FSK-18 Knochnbrecher
#1
Mikkel

Surren, der Schlag, erneutes Surren, wieder ein Schlag. Pause.

Jegliches Wälzen oder Winden verhalf keine Flucht vor dem Schmerz. Es muss nur ein Alptraum sein, einer, der sich immer und immer wieder wiederholen musste.

Surren, der Schlag, erneutes Surren, wieder ein Schlag. Pause.

Schmerz konnte man ohnehin nicht mehr fühlen, vielleicht aus Gewohnheit. Die Demütigung machte es noch viel schlimmer, vor allem weil jeder zusehen konnte.

Surren, der Schlag, erneutes Surren, wieder ein Schlag. Pause.

Es war ganz und gar kein Alptraum. Es war das Leben von Mikkel. Das war sein Leben.

Surren, der Schlag, erneutes Surren, wieder ein Schlag. Vorbei.

Es hörte endlich auf. Ein innerlich kochender Junge lag da inmitten des Gutshofs, abgelegen in Nortgard. Jeder Angestellte hatte zugesehen, wie Rikk, der Besitzer das stattlichen Gutshofs, den Jungen ausgepeitscht hatte. Warum wussten die meisten nie. Sie hatten ohnehin zuviel Angst davor, selbst einmal da zu liegen.
Die Mittagssonne lies Mikkel die Haut noch zusätzlich brennen, wenn es auch recht kühl war. Einige Augenblicke später war der Platz wieder verlassen, denn jeder ging seinem Tagewerk nach und sie wussten alle; sie würden irgendwann wieder hier stehen und zusehen, wie der junge Mikkel verprügelt wird. Es war nur eine Frage der Zeit..

Bei Einbruch der Dunkelheit lag Mikkel immer noch geschunden auf dem Platz. Hätte man ihn beobachtet, wäre einem aufgefallen, dass er sich kein bisschen geregt hat. Alsbald die letzten Lichter auf dem Hof erlischt waren, schlich sich jemand an den zusammengekauerten Leib des Jungen. Die Schemen in der Dunkelheit ließen nur vage auf eine junge Frau schließen. Ein kurze Übergabe von Laudanum und einige wenige leise Worte, dann verschwand die Gestalt wieder im Innern. Wenig später erhob sich der junge Mikkel und verschwand unauffällig im Schutze der Nacht.


---------



Solaine

Die junge Tochter von Rikk war ein wildes Kind und hatte wohl mehr Freiheiten, als sich manches Kind so wünschen würde. Ihr Vater liebte sie abgöttisch, was jedoch nicht auf Gegenseitigkeit beruhte.

Bei jedem Peitschenhieb, den ihr Vater austeilte, gefror ihr das Blut umso mehr, wurde das Herz kälter. Der Anblick ihres Vaters widerte sie derart an, dass sie fast brechen müsste.

Jeder Schlag lies sie zusammen zucken. Sie hatte immer zugesehen, wenn Mikkel wieder leiden musste. Sie wollte es sehen, nicht um ihres Vaters willens. Sie wollte sicher gehen, dass Mikkel nicht dabei umkommt. Sie mochte diesen Jungen. Er war zwar nicht der schlauste, aber ein liebenswerter Mensch, der auch nur Leben wollte, wenn er denn schon keine Familie kannte.

Erleichterung löste die Anspannung, als ihr Vater abdrehte und Mikkel seinem Schicksal überlies. Das Blut schien wieder seine Bahnen zu fließen. Als nach wenigen Augenblicken jeder den Platz verließ, musste auch sie weichen. Sie wusste, dass er es überleben wird. Es war ihr verdienst. Bei Einbruch würde sie, wie jedes mal, sich hinausschleichen und ihm Laudanum und Wundheil bringen. Es war ein fester eingeplanter Ablauf. Schon seid einigen Jahren. Und wenn sie wieder hinein ging, dann wusste sie, Mikkel würde die Nacht beim alten Hamrich verbringen. Der würde ihn weiter versorgen, wenn es nötig war.


---------


Hamrich

Ein weiterer Strich wurde verzeichnet, als der alte Hamrich im Schutze der Nacht seine Türe gehen hörte.
"Hatt' 'e dich wieder erwischt, mei' Jung?
Jedes mal die gleiche Frage, die inzwischen nicht mehr beantwortet wurde.
Anfangs musste Hamrich den jungen Mikkel noch versorgen. Inzwischen hatte Mikkel gelernt, damit umzugehen, es schien fast, als sei er abgehärtet.
Deshalb nutze der alte Hamrich, ein alter Söldner, die Gunst inzwischen, Mikkel zu trainieren. Stärkung des Körpers und der Kampf mit Waffen. Wenn Mikkel sich nicht mehr konzentrieren konnte, dann hatte er nur mit ihm gesprochen, über Sorgen, Ängste und Wünsche. Der junge Mikkel war für den alten Hamrich so leicht zu durchschauen. Auch wenn er oft nicht viel geredet hatte, wusste Hamrich, dass irgendwann ein großes Unheil passieren könnte.
Bevor der die Morgensonne aufbrach, verschwand Mikkel wieder, um seiner Arbeit auf dem Hof nachzugehen...


