FSK-18 Ein Spiel aus Licht und Schatten
#1

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Prolog


Es ist seltsam, dass nun, da sich mein Leben dem Ende zuneigt, Menschen wissen wollen was damals geschehen ist. Sind Leben nur interessant, wenn man sie als Erinnerung betrachtet? Berengar hätte mich für diesen Gedanken gescholten; aber er lebte ja auch nie in der Vergangenheit.

Wenn ich auf dieses seltsame Leben zurückblicke, dann frage ich mich, wo alles seinen Anfang nahm. Welches war der erste Faden, der die Tapisserie zu weben begonnen hatte? War es Berengar? Natürlich, er war es der die Saat des wahren Glaubens gepflanzt hatte. Der erste Lichtbringer in einer Welt aus Düsternis. Und dennoch zieht es mich bei der Suche nach dem Ursprung immer wieder zu den Toren Löwensteins. Dieser grossartigen, abscheulichen, strahlenden, düsteren Stätte des ewigen Spiels der Macht. Ich glaube dort war es, wo alles seinen Anfang fand.

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass mein Streben stets dem Guten und dem Richtigen gegolten hat; dem Lichten und dem Mithrasgefälligen. Doch irgendwann wird man zu alt, das restliche Leben zu kurz und zu kostbar, um sich weiter von den Trugbildern der Illusion einlullen zu lassen. Tat ich fehl? Oh ja, viel zu häufig. Strebte ich nach dem Licht? Meistens. Aber nicht immer.
Wie so viele vor mir war auch ich einst aufgebrochen mit nichts ausser glorreichen Idealen im Herzen. Erfüllt von den strahlenden Lehren eines neuen Glaubens. Und ohne jede Ahnung was das Leben wirklich ausmacht. Doch Leben sind niemals nur strahlend. Und niemals sind sie nur dunkel. Es ist das Spiel aus Licht und Schatten das uns prägt.

Ja, es war ohne Zweifel Löwenstein, wo alles begann. Diese unergründliche Stätte aus Hell und Dunkel, die auf so merkwürdige Art zum Spiegelbild des Lebens einer jungen Frau wurde. Einer unerfahrenen Schwertkriegerin, die damals erst am Anfang ihrer Reise stand. Am Anfang ihres eigenen Spiels aus Licht und Schatten.
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#2

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1. Löwenstein

Im Jahr des Herrn 1402
Monat Heuert



Es war eine Welt im Wandel. Das Jahr des Herrn 1402 sah das Königreich Amhran zwischen den archaischen Fundamenten eines alten Glaubens und den stolzen Bauten eines neuen: Mondwächterglaube - vielschichtig, tief verwurzelt, voller Mysterien - und Mithrasglaube - ein Gott und seine streng gefügte Ordnung als Aufbruch in ein neues Zeitalter. Eine argwöhnische Koexistenz.

Die Blutlinie der Könige war seit 1400 Jahren ungebrochen, doch der damalige König, seine höchstedle Majestät Lithas Taguein von Amhran, weilte zu dieser Zeit fern seines Reiches. Gen Indharim war er ausgezogen, und mit ihm die grösste Streitmacht seit Menschengedenken. Der Anstoss für diesen Krieg war eine ebenso gefährliche Sache gewesen wie die Frage nach dem rechten Glauben: Magie. Facettenreich wie Religion, und nicht minder gefährlich wenn sie den falschen Pfaden folgte.

Die sieben Lehen, die der König zurückgelassen hatte, trugen das Reich derweil weiter voran. Treu zum König? Vermutlich. Geeint? Nur in den Augen von Narren. Hinter der anmutigen Fassade aus Diplomatie, Bällen und Paraden war Einigkeit nur eine Illusion. In Ravinsthal hatte sich der alte Glaube bis hinein in höchste Adelskreise festgesetzt. Servano, sein mächtiger Nachbar und dem Sonnenglauben um Mithras treu ergeben, beäugte das dortige Treiben mit grösster Argwohn. Candaria, die allzu oft verkannte bäuerliche Schwester der grossen Lehen, war in sich gespalten: Einige Ritter und Baronien standen treu zum alten Glauben, andere wiederum folgten Mithras. Und der Fürst des wohlhabenden Silendir hatte die Abwesenheit des Königs dazu genutzt, dessen Truchsess infrage zu stellen um sich selbst zum Herzog auszurufen.

Einigkeit im Reich? Eine wohltuende Maskerade. Nichts weiter. Hinter dieser sorgsam gepflegten Hülle verfolgten sie alle ihre eigenen Ziele. Und nirgends wurde dies so deutlich wie im Zentrum aller Macht: In Löwenstein, Hauptstadt des Reiches und Sitz der Könige von Amhran.

Ich habe mich oft gefragt, warum meine Reise an jenem Abend gerade in dieser Stadt ein Ende gefunden hatte. Nach dem Tode Berengars hatte mich nichts mehr in Ravinsthal gehalten, der Weg nach Westen stand niemals infrage. Doch warum gerade Löwenstein? Ein kleiner Schwenk nach Norden und meine Reise hätte in der beschaulichen Baronie Zweitürmen ihr Ziel gefunden. Ein kleiner Schwenk nach Süden und ich wäre ein Kind Südwalds und seiner rätselhaften Wälder geworden. Aber es war Löwenstein, wo mein Pfad endete. Und dort, am Ende des Pfades, wartete bereits ein neuer Anfang auf mich. Aber das ahnte ich damals noch nicht. So vieles ahnte ich damals noch nicht.


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»Halt! Euer Name und euer Begehr?« Ich glaube nicht, dass die Torwache sich bewusst war, wie weitreichend diese Frage für mich damals war. Wer war ich? Und wohin wollte ich? Wer ich war, das wusste ich damals noch nicht. Doch welchen Namen ich tragen wollte, das zumindest hatte ich entschieden. Meine Eltern, die ihr kleines Ravinsthaler Handelskontor dieser lästigen, ungewollten Tochter stets vorzogen, hatten mir zumindest dies mit auf den Weg gegeben: Die Erkenntnis, dass ich ihren Namen nicht mehr länger tragen würde. Auch mein Vorname war mir verhasst. Zu sehr trug er die Handschrift der Eltern, die ich niemals als solche kennengelernt hatte. Und so war schon früh die Entscheidung gefallen, stattdessen den Kosenamen zu verwenden, den meiner Mutter Bruder, mein Oheim Berengar, mir stets gegeben hatte.

»Eylis«, antwortete ich der Torwache. Ich wäre also fortan 'Eylis'. Wer diese Eylis sein würde, das wusste ich damals noch nicht. Aber sie hatte nun zumindest einen Namen.

»Aha. Eylis. Und weiter?« Die unvermeidbare Folgefrage. Ich würde sie nicht zum letzten mal hören.

