[Rezeptforschung] [JdR] Vom Mondstahl
#1
Der Geruch der Archive hatte sich in der Kleidung festgesetzt, an den Händen, den Haaren, auf gewisse Weise selbst in den Träumen Gerlachs auf eine Art und Weise, die auch die hartnäckigste Dusche nicht mehr vertreiben wollte. Der Winter war vergangen, ohne dass er mehr als die absolut notwendige Aufmerksamkeit auf die Belange des Hier und Jetzt gerichtet hätte: Gewiss war das Blutkonklave ein wichtiges Ereignis, aber die Vergangenheit hielt mehr davon bereit.

Mehr davon.

Und doch, während der Schwarzschopf seine Hände verbissen ein um das andere Mal spülte, hatte der Schmerz begonnen sich auszudünnen. Die Härte des Impulses erschien nun, aus dem Abstand von Monden, weniger kraftvoll. Weniger zwingend. Weniger unaufschiebbar und zu der atemberaubenden Einsicht von Notwendigkeit gesellte sich Müdigkeit. 

Das Gesicht im Spiegel war zu vertraut, als dass er die Spuren der Erschöpfung hätte leugnen können und die Gesichter auf der Strasse waren abweisend, fremd, geborgen in Kreisen mit denen er keine Berührungspunkte hatte.

'Und ich habe es nie anders gewollt.'

Dass, was von den Gantern in Löwenstein geblieben war, zerbröselte zusehens - in Beschlag genommene Häuser trugen nun Schilder mit anderen Namen und die verbliebenen Angestellten suchten Stück für Stück ihr Heil andernorts. Die Gantergasse war, so schien es, zu einem Hort der Kirche geworden zu sein.

'Ich brauche etwas Anderes. Etwas Anderes.'

Die Augen fanden keinen Halt an den flüchtig auf Papier geworfenen Worten, auf den Stichpunkten, die teilweise mit Fragezeichen, teils auch gleich mit launigen Kommentaren versehen waren.

Existenz von Ranos Melkar zweifelhaft? stand da am Rande, gleich neben: Mondstahlesse verborgen. Welche Absicht? und ganz wie Stunden zuvor, sprangen die Gedanken weiter im Versuch Brücken zu schlagen zwischen Lügen, Auslassungen und den Funken von Wahrheit, die wie schwache Sterne am Nachthimmel glänzten.

Mondstahl.

Das Gespräch mit Goran Felsenschlag war erhellend gewesen, aber in seiner Natur unbefriedigend. Zuviel Nichts spannte sich zwischen zu wenigen Gewissheiten und die Ahnung verborgener Geheimnisse brachte die Nase zum kitzeln, ohne dass es möglich gewesen wäre befreiend zu niesen.

'Ich brauche etwas Anderes. Etwas, was mir hilft zu verstehen.'

Dieses Mal fing sich der Blick in der kleinen Kammer, wanderte über den stillen Amboss hinweg zu den Regalen voller Barren und halbfertiger Zeugnisse des Schmiedehandwerks und was Zweifel gewesen war, klärte sich. 

Es war Zeit auch den Händen wieder etwas zu tun zu geben. Etwas, was sich mit dem Nagen hinter der Stirn vereinen lassen würde.

Nur kurze Zeit später, war ein kleines Schreiben zu Goran Felsenschlag unterwegs.

Zitat:Mithras Segen,

Ich würde gern genauer ansehen, wie sich der Mondstahl verarbeitet und einsetzen lässt. Mein Vorschlag wäre, sich auf ein bestimmtes Rüstungsstück zu konzentrieren und dann zu vergleichen, ob es Unterschiede in der Handhabung im Vergleich zur klassischen Bronze oder dem verlässlichen Stahl gibt.
Lass mich wissen, wenn dir das zusagt. 
Ich überlasse dir gern die Auswahl eines passenden Stück.

Gerlach Ganter
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#2
Er war ein Schmied. Normalerweise schmiedete er Stahl, Federstahl, Damast, Bronze oder neuerdings auch einmal Mondstahl aber diesmal hatte er etwas anderes geschmiedet. Er hatte einen Bund geschmiedet, einen Bund aus frommen Schmieden, Feinschmieden und Kirchenmännern (und -frauen), der hoffentlich die Zeiten überdauern und auf Generationen für einen frommen und verantwortungsvollen Umgang mit dem heiligen Stahl sorgen würde.

