und schüttelte sich. “Wenn es so gefährlich ist, was willst du dann damit?” “Weil es auch ein mächtiges Werkzeug sein kann, Chloe.” “Um was zu tun?” kam prompt ihre Frage, die gleichzeitig die Skepsis einer Person transportierte, die eben noch feuchtes Dynamit balanciert hat. “Um alles zu tun.” antwortete ich mit der mir eigenen Ruhe und hörbaren Starrsinnigkeit, wenn man versuchte, mich auf meinem eigenen Feld zu schlagen. “Alles! Na das ist ja sehr genau. Was willst du mit ..” sie gestikulierte wild in den Raum. “Feuerbällen und dergleichen tun, Ualryig? Du bist Bauer!” brach es aus ihr heraus und ich begann zu begreifen, dass es auch Sorge war, die aus der Stimme der Frau sprach, die eben noch so selbstsicher gewirkt hatte. Ich drehte den Kopf weg von ihr und sah zur Decke. “Wenn du von einem Werkzeug erfahren würdest, mit dem es dir möglich ist, alles zu verändern. Würdest du denn nicht versuchen,zu lernen wie man es benutzen kann?” “Du sagst das, als würdest du wirklich glauben, die Hermetik könnte alles ändern und herbeirufen, was man sich wünscht.” Die rotgelockte Schönheit neben mir war weiterhin skeptisch. “Die Geschichten, die ich gesammelt habe, sind sicher nur zum Teil wahr. Aber stell dir vor, was es bedeuten würde, wenn man die Winterkälte einfach von den Feldern blasen und damit in einem Jahr die doppelte Ernte einfahren könnte.” Sie rang sich ein Schmunzeln ab. “Noch immer der Bauer.” gluckste sie. “Oder einen geliebten Menschen zurückbringen, indem du seinem Leib einfach wieder Leben einhauchst.” Ihr Lachen erstarb schlagartig und ich wusste, dass ich einen Nerv getroffen hatte. Es war ein überfälliger Schlag auf den Hinterkopf gewesen. “Du bist ein Traumtänzer.” kommentierte Chloe meine letzten Worte reserviert.

“Auf des Traumes Schwingen will ich tanzen, meine Flügel gebreitet über dem Weltenzelt, bis nach Arkadien. Eins werden, will ich mit dir, oh wunderbares Galatia und in den Herzen meiner liebsten ewig währen.”

Chloes Lippen öffneten sich einen Spalt weit, doch drang kein Wort über ihre Lippen. In ihren Augen stand ein plötzlicher Glanz, als ich ihren Nerv mit diesem Zitat weiter strapazierte. “Du würdest, wenn du könntest, nicht wahr?” hauchte ich, als hätte ich soeben eine uralte Beschwörung vollendet. Die Frau, mit der ich das Zwiegespräch über Sinn und Unsinn der Hermetik geführt hatte, schluckte und wirkte plötzlich sehr wehrlos. “Ich würde alles geben.” antwortete ihre Stimme, deren Worte sich über ihre Lippen gezittert hatten und als meine vormalige Bettgefährtin, die ich nur für eine Nacht in meiner Nähe gewähnt hatte, sich eng an mich zog, hauchte ich ihr einen Kuss auf die Stirn und versicherte ihr:”Ich auch.”

Die Verlobung mit Caoimhín An-Mynnys hatte, so glaubte man zumindest, Chloe geholfen, den Verlust ihrer Eltern verarbeiten zu können. Die An-Mynnys, nicht nur wohlhabend, sondern auch angesehen, hatten den Wildfang bei sich aufgenommen, nachdem der Sturm im Jahre 1395 viele Galatier Haus, Hof und Familie gekostet hatte. Chloes Vater war bereits seit vielen Jahren zur See gefahren und war vermutlich einer der ersten gewesen, die vom Sturm verschluckt worden waren und nie wieder auftauchten. Die hafennahe Behausung der O`Finnigheans wurde dabei genauso schwer getroffen und Chloes Mutter entkam mit ihrer Tochter dem Tod nur knapp. Die An-Mynnys hatten Chloes Familie schon zuvor nahe gestanden, so dass die beiden Frauen dort in den schweren Zeiten, die folgen sollten, Unterschlupf fanden. Man sagt, dass Chloes Mutter jeden Tag an die zerstörten Anleger von Sara zurückgekommen sein soll und darauf beharrte, dass ihr Mann, ihr guter Enan, es schaffen würde. Wenn es ein Seemann schaffen konnte, so klagte sie stets, dann er. Doch Enan O`Finnighean schaffte es nicht. Er blieb seine Rückkehr schuldig und man fand bis heute kein einziges Mitglied seiner Mannschaft oder Teile seines Fischerbootes. Damit ging es Chloes Vater wie auch vielen anderen Galatiern, deren Leichen man niemals fand und sie trotz aller Hoffnung am Ende doch für tot erklären musste.

Als auf Reinos der verschollenen Toten gedacht und für sie Gräber ausgehoben wurden, in welche man persönliche Habseligkeiten oder Erinnerungsstücke legte, damit ihre Seelen vielleicht leichter den Weg nach Arkadien fanden, starb Chloes Mutter alleine am im Wiederaufbau befindlichen Anleger der Hauptstadt von Reinos. Chloe hatte an der Trauerfeier teilgenommen und war gezwungen, ihre vor Trauer verstorbene Mutter nur wenige Tage später zu begraben. Das Zitat, welches ich soeben von mir gegeben hatte, entstammte eben diesem Begräbnis.