»Nichts weiter. Einfach nur Eylis.«

»Und euer Begehr?«

»Nur auf der Durchreise. Ein Lager für die Nacht.« Eine wohltuende Gnadenfrist, um mich noch nicht der unbequemeren der beiden Fragen stellen zu müssen: Wohin wollte ich mit diesem, meinem Leben?

»Mhr.« Die Wache musterte mich eine Weile. Was er sah, war wohl wenig spektakulär: Meine Kleidung war schlicht, vielleicht ein wenig schäbig, Spuren einer längeren Reise darauf. Ein schmuckloses Schwert an meiner Seite - Berengars letztes Vermächtnis für mich; neben seinen Lehren, die meinem Leben bislang Licht und Wegleitung gewesen waren. Ansonsten ein Reisebündel. Nichts Auffälliges. Vielleicht verweilte der Blick der Torwache einige Augenblicke länger als nötig an meinen dunkelroten Haaren. Abgesehen von meinem Haar hatte mir Mithras weitere Auffälligkeiten in meiner Erscheinung verweigert: Mir war die filigrane Anmut und die grazile Puppenhaftigkeit der mädchenhaft kichernden Hoffräuleins versagt geblieben. Ein Gesicht und ein Leben, wie die Torwache schon unzählige davor gesehen haben musste.

»Weitergehen!« Damit war ich für die Torwache bereits wieder vergessen. Erst sehr viel später wurde mir bewusst, warum: Löwenstein hatte schon zu viele meiner Art erst neugierig empfangen, gierig aufgefressen und zum Schluss wieder achtlos ausgespuckt.


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#3
Amhrans Konturen waren blau. Fjorde, Haffs und Seegatts prägten das Antlitz des Königreichs und die Reichshauptstadt Löwenstein bildete dabei keine Ausnahme. Der Sitz der Könige von Amhran lag auf einer felsigen Insel im Herzen des Kontinents. Mit dem Festland und dem Rest des Lehens Servano nur über zwei steinerne Brücken verbunden. Ein fragiles Band.

Der Insel vorgelagert war eine Landzunge, über die eine Prachtstrasse zu der spektakulär am Horizont aufragenden Stadt führte. Das Tor, das ich gerade passiert hatte, markierte den Zugang zu der Landzunge. Und vor mir lag der verschwenderisch breite, sorgsam gepflasterte Weg. An dessen Ende konnte ich das Purpur und Gold der Löwenbanner Servanos hoch über der Stadtmauer im abendlichen Seewind flattern sehen. Und dahinter, vom Abendrot in eine atemberaubende Glut gehüllt, die Dächer, Türme und Zinnen Löwensteins. Wer die Stadt zum ersten mal besuchte und nicht um ihre Abgründe wusste, der konnte bei diesem Anblick nichts anderes als Ehrfurcht empfinden. Ich hielt inne und ich empfand Ehrfurcht. Aber nicht für lange.

»Mithrasverfluchter Hundsfott! Höher den Schild! HÖHER!« Der Moment der Ehrfurcht fand ein jähes Ende, als südlich der Prachtstrasse krachender Kampflärm anhob. Begleitet von einer weit tragenden, ungnädigen Stimme die wenig Wohlmeinendes zu verkünden hatte. »Parade, verfluchter Narr! Parade! Und das ist nicht der Name der Hure, die sich gestern Nacht um deinen mickrigen Schwengel gekümmert hat!«

Ich riss mich von dem überwältigenden Anblick der Stadt im Abendlicht los und wandte mich dem derben Lärmen und dem Rufen zu. Südlich der Strasse waren auf einem weiten Feld Zelte in den unterschiedlichsten Formen und Grössen errichtet worden. Rauchfahnen kräuselten sich dazwischen in den Abendhimmel. Es roch nach Schweiss, Stahl, Rauch und weitaus Unangenehmerem. Gerüstete Krieger gingen ihren Verrichtungen nach. Man hörte laut gerufene Kommandos, dreckiges Lachen, hin und wieder ein ungehaltenes Brüllen. Dazwischen - mal leiser und ferner, mal lauter und näher - immer wieder Kampflärm. Und über all dem scheinbar chaotischen Treiben flatterten hoch aufgepflanzte Banner im sterbenden Licht des Tages.

Ein Heerlager. Direkt vor der Stadt.

Neugier war schon immer eine meiner beklagenswerten Schwächen gewesen. Und ein Heerlager direkt vor Löwensteins Toren war genug Nahrung für diese Neugier. Ich verliess die Strasse und hielt auf die Zelte zu.

Zwischen all den Marketendern, Huren, Bader und zweifelhaften Gestalten, die ein jedes Heerlager umschwärmten wie die Schmeissfliegen, nahm niemand von mir Notiz. Solange ich mich nicht in das derbe Treiben einmischte, würde ich mich in Ruhe umsehen können. Alle erdenklichen Waffengattungen - vom in Leder gewandeten Bogenschützen bis hin zum trutzig gerüsteten Axtschwinger - waren vertreten. Die Krieger trugen die unterschiedlichsten Farben, Wappen und Rangabzeichen. Auch die Stimmen und Dialekte kündeten von der ganzen Vielfalt Amhrans. Krieger aus den unterschiedlichsten Teilen des Reiches. Das war kein einzelnes Heer. Und das war vor allem kein Servanoer Heer. Das waren Verbände aus anderen Lehen. Nur was taten sie hier?

Ich richtete den Blick auf die flatternden Lehensbanner über den Zelten. Einige erkannte ich wieder. Blau-schwarze Banner mit Lilienfeldern und einem steigenden Silberpferd: Nortgard. Gleich daneben sah man grüne Banner. Darauf die beiden Silberhirsche Hohenmarschens. Die Nähe der beiden Lager war wenig überraschend. Nortgard und Hohenmarschen teilten das gleiche Schicksal: Da keines der beiden Lehen seine Bevölkerung mit der eigenen, spärlichen Landwirtschaft versorgen konnte, waren sie auf andere Lehen angewiesen. Insbesondere auf Silendir, der selbstbewussten Kornkammer des Reiches. Eine Bürde die die beiden Lehen teilten und die irgendwann zu einer gewissen Verbundenheit geführt hatte.

Etwas abseits der Nortgarder und der Hohenmarschener konnte ich in der Ferne braun-goldene Banner ausmachen, die ich nicht zuordnen konnte. Ich hielt darauf zu und schlängelte mich durch eine Gruppe lautstark keifender und vulgär angemalter Huren, die sich mitten auf dem Pfad um einen Freier stritten. Die bis zur Obszönität reichende, farbige Unverblümtheit der Dirnen war mir damals noch gleichermassen fremd wie peinlich. Darum eilte ich mich, den Auflauf möglichst schnell hinter mir zu lassen, so dass niemand mein schamhaftes Erröten bemerkte.