Heute hielt er ein Schreiben der jüngsten Zuganges dieses Bundes, der Jünger des Ranos, benannt nach dem heiligen Ranos Melkar, dem Erbauer, dem Schutzpatron aller mithrasgläubiigen Handwerker, Gerlach Ganter, in Händen. Gerlach hätte eigentlich schon zu den Gründungsmitgliedern gehören sollen, hatte aber bei der Gründungsversammlung unabgemeldet gefehlt und war danach mehrere Wochen nicht auffindbar gewesen. Aus diesem Grund hatte Goran sich entschieden, den Mann erst einmal als Anwärter aufzunehmen. Er würde nun beweisen müssen, dass man sich doch auf ihn verlassen konnte. In diesem Schreiben jedenfalls bat er um Unterstützung bei einem Experiment - sehr gut, schließlich war das Forschen an Mondstahl eines der grundlegenden Ziele der Jünger. Vielleicht konnte er mit dem Burschen ja doch etwas anfangen.

Nachdenklich strich er sich mit der Linken durch den geflochtenen, langen Bart. Welches Werkstück sollten sie sich vornehmen? Er kannte Gerlachs Fähigkeiten noch nicht und wollte nicht, dass die Angelegenheit ihn überforderte. Sinnvollerweise wäre ein Stück der Plattenrüstung für eine Betrachtung geeignet, denn von dieser Rüstung konnten sie bereits Teile herstellen. Sarah wollte sich mit Wegas um die Beine kümmern, nun dann sollten sich Gerlach und er um die Halsberge bemühen. Das Stück war vergleichsweise eher klein und bestand aus nicht ganz so vielen Teilen, es würde sich gut für eine Einschätzung Gerlachs eignen.

Der Griff zu Tinte und Feder kam entschlossen, ebenso wie der Schwung der Buchstaben der Antwort:

[Bild: Schmiedsymbol_klein.gif][Bild: Schmiedsymbol_klein.gif]
Ranos zur Ehr Gerlach!

Ich bin einverstanden. Nimm dir die Halsberge für eine Plattenrüstung vor.
Ich habe bereits einige andere Plattenrüstungsteile hergestellt um sie in meinem Laden auszulegen, du kannst sie dir dort ansehen, wir können auch gerne gemeinsam noch ein anderes Rüstungsteil schmieden, damit du die Besonderheiten des Materials kennenlernst.

Natürlich sollte eine so edle Rüstung wie eine aus Mondstahl nicht genau so aussehen wie eine aus Bronze oder Stahl. Mache dir also bitte schon einmal Gedanken, wie wir die Halsberge optisch gestalten können, allerdings so, dass sie noch immer den nötigen Schutz bietet. Bedenke dabei auch den Bezug des Materials zum Sonnengott. Ich bin auf deine Entwürfe gespannt!

Mithras obsiegt!

[Bild: Goransig.png]
[Bild: Goransiegel.png]
[Bild: Schmiedsymbol_klein.gif][Bild: Schmiedsymbol_klein.gif]

Zufrieden drückte er sein Siegel ins heiße Wachs und pfiff nach einem Botenjungen um Gerlach die Nachricht zukommen zu lassen, mal sehen wie der Bursche sich schlug!
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#3
Bereit.

Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und ein leichter Windhauch der aus Richtung des Meeres kam und durch die Straßen der Stadt wehte machte die Hitze des Tages erträglicher, der Wonnemond war zwar bereits vorüber, dennoch hätte dieser Tag seinem Namen alle Ehre gemacht. Goran betrachtete die um ihn herum aufgehäuften Gegenstände und versicherte sich noch ein letztes Mal ihrer Vollständigkeit.
Da waren die Wattierungen, die er erst vorgestern von einer der Marketenderinnen der Stadt erworben hatte und die er vorher auf ihre Weichheit hin überprüft hatte - die Wattierungen natürlich , nicht die Marketenderin. Die Wattierungen würden direkt auf der Haut des Trägers aufliegen und für einen angenehmen Tragekomfort sowie eine Abfederung etwaiger Treffer auf den Halsschutz dienen. Es gab nichts Unangenehmeres als eine Halskrause, die bei jedem Schritt und jeder Kopfdrehung die Haut des Trägers wund scheuerte. So etwas konnte im Kampf ablenken und Ablenkungen im Kampf konnten tödlich sein. Also war die Wattierung definitiv die falsche Stelle um Geld zu sparen.