---------
Zitieren
#2
Mikkel

Mikkel schlief die Nacht nie, das hatte man ihm offenbar auch immer angesehen. Nur dank Solaine lebte er wahrscheinlich immer noch. Als er den Hof betrat, noch ehe die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont hinweg kamen und den Himmel in einen zarten Sonnenaufgang einläuten würde, führten ihn seine Beine schon prompt in den Stall. Die Tiere mussten gefüttert werden und der Stall ausgemistet werden. Noch ehe zu Werk gehen konnte, traf ihn unvermittelt ein Schlag mit dem Stock. Ehe er begriff, sackte er bereits zusammen und es folgten noch mehr Schläge. Gefühlte neun Schläge später endlich die Pause..

"Na du dreckiger Schandjunge. Hast dich wieder rum getrieben, nachdem dir Solaine geholfen hat, was? Ich sag dir, lass' die Finger von ihr, oder ich geh zum Rikk, dann peitscht er dich wied.."

"Alrik, du Arschkriecher. Verpiss dich gefälligst hier!" tönte es in colerischer Manier aus Solaines Mund.

"Hast wieder Glück gehabt du Bastard...", murrte Alrik und verließ den Stall.
Solaine ließ keine Zeit verstreichen und gab Mikkel die nötige Zeit um sich davon zu erholen, indem sie den Stall auf Vordermann brachte.

Aber Mikkel? Er lag da einfach nur, wieder einmal geschunden. Er wusste, das Alrik allein Schuld dran ist, dass Rikk es auf ihn abgesehen hatte. Es war ein fast krankhaftes betäubendes Gefühl, wenn er daran dachte, wie einfach es doch sein könnte, sich zu wehren. Aber warum tat er es nicht? Er war schon früh größer als sonst jemand in seinem Alter und er wies schon enorme Kraft auf. Aber er hörte auf eine Frau. Was? Ja, das tat er. Er wusste nur nicht warum. Solaine hatte eine Gabe dafür, Mikkel in ihren Bann zu ziehen und dort auch Gefangen zu halten, wie eine Biene die vom Blütenstaub abhängig ist. Es war eine Zwickmühle, eindeutig..
Zitieren
#3
Solaine

Solaine war es leid. Dieser Mikkel verstand es nicht, zu viele unausgesprochene Dinge. Ein Seufzen...

Während sie ihr Antlitz nach der Schufterei richtete, wurde ihr auch klar warum. Wann sollte sie auch mit Mikkel offen sprechen können. Entweder würde er verprügelt werden, oder er ist nicht da. Da blieb praktisch keine Zeit. Sie durfte ohnehin eigentlich keine mit ihm verbringen. Sie tanzte auf Messers Schneide und das nur für Mikkel. Weil sie wollte, dass er endlich Frei ist; sich wehrt; ein Mann ist.

*Klopfen an ihrer Zimmertür*

"Solaine, öffne die Tür! Warst du wieder bei diesem Bastard?" tönte es gleich dumpf durch das massive Holz der Tür. Wieder ein Seufzen, ehe sie sich erhob und die Türe öffnete. Ein trügerisches Bild bot sich ihr schließlich an. Alrik der Arschkriecher im Schlepptau ihres Vaters. Ihr selbst konnte man die getane Arbeit ohnehin nicht mehr Ansehen.

"Vater.., glaubst du Alrik jedes mal aufs neue? Er ist doch nur eifersüchtig, dass ich ihn nicht haben will. Du weißt doch, dass ich mir einen reichen Mann suche, wie du es gewünscht hast."

Schnaufen des Vaters, der sich gleich Alrik zu wandte und ihn mit gnadenlosen Arschtritten aus dem Haus beförderte. Als die Tür wieder ins Schloss fiel, entwich Solaine lediglich ein amüsiertes Schnauben. Jedes mal aufs neue und sie wusste, dass ihr Vater ihr alles glauben würde.

Wenig später war sie aus ihrem Fenster verschwunden. Jeder der jetzt klopfen würde, müsste wohl annehmen, sie schliefe. Da wollte sie nie gestört werden.




