FSK-18 Dunkle Machenschaften
#1
Der trauernde Ehemann war der letzte, welcher vom frisch aufgeschütteten Grab wich und den Weg nach Hause oder aber in die nächste Taverne wählte, de Druide, der das Begräbnis geleitet hatte war längst gegangen. Sein Gesicht war gezeichnet von Schmerz und Verlust und Tränen hatten tiefe Furchen hinein gegraben. So war es nicht weiter verwunderlich, dass er die grau gewandete Gestalt in den Schatten eines kleinen Hains nahe der Begräbnissstätte, die dort heimlich das Geschehen beobachtete nicht bemerkte. Erst als niemand mehr zu sehen war, schälte sich diese Gestalt - Rufus - aus dem schützenden Zwielicht und ging zurück zur Straße.

Er war nun bereits einige Tage in Ravinsthal, denn - das war ihm klar geworden - in Servano hätte er aufgrund des dominanten Mithrasglaubens nicht das gefunden was sein Auftraggeber ihn zu suchen gedungen hatte. Hier in Ravinsthal jedoch war er bereits nach kurzer Suche fündig geworden.

Aus einem Gestrüpp nahe der Straße zerrte er keuchend einen kleinen Handkarren mit vier Fässern und allerlei Tand. Er mühte sich damit ab sein Gefährt über den unebenen und feuchten Grund, den die Wiese bildete, zum Grabe zu lenken.

Eine Leiche... soweit war es mit ihm gekommen. Er sollte eine Leiche stehlen. Nun, immehin besser als selbst jemanden umbringen sagte er sich, dennoch war es nicht das was er sich unter einer steilen Diebeskarriere vorgestellt hatte. Aber seit Shin sich zurückgezogen hatte waren die Zeiten für Diebe härter geworden und er musste die Arbeit annehmen die sich ihm bot - insbesondere wenn er bedachte, dass diese Kooperation sich nicht nur finanziell als lohnend erweisen könnte, nein auch der Einfluss seiner neuen "Geschäftspartner" konnte ihm in Zukunft gut nutzen. Man weiß ja nie wann man einmal in Schwierigkeiten kommt, gerade in Rufus' Gewerbe war dies eine häufig verbreitete Krankheit, und dann sind einflussreiche Freunde eine große Hilfe. Also hatte er den Auftrag die Leiche zu besorgen angenommen und war nach Ravinsthal gekommen, wo man nicht die lästige Angewohnheit hatte, die Toten zu verbrennen.

Er blickte, eine Schaufel in der Hand, herab auf die aufgeschüttete Erde unter der sich die junge Frau verbarg, die am Vortag auf dem Kindbett gestorben war. Er murmelte eine kleine Entschuldigung an die Tote und begann dann damit die Erde abzutragen. Nach etwa einem Schritt Tiefe verlangsamte er seine Bemühungen, er durfte die Leiche nicht unnötig beschädigen. Schließlich stieß er auf Widerstand. Vorsichtig legte er den in ein Leichentuch gewickelten Körper frei. Er stieg hinab zur Leiche und wuchtete sie unter Ächzen und Stöhnen aus dem Grab - er war einfach nicht für körperliche Arbeiten geschaffen.
Anschließend kletterte er selbst wieder hinaus und klopfte sich die Erde von den Kleidern, dann wickelte er den nackten Körper aus dem Tuch und betrachtete ihn kurz. Eine junge Frau war sie gewesen, noch keine zwanzig Lenze, ihr blondes Haar fiel strähnig auf ihre bleichen Schultern. Die Wangen und Augen waren aufgrund der Mühsal ihrer letzten Stunden eingefallen und hohl. Die Haut ihres Bauches ähnelte aufgrund der vorangegangenen Schwangerschaft einem schlaffen Sack und hing leicht zur Seite. Obgleich man ihren Leib wohl gereinigt hatte ehe man ihn einwickelte, schimmerte zwischen ihren Schenkeln noch etwas Blut.