Dort drüben glitzerten die Schnallen mit denen später die Halsberge nach dem Anlagen verschlossen werden würde und die mit ihren verschiedenen Einstellungen ein gewisses Spiel im Umfang der Halsberge zulassen würden, immerhin konnte ein Träger ja auch einmal zu- oder abnehmen. Die Schnallen waren selbstverständlich aus Mondstahl gefertigt worden und waren schlicht gehalten. Es ging heute zunächst einmal darum, eine funktionsfähige Variante der Halsberge herzustellen, für Tand, Verzierungen und Nippes würde später noch genug Zeit sein, zumindest sofern man so etwas überhaupt anbringen wollte.

Vier schwere Walzen in unterschiedlichen Größen und mit unterschiedlichen Abständen zwischen den Rollen, die es ermöglichen würden den Mondstahl in Blechform zu zwängen reihten sich links von ihm auf und warteten nur darauf, mitgenommen zu werden.
 
Und schließlich, rechts von ihm - er brauchte überhaupt nicht genau hin zu sehen, um zu wissen dass sie da waren, schließlich funkelten sie in der Sonne wie kleine perfekte Spiegel - Die Mondstahlbarren. Er hatte sie bereits vor einigen Tagen gegossen, kurz nachdem er im Tempel den Segen Mithras aus der Hand ihrer Seligkeit erhalten hatte, der es ihm ermöglichte unbehelligt seine eigene schreckliche Schöpfung zu passieren, die in ihrer Monströsität den Zugang zur heiligen Esse bewachte. Ihm war als könnte er die Präsenz des heiligen Stahles neben sich fast schon köperlich spüren. Ein Summen und Pulsen von göttlicher Energie schien von ihm auszugehen und strahlenartig den Raum zu durchdringen, wie die abstrahlende Hitze eines Feuers, dessen Position man auch mit verbundenen Augen problemlos finden konnte - doch vermutlich bildete er sich dies nur ein.

Jedenfalls war es nun an der Zeit, all diese Dinge auf einen Karren zu laden und sich auf den Weg zur Schmiede zu machen.
Er war bereit.

Der Karren rumpelte über die Unebenheiten der mit Pflaster ausgelegten Straße, dann durch die ehemalige Gantergasse, bis er schließlich ruckelnd im Marktviertel vor der einstigen Schmiedezunft zum Halten kam. Goran hatte kaum die Ladung in den überdachten Vorraum gebracht, als auch schon ein erschöpft wirkender Gerlach aus der Türe trat. Der Junge hatte sich seine Aufgabe offenbar zu Herzen genommen und die letzten Tage intensiv über die bevorstehende Schmiedearbeit nachgegrübelt - gut so, man sollte seine Aufgabe stets ernst nehmen, umso mehr wenn es sich um eine Arbeit am heiligen Stahl handelte.

Die beiden Schmiede, jung und alt, fachsimpelten eine Zeit lang über den idealen Aufbau und die beste Ausführung der Halsberge. Form, Zusammensetzung und Materialstärken wurden erörtert und wieder verworfen, bis man schließlich zu einem Konsens fand, der nicht allzu weit von den bisherigen Entwürfen des jüngeren Schmiedes entfernt war. Mittlerweile stand die Sonne schon recht tief am Horizont als der alte Meister, begleitet von einem Funkenregen, die Barren in die Glut der Esse schob. Während sie darauf warteten, dass die Barren auf Temperatur kämen, würdigte Goran die vor ihnen liegende Aufgabe mit einem Gebet:

Mithras, oh Du flammender Gott der Ordnung!
In Demut wollen heute zwei Deiner Diener ihr Tagwerk begehen.
Doch es ist kein Tagwerk wie jedes andere - wir wollen heute Deinen heiligen Stahl schmieden
und so erbitten wir demütigst Deinen Segen und Deine Gunst,
denn Dir oh Herr gebührt alle Ehre und unsere Treue!

Heiliger Ranos, Du den sie den Erbauer nennen, auch dich bitten wir um Beistand.
Führe heute unsere Hände, unsere Hämmer, unsere Werkzeuge aufdass es ihnen gelinge
Werke zu Mithras höchster Ehr zu formen!

Mithras! Dein ist mein Herz,
auf alle Zeit
in Ewigkeit!

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#4
'Erinnere dich.'

Auch jetzt, Tage nach der gemeinsamen Arbeit, war noch ein Schatten der Anstrengung in den sauren Muskeln zu finden und gemahnte den Schwarzschopf daran, dass er den Schmiedehammer, die Zangen und den Blasebalg im letzten Jahr viel zu selten in der Hand gehabt hatte. 
Aus den Augen, aus dem Sinn - in der Verschwiegenheit der Archive und den ebenso schlecht belüfteten wie beleuchteten Kellern war es einfach alles ausser der Vergangenheit zu verlieren.

Das Wühlen in alten Schriften war ein ebenso mühsames wie langwieriges Geschäft mit so gut wie keinem Fortschritt, ganz gleich wie fest man sich in dürren, längst verblassten Spuren verbiss: Manche führten einfach nirgendwohin.

Am Amboss zu stehen war .. anders. Die drei Mannen hatten nie zuvor miteinander gearbeitet, aber ihre Fähigkeiten hatten sich ergänzt um eine Aufgabe zu beginnen und abzuschliessen und das allein war die schmerzende Hand mehr als wert gewesen. Sicher war es anstrengend gewesen die Mondstahlbarren auseinander zu treiben, schwerer noch sie anschliesslich in Blech zu walzen und zurecht zu schneiden, aber in all dem gab es einen Fortschritt zu beobachten. Arbeit ging voran. Ein Ende war absehbar und als das abgekühlte Metall schliesslich in der Hand des Schwarzschopfes lag, spürte er eine beinahe körperliche Zufriedenheit. 

Die Halsberge war nicht vollständig so geworden, wie ursprünglich geplant - die Erfahrung Gorans hatte hier und dort Korrekturen gefordert und darum war das Stück etwas stärker geworden, weniger elegant als reiner Stahl in glattpolierter Brachialität, weniger wuchtig als schwere Bronze wie ein Mittelding, das weder das Eine noch das Andere sein wollte.

Noch hatte keiner sich daran gewagt den Panzerstecher anzusetzen und die tatsächliche Stärke des Metalls zu prüfen, aber Gerlach war zuversichtlich: Den Mondstahl zu durchstossen würde sich als schwierig erweisen und die Schwachstelle der einzelnen Teile zu finden, war dank Goran gewiefter Erfahrung zumindest unwahrscheinlich.

'Erinnere dich.'

Jemand würde das Stück tragen müssen, um das abschliessende Urteil zu fällen, aber noch war kein Name gefallen und das Interesse Gerlach erstreckte sich nicht auf diesen Bereich der Zukunft - aber das Metall in den Händen zu halten, rief Erinnerungen wach, so alt und verblasst, dass sie kaum mehr waren als Fragmente.

"Mondstahl, mein Sohn. Damit werden wir das Haus Ganter endlich befreien. Du ahnst nicht, was es mich gekostet hat, dies hier zu bekommen, aber es war den Preis wert."
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#5
Viel zu rasch hatten die alten Gewohnheiten übernommen, Gerlach erneut von Esse und Amboss fortgetrieben, ganz als wären die am offenen Feuer gemurmelten Schwüre nicht so gemeint gewesen, ein Versprechen in die leere, nicht verurteilende Luft hinein. 
Zugleich lagen die bereits begonnenen Artikel für die nächste Gösselpost in gleicher Weise brach, während der Schwarzschopf seine Aufzeichungen sichtete und an die geplündert hinterlassenen Archive zurückdachte. Manche Dokumente hatten niemals den Weg zurück gefunden und unter anderen Umständen wären sie niemals vermisst worden - es sei denn in einigen Generationen durch neugierige Forscher - aber das waren nur Details am Rande.

Paraburs Erbe, Paraburs Relikt - was alle Welt in erregten Taumel zu versetzen schien, verursachte ihm Bauchgrimmen und Unbehagen, bis die durchwühlten Dokumente vor den Augen verschwammen und die Texte in uralten Akten an Sinn, Zusammenhang und Information verloren. Nichts blieb mehr, während die Gedanken im Kreis wanderten, zurück zu lauthalsen Worten aus einer Vergangenheit, die bereits zu Staub zerfallen war, geäussert von einem bärtigen Gesicht am Himmel, dessen wirres Haupthaar zum grösste Teil unter dem silberhellen Metall verborgen war.