Hamrich
Hamrich war inzwischen ergraut und nicht mehr der Geselligste. Für Mikkel und Solaine aber hatte er immer eine offene Tür. Er mochte die beiden wirklich und wünschte sich, dass beide irgendwann zusammen leben und heiraten. Das erinnerte ihn zumindestens immer wieder an seine Gerti. Sein Gedankengang wurde fortgerissen als letztere am helligsten Tage in die Stube kam und den alten Hamrich zur Begrüßung an sich drückte. Verdattertes Schnauben, gefolgt von heiterem Lachen.
"Kind, irgendwann komm ich noch um, wenn du mich immer so überraschts. Was führt dich zu so ungewohnter Zeit her?"

Solaines Finger glitten zum Gürtel des alten Mannes, ohne zu zögern zog sie die Klinge des Alten aus der Scheide und hielt sie ihm mit gefrorener Miene vor die Nase.
"Pass mal auf, Hamrich. Wann zeigst du Mikkel endlich, dass er sich wehren soll? Irgendwann reichen meine Mittel auch nicht mehr."

In gewohnter Manier schob der Mann seine eigene Klinge aus seinem Gesicht und brummte. "Kind, er kann sich wehren. Er will es offenbar nur nicht. Wenn du wüsstest, wozu er im Stande ist, dann würdest du ihn nicht mehr ansehen wollen. Er hasst deinen Vater. Er hasst seine Angestellten. Er hasst Alrik. Er hasst sogar sein Leben. Was ihn daran hindert, nicht durchzudrehen?" Solaine wollte genau diese Frage gerade stellen. Sie presste die Lippen ertappt aufeinander und ärgerte sich doch wieder innerlich, wie ausgerechnet Hamrich sie immer durchschauen konnte.

"Nun, Kind. Du bist der Grund. Du bist seine Sonne. Du bist seine Kraft. Er redet nur über dich. Aber das konntest du dir wahrscheinlich schon denken. Die Sache ist, dass dieser Mikkel ein sehr großes Ehrgefühl besitzt und sich deshalb nicht bei deinem Vater oder sonst wem wehren würde. Er würde es vielleicht, wenn du in Gefahr bist."

Solaine lief der kalte Schauer den Nacken entlang. Die Farbe entwich ihrem Antlitz. Schon musste der alte Hamrich die junge Frau vor dem gnadenlosen Aufprall auf dem Boden retten. Sie wurde Ohnmächtig.
Zitieren
#4
Mikkel
Mikkel wurde von der dämmernden Abendsonne geweckt. Ein kalter Windhauch ging durch den sauberen Stall. Ehe sich Mikkel erhob, musste er überlegen, was geschehen war und wie viel Zeit ungefähr vergangen ist. Der Schritt aus dem Stall heraus reichte ihm schon, bevor er in die Abendsonne stieren musste. Die Leute sahen zu, dass sie nach Hause kamen. In seinen Augenwinkeln fiel ihm Alrik auf, wie er Mikkel offenbar beobachtete. Der beobachtete störte sich aber recht wenig daran. Letztendlich ging Mikkel seinen üblichen Spießrutenlauf über den Hof um von dort zu verschwinden und lästige Verfolger abzuschütteln.

Einige Zeit brauchte er um sich Sicher genug zu fühlen dass er das Haus des alten Hamrichs betreten konnte. Eingetreten schoss ihm der Schreck durch die Glieder, der alte Hamrich war am Kochen, Solaine lag eingebettet auf dem Bett. Ehe Mikkel das schlimmste befürchten musste, beruhigte ihn der alte Hamrich.
"Sie ist nur am Schlafen, konnte die Wahrheit nicht ertragen..."
Zitieren
#5
Solaine

Ein tiefer Atemzug und das flackern einer Kerze was sich wie ein eindringlicher Lichtschein durch ihre geschlossenen Augenlider bohrte, lies sie erwachen. 
Augenblicklich schreckte sie auf. Vor ihr baute sich das Gesicht des jungen Mikkels auf. Die bulligen Gesichtszüge tief von Sorge und Trauer durchzogen. Man könnte meinen, dieser Mikkel wäre gerade in diesem Augenblick noch ein kleiner wehrloser Junge. 

"M..Mikkel!" Ein Klagelaut eher, der ihr da über die Lippen kam und der sie gleich innerlich aufbrachte. Wo war ihre Stärke hin? Ihr solide Fassade die sie so mühelos durch das Leben tragen konnte. Der junge Mikkel sagte nichts. Erleichterung machte sich offenbar bei ihm breit und da wusste sie, wieviel sie ihm bedeuten musste. Innerlich begann sie zu kochen. Ihr Herzschlag hämmerte in unaufhörlichen Schlägen gegen ihren Brustkorb. Diese ungebrochene Stille machte sie Wahnsinnig. 

"Mikkel, starr sie nicht so an und hilf ihr auf. Bring ihr Trinken und etwas Suppe." brummte der alte Hamrich gleich. 