Man hatte geglaubt, dass diese, als so lebendig bekannte, junge Frau nie mehr zur Freude zurückfinden sollte, bis der Sohn der An-Mynnys es nach zähen Bemühungen geschafft hatte, die “alte” Chloe zurückzubringen, wie es heisst. Wie er es geschafft hat, ist mir bis heute verborgen geblieben und auch Chloe war bislang nur eines von vielen, traurigen Schicksalen meiner Heimat gewesen, während wir, die Ard-an Cathasaigh erstaunliches Glück hatten und nahezu verlustfrei aus dem Sturm hervorgingen. Seitdem hatte mein Vater mehr Aufgaben in Sara übernommen und sich für den Wiederaufbau eingesetzt, wo es nur ging. Und nach nunmehr 9 Jahren hatte sich Sara gut erholt und ich war stolz darauf, dass meine Sippe daran einen Anteil hatte. Es sprach für den galatischen Geist, dass man sich in schweren Zeiten half und für einander da war.
“Lass uns nach oben gehen. Ich brauch’ frische Luft.” beschloss ich und unternahm damit einen Versuch, die Geister der Vergangenheit aus dem Bauch des Schiffes zu vertreiben. “Gute Idee.” raunte es aus dem roten Lockengewirr und ich folgte meiner Freundin nach oben an Deck. Die frische Seeluft, durch die sich die Ard-Aynlinn stolz schnitt, während der massive Bug die Wellen vor sich teilte, brachte meine Lebensgeister wieder endgültig zurück und ich spürte den Kater der vergangenen Tage nur noch minimal in meinen müden Gliedern. Das mit dem roten Banner Ruathans beflaggte Schiff unterschied sich in vielerlei Hinsicht von üblichen Schiffen der galatischen Seefahrer, insbesondere durch seine Masse und Größe, die es uneingeschränkt auch für längere Überfahrten nicht nur hochseetauglich, sondern auch wehrhaft machte. Wie Ruathan an diesen Koloss gekommen war, war eine andere Geschichte, zu der er selbst nie wirklich Stellung bezogen hatte. Die am weitesten verbreitete Variante war, dass mein Freund aus Kindheitstagen auf der Ard-Aynlinn, die damals noch einen anderen Namen trug, angeheuert hatte und Ruathan eines Nachts, als sie in einem galatischen Hafen angelegt hatten, die gesamte, amhranische Mannschaft im Schlaf gemeuchelt haben soll, inklusive des Kapitäns. Die Mannschaft soll er dann aus einer Mischung aus galatischen Glücksrittern und Strauchdieben gebildet haben, die sich über die Jahre zu einem der gefürchtetsten Haufen entwickelten, die Galatia zu bieten hat. Wenn man aber fragte, in welchem Hafen das gewesen sein soll, dann änderte sich der Ort des Geschehens sehr auffällig immer genau dorthin, wo man sich selbst gerade nicht befand.

In jedem Fall war die Ard-Aynlinn ein Schiff, das jedem Seemann Respekt einzuflößen wusste und Ruathan war ein Mann, der geschickt mit den Eindrücken umgehen konnte, die er bei anderen hinterließ. Selbst wenn er volltrunken in einer Taverne eine Rede hielt. Davon, dass er noch einen Abend zuvor etwas zu tief in den Krug geschaut hatte, sah man jetzt nichts mehr. Ruathan stand neben dem Steuermann und ließ sich Wind und Gischt ins Gesicht blasen. Die Geschwindigkeit, mit der das Schiff nordwärts segelte, war beängstigend - ich hatte zuvor nie gedacht, dass ein volles Segel derart viel Fahrt machen könnte, was angesichts der Tatsache, dass der längste Seeweg, den ich bis dahin je zurückgelegt hatte, zwischen Reinos und Dug Eth’belsa zu finden gewesen ist, kein Wunder war. Ich wollte mich gerade an Deck weiter umsehen, als eine spürbar fleischige Hand sich auf meine Schulter legte. Während ich mich umdrehte, hatte sich vor mir bereits ein Fleischberg von Mann aufgebaut, bei dem ich nicht genau sagen kannte ob er vor allem größer oder breiter war als ich. Besonders interessant war, dass auch von unten betrachtet, nicht festzustellen war, wo die Grenzen von Torso, Hals und Kopf verlaufen, was mich unwillkürlich grinsen ließ, da der Fettwanst wie eine in Leinen gepresste Raupe mit Gesicht aussah. Das Grinsen ließ sich auch dann nicht unterdrücken, als der Freibeuter knurrend eine ungepflegte Zahnreihe freilegte und eine Faust erhob. “Grins’ nich so dämlich, Amadain. Sons’ prügel ich’s dir gleich raus, ganz egal, ob du’n Kumpel vom Käpn bist.” Ich blinzelte, mahnte mich selbst zur Ernsthaftigkeit und setzte das Gesicht eines Mannes auf, der im Begriff war, ein wichtiges Geschäft abzuschließen. “Ja, entschuldige.. Wie war noch gleich dein Name?” “Orm. Und du schuldest mir Schnaps. Und zwar ‘ne ganze Menge.” Ich presste die Lippen aufeinander. Das musste der Typ gewesen sein, der mir seinen Trinkschlauch gegeben hatte. Ich erinnerte mich nicht daran, den Schlauch von einem Fleischgolem in Empfang genommen zu haben. “Ja.. ich aehm.. Ich werd versuchen, mich zu revanchieren.” Der Fettsack nickte fest dazu und tippte mir mit seinem fleischigen Zeigefinger nachdrücklich auf die Brust. “Das will ich dir geraten haben.Bevor du von Bord gehst, hab’ ich meinen Schnaps wieder.” Ich blickte ihn irritiert an. “Wie soll ich das anstellen Orm, ihr habt wohl keinen Schnapsverkauf auf dem Schiff oder?” “‘smir egal. Ruathan sagt, du bistn’ Zauberer. Also zauber mir Schnaps. Sonst kannste sehen, wie du mit gebrochenen Beinen an Land kommst. Hast’ mich verstanden?” Ich nickte verhalten. “Klar und deutlich Orm. Ich besorg’ deinen Schnaps.” Dann grinste der Große und Fleischige, klopfte mir auf die Schulter und erklärte in aller Freundlichkeit:”Käpn sagte, du bistn Ehrenmann. Hat wohl recht gehabt.” Ein freudiges Grunzen besiegelte unseren “Handel” und Orm ging wieder seiner Wege. Vom Steuermann aus salutierte mir Ruathan aus der Ferne - offenbar der unausgesprochene Glückwunsch, meine erste Begegnung mit einem Mitglied seiner Mannschaft überlebt zu haben.