'Mondstahl, mein Sohn. Du ahnst nicht, wieviele Generationen von dem Handel deiner Ahnen gefangen wurden. Es ist nun bald Zeit.'

Ganz von selbst hatten die Hände begonnen zu wandern, Pergamente und vergilbte Papierstapel zurücklassend, bis sie Halt am kühlen Metall fanden. Mit einem Mal war es, als würden Erschöpfung und Verwirrung sich gleichermassen verflüchtigen. Es wurde Zeit ein neues Stück zu fertigen, etwas, um sich selbst Haltung und Richtung zu geben. 
Etwas, um ältere, mächtigere Schwüre zu beschwichtigen. 

Niemand hatte zu sagen gewusst, was mit dem Helm von Gerlach Ganter I. geschehen war. Vielleicht hatte Godwin Ganter ihn gestohlen, vielleicht war er auch der Kirche als Geschenk übergeben wurden.
Das machte nichts. Er konnte einen neuen machen.
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#6
Schmerz... Schmerz war schon etwas seltsames. So wohltuend der Schmerz beanspruchter Muskeln nach einem guten Tagwerk in der Schmiede auch anfühlte, so unangenehm war der Schmerz einer Verwundung im Kampf, umsomehr wenn es ein verlorener Kampf war. Dieser verdammte schwarze Dämonenhund von einem Ritter oder was dieser untote Schrotthaufen der aktuell den Südwald und halb Löwenstein in Angst und Schrecken versetzte auch darstellen sollte, hatte unvermittelt vor ihm auf den Weg gestanden. Goran hatte nach den Gerüchten der letzten Zeit schon halb mit so etwas gerechnet und war - Mithras sei Dank - gerüstet und bewaffnet nach Löwenstein aufgebrochen. Gemeinsam mit dem Freiherren, Arthar und irgend einem heidnischen Hermetiker, die allesamt das gleiche Pech wie er gehabt hatten, hatte er es mit dem unheiligen Wesen aufgenommen und eine Zeit lang hatte es tatsächlich so ausgesehen, als hätten sie gewinnen können. Doch am Ende hatte der Schwarze wieder die Oberhand gehabt und ihnen eine ordentliche Tracht Prügel verpasst. Und nun war der Schmerz da.

Aber der Meisterschmied kannte ein probates Mittel gegen Schmerz, welches ihn bislang noch nie im Stich gelassen hatte: Arbeit!
Da aktuell kaum Aufträge bei ihm eingingen hatte er nichts konkretes das anstand, also zog er die Skizzen hervor, die Gerlach von dem Mondstahlhelm gefertigt hatte, den er zu schmieden gedachte. Angeblich war der Helm nach dem Vorbild eines Rüstungsstückes von einem von Gerlachs Vorfahren entworfen worden, doch das war Goran recht gleich. Er würde Gerlach, dem hoffnungslos in die Vergangenheit verliebten Schmied, gerne seinen Traum vom Helm seines Ahnen verwirklichen lassen, wenn er im Gegenzug einen mondstählernen Visierhelm erhielt, mit dem er seine Kunden ausstatten konnte.

Also machte er sich daran, sich über die Skizzen des jüngeren und weniger erfahrenen Schmiedes zu beugen und sie eingehend zu inspizieren. Wahrlich der Junge hatte Talent, vertäte er halb so viel Zeit damit mit seinem Kopf in der Vergangenheit zu stecken oder irgendwelche abstrusen Geschichten in die Gösselpost zu kritzeln könnte wirklich ein guter Schmied aus ihm werden. Er seufzte tief, der Bursche war ein hoffnungsloser Träumer, aber er musste sich eingestehen, dass er den seltsamen Kauz mochte. Und so ergriff der alte Schmied mit seinen dicken dunklen Fingern die Feder, tauchte sie bedächtig in das Tintenfass und korrigierte noch hier und da einige Maße und Zahlen. Anschließend fasste er den Kohlegriffel und verfeinerte noch ein paar Konturen der Skizze, fügte noch eine Stanzung in Form einer Mithrassonne im Visiier des Helmes ein, ehe er zufrieden auf die Skizze schaute. Mal sehen was Gelach dazu sagen würde...
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#7
Ein kreativer Querkopf. Das war Gerlach - eindeutig!
Gerlach hatte wieder rund ein Dutzend Änderungsvorschläge im Schädel und auf der Zunge gehabt, kaum dass Goran mit seinen Ausführungen zu seinem Entwurf des Helmes fertig gewesen war. Der Junge war einfach unverbesserlich. Schnaubend schüttelte Goran den Kopf ehe er widerwillig in polterndes Gelächter ausbrach. Eigentlich war der Junge gut so wie er war, nicht ganz normal, aber normal sein ist ja auch langweilig.

Die Krux an der ganzen Geschichte war eigentlich, dass sie beide und auch der Rest der Jünger, nicht über die nötige Erfahrung mit der neuen und heiligen Legierung verfügten, um mit Bestimmtheit zu sagen welche Materialstärke denn nun eigentlich für Mondstahl ideal sein sollte. Er fuhr sich grübelnd eine Weile lang durch den Bart, immer und immer wieder fuhren seine Finger die lange Kinnweise hinab, befühlten dabei unwillkürlich die raue Knotigkeit des Zopfbartes, bis schließlich der kahle Schmiedeschädel von der Antwort erleuchtet wurde.

Ihnen fehlten Erfahrungen mit Mondstahl, also mussten sie Erfahrungen sammeln - und zwar mit einem ausgiebigen Materialtest! Der Helm war eigentlich ein ganz gutes Versuchsobjekt dabei, nicht so filigran wie Handschuhe, nicht so schwer zu treffen wie eine Halsberge und nicht so materialaufwändig wie Armschoner, Harnisch oder Beinlinge. Ja der Helm war ein sehr gutes Teil der Rüste um damit Versuche zu starten. Und falls sich keine prüfwilligen Krieger fanden konnte man ihn zumindest auf eine kleine Melone oder dergleichen stecken um das Ergebnis des Testes zu überwachen. Gut gut gut...

Schweren Herzens ging er in sein Schlafgemach und schob das schwere Stockbett zur Seite. Er musste einen Dolch zur Hand nehmen um die lose Bodendiele, die sich darunter verbarg aus dem Verbund mit ihren Geschwistern zu lösen, doch schließlich hatte er sie in der Hand und konnte sie zur Seite legen. Ächzend legte er sich auf den Boden und fuhr mit der Hand, wie dem Unterarm in den freigelegten Hohlraum. Schließlich beförderte er nach und nach einen kleinen Berg an Mondstahlbarren ans spärliche Tageslicht. Trotz der unwilligen Lichtverhältnisse glänzten und funkelten sie silbrig um die Wette, dass es eine Freude war. Dieser "Test" würde ihn ein kleines Vermögen kosten, aber was tat man nicht alles für eine qualitativ hochwertige Ware?

Er verschloss das Versteck sorgsam wieder, verteilte den Staub etwas um, damit nichts auffiel und schob mit einem Grummeln, welches vom Schaben der Bettpfosten auf dem Dielenboden übertönt wurde, die Schlafstatt wieder an ihre angestammte Stelle.

Bevor er sich auf den Weg zur Schmiede machte, griff er noch zu Pergament, Feder und Tinte und verfasste eine kurze Notiz für Gerlach:

[Bild: Schmiedsymbol_klein.gif][Bild: Schmiedsymbol_klein.gif]
Mithras mit Dir Gerlach!

Du hast mal wieder den Kopf voll mit wilden Ideen und sollst deine Chance bekommen zu beweisen, ob sie etwas wert sind.
Ich will dass du bis morgen Abend mindestens drei verschiedene Helmvarianten aus Mondstahl schmiedest. Versteh mich nicht falsch! Sie sollen sich nicht äußerlich unterscheiden sondern in der Stärke und Verarbeitung des Mondstahls. Ich werde ebenso drei Varianten herstellen. Morgen Abend, einen halben Stundenlauf nach der Achten treffen wir uns an der Schmiede im Eisenthal und finden heraus, welche Variante das beste Ergebnis bringt!

Mithras obsiegt!