Der junge Mikkel tat wie befohlen. Wenig später saß sie aufrecht im Bett bekam etwas zu Trinken und frische gekochte Suppe. 
Sie aß in Ruhe und beobachtete den jungen Mikkel schließlich dabei, wie er trainierte. Ob er sich ablenkte? Oder ob er sich jetzt sicher war, dass es ihr gut ging? Sie wusste es nicht. 
Sie wusste aber jetzt, dass das ganze kein gutes Ende nehmen wird. 

Panik in ihren Gedanken. Ihre Fassade war angekratzt. Das Unheil kommt.



Mikkel

Bevor die Sonnenstrahlen wieder über den Horizont eilten, war Mikkel wieder auf dem Hof angekommen. Solaine verblieb bei dem alten Hamrich. Sie musste offenbar noch reden. 
Seine Schritte führten ihn in den Stall. Dieses mal konnte er ungestört seine Arbeit beginnen. Mistete die Ställe aus..

Gegen Mittag lockte ein heller Aufruhr den arbeitenden Mikkel aus dem Stall. Ehe er sich an das grelle Sonnenlicht gewohnt hatte sah er, wie ein aufgebrachter Rikk mit dem Arschkriecher Alrik lautstark am diskutieren war. Er verstand nicht genau, worum es ging, dennoch behielt er die beiden im Schatten des Eingans zum Stall im Auge. 
Einige Augenblicke später verschwanden sie im Haus, es wurde kurz still. Dann ein greller Schrei. Es war Rikk. Offenbar war Solaine immer noch nicht zurück gekehrt und Alrik muss es wohl geschafft haben, den alten Rikk zu überzeugen, nachzusehen, ob seine geliebte Tochter da ist. Es dauerte nicht lang, da stürmte der alte Rikk raus und lief seiner Tochter prompt in die Arme. Das Geschrei ging los. Innerlich spannte sich der junge Mikkel an. Dieses mal konnte er jedes Wort verstehen..

"Wo warst du Göre, treibst dich ohne meine Erlaubnis irgendwo rum. Alrik hat gesagt, du wärst einfach verschwunden! Mit was für einem Kerl triffst du dich?!" tönte es lautstark.

"Glaubst du diesem Arschkriecher wieder? Ich bin heute morgen nur raus zum Spazieren! Darf man das nicht mehr?!" keifte sie zurück.

Ehe ihre Worte gesprochen waren, griff Rikk nach dem Arm seiner Tochter und zerrte an ihm. 

"Duuu..Miststück! Heute Nacht warst du auch nicht da, hat er gesagt!..." erwiederte er, den nächsten Satz ankündigend mit einem Atemzug ehe Solaine schrie: "Aua! Papa du tust mir weh!".

Dem jungen Mikkel brannten Augenblicklich die Sicherungen durch. Mit der Mistgabel bewaffnet stürmte der großgewachsene auf die Streithähne zu. 






Solaine

Aus den Augenwinkeln sah sie den Mikkel heranstürmen. Sein Gesicht trug einen Zorn, den sie so noch nie gesehen hatte. Augenblicklich, ehe sie wirklich etwas sagen konnte musste sie zusehen wie Mikkel ihrem Vater die Mistgabel mit voller Wucht in den Bauch stieß, ihn ruckartig und ohne Mühen aufspieß und gnadenlos zu Boden ring.

In Schockstarre stand die sonst so solide Solaine da und sah das Unheil. Ehe Rikk erahnen konnte, was da grade geschah, stürzte sich Mikkel auf ihn und schlug mit den gewaltigen Pranken auf das Gesicht ihres Vaters ein. Ein schien ein Kindspiel, das gesamte Gesicht zu zertrümmern. Immer wieder hörte man einen Knochen brechen, wenn Mikkel zuschlug. Blut spritzte überall herum. Nichtmal Alrik konnte sich aus seiner Schockstarre lösen und sah zu, wie der unscheinbare Mikkel zu einem Monster wurde. 

"ICH... HASSE DICH!" schrie Mikkel. Es donnerte gar über den ganzen Hof. 

Es war nicht mehr viel von dem Gesicht des Gutsbesitzers übrig bis Solaine reagieren konnte, begriffen hatte, was da grade passierte. Sie stürzte sich auf Mikkel um ihn von ihrem Vater weg zu holen. Vergeblich, sie war nicht stark genug, wurde gar von dem wütenden Mikkel zurück geschubst. Wenig später sprang er auf, griff nach der blutbespritzten Mistgabel um sie aus dem leblosen Körper Rikk's zu ziehen. Mit funkelndem Blick sah er Alrik an. Er rannte sofort los... 
Zitieren




Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste