FSK-18 Düsterfluss
#11
1395
Aus der Kammer dringen verdächtige Geräusche. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern...
Ich bin fast erwachsen. Wie kann es dann sein, dass Yascha es noch immer schafft, Frauen weiszumachen, er zöge mich ganz alleine groß, er sei der einzige, der sich um mich kümmere? Dabei wissen sie doch, dass wir Laverne und Yascha Düsterfluss sind! Dass unsere Eltern noch leben, dass ich Lehrer habe, die mich unterrichten, dass ich mehr als manch anderer zu kauen habe und dass Yascha sicherlich vieles macht - aber nicht mich großzuziehen! Was ist es also, das dafür sorgt, dass die Frauen immer wieder mit Yascha -
Da ertönt ein hohes Gis aus der Kammer. Dann ist es kurz still.
Ach. Jetzt weiß ich es. Sie wollen es. Ich sehe mich im Raum um. Ich bin auf einmal so richtig zornig. Ich weiß nicht, wieso. Aber ich bin fast 17 Jahre und Vater sagt, in dem Alter müsse nicht alles Sinn ergeben.

Was zum Henker macht Yascha da immer? Ich meine... ja, ich weiß was er macht, in der Theorie sogar ganz genau, wie das zwischen Mann und Frau funktioniert. Ich hatte da vor einiger Zeit ein äußerst unangenehmes Gespräch mit Vater und Valentin; unangenehm für alle Beteiligten. Das hätte eigentlich nur noch unangenehmer werden können, wenn Frau Mutter dabei gewesen wäre...
Und in der Praxis, hahaha, wenn sie nur wüssten! Aber ich sage ihnen nichts. Ganz ohne die Theorie weiß ich das. Selbst Frau Mutter wäre stolz auf mich, wenn sie erführe, wie schnell ich am lebenden Objekt gelernt habe.
Mit Karoline mache ich einfach, was schön ist. Meist liegt sie einfach nur da, dass ich sie schon als meine eigene kleine Spielwiese betrachte. Eine Spielweise, die ich nach Belieben hoch und herunter tollen kann. Ich weiß, wann ich ganz sanft sein zu sein habe, wann etwas fester... dass ich manchmal berühren und manchmal genau nicht berühren muss. Die Stellen sind dabei völlig egal. Die Stelle ist überall! Ich weiß, wie Karoline schmeckt. Ich kenne jeden Winkel ihres zarten Körpers. Wenn ich will, kann ich es sehr schnell für sie enden lassen - nur um dann wieder von vorne anzufangen. Und es gefällt mir, ganz ohne selbst angerührt zu werden...
Aber wie macht er es? Auf die gleiche Weise wie ich? Meine Fäuste ballen sich und ich spüre, wie die Wut in mir aufkocht. Zumal Yascha in weniger als einer Woche verschwunden sein wird. Der schlimmste Moment meines Lebens steht mir bevor. Der Moment, der Lebewohl bedeuten wird. Der Moment, in dem wir nicht mehr "noch ein paar Stunden haben", sondern der das Ende bedeutet. Der Moment, in dem wir uns trennen. Der Moment, nach dem er gehen wird... und mich zurück lassen...
Was wird Yascha wohl in seiner letzten Nacht vor seinem letzten Morgen, dem Morgen der Abreise, tun? Mein Blick fällt auf die Kammer, in die die beiden vorhin verschwunden sind. Oh ja. Ich glaube, ich weiß, was er tun wird. Wütend schlage ich mit der Faust gegen die Wand. Es dauert nicht lange, da stürzt mir Yascha mit halb heruntergelassenen Hosen entgegen.
"Hä? War doch nichts?", fragt er mich irritiert und verschließt seinen Gürtel. Doch! Alles war!

Die nächsten Tage bedeuten sehr viel Arbeit für mich, aber auch auf gewisse Weise Vergnügen. Ich weiß, welche Frauen Yascha immer so besucht... ich weiß, dass sie dem Düsterfluss-Charme längst unterlegen sind. Aber Yascha ist nicht der einzige mit diesem Charme. Wie man sich diesen Charme zunutze macht habe ich wohl vom Besten gelernt. Und als ich so unter dem Tisch der Metzgersfrau knie, halte ich einen Moment inne und lasse verlauten:
"Du weißt, dass Yascha bald gehen wird."