Als ich den braun-goldenen Bannern näher kam, konnte ich das Wappentier darauf erkennen: Einen aufrecht stehenden Drachen. Es gab nur ein Lehen, das einen Drachen im Wappen führte: Candaria, das Lehen von Amhrans letztem Drachentöter. Das verschlafene, bäuerliche Candaria hatte also auch Truppen zum Heerlager geschickt. Und lagerte nun in einträchtiger Nachbarschaft zu Nortgard und Hohenmarschen.

Das ergab alles keinen Sinn.

Ich hatte genug gesehen und liess auf dem Weg zurück zur Hauptstrasse den Trubel des Heerlagers nachdenklich hinter mir. Nortgard und Hohenmarschen im Lager Seite an Seite zu sehen war keine Überraschung gewesen. Ich wäre nicht einmal erstaunt gewesen, dort die Banner Silendirs zu sehen. Nachdem sich der Fürst von Silendir vor einigen Jahren in der Abwesenheit des Königs selbst zum Herzog ernannt und damit die Herrschaft des amtierenden Truchsess infrage gestellt hatte, waren Nortgard und Hohenmarschen die einzigen Lehen gewesen, die diesem gleichermassen kühnen wie provokanten Schachzug die Unterstützung zugesichert hatten. Kornlieferungen konnten ein mächtiges Argument beim Aushandeln politischer Bündnisse sein.

Aber Silendir war nicht hier. Es wäre wohl selbst für den Herzog eine Spur zu unverfroren gewesen, Truppen direkt vor die Tore Löwensteins zu entsenden. Eine angemessene Antwort Löwensteins und ganz Servanos wäre kaum zu vermeiden gewesen. Der Herzog von Silendir war vieles, aber dumm war er nicht. Er wusste sehr genau, wie weit er gehen konnte.

Statt Silendir hatten also candarische Truppen ihr Lager hier aufgeschlagen. Ausgerechnet das provinzielle, etwas rückständige Lehen Candaria; Seite an Seite mit Nortgard und Hohenmarschen.

Nein, das ergab wirklich keinen Sinn.

Auf dem Weg zurück hing ich meinen Gedanken nach, bis ich schliesslich die Pflastersteine der Hauptstrasse unter meinen Stiefeln spürte. Erst da blickte ich wieder auf. Und was ich auf der anderen Seite der Strasse sah, das hätte auf eine absurde Art nicht passender sein können: Man hatte das Heerlager in direkter Nachbarschaft zum Friedhof aufgeschlagen.



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#4

Löwensteins Antlitz trug die Zeichen seiner langen Geschichte mit Würde. Rings um die Burg Löwenwacht, der 1400 Jahre alten Stammburg der Könige Amhrans, hatten die kommenden Epochen die grösste Stadt des Reiches entstehen lassen. Und jede Epoche hatte sich mit einer anderen Facette in das sich stetig verändernde Gesicht der Stadt eingefügt. Hübsche Fachwerkhäuser in adrettem Weiss und Braun, stolze Patrizierhäuser aus rotem Stein, ärmliche Baracken aus modrigem Holz, prunkvolle Adelspaläste in trutzigem Grau. Nirgendwo sonst in Amhran hatten sich Gegensätze in so einträchtiger Nachbarschaft zueinander gesellt wie in Löwenstein. Stolzer Reichtum lag mitunter nur wenige Schritte von bitterer Armut entfernt. Ich wünschte, mir wäre dies an jenem Abend schon bewusst gewesen.

Als Kind Ravinsthals war das nobelste, das ich bis zu meiner Ankunft in Löwenstein gesehen hatte, das Dorf Rabenstein gewesen. Im Vergleich zu Löwenstein ein unordentlicher, schäbiger, meist stinkender Haufen von Hütten, Häusern und Zerfall. Ich versuche mich daher selbst heute noch mit dem Gedanken zu trösten, dass es nicht pure Dummheit gewesen war, die mich kurz nach dem Durchschreiten des Löwentors hatte falsch abbiegen lassen. Denn wo ich nach Westen oder Süden hätte abbiegen müssen, da war ich nach Norden abgebogen. Hinein in ein Viertel, das mich an Rabenstein erinnert hatte. Hinein in eine Welt, die mir vertraut schien. Was für ein Irrtum. Dieser Irrtum hatte mich im letzten Licht des sterbenden Tages in Löwensteins Armenviertel geführt. Und noch ehe mir bewusst wurde, wo ich gelandet war, hatten mir die Nacht und ein verwirrendes Labyrinth aus Hütten, Zelten und Barracken jegliche Orientierung geraubt.

Zwischen den unausweichlichen Gestank aus Fäkalien, Erbrochenem und Moder woben sich unerfreuliche Klänge der Armut: Ungesundes Husten und Spucken, irgendwo das routinierte Stöhnen einer Hure die gerade von einem ächzenden Freier bestiegen wurde, das verzweifelte Schreien eines alleingelassenen Kindes, der Klang eines brechenden Nasenrückens. Klänge aus den niedersten Schichten amhranischer Kultur.

Die Nacht hatte das heruntergekommene Viertel in gefährliche Schatten gehüllt und zwielichtige Gestalten aus ihren Verstecken gelockt. Als mich der zweite oder dritte von ihnen abschätzig gemustert hatte, wurde mir langsam bewusst, wo ich hingeraten war. Immerhin war ich so klug, die dunkelsten und einsamsten Gassen des Viertels zu meiden. Und so kam ich irgendwann an einen Platz, in dessen Zentrum ein ansehnliches Lagerfeuer brannte. Umringt von schäbigen Hütten und Zelten. In Ermangelung von Alternativen liess ich mich auf einem der Baumstämme nieder und sortierte in Gedanken meine Optionen für die Nacht. Es war eine jämmerlich kleine Zahl an Optionen.

»He, Süsse, wat machst'n hier so alleine?« Jemand war vor mich getreten. Der Klang der Worte verriet bereits das anzügliche Grinsen des Sprechers noch ehe ich ihn sah. Und seine wenig ritterlichen Absichten.

»Verzeiht, ich dachte der Platz wäre frei.« Mit einer spröden Distanziertheit, die mir damals noch wohltuende Wehr war, hoffte ich, den zweifelhaften Absichten des Kerls entkommen zu können. Ich erhob mich und drückte mein Reisebündel an mich.

»Nene, du bleibst nu' mal schön hier, Kleines!« Der Kerl hatte sich zwischenzeitlich vor mir aufgebaut und in wachsender Sorge bemerkte ich, dass er mehr als einen Kopf grösser und deutlich breiter war als ich.

»Von hinten sieht 'se gar nich' mal so übel aus.« Noch eine Stimme die wenig vertrauenerweckend klang. Dieses mal hinter mir. Dazu ein saurer Atem in meinem Nacken der von zu viel billigem Fusel kündete. Meine ohnehin schon spärliche Menge an annehmbaren Optionen für die kommende Nacht schrumpfte merklich.