Ich nutzte die Zeit, die ich nun hatte, um mich an Deck umzusehen und vor allem auch meine noch immer unter Deck verstreuten Sachen aufzusammeln und gut zu verstauen. Ich legte wenig wert darauf, dass sich noch jemand, der noch weniger von Hermetik verstand als ich, in der Magie versuchte und uns womöglich alle in Luft sprengte.

Nachdem ich mich im Anschluss auf die Suche nach der Kombüse gemacht hatte und der Schiffskoch mir einen Leib Brot in die Hand drückte sowie mir damit drohte, mir den Arm abzuhacken wenn ich ihn noch einmal vor der nächsten Essenszeit störte, machte ich mich - etwas schneller als elegant gewesen wäre, wieder auf den Weg an Deck. Dort fand ich auch Chloe, die an der Rehling lehnte und hinaus auf die See blickte. Brüderlich und gut erzogen wie ich war, brach ich ihr ein Stück vom Brot ab, was sie dankend annahm und mit erhobenen Brauen fragte, wie ich es geschafft hatte, Uevve, den Schiffskoch, zu stören, ihm Essen abzuluchsen und zu leben. “Nachdem Ruathan seiner Mannschaft offenbar erzählt hat, dass ich ein mächtiger Zauberer bin, der in der Lage ist, Schnaps zu erschaffen, hab’ ich ihm gesagt, dass ich ihn in eine Kröte verwandeln und kochen werde.” war meine Antwort, die ich mit einem Zwinkern versah. Chloe zeigte ein kurzlebiges Grinsen und blickte sichtbar entspannter als zuvor noch auf das Meer hinaus. Ich folgte dem Blick, atmete die salzige Meerluft tief ein und konnte dennoch nicht umhin, die eine Frage zu stellen, zu der ich bislang noch nicht gekommen war. “Warum bist du hier, Chloe?”

Meine Gefährtin balancierte das Stück Brot nachdenklich in ihrem Mund, ehe sie es herunterschluckte und antwortete, ohne den Blick von der Endlosigkeit des Meeres zu nehmen. “Ein Vogel.” war die kryptische Antwort der Galatierin und ich blickte fragend in die Ferne, wo kein einziges Federvieh meinen Blick kreuzte. “Wenn ich ein Werkzeug hätte, mit dem man alles ändern könnte, Ualryig. Ich würde mich in einen Vogel verwandeln und die Freiheit genießen. Ich weiß nicht, ob ich die Vergangenheit ändern, Totes zurückbringen oder sonstwie mit dem Lauf der Geschichte rumspielen wollte, als sei ich eine der 21. Nein.” und ein Kopfschütteln unterstrich ihre Worte. “Ich würde ein Vogel sein wollen und die Welt erkunden. Neues sehen, die Asche verlassen, die uns der Sturm hinterlassen hat.” Ich ließ einige Augenblicke verstreichen, um mir vorzustellen, was die Galatierin neben mir sich von der Unendlichkeit gewünscht hatte und ich musste dabei lächeln. Ich konnte mir gut vorstellen wie Chloe in einem rötlichen Federkleid, einem das ihren Haaren glich, zwischen Himmel und Erde die Welt erkundete. Das passte zu ihr. Es war ein guter Wunsch. “Ist das denn eine Antwort auf meine Frage, Chloe?” Wieder hob sie den Mundwinkel, der zeigte, dass sie sich überlegen wähnte. “Ich habe das nächstbeste genommen. Ich bin kein Fuchtler, wie du es werden willst, Ualryig.” Und die saloppe Geste, mit der sie ihren Zeigefinger in der Luft kreisen ließ zeigte mir, dass sie daran auch kein Interesse hatte. “Hier kann ich die Heimat hinter mir lassen und die Welt sehen. Vielleicht nicht alles. Aber mehr als es mir vorher möglich gewesen wäre.” Sie drehte mir den Kopf zu und in ihren tiefgrünen Augen sah ich, wie ernst es ihr damit war. “Du hast ein gutes Leben in Sara gehabt, Chloe. Warum gibst du das auf?” “Weil’s nicht so war.” Ich runzelte die Stirn und kramte meine gedankliche Fußnote heraus, nach welcher mir keine Auffälligkeiten aufgefallen waren, die auf einen schiefen Haussegen hätten hindeuten können. Keine liegengebliebene Hausarbeit, weil die Frau im Hause sich derer verweigerte, keine gestapelten Ale-Krüge, die auf einen Säufer als Mann hindeuteten und erst recht deutete der Hausstand nicht darauf hin, dass das Geld knapp war. Tatsächlich war das Haus besser als so manches in Schuss gewesen und die Bettwäsche für sich wäre schon ein Grund gewesen, bei Chloe zu nächtigen, verkam aber aus verständlichen Gründen zur Nebensache.