"Ja... ja", sagt sie. Sie hat die letzten Minuten ohnehin nichts anderes gesagt.
"Und... wenn du magst, dass ab jetzt öfter bei dir vorbei komme, dann musst du etwas für mich tun."
Sie schluckt lautstark und ihre Hände suchen Halt auf der Tischplatte.
"Du wirst Yascha diese Woche nicht mehr sehen, verstanden?"
"Ja... ja...", haucht sie eilig. Ich lächele. Klingt, als wäre ich schon fast überzeugender als Yascha.
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#12
1397
für Yascha von Laverne
Manch einer schaut zum Himmel für Antworten,
keine Ahnung, was sie von ihm erwarten.
Manch einer sucht die Wahrheit beim Gebet,
ich hab' nie verstanden, wie das geht.
Andere machen ehrliche Arbeit auf dem Feld,
suchen Trost in Einfluss und Geld,
tragen Verkleidung und Maske auf,
klettern auf 'nen Berg hinauf,
fragen die Weisen um Rat,
setzen gute Vorsätze in die Tat -
all der Quatsch ist nicht mein,
ich bevorzuge Wein.
Der Schnipsel kommt zu den anderen Zetteln, die ich morgen an Yascha schicken werde; das Bündel wird sorgsam verschnürt. Es ist eine vage Vorahnung, was mit diesem Bündel geschehen wird, wenn es je ankommt. Nein, ich weine jetzt nicht schon wieder. Lass das, Laverne!
Nicht jeder Schrei erhält auch ein Echo...
Ob der Sonnenuntergang heute in Yaschas Feldlager auch so traurig aussieht wie der, der in mein verlassenes Zimmer scheint?
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#13
1404
Er hat die Briefe nie bekommen.
Ich habe sie Frau Mutter gegeben und sie hat sie nie an Yascha geschickt. Sie hat sie vermutlich selbst gelesen und dann zerrissen. Ich hielt sie schon immer für eine böse Frau. Aber das...das! Das nehme ich persönlich.
Es bedeutet aber auch... dass Yascha nie gelesen hat, was ich ihm schrieb. All der kindliche Quatsch und auch all die Dinge, die man seinem Bruder besser nicht erzählt... wenn er so gar nichts davon weiß, dann ist das wie ein Neuanfang. Dann kann ich mich von ihm loslösen. Dann ist alles das nie passiert!
Ich muss mir überlegen, ob ich das tun will... ob ich es kann...
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#14
1387
Die Kinder lachen über mich.
"Nä nä näää, du hast nur drei-ei!"
Doch das macht mir nichts. Yascha lacht auch. Und wenn Yascha lacht, dann ist alles gut. Dann ist es nicht so schlimm. Ich muss trotzdem ein bisschen weinen, weil er da bei den großen Jungs steht und grinst.
"Und eine davon ist Sulis, das ist voll lahm!"
Die Rede ist von meinen Schicksalsgöttern. Wie eines der doofen Kinder richtig angemerkt hat, ich hab' nur drei. Und eine davon ist Sulis. Das findet er lahm. Voll lahm. Und ich kann nicht mal richtig sauer sein, ich find' sie selber doof. Ich hätt' gern Morrigu, die ist stark. Wenn wir Götter spielen, will ich immer sie spielen. Die anderen haben sie alle als Schicksalsgöttin, nur ich nicht. Naja, und Karo.
Trotzdem geh' ich rückwärts. Die anderen sind in der Überzahl. Ich laufe Richtung Seeufer hinter Rabenstein. Wenn sie alle alleine wären, ich hätte jeden einzelnen verprügelt. Aber so...ich geh' lieber. Aber die anderen folgen mir nach. Hätte Yascha ihnen doch nur nicht meine Schicksalsgötter genannt!
"Du wirst mal Hausfrau und keine Kriegerin..."
Sie sagen gemeine Sachen, aber das mag ich nicht hören. Vielleicht sollte ich rennen. Aber ich mag nicht wegrennen, wenn Yascha in Sichtweite ist. Und der See ist auf einmal so nah, da könnt' ich hinein fallen. Das wär' doof.