»Na, Süsse, wo kommste denn her? Hab dich hier noch nie geseh'n. Biste von Ravinsthal gekommen, ehe se die Grenzen dicht gemacht ham, eh?« Obschon ich eigentlich genügend tief in Schwierigkeiten steckte, in diesem Moment schoss mir absurderweise eine mögliche Erklärung für das Heerlager vor der Stadt durch den Kopf: Servano musste sich mit Ravinsthal überworfen und die Grenzen geschlossen haben. War das der Grund für das Heerlager? Und dafür, dass keine Silendirer da waren? Es hätte zum Herzog gepasst, dass er sich nobel im Hintergrund hielt, während sich Servano und Ravinsthal die Nasen blutig schlugen. War das die Erklärung, nach der ich gesucht hatte?

»Na los, nimm se' dir schon!« Erklang es wieder von hinten. »Aber mach se' nich' alle, ich will auch noch mein'n Spass mit ihr ham! Hab schon Tage lang kein Weib mehr bestiegen.« Der absurd unwichtige Gedanke rund um das Heerlager war so schnell fort, wie er gekommen war. Die Kerle vor und hinter mir kamen näher. Ich war unzweifelhaft in ernsten Schwierigkeiten.

Ein dreckiges Lachen von vorne folgte. »Na dann halt se mal, während ich ihr de Beine breit mach. Möchte wett'n die is noch Jungfrau, so unnahbar wie se' tut.« Er kam näher. Meine Optionen schwanden. Ich konnte entweder jetzt handeln oder hier in der Fremde, inmitten von Armut und Gestank von zwei verlausten Hurenböcken geschändet werden.

Es war eine einfache Wahl. Ich liess mein Reisebündel fallen und zog das Schwert.

»Oooh, schau ma', de Kleine will sich wehr'n! Na das lob' ich mir. Macht immer mehr Spass, wenn de Weiber sich ordentlich wehr'n, bevor ich's ihnen besorge.« Obschon seine Worte etwas anderes verkündeten, hatte meine Reaktion wohl doch zumindest für etwas Überraschung bei ihm gesorgt. Der Hüne war einen Schritt zurückgewichen. Und auch der saure Atem hinter mir war verblasst.

»Na dann komm ma' her zu Papa, Kleines. Un' keine Sorge, wenn de verlierst, hat Papa wat zum Trost für dich.« Er griff sich mit einem schmierigen Grinsen in den Schritt, ehe er sich anspannte und die Hände zu Fäusten ballte. Dieses Gespräch würde sich nicht mehr mit Diplomatie und würdevoller Distanziertheit beenden lassen.

Ich tat einen, zwei Schritt zur Seite und zog die Klinge auf. Ich musste beide ins Blickfeld bekommen, um zu vermeiden, dass mich der Zweite von hinten angreifen konnte. Der war aber offenbar noch ausreichend benebelt von seinem alten Rausch, so dass es ihm nicht in den Sinn kam, hinter mir zu bleiben um seinen taktischen Vorteil zu wahren. Nach wenigen Schritten zur Seite hatte ich auch ihn im Blickfeld. Und er entpuppte sich als schmächtiger Hänfling in fadenscheinigen Lumpen. Immerhin. Noch ein Hüne wie der andere und mein Schicksal wäre besiegelt gewesen. Aber diesen schmächtigen Kerl würde ich vielleicht schnell genug ausschalten können, um dem Hünen echte Probleme zu bereiten. Langsam bewegte ich mich zur Seite, um näher an den Hänfling zu gelangen. Der aber grinste nur dümmlich zu mir herüber und schwankte leicht.

Jetzt oder nie. Ich griff an.



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Der Morgen dämmerte bereits, als ich wieder erwachte. Ich lag im kalten Matsch des Armenviertels und alles tat mir weh. Stöhnend richtete ich mich auf und sah neben mich. Der Hänfling lag neben mir und starrte aus weit aufgerissenen Augen blicklos gen Himmel. Er war tot. Von dem Hünen fehlte jede Spur.

Einige Momente starrte ich verständnislos auf den kalten Tod neben mir, ehe mir die Geschehnisse der Nacht wieder ins Bewusstsein kamen. In einer jähen Bewegung richte ich den Blick an mir herab und tastete an mir herum. Ich trug noch meine Hosen und zwischen meinen Beinen fühlte sich alles so an, wie es sein sollte. Ich schloss die Augen in einem Moment überwältigender Dankbarkeit und richtete ein Stossgebet zu Mithras. Meine kläglichen Kenntnisse an der Waffe hatten offenbar nicht ausgereicht, um mir eine Tracht Prügel zu ersparen, aber immerhin hatte ich mich erfolgreich gegen die drohende Schändung wehren können.

Ächzend stemmte ich mich aus dem Matsch hoch. Das Schwert - blutverkrustet nun - noch immer in meiner verkrampften Hand haltend. Und während ich mir mit der anderen Hand meinen qualvoll pochenden Schädel hielt, sah ich mich um und erkannte die bittere Wahrheit: Ich hatte zwar meine Jungfräulichkeit verteidigt, aber alle Habe verloren. Ich besass nur noch das, was ich am Leib trug. Das und das Schwert in meiner Hand.

Ich war mittellos in Löwenstein gestrandet.


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#5


Löwensteins erste Lektionen waren bitter. Nachdem ich fast all meine Habe und einiges an Blut an die Schläger des Armenviertels verloren hatte, lehrte mich Löwenstein was es bedeutet zu hungern. Ich lernte, dass der Kampf um das nächste Stück Brot einziges Lebensziel sein konnte. Und dass dieser Kampf stets ein einsamer Kampf ist. Ich war ganz unten angekommen.

Irgendwann in meinem Leben bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass uns Mithras niemals mehr Bürde auferlegt, als wir zu meistern in der Lage sind. Wenn wir glauben, unter unseren Lasten zu zerbrechen, dann allein nur deshalb, weil wir noch nicht erkannt haben, was zu meistern wir imstande sind. Ich glaube, die Saat dieser Erkenntnis wurde damals, während dieser ersten Tage in Löwenstein gepflanzt.
Mehr als einmal stand ich damals kurz davor, unter der Last zu zerbrechen. Mehr als einmal dachte ich daran, Grenzen zu überschreiten, die mir bis dahin als unantastbar gegolten hatten: Diebstahl, Betrug, Mord, Prostitution. Ich schäme mich heute nicht mehr dafür, zuzugeben, wie oft ich in jenen Tagen an diese Dinge dachte, während ich mich verzweifelt an mein jämmerliches Leben klammerte. Aber es sind Zeiten wie diese, in denen Menschen geformt werden. Manche überschreiten dann diese Grenzen und finden nie wieder zurück. Und manche kämpfen verbissen darum, diese Grenzen trotz allem zu achten. Ich werde Mithras immer dafür dankbar sein, dass er mir damals die Kraft gegeben hat, diese Grenzen zu achten. So wie ich ihm für diese Prüfung insgesamt danke. Denn heute, wenn ich auf diese längst vergangene Zeit zurückblicke, dann glaube ich, diese Tagen waren mir zur wichtigsten und schwersten Prüfung bestimmt gewesen, ehe Mithras mir den Pfad meines Lebens weisen sollte. Einen Pfad, der mir heute voll kostbarer Erinnerungen ist.

Aber all diese Gedanken waren mir damals noch fremd. Die einzigen Gedanken, die mich damals erfüllten waren die, wie ich den kommenden Tag überleben sollte. Ein rätselhafter Zufall hatte mir nach dem Überfall im Armenviertel mein Schwert erhalten. Und dieses Schwert war mir nun letzter und treuester Freund im Überlebenskampf geworden. Löwenstein hatte nie viel Mitleid für Leute wie mich gehabt. Arbeit war kaum zu bekommen und Almosen noch viel weniger. Das einzige was blieb war die Jagd nach blutigen Trophäen, die sich gegen bare Münze eintauschen liessen. Und darin war mir mein Schwert zum engsten Verbündeten geworden.
Tief unter Löwensteins stolzer Fassade erstreckte sich ein unermessliches Geflecht aus Kanälen und Kavernen. Und die Herren über diesen Untergrund waren Ratten. Immer wieder quollen sie zwischen den Kanalgittern hervor und streunten durch die Stadt. Etwas, was die feinen Damen und Herren der Stadt gar nicht schätzten. Niemand sieht gerne die Zeugnisse der dreckigen Fundamente, auf denen sich der eigene Reichtum gründet. Und so fand ich irgendwann heraus, dass es Händler gab, die für die Zeugnisse erschlagener Ratten Münzen aushändigten. Nicht viele, doch immerhin genug um zu überleben. Ich war zum Rattenjäger geworden.

Leben konnte man das nicht nennen. Es war lediglich Überleben. Zurück ins Leben fand ich damals nur an einem Ort: Der mächtigen Kathedrale des Mithras, die im Zentrum Löwensteins in majestätischer Pracht himmelwärts strebte. Ich weiss noch, wie ich zum ersten mal auf dem Marktplatz stand, den Kopf in den Nacken gelegt, und fassungslos die roten Zinnen, Erker, Kuppeln, Stützbögen und Türme entlang nach oben starrte. Ein überwältigender Anblick voller Grösse und Würde. Ein stolzes, alles überragendes Leuchtfeuer des Glaubens, welches die Stadt triumphal überragte. Das unbeugsame Zeugnis wahren Glaubens. Noch heute verspüre ich einen Nachhall jener Ehrfurcht, die mich damals ergriffen hatte. Ehrfurcht und Stolz, dass ich endlich an einen Ort gekommen war, an dem ich meinen Glauben nicht mehr zu verstecken brauchte. Ich hatte mein ganzes bisheriges Leben in Ravinsthal verbracht, wo der Mithrasglaube nur wohl verborgen vor den Augen der Mondwächter existieren durfte. Im besten Fall erntete man Argwohn, im schlimmsten Fall Prügel. Für jemanden wie mich war der Anblick der Kathedrale des Mithras daher nichts weniger als eine Offenbarung. Damals schon zog es mich immer wieder zur Kathedrale, wenn mir des Lebens Bürde übermächtig schien. Dort fand ich Ordnung, Stille, Trost. Dorthin zog es mich, wenn mein blutiges, schmutziges Tagwerk vollbracht war.

Und so geschah es auch an jenem Abend im Heuert. An diesem einen Abend, als mein Leben seine entscheidende Wendung erfahren sollte.


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#6


Es war ein guter Tag für die Rattenbrut gewesen. Ein schlechter für mich. Die Ausbeute des Tages war bestenfalls kläglich zu nennen und ich wusste, dass ein nagendes Magenknurren mir in dieser Nacht wieder zum ungeliebten Gefährten werden würde. Glücklicherweise ahnte mein Magen noch nichts davon und verhielt sich ahnungslos ruhig, während ich mich in der anhebenden Dämmerung wie üblich in den hintersten Sitzreihen der Kathedrale zu einer stillen Andacht zurückgezogen hatte.

Die Kathedrale war wie so oft verwaist. Nur hin und wieder hörte man von der Empore und hinter dem Altar leise, hallende Geräusche. Kirchendiener, vermutete ich, die ihren Verrichtungen nachgingen. Ich vermisste Gesellschaft nicht, nicht einmal jene der Diener der Heiligen Kirche des Mithras. Der Ort selbst sowie die Gewissheit, dass ich meiner stillen Andacht hier ohne Furcht und in aller Offenheit nachgehen konnte, waren mir Gesellschaft genug. Eine noch unbekannte und befriedigende Erfahrung. Befriedigend bis zu dem Moment, wo mein Magen doch zu ahnen begann, dass das Abendessen heute ausbleiben würde. Er knurrte missmutig und deutlich hörbar in die erhabene Stille hinein. Es war für mich an der Zeit zu gehen.

Mit der Schwerthand formte ich das Sonnenzeichen über dem Herzen, sank ein letztes mal auf ein Knie, wandte mich dem Ausgang zu und liess die andächtige Weite des Hauptschiffs wie eine andere Welt hinter mir zurück. Als die schweren Türen der Kathedrale langsam hinter mir zu schwangen, begrüsste mich vor dem Kirchenportal ein lauer Abendwind. Er schmeckte nach Salz und Meer und rauer Frische. Der Himmel über der Stadt hatte sich in ein spektakuläres Purpur gewandet und unterhalb der Stufen der Kathedrale kam der Marktplatz langsam zur Ruhe. Unter anderen Umständen hätte man die Szene idyllisch nennen können. Doch für jemand mit knurrendem Magen gab es Idylle nur im Anblick von gefüllten Tellern.

Mit leisem Bedauern sah ich die Stufen hinab zum Markt, wo ein Pastetenhändler die Waren, die er an diesem Tag nicht hatte verkaufen können, sorgsam in Tonschalen verstaute, um sie am nächsten Tag wieder als 'tagesfrisch' feilbieten zu können. Ich wandte mich widerstrebend von dem verführerischen Anblick ab und schlenderte zu dem kleinen Exerzierplatz, der sich an den Nordflügel der Kathedrale anschloss. Ich wusste, dass sich dort die Streiter der Sonnenlegion normalerweise im Waffengang übten, doch gesehen hatte ich dort noch nie einen von ihnen. Und auch sonst hatte ich die Krieger der Mithraskirche bislang nur selten und zumeist aus weiter Ferne gesehen. In Ravinsthal waren die flammend roten Wappenröcke der Sonnenlegionäre genauso willkommen wie der Mithrasglaube selbst: Überhaupt nicht. Und so wusste ich über diese Krieger, die sich der Kirche und dem Glauben verschworen hatten, kaum mehr als das, was mein Oheim Berengar mir über sie berichtet hatte. »Mithras' Schwert und Schild« hatte er sie stets geheissen. Streiter des Lichts, in bedingungsloser Treue dem Schutz von Kirche und Glaube verpflichtet.
Für das ahnungslose Kind, das ich damals gewesen war, waren Berengars Erzählungen der Stoff aus dem Legenden gewoben werden. Und selbst als ich dann erwachsen wurde, blieb mir die Ehrfurcht vor diesen fernen, fremden Kriegern, die unter Mithras Sonnenbanner in die Schlacht zogen, stets erhalten.
Diesen Erinnerungen hing ich nach, während ich nachdenklich über den Exerzierplatz der Sonnenlegion blickte. Ich weiss gar nicht mehr, wie lange ich dort gestanden hatte, doch irgendwann spürte ich ein Kribbeln im Nacken. Jemand beobachtete mich. Ich drehte mich um.

Und vor mir stand wahrhaftig einer dieser legendären Krieger. Dort stand ein Streiter der Sonnenlegion.

Selbst heute noch, nach all den Jahren, ist es der Anblick dieses Kriegers, den ich mit dem einen, kostbaren Moment in Verbindung bringe, in dem mein Leben seine grösste Wendung erfahren sollte. Niemals werde ich diesen Moment vergessen. Niemals werde ich diesen Sonnenlegionär vergessen.
Er war jung, etwa in meinem Alter. Dunkelblondes, kurzes, akkurat geschnittenes Haar. Seine Rüstung unter dem flammend roten Wappenrock war blank poliert; der feurige Schein des Abendrots spiegelte sich darin und tauchte das Metall in ein warmes Glühen. Er war hochgewachsen - ein ganzes Stück grösser als ich - und die Konturen seiner Wehr kündeten von einer athletischen Statur. Er war eine imposante Erscheinung. Doch so imposant seine würdevolle, achtsame Regungslosigkeit auch war, was mich vor allem in den Bann zog, war sein Blick. Aus diesen seltsamen, braungrauen Augen blickte er mich still und durchdringend an, als ob er geradewegs in meine Seele hinein blicken könnte. Ich war mir in diesem Moment sicher, dass keine Lügen, keine Geheimnisse unter diesem Blick Bestand haben würden. Doch so durchdringend und auslotend sein Blick auch war, es lag dennoch eine tiefe Gelassenheit darin. Der Blick eines Mannes, der in der Gewissheit ruhte, seiner wahren Bestimmung zu folgen.

»Mithras zur Ehr.« Seine Stimme war wie seine Erscheinung: Eine würdevolle Strenge gepaart mit einer ruhigen Gelassenheit.

Ich neigte in einer Geste selbstverständlichen Respekts den Kopf. »Ihm zur ewigen Ehr, hoher Herr.«

»Hoher Herr ist etwas zu viel des Guten«. Erwiderte er schlicht. »Viktor Schwarzstahl, Streiter der Sonnenlegion.« Er neigte seinerseits grüssend den Kopf, als ob ich nicht einfach ein dahergelaufener Streuner wäre, sondern jemand von Bedeutung.

»Ihr tragt seine Insignien. Ihr seid ein hoher Herr.« Versuchte ich meine Wortwahl zu erklären und deutete auf das Sonnenzeichen auf seinem Wappenrock. Und ich schalt mich augenblicklich dafür. Er musste mich für eine komplette Närrin halten.

»Ihr seid die erste seit sehr langer Zeit, die dieses Zeichen zu würdigen weiss.« Sein Blick wurde eindringlicher, als ob er etwas entdeckt hätte, das ihn interessierte.

»Würdigungen werden rar in unwürdigen Zeiten, hoher Herr. Umso mehr bedarf es ihrer Bewahrung.« Ich verharrte in steifer Angespanntheit. Eine maskenhafte Förmlichkeit, die mir damals willkommene Wehr war.

»Wahre Worte sprecht ihr da.« Wieder nickte er sparsam, während sein Blick mich fixiert hielt. »Was tut ihr hier?«

»Es ist wohl eine Weile her, seitdem ich etwas zu beissen hatte. Ich suche Arbeit.« Kaum waren die Worte gesprochen, verfluchte ich mich dafür. Was war nur in mich gefahren, diesem Krieger des Mithras in zwei Sätzen meine ganze jämmerliche Existenz zu offenbaren.

Er aber sah mich nur einige Momente aus diesen seltsamen, braungrauen Augen an und erwiderte dann schlicht: »Wartet einen Moment, ich bin gleich zurück.« Ohne weitere Umschweife wandte er sich ab und verschwand im nördlichen Seitentrakt der Kathedrale.

Als er wenig später wieder zurück kam, trug er etwas bei sich. Es war in ein Tuch eingeschlagen, etwa so gross wie zwei Laib Brot. Er reichte es mir. Und allein am Duft konnte ich erkennen, dass es etwas zu Essen war.

Im ersten Moment war ich versucht, hungrig danach zu greifen, aber dann fielen mir die Lehren Berengars wieder ein und ich liess die Hände sinken.

»Herr,« er musste die Verlegenheit in meinen Worten vernommen haben, ich konnte es ihm an den Augen ablesen. »ich will keine Almosen. In niemandes Schuld will ich stehen. Euer Grossmut gereicht euch zur Ehre, hoher Herr, doch soll keine Schuld mich binden. So ihr Arbeit für mich habt, werde ich sie tun. Und dann könnt ihr mich dafür entlohnen.«

Er zog das köstlich duftende Bündel wieder zurück und blickte mich eine Weile an. »Gut.« Es klang wie ein Urteil. Und auf eine merkwürdige Art klang es zufrieden. Mir wurde klar, dass er mich verstand. Er hatte verstanden, warum ich keine Almosen annehmen wollte. Und ich war ihm dankbar dafür.
Dann deutete er hinter mich. »Ihr seht die Ratten auf und neben unserem Übungsplatz? Entfernt sie, dann soll euch dieses Bündel gehören.«

Ich blickte verdutzt über die Schulter zurück zum Exerzierplatz. Bei Mithras gleissendem Licht, ich könnte schwören, dass da kurz zuvor noch keine Ratten gewesen waren. Und nun sah ich gleich drei von ihnen. Wo waren diese verfluchten Biester nur hergekommen?
Nach einigen Moment ratloser Verwirrung dreht ich mich wieder zu ihm um, nickte und zog meine einfache Klinge. Es fühlte sich ein klein wenig an, als ob ich für die Kirche in die Schlacht ziehen würde. Und nachdem die drei Ratten erschlagen waren, fühlte ich mich auch ein ganz klein wenig stolz. Ja, eine gewisse Naivität gehörte damals - nebst meiner beklagenswerten Neugier - wohl auch zu meinen Schwächen. Ich beförderte die Kadaver in weitem Bogen hinaus ins Meer und ging wieder zurück zu dem Sonnenlegionär

Dieser sah sich prüfend um und quittierte mein Tun schliesslich mit einem sparsamen Nicken. »Gut, ich denke, ihr habt vorerst alle erwischt.« Er reichte mir das Bündel und ich nahm es dankbar entgegen. »Es ist eine Plage in dieser Stadt. Daher sucht die Stadt auch einen Rattenfänger. Wenn ihr euch dieser Arbeit annehmen wollt?« Er liess die Worte eine Weile in Stille verklingen, während er mich wieder musternd ansah. »Aber erzählt mir doch etwas über euch. Vielleicht kann ich euch dann etwas besseres vorschlagen.«

»Über mich?« Allein die Vorstellung, dass ein Sonnenlegionär der Heiligen Kirche des Mithras etwas über mich wissen wollte, schien mir völlig absurd. »Ihr wart bereits grosszügiger als man es erwarten konnte. Ich will euch nicht langweilen.«

»Oh, das tut ihr nicht. Und ausserdem nannte ich euch bereits meinen Namen. So wäre es nett den euren zu kennen.« Herrje, er musste mich nun wirklich für einen kompletten Schwachkopf halten. Wie konnte ich nur unablässig von einem Fettnäpfchen ins nächste treten?