“Caoimhín war es sehr wichtig, den Namen seiner Familie weitergeben zu können. Und wie ich in den letzten Jahren merkte, auch viel wichtiger als unser gemeinsames Glück.” Chloe bleckte die Zähne. “Die Götter wollten uns keine Kinder schenken, Ualryig, obwohl wir es schon lange versucht haben. Und er hat sehr deutlich gemacht, dass die anstehende Heirat die letzte Gelegenheit gewesen wäre, für Nachwuchs zu sorgen. Denn, zumindest war das seine Meinung, dann hätte er alles Wesentliche dafür getan, damit uns die Götter begünstigen. Es hat nicht gerade geholfen, das Gefühl zu haben, ich wäre ohne Nachwuchs wertlos für ihn und hatte Angst davor, was geschehen würde, wenn es nach der Heirat nicht geklappt hätte. Die Schande wäre unerträglich gewesen - für uns beide, vermutlich.” Ich hörte aus Chloes Worten nicht nur heraus, wie zerknirscht, sondern auch wie verletzt sie gewesen sein musste. Auf eine seltsame Art und Weise empfand ich nicht nur Sympathie für Chloe, sondern hatte auch mit Caoimhin etwas Mitleid. Wäre seine Familie nicht so angesehen und wohlhabend gewesen, wäre ihm all’ das vermutlich auch aufgefallen und er hätte eine Frau wie Chloe nicht aufgegeben. Meine Stille kommentierte sie derweil mit einem schiefen Lächeln. “Deswegen musste ich nicht lange überlegen, als du die Idee hattest, bei Ruathan anzuheuern.” Mein Kopf ruckte zur Seite und ich sah sie ungläubig an. “Wie meinst du das? Wann habe ich das denn gesagt?!” Und ein schallendes Lachen entrann meiner Freundin, als wäre es nur allzu offensichtlich gewesen, dass ich so reagieren würde. “Mein Lieber,”sagte sie und legte dabei freundschaftlich einen Arm um mich. “Es sah in etwa so aus:” und dabei begann sie mit der freien Hand so zu tun, als würde sie einen Krug halten, mit dem sie weltmännisch gestikulierte. “Meine lieve Schloe. Nix weiss ich von dir, ausa dass du die hübscheste Frau von allen Inseln bis’ und die beste Seefrau aller Inseln wärst!” die Theatralik des über mein Sichtfeld geschwenkten Fantasie-Kruges war nicht zu überbieten - genau wie die Schamesröte, die bereits wieder in mir aufzusteigen begann, als sie mich nachäffte. Der Arm senkte sich langsam und sie erklärte weiter:”Du warst so penetrant, dass du kurz davor warst, von Caoimhins Brüdern die Tracht Prügel deines Lebens zu kriegen, insbesondere nachdem sie schon Ruathan nicht vermöbeln durften.” Ihr Arm löste sich von mir und sie atmete tief durch, während der Blick sich wieder auf die See richtete. “Ich weiss nicht, ob ich selber nur einen zuviel hatte oder nicht, aber der Gedanke, einem leben als alte Jungfer entfliehen zu können, traf mich so plötzlich und so unerwartet - ich musste keine Entscheidung mehr treffen. In dem Augenblick in dem ich realisierte, dass es wirklich so einfach sein konnte, gab es nichts mehr zu entscheiden. Alles war besser, als die Zukunft, die mich in Sara erwartet hat.” “Und wie hast du Ruathan überzeugt bekommen?” fragte ich daraufhin. Sie lachte erneut auf. “Das warst du doch, du Saufkopf.” “Oh.” “Genau. Ich hab’ dich irgendwann abgepasst, als du gerade draußen warst.” Daran konnte ich mich erinnern. Ich hatte mich gerade an der Hauswand der McFinleys erleichtert, als mich eine Person in die Gasse nebenan zog. Das Bild von Chloes Gesicht im Halbdunkel der engen Straße, die zwischen zwei Häusern verlief, schoss mir fragmentartig durch den Kopf. Sie wollte wissen, was sie tun muss, um wirklich auf der Ard-Aynlinn anheuern zu können und ich konnte mich nun auch an meine Verblüffung erinnern, die sich durch den Nebel meiner Trunkenheit kämpfte und wie eben diese Verblüffung schnell von dem Heldenmut des Betrunkenen abgelöst wurde, als ich ihr planvoll sagte:”Keine Sorge, Chloe. Ich regel das. Besorg’ Pferde und warte vor der Morgendämmerung auf mich, ich hol’ dich ab.” Und damit verschwand sie zunächst im Dunkel von Saras Straßen, während ich Ruathan davon erzählte, dass es eine Spitzenidee wäre, eine Frau bei ihm anheuern zu lassen, die kurz vor ihrer Heirat stand. Leider hatte Ruathan die außerordentlich ausgeprägte Eigenschaft, die dümmsten Ideen der Welt in betrunkenem Zustand für die besten Ideen der Welt zu halten. Und je länger ich in den Windungen meiner Erinnerungen forschte, wurde mir auch klarer, wie absurd das Gespräch mit meinem alten Freund abgelaufen war. Vermutlich hätte er jeden anderen, noch im Zustand allerhöchster Trunkenheit so dermaßen vermöbelt, dass er noch Tage später etwas davon gehabt hätte. Ich erntete lediglich eine brüderliche Umarmung und musste zustimmen, sie in Amhran mit von Bord zu nehmen, wenn sie nichts taugte.

Langsam lüftete sich auch das letzte Stück nebelhafter Erinnerung, als ich die Nacht zu rekonstruieren begann. “Und du hattest tatsächlich Pferde besorgt, als ich kam um dir mitzuteilen, dass wir dich mitnehmen.” schloss ich die Ereignisse vorzeitig ab. “Tha.” folgte es in bestem, galatischem Akzent und ihre grünen Augen blitzten mich vielsagend an. “Und ich bereue nichts.”
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#4
Kapitel 4: Die große Leere
Die nächsten Tage flossen in den sich an der Ard-Aynlinn brechenden Wellen flüchtig vorüber und trieben hinter uns südwärts gen Heimat, während sich das Schiff der Freibeuter, auf dem ich zu Gast war, weiterhin steil gen Norden schraubte. Ruathan hatte mir verraten, dass wir uns mittlerweile in einem Bereich befanden, den man nur “die große Leere” nannte, weil man tatsächlich um uns herum nichts anderes als die weite See beobachten konnte. Das Gefühl, kein rettendes Stück Land in Sichtweise zu wissen - und sei es auch noch so weit entfernt - rief ein Stück Unsicherheit in mir hervor. Ich war nun auf Gedeih und Verderb auf dieses prachtvolle Schiff angewiesen. Denn bei aller Pracht war es eben vor allem eins: Ein schwimmendes Stück Holz, von Menschen erbaut und gepflegt. Fehlbaren Menschen. Ich hatte, seit ich auf das Schiff gekommen war, wenig Gelegenheit gehabt, mich mit Ruathan zu befassen und ihm vor allem auch dafür zu danken, dass er gewartet hatte. Ich wusste, dass es keine Selbstverständlichkeit war - und er wusste, dass ich das wusste. So funktionierte unsere Freundschaft schon seit vielen Jahren. Es ging nicht darum, wie oft man sich sah oder wieviel man miteinander redete. Nein. Ruathan und ich verstanden uns blind und jeder Tag den wir zusammen verbrachten, fügte sich nahtlos an, als hätten die Tage zwischen unseren gemeinsamen Erlebnissen gar nicht erst existiert. Chloe trug mittlerweile einen alten Säbel zur Schau, der mit ziemlicher Sicherheit schon geraume Zeit in der Zeugkammer des Schiffes gelegen hatte. Der Belag und die Rostflecken waren zumindest deutliche Anzeichen für das gediegene Alter der Waffe, gaben ihr jedoch auch etwas verwegenes. Die Tage an Deck verbrachte Chloe nun damit, beigebracht zu bekommen, wie man als Pirat kämpft, wobei es für mich in der Hauptsache so aussah, als würde man sie auf jede erdenkliche Weise vorführen und einen schmutzigen Trick nach dem anderen anwenden, nur um die Truppe zu erheitern. Beachtenswerterweise ließ sich meine Gefährtin davon nicht beeindrucken und lernte zudem so unglaublich schnell und mit einer Verbissenheit, dass ich mir sicher war, dass sie den Männern auf der Ard-Aynlinn zukünftig gehörig auf den Geist gehen würde.