[Bild: Goransig.png]
[Bild: Goransiegel.png]
[Bild: Schmiedsymbol_klein.gif][Bild: Schmiedsymbol_klein.gif]
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#8
Es war heiss in Löwenstein und es war heiss in der Schmiede - dem ungeliebten und verschmähten Kasten von Bau, der nur darauf zu warten schien, dass ein neues Feuer die Mauern schwärzte und schliesslich verschlang. Wenn es nach Gerlach ging, würde es zumindest heute nicht dazu kommen: Die Arbeit an der Esse war weitgehend getan und die Glut dort wurde nur gelegentlich unter den wachsamen Augen des Brandwartes geschürt. 

Heute wurde mit dem Hammer gearbeitet, das von Goran gelieferte Mondstahl wollte in Form gebracht werden, nachdem es vorher ausgiebig in die richtige Stärke gehämmert worden war. Der Vorschlag des alten Mannes hatte etwas für sich, dass musste Gerlach zugeben, während er mit der Zange nachfasste und den Hammer schwang. Dennoch: Ein Helm war eine interessante Wahl und vermutlich hatte Goran noch den einen oder anderen rachsüchtigen Gedanken im Kopf gehabt und sich von der Aussicht inspirieren lassen, einem bestimmten Gesicht einen kräftigen Schlag auf den Kopf zu geben.

Was das betraf, so hätte Gerlach selbst den einen oder anderen Kandidaten beisteuern können - aber von denen war keiner in Löwenstein, nicht einmal in Servano. 
Die Vergangenheit schlief nicht, das zeigte ihm allein der Blick auf das wundersam silberhelle Material, das doch so viel widerstandsfähiger als Silber war. 

Widerstandsfähiger.

Das traurige war, dass all diese Mühen, all das Suchen und Wühlen, das Erproben und Prüfen eigentlich unnötig hätte sein müssen. Das Wissen war da, eifersüchtig behütet einst und vielleicht noch immer in irgendwelchen Kellern verrottend, geschätzt von den faulenden Zähnen längst seniler selbsterklärten Hütern von Wahrheiten. Andere Dinge waren vollkommen verschwunden: Der Rotstahl, aus dem die gebrochene Klinge gefertigt worden war, gehörte dazu - nicht einmal ein Geheimnis - sondern einfach das Resultat ausgebluteter Erzadern im Berg. Seit vielen Jahren hatte niemand mehr diese spezielle Eisen gefunden und dann zu Stahl verarbeitet und ganz gleich wie tief die Stollen im Eisenthal noch getrieben wurden: Es sah nicht so aus, als würde sich daran etwas ändern.

Ein prüfender Blick hinab auf die anklagend starrenden Augenhöhlen des Helms.
Die Wände waren zu dünn, daran hegte er wenig Zweifel: Der Aufwand um das Metall zu verbiegen, hielt sich in Grenzen und das hiess, dass auch die Schutzwirkung wenig beeindruckend sein würde. Wenn das Ergebnis der Überprüfung aber schon vorab gewiss war, machte es keinen Sinn sich dieser überhaupt zu stellen.

'Gerade als ich dachte, ich wäre fertig.'

Es war heiss in Löwenstein und es war noch heisser in der Schmiede, nun, da die Esse noch einmal angefacht wurde. Die bereits fast abgeschlossene Arbeit war für Nichts gewesen. 

Alles auf Anfang.
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#9
Die Sonne hatte Servano wieder. Nach den Stürmen und Regengüssen der letzten Wochen, die Manchem wie die Vorboten zum drohenden Weltuntergang vorgekommen sein mochten, hatte sich der glühende Flammenball am Himmel in den letzten Tagen Stück für Stück seine Herrschaft wieder zurück erkämpft. Und so hatte Goran beschlossen, dass er es sich heute seit Langem wieder einmal verdient hatte, den Hammer ruhen zu lassen. Die letzten Tage waren so gefüllt gewesen mit dem Entwerfen und Schmieden der unterschiedlichen Mondstahlhelme, dass selbst ihm nunmehr der Arm von der Anstrengung schmerzte und er der eigentlich geliebten Hitze und dem unverwechselbaren Geruch der Schmiede für eine Weile zu entkommen suchte.