»Ich bin Eylis. Einfach nur Eylis.«

»Ein interessanter Name. Noch Servano? Oder schon Ravinsthal?« Woher wusste er das? Ich hatte mir stets grosse Mühe gegeben, meinen Ravinsthaler Dialekt zu verbergen.

»Ravinsthal.« Antwortete ich einsilbig. Meine Herkunft war mir schon immer als Makel erschienen. »Ich war lange unterwegs.«

»Euer Benehmen ist untypisch für einen ordinären Ravinsthaler.« Wieder dieser durchdringende Blick, der die Antworten bereits zu kennen schien, noch ehe sie gegeben wurden. »Folgt ihr dem Mondwächterglauben? Wie euresgleichen?«

»Täte ich es, wäre ich nun nicht hier. Bestimmt hatte Mithras Gründe, warum er mich nach Ravinsthal hinein geboren hatte. Vielleicht ergründe ich sie irgendwann. Wart ihr einmal dort, hoher Herr?«

»Nein, ich selbst stamme aus Löwenstein. Mich hat es bisher noch nie in das Mondwächterlehen verschlagen. Erst recht nicht, seitdem die Grenze geschlossen ist.«

»Ich weiss nicht, ob es Segen oder Fluch ist, dass die Grenze geschlossen ist.« Erwiderte ich zweifelnd.

»Ja, das Reich erlebt dunkle Zeiten.» Stimmte er mir nachdenklich zu. »Frieden durch Einigkeit spielt nur noch eine untergeordnete Rolle.« Er nickte nachdenklich, ohne mich aus dem Blick zu lassen. Ich spürte, dass hier etwas viel Bedeutsameres geschah, als nur eine beiläufige Unterhaltung. Nur was war es? »Aber kommen wir zurück zu eurer Ausgangsfrage. Ihr sucht Arbeit. Wollt ihr dem Kriegerhandwerk weiter nachgehen?« Die Frage war auffällig beiläufig gestellt. Und doch lag darin eine tiefe Bedeutsamkeit, die mir nicht entging. Entsprechend sorgsam überdachte ich meine Antwort.

»Ich glaube, dass jeder Mensch aus einem Grund hier ist, dass jeder eine Aufgabe zu erfüllen hat. Jeder muss die Gaben, die ihm zuteil wurden, so gut wie möglich nutzen, um sein Dasein zu würdigen. Meine Aufgabe ist wohl der Schwertkampf, und so will ich diese Aufgabe so gut erfüllen wie es mir möglich ist. Mithras zu Ehren.« Und ohne Dünkel fügte ich an. »Und ich werde auch voller Stolz als Rattenfänger dieser Aufgabe nachkommen.«

Lange sah er mich daraufhin schweigend an. Als ob er meine Antwort auslotend erwägen würde. Und als ob der nächste Schritt nun wohl überlegt sein wollte. Als er dann schliesslich wieder antwortete, lag eine merkwürdige Sorgfalt in seiner Stimme.

»Nun, wenn euer Glaube an Mithras und euer Wille so stark sind, wie ich es vermute, dann könnte eure Zukunft auch anders aussehen.« Wieder liess er einen Moment der Stille erwachen, ehe er fortfuhr. Er wusste sehr gut, wie man im Wechselspiel aus Klang und Stille Eindruck hinterlassen konnte. Sein Tun blieb nicht ohne Wirkung auf mich. Ich lauschte ihm gebannt. »Ihr könntet eure Zukunft in unseren Reihen suchen. In den Reihen der Sonnenlegion.« Wieder fügte er es in der ihm eigenen, stillen Gelassenheit an; und doch war dort wieder diese seltsame Sorgfalt in seinen Worten, während er mich musterte.

Ich starrte ihn ungläubig an. Er musste sich einen Spass mit mir machen. Anders war es nicht zu erklären. Seltsamerweise traf mich diese Annahme mehr, als ich dachte. Entsprechend bitter und distanziert muss meine Antwort geklungen haben.

»Herr, ihr solltet meiner nicht spotten. Ich bin nur Eylis. Nichts weiter. Ich weiss wo mein Platz ist.« Und unterstreichend deutete ich zu dem Platz, wo ich zuvor die drei Ratten erschlagen hatte. »Und ich werde diesen Platz so gut ausfüllen, wie ich es vermag.«

»Das spielt keine Rolle.« Erwiderte er schlicht. »Ich selbst war nichts anderes als eine Aushilfe, bevor mich meine Schritte in den Tempel führten und ich mich entschloss, Mithras zu dienen. Wer ihr heute seid spielt keine Rolle. Woher ihr kommt spielt keine Rolle. Allein was zählt sind euer Glaube und euer Wille.«

»Aber Herr, ich bin noch kaum geschult im Waffengang. Ich wäre nichts weiter als eine Bürde.« Er konnte es unmöglich ernst meinen. Oder doch?

»Auch das spielt keine Rolle. Ich selbst konnte kaum ein Schwert richtig halten, als mein Pfad hier begann. In der Sonnenlegion erwartet euch die beste Kampfausbildung des Reiches.« Er hob Einhalt gebietend eine Hand. »Vorausgesetzt ihr seid diszipliniert genug.« Da erst begann es mir zu dämmern. Er meinte es wirklich ernst.

»Ihr ... ihr macht überhaupt keinen Spass mit mir.« Es war eher verdutzte Feststellung, denn Frage.