Es gehörte einiges dazu, sich als einzige Frau in so eine raubeinige Truppe einzufügen und ich bin mir sicher, dass Chloe sich darüber keine Gedanken gemacht hatte. Seltsamerweise beobachtete ich aber keinen einzigen Annäherungsversuch der Mannschaft an die Galatierin - genau genommen wurde sie wie ein Kerl behandelt, was ihr das Leben deutlich vereinfachte. Dass man ihre fraulichen Reize ignorierte, stimmte mich dennoch nachdenklich aber beruhigte mich auch im gleichen Atemzug. Bei den Aufgaben an Deck machte sie indes eine besonders guter Figur und es zeigte sich, dass Chloe mit ihrem Vater oft genug auf See gewesen war, um problemlos die täglichen Arbeiten und Abläufe auf dem Schiff zu verinnerlichen - etwas wofür ich, zu meiner Schande, gänzlich ungeeignet war und mich dementsprechend regelmässig zum Küchendienst bei Uevve melden durfte, der zu Beginn nicht wirklich begeistert über die “Aushilfe” war. Nachdem ich meine Kompetenzen als Smutje jedoch durch besonders fleißiges Kartoffeln schälen unter Beweis gestellt hatte, begann sich Uevve auch etwas zu entspannen und duldete mich zumindest in seinem Reich, wenn ich brav seinen Anweisungen folgte.

Die Zeit außerhalb meines Küchendienstes verbrachte ich, wenn ich nicht gerade in meinen Pergamenten wühlte, an Deck. Auf einem Schiff konnte man, wenn man praktisch keine Erfahrung auf dem Gebiet der Hermetik hatte und nicht wusste, ob ein unbedachter Versuch nicht einen unerwünschten Effekt hervorrief, nur begrenzt seinen Wissensdurst stillen. Und so kam es dazu, dass ich bei ‘Ratte’, wie er von allen genannt wurde, in die Schule ging - hauptsächlich um mir die Zeit zu vertreiben, während meine Freunde wichtigeres zu tun hatten, als mich zu unterhalten. Welche Aufgaben Ratte in der Mannschaft hatte, habe ich nie so genau feststellen können, kann aber sagen dass seine am stärksten herausragenden Kompetenzen darin bestanden, sich über den Gestank seiner eigenen Fürze zu freuen, grundsätzlich immer betrunken zu sein und Wasser an seinem Körper aus Prinzip ablehnte - was ich bis zum Schluss für eine sehr großartige Leistung gehalten habe, da die Wahrscheinlichkeit, auch unfreiwillig eine Dusche abzubekommen, auf einem Schiff doch recht hoch ist. Ratte aber, war offenbar ein Meister darin, auch dem kleinsten Trocken Feuchtigkeit zu entgehen - was ihm ein unverwechselbares Aroma verlieh. Neben all’ diesen wirklich sympathischen Eigenschaften, hatte Ratte aber tatsächlich auch ein Talent, das mich tief verblüfft hat: Nachdem er gehört hatte, dass ich nach Amhran segeln würde, um die Hermetik zu studieren, weihte er mich nämlich in sein eigenes Geheimnis ein, indem er mir erzählte, dass er selber Magie praktizierte. Damit schaffte er es zumindest, mein ungeteiltes Interesse auf sich zu ziehen und umso enttäuscher war ich, als sich herausstellte, dass Ratte damit eine Vielzahl von Münztricks, Hütchenspielen, Kartentricks und dergleichen meinte. In meiner endlosen Hochnäsigkeit, die ich mir irgendwo zwischen den Pergamenten meiner kleinen Sammlung angeeignet haben musste, hielt ich derlei nämlich mittlerweile für ausgemachten Unfug, den jeder “richtige” Zauberer sofort durchschauen könnte. Und auch wenn ich selbst noch keiner war, ich kam auf diesem Schiff zumindest dem am Nächsten und fühlte mich somit berufen, Ratte zunächst mit der Hochnäsigkeit des Einäugigen zu strafen - bis er mir auf eindrucksvolle Weise zeigte, dass ich keinen einzigen seiner Tricks entlarven konnte. Egal wie sehr ich mich anstellte, es wollte mir einfach nicht gelingen - was Ratte natürlich sichtbar freute.
Es würde noch eine Weile dauern, bis wir die große Leere durchquert hatten und auch der Wind hatte zu diesem Zeitpunkt etwas abgeflaut, so dass die Ard-Aynlinn nicht mehr volle Fahrt machen konnte, weshalb ich mich entschlossen hatte, Ratte mit heimlich eingesteckten Mitbringseln aus der Kombüse zu bestechen, damit er mir ein paar Tricks zeigte. Es verzehrte mich, dass dieser Strauchdieb mit seinen Taschenspielertricks ein scheinbar unerschöpfliches Repertoire vorweisen konnte, dessen Feinheiten ich nicht zu entschlüsseln in der Lage war und dementsprechend gab es für mich keinen Zweifel daran, dass ich die Gefahr, von Uevve mit dem Schlachterbeil über das Schiff gejagt zu werden, in Kauf nehmen musste. Zugegebenermaßen verlor ich bei den Münztricks, die Ratte mir beibringen wollte, nicht nur das Bestechungsbrot oder den Schnaps, den ich zu meinem Lehrer geschmuggelt hatte, sondern auch eine Unzahl an Hellern, von denen Ratte sich absolut sicher war, dass er sie in die “Münzwelt” gezaubert hatte und sie nicht mehr zurückbringen konnte. Es war ein kurzweiliges Vergnügen, sich von Ratte zeigen zu lassen, wie leicht man sein Gegenüber geschickt ablenken konnte, um dann scheinbar aus dem Nichts mit allerhand alltäglichen Gegenständen für allseitige Verblüffung zu sorgen. Tatsächlich vergaß ich einige Tage lang alles andere vollständig und verbrachte mit dem stinkenden, besoffenen Ratte Stunde um Stunde - sehr zum Leidwesen von Chloe, die der festen Überzeugung war, dass ich langsam genauso roch wie Ratte. Sie hatte die Proviatsäcke mittlerweile als “ihren” festen Schlafplatz in Beschlag genommen, so dass wir die Nächte regelmässig gemeinsam verbrachten - manchmal auch so gemeinsam, dass wir hofften, dass niemand bei Nacht in diesen Teil des Schiffes vordringen würde. Glücklicherweise schienen die bei uns gelagerten Dinge derart uninteressant zu sein, dass auch das nie geschah. Der Reiz, entdeckt zu werden, schien jedoch zumindest für Chloe die Attraktivität unserer “Zusammenkünfte” noch einmal zu steigern. Dementsprechend war es verständlich, dass Chloe gesteigerten Wert darauf legte, dass ich nicht wie abgestandenes Distillat stank.

