Das Streben nach mehr
#1
Das Flattern eines Mantels. Einen Wimpernschlag lang verharrt der teure Stoff an Ort und Stelle, tanzt keck im Schwall der hereinbrechenden Nachtluft ehe er, aus seinem frohen Wogen gerissen, weitergezerrt wird, hinaus auf die Straße wo er sich eng um seinen Träger schmiegt, diesen arroganten Bürgerschnösel den Adalbert gerade um einige Silber erleichtert hat.
Ein lautes Klicken. Die Tür fällt ins Schloss.

Endlich.

Kaum hat der letzte Kunde des Tages die Werkstatt verlassen beginnt seine Maske aus Fröhlichkeit zu zerfließen, jedweder Frohgemut weicht aus seinen Zügen und zerschmilzt zu einer triefenden Fratze voller Hohn und Verachtung. Wie sehr ihn doch die letzten Monde verändert haben. Sie haben sein wahres Ich nach außen gekehrt, ihm seine Bestimmung gezeigt.
Diese Stadt ist ein Geschwür das sich still und heimlich in die Herzen ihrer Bewohner frisst. Es setzt sich fest in ihren Eingeweiden und schlägt seine gierigen Krallen tief in ihre Seelen bis jeglicher Anstand ausgeblutet ist. Jedwede Tugend wird hier zum Aderlass gebracht. Was übrig bleibt ist die wahre Natur unter all dem Schein.

Hass. Neid. Eifersucht.

Die ganze Stadt stinkt danach. Egal wie sehr sie auch versuchen diesen Mief mit kostbaren Ölen zu überdecken. Egal wie sehr sie sich auch auf den Kanal oder den Totenacker vor den Toren hinauszureden versuchen… es ist ihr eigener Verfall der in ihre Nasen steigt, sie mit Furcht erfüllt und ihnen in den einsamen, kalten Nächten die Luft zum Atmen nimmt. 
Die lähmende Angst vor dem was sie wirklich sind, wenn man ihnen alles nimmt packt sie an der Gurgel und schnürt ihnen die Kehle zu.
Es ist der Odem der Stadt und er dringt ihr aus jeder Pore.

Gewalt. Lust. Verzweiflung.

Von den fauligen Pfuhlen des Armenviertels bis hin zu den ach so hehren Häusern der Königsstadt. Ob Bettler oder Handelsmann, ob Ritter oder Hure. Alle sind sie gleichermaßen verdorben. Jeder auf seine eigene, wunderschöne Art und Weise. Er hasst sie für ihre Erbärmlichkeit und liebt sie für ihre Fehler, so wie er sich selbst liebt und hasst. 
Er blickt sie und sie sehen in ihm nichts als einen älteren, einfachen Mann. Einen Narren.  Nur zu gerne lässt er sie an dieses Trugbild glauben. Sie wissen nichts. 

Er betrachtet sie in ihren Momenten der Schwäche, labt sich an ihr, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Er durchstreift ihre Viertel bei Tag und blickt das rege Treiben, sieht ihren Kampf um die einfachsten Dinge, er ergötzt sich an ihrem alltäglichen Scheitern. Ihr Ringen, ihr Streiten, Strampeln ohne Zweck. 
Etwas tief in seinem Inneren lacht vor Freude ob ihrer quälenden Anstrengungen. Wie sehr sie doch nach banalen Trivialitäten gieren. 
Er sieht die Bettler am Straßenrand wie sie den Händlern ihre Waren neiden. Er sieht die Handwerker die ihr ganzes Leben harter Arbeit widmen um im Stand nur ein kleines Stück aufzusteigen. Er sieht die Blicke ergrauter, alter Männer denen es nach den Freuden der Jugend dürstet und genießt den Ausblick auf die vielen von der Liebe enttäuschten und zurückgewiesenen dieser fauligen, dreckigen Stadt.

Sie alle streben kleingeistig wie sie sind. Nach Geld, nach Ruhm, nach Anerkennung. Sie lechzen nach Stand, nach Zuneigung und Titeln. 
Sie raffen Gefolge um sich, schachern Posten und umgeben sich mit unnützem Kleinod das sie Schätze heißen.

Er strebt nach keinem dieser Dinge. Alles was er will, alles wonach er sich verzehrt ist einfach nur…


mehr.
Gierige kleine Kaufmannshände!
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