Daher hatte er sich aus seinem Geheimvorrat einen mächtigen Humpen kühles Bier, einen Krug der eigens für die Pranken eines Schmiedes gefertigt worden zu sein schien, abgezweigt und sich auf der Treppe vor seinem Laden niedergelassen. Die letzten Monde hatte Mithras ihnen wahrlich mit Erfolg gesegnet. Nicht nur, dass die Mondstahlesse gefunden und in Betrieb genommen worden war, sie waren nunmehr sogar in der Lage fast eine komplette Plattenrüstung aus Mondstahl herzustellen. Einzig die Beinlinge hatten sie noch nicht in Angriff genommen. Aber nachdem sie nun vor einigen Tagen mit einigen Kriegern - der Aufruf war ein voller Erfolg gewesen, Goran hätte vorher nicht damit gerechnet, dass gleich drei Krieger, die auch potentielle spätere Kunden für die Mondstahlrüstungen waren, sich einfinden würden um das Metall zu erproben - erfolgreich einige Materialtests vorgenommen hatten war er zuversichtlich, dass die Beinlinge mit ihren vielen Gelenken und Platten, auch kein allzu großes Problem mehr darstellen würden. Die Beine, die Beine - ja es war Zeit. Suchend sah er sich um, - verdammt, er brauchte unbedingt einen Lehrling oder mindestens einen Knecht, den er für seine Botengänge misbrauchen konnte - denn er wollte Gerlach eine Nachricht schicken. Zögernd blickte er zwischen der Ladentüre und seinem Bierkrug - jener sündigen Verheißung, die die Wolllust in einem jeden Manne annähernd so gut wecken konnte wie ein dralles Weib - hin und her. Schließlich entschied er sich für die Wolllust und befand, dass er Gerlach auch später noch davon in Kenntnis setzen könne, dass es nun an das letzte Rüstteil zu gehen gelte.

Mit zufriedenem Seufzen ließ er einen Schluck des herben, klebrig kühlen Nasses seine Kehle hinunter rollen. Ahhhh - ein wunderbarer Tag!
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#10
Wenn der zurückliegende Abend eines deutlich offenbart hatte, dann das bloßer Schein echtes Sein einfach nicht ersetzen konnte, sobald die Zeit des Angebens vorbei war und die Karten auf den Tisch gelegt wurden. Durias hatte gelernt die schwere Platte zu tragen, damit er die Nöte und Schwierigkeiten der Krieger verstand, damit er mit eigenen Augen sehen und eigenem Schmerz fühlen konnte, was falsch, was ungepassend, was fehlerhaft war. Er hatte gelernt mit dem Schwert zu stechen und mit dem Hammer zu hauen, eine Axt zu schwingen und ein Turmschild zu heben, aber nichts davon, nichts von all dem Schein war echt.
ung,
Der Wirklichkeit eines echten Gefechtes kam das einfach nicht nah: Der Kampf, die Hektik, die heisse Aufregung, die in das Blut floss und die klaren Gedanken verwirrte. In der Vergangenheit hatte der Mann mehr als genug Schlägereien mitgemacht, um sich für einen Veteranen zu halten, ebenso geübt im Austeilen wie im Einstecken, aber der Krieg dort unten in der Enge der Kryptagänge war .. anders .. und in die rasende Aufregung, das blindwütige Umsichschlagen und die flotten Sprüche hatte sich eine dunkler werdende Wolke von Sorge gemischt.

Besser als die meisten wusste er um die Schwachstellung und Unzulänglichkeiten, um die Kompromisse, die eingegangen werden mussten, wenn Zeit, Gewicht und die Qualität des vorhandenen Materials miteinander wetteiferten.
Besser als die meisten, aber nicht besser als alle .. und während die Sonne am Morgen einer ruhelosen Nacht dämmerte, festigte sich ein Entschluss im Begreifen des Mannes, gewann an Form und Substanz in Buchstaben auf Papier.

Nicht viel später machte sich ein Bote aus der Hauptstadt in Richtung Eisenthal auf.


Zitat:Zu Händen
Meister Goran Eisenschlag

Mithras obsiegt,

Mein Leben wurde umgekrempelt. Nicht alles ist neu, aber du wirst mich kaum wiedererkennen und dazu gehört auch das Heft des Handelns in die eigenen Hände zu nehmen. Mir kam zu Ohren du wärst der Kopf einer Gemeinschaft, die sich der Erforschung, Verarbeitung und Wacht des heiligen Mondstahls widmet. 
Nachdem meine Wege mich nun zu Mithras geführt haben, würde ich mich gern genauer darüber unterhalten.

Durias Zobel
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