In jedem Fall brachte mir die Durchquerung der großen Leere eine ordentliche Portion an Taschenspielertricks, die ich für meinen weiteren Lebensweg allerdings auch für völlig irrelevant hielt. Aber es half, die Mannschaft zu erheitern, die immer wieder die aberwitzigsten Zaubertricks von mir sehen wollten und von denen ich natürlich keinen erfüllen konnte. Der häufigste Wunsch war natürlich das Herbeizaubern von Schnaps oder anderen Alkoholika und vermutlich habe ich es Orm zu verdanken, dass sich bis zum Schluss der Aberglaube hielt, ich sei tatsächlich dazu in der Lage, so etwas zu bewerkstelligen. Zu den kreativeren Wünschen zählte da schon, “Ratte sauber zu zaubern” und die Ard-Aynlinn in eine riesige Seeschildkröte zu verwandeln. Da kam es mir ganz gelegen, zumindest ein paar Kleinigkeiten bewerkstelligen zu können und das allgemeine Gelächter auf mich zu ziehen, wenn Ratte mir einmal mehr zeigte, dass ich “alles falsch gemacht” habe und er den Trick dann noch eindrucksvoller vorführen konnte. Man konnte sagen was man wollte, aber auf diesem Gebiet war der Gaukler unschlagbar.

Meine Begeisterung für die Welt der zauberhaften Schummelei unter erprobten Trinkern führte fortgesetzt dazu, dass auch die letzten Freibeuter, die noch Vorbehalte gegen mich hatten, langsam aufzutauen begannen - bis auf einen. Ich hatte Frin, den ersten Maat auf der Ard-Aynlinn, bisher gemieden und hatte auch kein gesteigertes Interesse daran, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Etwas an ihm wirkte nicht nur unheimlich, seltsam und irritierend, sondern auch ausgemacht böse. Ich benutze Generalisierungen wie solche nur selten, insbesondere da sich bei genauer Betrachtung meist zeigt, dass hinter der unspezifischen Bezeichnung des “Guten” oder “Bösen” meist lediglich eine noch nicht erschlossene Motivlage zeigt, die den jeweiligen Begriff am Ende mit viel greifbareren Begriffen wie Leid, Elend, Misstrauen, Neid, Missgunst, Freude, Leidenschaft, Gottestreue oder Liebe füllen könnte. Und interessanterweise finden sich diese Begriffe auch regelmässig in beiden Extremen wieder. Von derlei hochtrabenden und abstrakten Gedankenkonstrukten hätte ich auf der Ard-Aynlinn allerdings vermutlich keinem erzählen können - die einen hätten sie schlicht und ergreifend nicht verstanden, während andere sich nicht für sie interessiert hätten. Am Ende blieb in jedem Fall übrig, dass Frin eine der Personen war, von denen man einfach wusste, dass sie irgendwann mit gezücktem Dolch hinter einem stehen würden, weshalb ich beschloss, ihm diesen Vorteil nehmen zu wollen. Man fand ihn meist an Deck auf einer erhöhten Position stehen, in einen dunklen Kutschermantel gehüllt, auf die See hinausblicken oder einzelnen Mitgliedern der Mannschaft Befehle erteilen. Dabei bediente er sich nicht der Standard-Kommunikationswege, die vor allem aus Schreien, Brüllen und derben Sprüchen bestanden, sondern stach besonders dadurch hervor, dass er stets mit gesenkter Stimme und äußerst beherrscht sprach, was für sich genommen schon ein Gefühl der Beklemmung in mir hervorrief, da man permanent damit rechnete, dass er gerade dabei war, eine Verschwörung zu planen.

Als der Wind der Ard-Aynlinn einige Zeit später einmal mehr in ihrem Rücken stand - was erstaunlicherweise häufiger als das Gegenteil der Fall war - und Frin sich am Bug des Schiffes befand und den Blick in die Ferne schweifen ließ, witterte ich meine Gelegenheit. Um zu vermeiden, dass er mich in Erwartung eines überallartigen Angriffs mit einem seiner zahllosen Messer umbringen würde, die er angeblich unter seinem Mantel trug, gab ich mich bereits auf einige Schritt Entfernung zu erkennen. “Können wir einen Moment reden, Frin?” war meine besonders kreative Einleitung, in die ich besonders viel Stärke zu legen versuchte, um insbesondere meine Paranoia was ihn betraf, nicht allzu offensichtlich zu zeigen. Der Mann vor mir drehte den Kopf leicht zur Seite, musterte mich mit dem einen Auge was mir nun zugewandt war und offenbarte die Hälfte seiner Gesichtszüge, in denen man auch ohne das Gesamtbild einen unerschöpflichen Brunnen der Verachtung vorfand. “Du kannst reden. Ich höre zu.” war die schlichte Antwort der dunklen Eminenz der Ard-Aynlinn. Ich war überzeugt, dass wir nach diesem Gespräch beste Freunde sein würden. “Also es ist so, Frin.” Ein guter Start, befand ich. Gleich die Fakten klarstellen. Ich befand mich nun etwa auf einer Höhe mit ihm, wagte es aber nicht, mich ganz neben ihm zu platzieren. “Ich weiss dass ich hier nur Gast bin. Und wenn ich irgendetwas getan haben sollte oder tue, was hier nicht den … Gepflogenheiten entspricht. Lass’ es mich einfach wissen, ja? Ich will mich einbringen, wenn ich kann.” Auf den letzten Satz hin ruckte der Kopf des Seemanns in meine Richtung und zog erneut diese Grimasse, die zeigte, dass er genau das nicht wollte. Vermutlich wäre das einzige Anzeichen einer gütlichen Einigung erzielt worden, wenn ich mich selbst vom Schiff gezaubert hätte oder wahlweise vom Schiff gesprungen wäre. Augenblicke vergingen, ehe er mir vor die Füsse spuckte. “Du bist eine Belastung, Galatier. Deine Freundschaft zu Ruathan ist eine Belastung und Ablenkung, dass unser Neuzugang und du auf unserem Proviant rammeln wie frisch geschlüpfte Karnickel ist eine Belastung und dein ganzes Hermetiker-Zeug ist nicht nur eine Belastung, sondern auch eine Gefahr.” Mir wurde schlecht. Chloe und ich hatten uns stets unbeobachtet gewähnt - und selbst wenn nicht, wenn ein Mitglied der Mannschaft im Schlaftrunk in eine solche Situation gestolpert wäre, wäre es auch nicht weiter schlimm gewesen. Das aber klang danach, als wenn Frin uns beinahe jede Nacht beobachtet und vermutlich auch in meinen Sachen gewühlt hatte. Ich merkte, dass es naiv gewesen war zu glauben, dass er all’ das nicht tun würde und mein Blick verriet die späte Erkenntnis, die mich vermutlich aussehen ließ als hätte ich einen Tiefschlag erhalten. Erstmals zeigte Frin so etwas wie ein Lächeln - jedoch keines, das von Freundlichkeit gezeichnet war, sondern eher die Art von Lächeln, die man zeigte wenn man Hofschlachter war und Spass daran hatte, Tieren die Eingeweide aus dem Körper zu ziehen. Darüber hinaus zeigte seine Stimme keinerlei Akzent, der auf ein Leben auf den Inseln hindeutete, obwohl mir Ruathan nie erzählt hatte, dass auch Nicht-Galatier Teil der Mannschaft waren. Und Frin war definitiv kein Galatier. “Sehe ich dich einmal eine hermetische Formel weben, Zauberer, schneide ich dich in Stücke und lasse Uevve deine Reste einkochen, damit wir noch lange ‘was von dir haben. Wär’ nicht das erste mal.” Und als hätte er diesen Standpunkt untermauern müssen, sah ich erstmals eine Regung bei Frin, als er seinen Umhang etwas löste und meinen Blick auf seinen Gürtel lenkte, an dem zahlreiche, kleine Knochen hingen. Ich war kein Experte in Anatomie, aber die Vorstellung, dass es sich dabei vorwiegend um Fingerglieder handeln durfte, war naheliegend. Der Einblick in die Zukunft, die Frin mir anbot, währte nur wenige Augenblicke, ehe der Mantel sich schloss und sich der erste Maat von mir abwandte. “Ein Fehltritt, Galatier. Und ich stehe hinter dir.”

Ich stand wie angewurzelt an Ort und Stelle und spürte wie mein Körper sich verkrampfte. Als Frin sich von mir abwandte und sich vermutlich einen anderen Ort suchen wollte, um mysteriös und unnahbar herum zu stehen, hörte ich ihn in meinem Rücken den Gruß “Käpn.” murmeln, ehe sich seine Schritte entfernten und ich merkte, dass ich so fixiert auf Frin gewesen war, dass mir Ruathans Anwesenheit in meinem Rücken ebenfalls erst auffiel, als sich die Silhouette meines alten Freundes in mein Blickfeld schob. “Dein Talent, dir Freunde zu machen, ist überwältigend Ualryig.” schnatterte Ruathan in all’ seiner Süffisanz und zeigte ein sorgloses Schmunzeln. “Der Typ ist unheimlich, Ruathan.” war mein einziger Kommentar, der jegliche Leichtigkeit vermissen ließ. “Ay.” erwiderte mein Freund. “Und das ist auch gut so. Und wenn du ihn kämpfen siehst, weisst du auch dass seine Erscheinung nicht nur Fassade ist. Aber wir sind auch kein schwimmendes Sermo, Ualryig. Das ist dir schon klar?” Ich blickte Ruathan an und zog eine Braue auch. “Wie meinst du das?” “Wenn wir unterwegs Schiffe aufbringen können, dann tun wir das. Wir töten, morden und brandschatzen - alles im Namen unseres ehrenwerten Hochkönigs. Gut, vielleicht nicht direkt in seinem Namen. Aber zu Gunsten der Inseln. Es spricht niemand offen darüber, aber ich ging davon aus, dass du schon sehr genau weißt, woher der ganze Tand kommt, den du über die Jahren gesammelt hast. Die Zeiten sind vorbei, wo das Treibgut zu uns gekommen ist.” Mein Blick wandte sich wieder seewärts, ehe ich antwortete. “Ich weiss das alles, Ruathan.” gab ich zu. “Und wenn du nicht mit einem leeren Schiffsbauch zurücksegeln willst, musst du andere Schiffe angreifen. Wenn es denn hier draussen irgendwo welche gibt.” Ich deutete in die Weite des Meeres und konnte mir mittlerweile kaum noch vorstellen, dass es da draußen überhaupt noch Land gab. Man hatte beinahe das Gefühl, zu den letzten Menschen der Welt zu gehören. Eigentlich kein schlechtes gefühl.

“Die gibt es.” wandte Ruathan ein. “Und wenn es dazu kommt, wäre es gut, wenn du auch schonmal einen Säbel in der Hand gehabt hättest. Oder einen Knüppel. Oder eins von Uevves Broten.” Der kleine Scherz verpuffte in dem leicht mahnenden Ton meines Freundes. “Erwartest du von mir, dass mit deinen Leuten Schiffe entere?” Wenigstens gegenüber Ruathan wusste ich, dass ich gefahrlos etwas Widerstand in meine Nachfrage legen konnte, ohne gleich über Bord geworfen zu werden. “Du weisst, dass ich dich wie einen Bruder liebe, Ualryig. Aber die Männer erwarten, dass du an ihrer Seite kämpfst wenn es ernst wird. Sind alles prima Kerle, aber wenn du auf dem Schiff rumlungerst und anderen beim Kämpfen zusiehst, werden sie dich nicht nur nicht leiden können - sie werden dir das Leben schwer machen, wann immer sie können. Und ich bin nicht immer da und kann dich auch nur begrenzt beschützen. Sonderbehandlungen gibt es unter meinen Männern nicht und zu denen zählst du bis nach Amhran auch. Tut mir leid, alter Freund.” Ich sagte zunächst nichts weiter und musste erst einmal verdauen, dass mich Ruathan auf diese Weise damit konfrontiert hatte. Vielleicht hatte ich einen Deut zu sehr in der Vergangenheit gelebt und geglaubt, dass ich nicht an derlei Dingen teilnehmen musste. Dass dem nicht so war, war eine schmerzhafte Erkenntnis. “Man gewöhnt sich an den Anblick von Toten Ualryig. Irgendwann nimmt man gar nicht mehr wahr, dass es ‘mal Menschen gewesen sind.” Ich schnaubte aus. “Ich hab nach 1395 so viele Tote gesehen, dass es bis mir bis an mein Lebensende reicht, Ruathan.” Die Bitterkeit in meiner Stimme war überdeutlich und zumindest damals war ich noch der Meinung, dass die Zahl der Toten, die ich gesehen hatte, nicht noch weiter ansteigen würde - ein fataler Trugschluss. Womit Ruathan jedoch Recht hatte, war eines: Man gewöhnte sich daran. An ihren Gestank, an die Unwürdigkeit des verfallenden Körpers und daran, dass ein Körper ohne Seele nichts weiter war als ein Fleischklumpen, den nichts mehr formen konnte, wenn man ihm den Quell seiner Lebendigkeit geraubt hatte. “Das ist etwas anderes.” wandte mein Freund ein. “Erinnerst du dich noch daran, wie wir uns regelmässig in Saras Tavernen geprügelt haben und sie am Ende durchrotieren mussten, weil die Wirte uns vor die Tür gesetzt haben?” Ich lächelte in einem Anflug von Nostalgie. “Ay. Zurückblickend waren wir ziemliche Idioten. Aber hat sich jedesmal angefühlt, als würde ich keinen Tag altern, so lebendig hab’ ich mich gefühlt. Das war die alte Zeitrechnung Ruathan. Für solche Kindereien war keine Zeit mehr, als wir alle anpacken mussten.” Der Freibeuter nickte ernst und gestand:”Aye. Aber dieses Gefühl, Ualryig. Dieses Gefühl ist ähnlich. Wenn du einem Mann, der im Todeskampf versucht hat, dir seine Klinge ins Herz zu stoßen, den letzten Hauch Leben aus seinem Körper schneidest, prügelst oder strangulierst, dann fühlst du dein eigenes Leben vor Ekstase förmlich pulsieren.” Ich blickte Ruathan ungläubig an. Diese Art der Poesie widerte mich an und war für mich weder nachvollziehbar noch erstrebenswert. “Also bringst du die anderen Schiffe nicht nur wegen ihrer Waren auf?” Er schüttelte den Kopf. “Doch, das tue ich. Mordlust alleine macht einen Mann zu einem Monster. Sieh dir Frin an.” Da konnte ich nicht widersprechen. “Aber die meisten von uns sind nicht auf diesem Schiff weil wir so gut darin sind, feine Verse zu verfassen. Wir können, was wir können ziemlich gut und wenn es dazu kommt, haben wir Spass daran. Stell’ dich besser drauf ein, damit umzugehen. Meine Männer sind nicht zimperlich in solchen Dingen.” “Klingt als würden sie regelmässig ein Blutbad veranstalten.” “Nicht alles über die Ard-Aynlinn ist gelogen, Ualryig. Manchmal muss man auch einfach mal den Worten Taten folgen lassen.” Ich zog meinen Umhang näher an meinen Körper.

“Ich werd’ mir von Chloe was zeigen lassen.” “Nein.” wandte er mit milder Stimmlage aber bestimmt ein. “Die würde dich schonen, damit deine Kronjuwelen weiter funktionstüchtig bleiben. Frag Ratte. Mit dem verstehst du dich gut und der wird dir einiges zeigen können. Hat er ja jetzt auch schon.” Ich nickte stumm und Ruathan legte eine Hand auf meine Schulter. “Tut mir leid, alter Freund.” Und damit überließ Ruathan mich meinen Gedanken, die sich anfühlten, wie die weitere See um uns herum genannt wurde: Eine einzige, große Leere.
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