"...genau wie deine Mutter!"
Jetzt reicht's! Niemand wagt es, mich mit Frau Mutter zu vergleichen! Mein Zorn bricht durch und ich schubse den ersten Jungen an, der mir am nahesten steht. Er schubst mich zurück und ich rutsche aus. Ups. Mir wird auf einmal ganz kalt und ich muss an die aufgeblähte Leiche denken. Ich bin im See! Ich bin im See!
Das Lachen der Kinder höre ich nur ganz dumpf, irgendwie ist der Rest der Welt ganz still. Und irgendwo weit weg höre ich Yascha rufen: "Sie kann nicht schwimmen!!"
Jemand zieht mich aus dem Wasser, aber ich bin irgendwie gar nicht mehr da. Als ich zu mir komme, sehe ich Yascha. Er's ganz nass.

Am nächsten Tag haben so gut wie alle Kinder mindestens ein blaues Auge. Und niemand lacht jemals wieder über meine Schicksalsgötter.
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#15
1396
für Yascha von Laverne
Lieber Yascha,
heute vor genau einem Jahr musstest du aufbrechen. Wie gefällt es dir auf deinen Reisen? Ich kann mich noch immer nicht daran gewöhnen, dass du nicht mehr hier bist, obwohl ich jetzt schon mehr als ein Jahr Zeit hatte, das zu tun. Manchmal drehe ich mich um und bin ganz erstaunt darüber, dass du nicht hinter mir stehst. Manchmal höre ich deutlich dein Lachen, nur um dann festzustellen, dass alle ganz ernst dreinschauen. Manchmal steigt mir dein Geruch in die Nase, nur um dann zu bemerken, dass ich bloß in Pferdedung getreten bin. Du fehlst mir. Du fehlst mir ungemein.
Es macht nichts, dass du mir nicht schreibst. Ich weiß, dass du viel zu tun hast. Und mir reicht der Gedanke, dass ich weiß, dass du irgendwo da drüben bist und mit mir lachst und mit mir weinst, auch wenn es schön wäre, zu wissen, dass du noch lebst. Du hast es mir versprochen. Meinetwegen kannst du mir auch gern über irgendwelche Frauen schreiben, dir fällt doch eh nichts Besseres ein. 
Und... es war in Ordnung, wie du dich verabschiedet hast. Ich hätte vielleicht nicht tun dürfen, was ich getan habe - angefangen damit, dir ein Versprechen abzuluchsen, das du zu geben gar nicht bereit warst. Aber ich brauchte das, Yascha. Sonst hätte ich diese Nacht nicht überlebt. Es war eine schreckliche Nacht. Und gleichzeitig war sie auch wunderschön und ich danke dir dafür.
Du bist ein ganz fieser Blödkopf, aber ich hoffe, du denkst ab und an mal an mich und Valentin. Jetzt, wo du nicht mehr da bist, glaubt er, er müsse auf mich aufpassen... und zwar indem er mir sagt, was ich alles falsch mache. Das ist eine ganze Menge.
Ich liebe dich, Bruder. Glaub mir das.
Deine
Laverne
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#16
1397
Irgendjemand weint doch immer. Heute bin ich's. Ist doch keine große Sache. Der Grund dafür jedoch, der ist albern. Ziemlich albern. Es ist ja eigentlich gar nichts passiert... eigentlich.
"Eigentlich üben wir ja nur.", hat sie darauf los geplappert, als wir so entspannt auf den Fellen lagen. Mein Kopf war noch immer ein bisschen leer, ich musste erst einmal begreifen, dass sie überhaupt etwas gesagt hat. Davon, was sie gesagt hat, mal ganz zu schweigen.
"Wen stellst du dir eigentlich vor, wenn wir uns küssen?"
Ich habe mich von ihr weg gedreht und so getan, als sei ich genervt, aber in Wahrheit gaben ihre Worte mir einen Stich.
Ich erwiderte nichts. Ihr zu sagen, dass ich sie liebte, war jetzt so verdammt unpassend.