Rufus seufzte tief. Er ging zum einen leeren Fass und entfernte den Deckel. Anschließend packte er den schlaffen Körper und stopfte ihn unsanft in die Fassöffnung. Er musste eine Zeit lang schieben und drücken bis alles Platz gefunden hatte. Für einen Lebenden wäre es wohl eine höchst unbequeme Haltung gewesen, aber die Toten verspürten keine Schmerzen mehr. Mit kräftigem Druck verschloss er das Fass sorgfältig, anschließend schaufelte er das Grab wieder zu und machte sich daran seinen nun noch schwereren Karren wieder zur Straße zu schaffen.

Nach etwa einer Stunde erreichte er Passwacht. Der ohnehin nicht allzu diensteifrigen Wache wurde der Wegzoll gezahlt, nebst einem kleinen Entgelt dafür, dass der Ladung nicht allzuviel Aufmerksamkeit geschenkt wurde und dann rumpelte der Karren auch schon auf die servanische Seite der Grenze.

Im goldenen Raben hielt er Einkehr und ließ sich erschöpft in sein Bett fallen, während sein Karren sicher im Stall stand.
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#2
Am nächsten Tag machte er sich mit dem ersten Hahnenschrei an den Aufbruch. Es war die Stunde zu der die ersten Sonnenstrahlen den Nebel kaum durchdringen konnten und zu denen man auf den Straßen recht ungesehen wandern konnte, ohne gleich zu verdächtig zu wirken.

Seinen Handkarren schiebend nickte er der patroullierenden und gähnenden Wache in Zweitürmen, die kurz vor der Ablösung nach der Nachtwache stand, und keine große Motivation für eine Kontrolle so kurz vor Feierabend zu verspüren schien, freundlich zu und bog in die Straße zur Kreuzwegtaverne ein. Sein Karren ratterte auf dem Kopfsteinpflaster dahin bis er die Brücke nach Löwenstein erreichte. Da er kein gesteigertes Bedürfnis danach verspürte, am Stadttor bei einer Kontrolle zu erklären, weshalb er eine Leiche im Fass hatte - Bestechung würde in Löwenstein wohl eine geringere Erfolgschance haben, als in Ravinsthal - bog er zum Friedhof ein. Er parkte den Karren hinter dem Haus der Bestatter, außer Sicht, und betrat die Stadt. Kurz darauf war er ins Armenviertel abgebogen und hatte einige Worte mit einer Hand voll Gossenschläger gewechselt. Die Burschen nickten bei der angebotenen Bezahlung freudig und folgten ihm auf dem Fuße zurück zum Friedhof. Einer der Kerle wuchtete gemeinsam mit ihm das Fass hoch, die anderen gingen, die Knüppel und Messer in Händen voran in die Katakomben. Während die vier den Weg frei machten, mühte der Rest sich mit dem Fass ab, schleiften es ächzend durch die schlammigen Tunnel.

Nach einer gefühlten Ewigkeit in der Finsternis erreichten sie endlich den Aufstieg in die Stadt. Draußen bezahlte er die Männer, die gut gelaunt ihrer Wege gingen.

Er betrachtete nachdenklich das Fass. Er nahm eine brennende Kerze von einem der nahegelegenen Gräber und ließ einiges Wachs auf eine bestimmte, gut sichtbare Stelle am Deckel tropfen, anschließend ritzte er mit der Dolchspitze ein verschlungenes, schwer nachzuahmendes Muster hinein und betrachtete zufrieden sein Werk. Ein zweckdienliches Siegel, das würde hoffentlich Maries Neugier bremsen.

Anschließend rollte er das Fass in die verwaiste Katz und stellte es unter den Thresen. Er konnte nur hoffen, dass der Auftraggeber das Ding schnell abholen würde, ehe es anfing zu stinken.

Er lenkte seine Schritte zum Wachhaus in Neustadt und räusperte sich gegenüber dem Rekruten, der Wache schob. Dieser musterte Rufus abgerissene Gestalt mit kaum verhohlener Herablassung. "Was willst du denn, Bursche?" - "Mithras mit Euch, Herr. Ich wollte Euch nur darum bitten Wachmann Nebel auszurichten, dass sein Fass Grüne Fee fertig ist und auf die Abholung wartet." Der Rekrut weitete kurz die Augen mit Verstehen und nickte nur, ehe er ihn mit einer Handbewegung wegscheuchte.
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