"Ich stelle mir ja manchmal Yascha vor." Ich schwieg und sie kicherte bei dem Gedanken. Sie schaute zur Decke und es lag ein "lass uns über Jungs reden" in ihrer Stimme. Verdammt, was war sie nur für eine blöde Kuh... verglich mich doch ernsthaft mit meinem  Bruder! .... ich bin viel besser als Yascha. Ich würde ihr Herz nicht brechen, wenn sie mir es denn überhaupt mal gegeben hätte. Ich würde sie nicht zum weinen bringen.
Ganz anders als Yascha.
Ich weine, weil mir heute etwas klar geworden ist. Nicht nur, dass sich Karo wünschte, ich hätte einen Schwanz - das wünsche ich mir wohl selbst, aber ich weiß, das wird nichts mehr -, sondern dass es verschiedene Arten gibt, wie man jemanden lieben kann.
Neben der Liebe und der Vertrautheit von Geschwistern gibt es ein tiefes Verlangen, verbunden mit dem Wunsch oder der Hoffnung, für eine Person zumindest gut genug zu sein... und dieser Person nah zu sein, selbst wenn sie fern war.
Und darum weine ich... weil es eine Person gibt, die ich auf jede Weise liebe, die es gibt; auf die Arten, die ich kenne... und höchst wahrscheinlich auch auf die, die ich noch nicht kenne... wenn Liebe weh tut, warum bin ich dann so glücklich, dass mir die Tränen kommen?
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#17
1400
Halbwegs zufrieden setzte ich drei Punkte ans Ende der Geschichte. Sie ist mir nicht so gut gelungen wie Schatten über Innsmaul, aber ich bin dennoch relativ zufrieden mit dieser Nacherzählung dieser alten Geschichte.

Das Zwiebelringelied I
Eine Nacherzählung von Laverne Düsterfluss
Zwiebfried ist schon ein toller Hecht: sieht gut aus, ist von edler Abstammung und unendlich reich.
Unendlich reich bedeutet, sein Bankfach ist ein ganzer Berg (ja, der Berg ist sein Bankfach!) und würde er die Hälfte seines Vermögens abgeben, wäre er noch immer unendlich reich. Außerdem nennt er auch einen magischen Gegenstand sein Eigen: die Tarnkappe! Damit ist er praktisch unsichtbar, darum ist es auch sein liebster Besitz. Er ist also eine ziemlich gute Partie - und weiß es. Wer ihn jetzt schon hasst, kann beruhigt sein: er stirbt in der Mitte der Geschichte und ist nicht die Hauptrolle.
Nun, Zwiebfried ist eine krasse Zwiebel, vielleicht die allerbeste Zwiebel, die es jemals gab. Und wer sollte da schon würdig sein, von ihm geehelicht zu werden? Die Antwort liegt doch ganz klar auf der Hand: natürlich die Allerschönste! Wobei “schön” manchmal auch “reich” bedeutet, als hätte der Gute nicht sowieso schon genug Geld.
Die Schönste (und damit wohl auch reichste), das weiß er ohne sie je gesehen haben zu müssen, ist Cremehild, die Schwester des Königs, die passende Soße zu seinen Ringen.
Zwiebfried weiß aber, einfach so zum König Gurke hingehen und um Cremehilds Hand anzuhalten, das ist nicht. Darum geht er zu ihm um ihn zu bedrohen. Ja, das ist seine Taktik: Er verlangt das gesamte Gurkenreich um den König einzuschüchtern und hofft, der König wird ihm um ihn zu besänftigen dann schon seine Schwester geben.
“He, mein Reich, das kann ich dir nicht geben, aber hier, nimm meine Schwester, das ist fast genauso gut. Und jetzt verschwinde, Bursche!”
Bei König Gurke sitzt aber sein Berater, der der eigentliche Held dieser Geschichte sein sollte: Fthagen. *hier ist ein Herz hinein gemalt* Heart
Fhtagen ist ernst, schön, dunkel gekleidet und immer ein wenig mürrisch. Er erkennt Zwiebfried auch sofort und durchschaut seinen blöden Plan. König Gurke sagt er, er könne ihm doch ruhig Cremehilds Hand geben, wenn Zwiebfried ein Gefolgsmann des Königs wird, ein paar Probleme für ihn löst und sich würdig erweist. Wieder ungesehen willigt Zwiebfried ein.
Cremehild beobachtet das Ganze übrigens vom Fenster aus und ist sofort hin und weg von Zwiebfried; man hätte auch einfach sie fragen können, ob er passend ist. Hat man aber nicht.
Und so kämpft sich Zwiebfried in die Herzen von König Gurke und Fthagen, er erschlägt sogar einen Drachen und wird unverwundbar. Nein, nicht im übertragenen Sinne, sondern tatsächlich. Den Drachen besiegt er nämlich, indem er sich in einer Grube versteckt, um ihm vom unten in den Bauch zu stechen. Dabei wird er vollgeblutet und das Drachenblut verleiht ihm diese Unverwundbarkeit. Bis auf die Schwachstelle zwischen seinen Beinen. Die Stelle hat er absichtlich frei gelassen, weil er zum einen eh auf diese Stelle aufpasst und zum anderen Angst hatte, dort nichts mehr zu fühlen. Und dann wäre der ganze Aufwand um Cremehild ganz umsonst gewesen.
Er geht zum König Gurke und teilt ihm mit, dass alles erledigt sei und er jetzt bereit wäre, sich stundenlang an dessen Schwester zu vergehen.
“Jaaa... Theoretisch könnte ich dir Cremehild ja jetzt schon überreichen wie einen Orden aus Zwiebelringen, das Ding ist nur”, sagt der König drucksend, “ich habe selbst nichts zum Schnackseln. Und es kann ja nicht angehen, dass ein Gefolgsmann des Königs heiratet und es im Bett krachen lässt und der König leer ausgeht. Viel besser wäre es doch, wenn wir eine Doppelhochzeit machen: Hilf mir noch ein einziges Mal, dann darfst du Cremehild besteigen! Ich hab’ mir da auch schon ein Weib ausgesucht: eine Kriegerprinzessin, die ihre Stärke in wilden Schlachten erwarb. Mit ihrem Mut und ihrer Leidenschaft trotze sie jeder Gefahr. Sie herrscht auf einer Insel und heißt Brummdild. Die will ich!”
Schnell ist auch herausgefunden, wie man angemessen um Brummdilds Hand anhält: man besiegt sie im Kampf, im Weitsprung und im Speerwerfen. König Gurke, Fthagen und Zwiebfried ziehen los, die Prinzessin zu gewinnen. Zwiebfried hat natürlich seine Tarnkappe dabei.
Am Strand der Insel angekommen begrüßt Brummdild die Neuankömmlinge: Fthagen ganz in Rabenschwarz, Zwiebfried in weiss wie die Unschuld und irgendwo dahinter König Gurke. Da liegt auf der Hand, dass Brummdild ein wenig enttäuscht war, dass nicht der tolle Zwiebfried gekommen ist, um um ihre Hand anzuhalten.
Die drei Prüfungen besteht Gurke eigentlich auch nur, weil Zwiebfried ihm mit der Tarnkappe hilft. Im Kampf steht er hinter Gurke, im Weitsprung trägt er ihn auf den Armen und springt und beim Werfen wirft er für ihn.
Das ist ganz schön gemein, aber Brummdild ist eigentlich ganz froh darüber, dass sie endlich einen vermeintlich würdigen Mann gefunden hat, der ihr endlich den Gürtel abnehmen kann und sie die ganze Nacht so richtig begattet. Aber weit gefehlt.
Während es bei Zwiebfried und Cremehild in der Hochzeitsnacht so richtig zur Sache geht, schafft es Gurke nicht einmal, Brummdild den Gürtel abzunehmen - und darum hängt sie die Gurke kurzerhand an den Kleiderhaken und lässt ihn die ganze Nacht dort hängen. Am Morgen, noch bevor die Diener kommen, lässt sie ihn jedoch runter. Es ist ja immerhin, trotz allem, ein König. Ihr König. Aber da denkt sie sich schon, dass etwas faul ist.
Gurke bittet Zwiebfried, ihm noch einmal mit der Tarnkappe auszuhelfen. Nur bis er den Gürtel abgenommen hat, denn einmal von einem Mann im Bett bezwungen, genommen, und Brummdild verlöre ihre unglaubliche Kraft.
Also zieht sich Zwiebfried ein letztes Mal die Tarnkappe an und schleicht in Gurkes Schlafgemach. Ihm gelingt es natürlich, Brummdild den Gürtel abzunehmen. Ob es auch er ist, der in jener Nacht in sie stößt oder tatsächlich Gurke selbst, das wissen nur die zwei und die Götter. Zwiebfried jedoch, aus welchem Grund auch immer, behält den Gürtel als Andenken. Cremehild bekommt das natürlich mit und hat nichts Besseres zu tun, als ihn Brummdild zu zeigen und sie damit bloßzustellen. Die Königin bloßzustellen? Ganz schlechte Idee. Das findet auch die Königin selbst.
Sie macht das einzig Richtige und beauftragt Fthagen, Zwiebfried zu töten.
Was er auch auf einem Jagdausflug macht, da er von Cremehild selbst die einzige Schwachstelle an Zwiebfrieds Körper erfährt. Sie erzählt es ihm mit der Bitte, diese Stelle besonders zu schützen.
Das und die Tatsache, dass Fthagen Zwiebfried von hinten erschlägt, als dieser gerade an einer Quelle etwas trinkt, macht Cremehild ganz schön sauer. Aber mal ehrlich, Fthagen hat nur den Befehl seiner Königin befolgt...
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#18
1399
"Und was erwartest du jetzt, Mädchen?", bafft mich Frau Mutter im gleichen Ton an, wie sie mit dem Hausmädchen spricht. Ich habe es gewagt, sie in ihrem Arbeitszimmer zu stören, um ihr meine Arbeit vorzulegen. Sie wurde anerkannt und ich bin nun offiziell eine Gelehrtenkundige auf dem Weg zur Gesellin. Meister Lafrenz hat mir eine Empfehlung geschrieben, mit der mich nun nahezu jeder Buchbinder-Meister als Schülerin aufnehmen würde. Ich hätte nun eigentlich eine andere Reaktion von Frau Mutter erwartet, schließlich wollte sie es ja, dass ich meine Lehre bei Meister Lafrenz erfolgreich beende.
"Nun, Ihr könntet mit einem Lob beginnen", antworte ich keck. Ich bin so nervös, das muss sie fühlen. So nervös wie jemand nur sein kann, der die Aufmerksamkeit bekommt, um die er sonst wie ein Löwe kämpfen muss. Sie sieht mich streng an.
"Lob für etwas Selbstverständliches?", fragt sie fast schon ein bisschen ungläubig.
"... oder Ihr könntet es einfach zur Kenntnis nehmen.", murmle ich schon etwas leiser. Ich hätte nicht herkommen dürfen. Dieses "Gespräch" ist hoffentlich bald vorbei. Frau Mutter ist so unglaublich schön, vor allem für ihr Alter. Jeder, der halb so alt nur halb so gut aussieht wie sie, kann sich glücklich schätzen. Wenn sie doch nur ein einziges nettes Wort für mich übrig hätte, nur heute...
"Das Beste an dir ist Yascha.", spricht sie dann in die unangenehme Stille hinein. Es klingt nicht zornig, sondern ganz ruhig. Als würde sie mich aufmuntern wollen. Die Worte verstehe ich nicht. Sie winkt mich zu gehen.
"Gratuliere zum Abschluss der Lehre, Laverne", seufze ich draußen halblaut, während ich den Rücken an die Wand lehne, "aber das Beste in dir war Yascha.", schmunzle ich dann doch, weil das alles so absurd ist. Da spüre ich Valentins Blick auf mir, der am anderen Ende des Ganges steht und mich halb entsetzt, halb herablassend ansieht. Er huscht an mir vorbei in Frau Mutters Arbeitszimmer und schließt die Türe leise.
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#19
1404
Es regnet.
Ich liebe das Geräusch der Regentropfen auf dem Blätterdach über mir. Es beruhigt mich, hat eine tröstende Wirkung. Dabei sitze ich klatschnass auf einem durchnässten Ast und stelle mir vor, in einem Suppenkessel gekocht zu werden - da braucht man doch keinen Trost! Da braucht man eine warme Suppe! Oder zumindest ein trockenes Tuch.
Yascha hat den Brief sicher schon gelesen, aber noch nicht weggeräumt. Keinen Moment hat er sich Sorgen um mich gemacht, dieser Illusion gebe ich mich nicht hin. Aber sicher fragte er sich, welchen Ort ich meinte. Ich habe doch nirgendwo, wo ich hinkönnte...
Im Geäst nicht weit von mir höre ich den verräterischen Schritt-Rhythmus eines Zweibeiners. Schon lustig. Da wird man im Dorf groß, wird zum Lehrer geschickt, hält sich für belesen und zivilisiert, aber zwei Nächte im Wald und die Instinkte werden wach.
Ich sorge mich nicht darüber, entdeckt zu werden. Ich wüsste nur gern, wer das da unten ist. Ist es Cois? Hoffentlich ist es Cois, hoffentlich entdeckt er mich! Oh, ich wüsste schon, was ich mit ihm machen würde, wenn er hier aufkreuzen würde!!... ich würde ihn anbetteln, mich zu heilen. Oder es mir zumindest erklären, was mit mir los ist.
"Vater, liebt Frau Mutter mich?"
"Sie hat eine seltsame Art, es zu zeigen, aber ja, sie liebt dich. Und ich dich auch."
Ach. Vater.
Du hast mein Leben versüßt mit deiner raubeinigen Herzlichkeit. Du hast immer die richtigen Worte gefunden, gerade wenn ich dachte, unsere Sprache hätte keine Möglichkeit, es zu beschreiben.
Du hast mich beschützt.
Und ich habe immer wieder vergessen, dass es dich nicht mehr gibt. Bei jeder Erinnerung an dich muss ich mich fragen, ob es wirklich geschehen war oder ob ich es nur geträumt hatte.
"Und Yascha, liebt der mich auch?"
"Wenn er dich nicht liebt, liebt er niemanden auf der Welt, nicht einfach mal sich selbst. Ich bin deiner Mutter damals auch so hinterher gelaufen wie du ihm."
"Und du hast sie eingeholt."
"Ha, so einfach ist das nicht, mein Schatz." Gerne hätte ich dir damals gesagt, was du mir bedeutet hast, Vater. Ich hatte es fest vor, es dir irgendwann zu sagen. Irgendwann, ich schwöre. "Viel eher hat sie immer wieder auf mich gewartet, nur um dann wieder davon zu laufen."
"Werde ich Yascha je einholen?"
Vater hat nur gelächelt. Er wusste damals schon, dass ich es nicht schaffen werde. Ich war nur einmal, einmal gleichauf mit meinem großen Bruder. Er hat mir einmal, nur ein einziges Mal gegeben, was ich wollte - und nicht, was er mir gab, was er selbst wollte oder wovon er sich einen Vorteil verschaffen könnte. Zumindest glaube ich das; will ich das glauben.
Ich darf nicht daran denken - nicht an jene Nacht. In einem Buch habe ich gelesen, dass jedes Mal, wenn an ein Ereignis gedacht wird, die Erinnerung daran überschrieben wird mit dieser Erinnerung daran. Man erinnert sich sozusagen nicht mehr an das Ereignis, sondern an die Erinnerung. Ich habe mir damals geschworen, dass es das Letzte sein wird, woran ich denke, wenn ich sterbe. Und ich möchte, dass diese Erinnerung möglichst echt ist. Dass man bei manchen Dingen Übung braucht, um sich zu erinnern, stimmt für manche Nächte, aber nicht für diese.
Diese Nacht auch nur mit dem Rande meines Verstandes zu berühren jagt mir einen Schauer über den Rücken.
Damals vereinten sich alle Gefühle der Welt - ach was, aller Welten! - in meinem Körper. Es war so grausam... und doch so schön...
"Und was willst du nun, das ich tue?"
"Ich will, dass du mich..."
Halt. Denk nicht daran. Ruiniere es nicht.
Die Schritte entfernen sich. Meine Wange muss glühend rot sein. Wann soll ich wieder herunter klettern?
Nicht so bald.
Nicht, dass Yascha denkt, ich käme einfach wieder, wenn ich Hunger habe...
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