Er zog die Brauen zusammen. »Natürlich nicht.« Ein leiser Vorwurf lag darin. »Ihr sucht eine Aufgabe, eine Bestimmung. Ich habe euch eine lohnenswerte Aufgabe genannt. Ihr könntet zur Stadtwache gehen. Oder Rattenfängerin werden. All das steht euch frei. Oder aber ...« wieder setzte er die Stille zwischen zwei Sätzen geschickt ein, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »... ihr sucht euer Seelenheil im Schoss der Kirche.« Und wie als erhabenen Schlusspunkt fügte er an: »Als Streiter Mithras.«

Ich konnte nichts anderes tun, als ihn wortlos anzustarren. Er aber hob nur beschwichtigend die Hand, als ob ihm meine Verwirrung mehr als bewusst wäre. »Ihr müsst nicht gleich darauf antworten. Nehmt euch Zeit und überdenkt mein Angebot. Und wenn ihr gewillt seid, Mithras und der Ordnung zu dienen, dann kommt wieder hier her.«

Nun erst brachte ich stammelnd einige Worte über die Lippen. Und ja, ich war mir damals gewiss, dass er mich für einen närrischen Schwachkopf halten musste. »Ich habe nicht viel zu geben, aber ich gebe euch mein Wort, dass ich mir der Ehre eures Angebots bewusst bin. Habt Dank, dass ich darüber nachdenken darf, hoher Herr.«

»Ihr müsst mir nicht danken. Und ihr müsst mir nichts geben.« Er faltete die Hände auf dem Rücken. »Nur euch. Den Rest stellen wir.«

'Nur euch' hatte er gesagt. Als ob ich allein genug wäre. Ich, eine weltfremde junge Ravinsthalerin die nichts konnte und nichts wusste. Ich, berufen in die Reihen von Mithras Sonnenlegionären? Was sah dieser Mann bloss in mir?

Eine Weile blickte er mich schweigend an, ehe er abschliessend bei sich nickte. Als ob nun alles ausgelotet und alles gesagt worden wäre, das von Bedeutung war. Nun lag es an mir.

»So sei Mithras Segen mit euch. Und möge Er euch bei der Suche nach der richtigen Antwort beistehen.« Mit diesen Worten verabschiedete er sich, wandte sich um und ging. Und zurück blieb eine weltfremde junge Ravinsthalerin, die fassungslos vor dem grössten Wendepunkt ihres Lebens stand.

'Nur euch. Den Rest stellen wir.'



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#7

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2. Sanctum

Im Jahr des Herrn 1402
Monat Ernting



Mitsamt der ehernen Wehr liess ich mich unter metallischem Krachen bäuchlings auf mein Bett im Schlafsaal der Anwärter und Novizen fallen. Der karge Raum im Seitentrakt der Kathedrale des Mithras in Löwenstein war zu dieser Stunde verwaist. Wie so oft. Im Dienst der Kirche blieb nicht viel Zeit für Schlaf oder Müssiggang. Ein willkommener Umstand, denn so konnte mich niemand dabei beobachten, wie ich mich in entwürdigender Erschöpfung auf mein Bett fallen liess. Ich stöhnte in tröstlichem Selbstmitleid dumpf in mein Kissen. Mir taten Muskeln weh, von denen ich nicht einmal gewusst hatte, dass ich sie besitze. Meine Arme baumelten kraftlos an den Seiten des Bettes hinab und ich genoss diesen seltenen Moment der stillen Regungslosigkeit.

Die beiden Wochen seit meiner Aufnahme als Anwärterin der Sonnenlegion erschienen mir wie kaum zwei Tage. Nachdem ich nach einer schlaflosen Nacht des Grübelns vor zwei Wochen meinen Pfad gewählt und das Angebot von Ehrwürden Schwarzstahl, fortan unter dem Banner der Sonnenlegion zu dienen, angenommen hatte, war nichts mehr in meinem Leben so geblieben, wie es einst gewesen war. Ich war nun Teil einer streng gefügten Ordnung. Ich war Angehörige eines Kriegerordens in Diensten der Heiligen Kirche des Mithras. Meine Tage begannen vor dem Morgengrauen und endeten stets erst dann, wenn Dunkelheit sich längst über die Stadt gelegt hatte. Und dennoch wusste ich am Ende des Tages nie, wohin all die Stunden schon wieder so schnell verschwunden waren. Es schien, als ob jeder Augenblick durch Bedeutsamkeit erfüllt werden würde. Kein einziger Moment wurde mit trägem Nichtstun vergeudet. Eine Unterweisung reihte sich an die nächste. Ich hatte in dieser kurzen Zeit unzählige Übungen im Waffengang absolviert. Dazu Lesungen über den Glauben, über Geschichte, Recht, Etikette, Waffenkunde oder Kriegsführung. Dazwischen die mannigfaltigen Arbeiten eines Anwärters: Den Boden des Hauptschiffs wischen, Waffen und Schilde in der Rüstkammer polieren, Ordnung auf dem Dachboden schaffen, die Betten im Schlafsaal machen, oder den höheren Rängen von Klerus und Legion zu Diensten sein. Und dazu die kostbaren Momente stiller Andachten und erhabener Messen inmitten der lichtdurchfluteten Weite des Hauptschiffs der Kathedrale. Dort sass ich inmitten rotgewandeter Priester, Legionäre, Novizen und Anwärter. Mehr als einmal sah ich verstohlen zu ihnen und konnte das unermessliche Geschenk, das mir zuteil geworden war, einfach nicht fassen. Ich war nicht nur frei, meinem Glauben offen zu folgen, ich war nun sogar dazu berufen, diesen Glauben zu schützen und zu verteidigen. Und ich war Teil einer Gemeinschaft, die den gleichen Idealen folgte wie ich. Eine Gemeinschaft, die mich forderte, formte und massregelte - aber auch eine Gemeinschaft, die mir Halt und Stütze war, die mir Vertrauen und Zuversicht schenkte.

Ich war glücklich. Vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben.

»Anwärterin Eylis!« Fast die Hälfte einer Stunde hatte ich bäuchlings auf meinem Bett gelegen und war erschöpft meinen Gedanken nachgehangen. Fast die Hälfte einer Stunde! Mit so viel Zeit zur Erholung hatte ich nicht im Traum gerechnet. »ANWÄRTERIN! ZU MIR! JETZT!« Ich stemmte mich eilig hoch, richtete meine Wehr und die tiefrote Schärpe, welche mich als Angehörige der Sonnenlegion auswies, und eilte dem lauten Rufen zu. Ehrwürden Schwarzstahls Stimme trug selbst in den trutzigen Mauern des Kirchenbaus verblüffend weit. Und wenn ich jemanden nicht warten lassen wollte, dann ihn.

Vor ihm angekommen nahm ich Haltung an und ging in Gedanken fieberhaft all die tückischen Details durch, die mir beim Herrichten von Habit und Wehr vielleicht wieder entgangen waren. Details, die Ehrwürden Schwarzstahl jedoch mit Sicherheit nicht übersehen würde. Ihm entging niemals etwas. Er starrte an mir auf und ab. Quälend lange Momente. Und dann geschah das Unerwartete: Er schwieg! Kein Tadel? Keine Massregegelung? Wahrhaftig ein verblüffender Tag.

»Anwärterin, ihre Seligkeit wird gleich die Kathedrale verlassen. Sie wird in der Stadt bleiben. Ihr werdet sie begleiten und schützen.« Seine Anweisungen waren wie üblich in militärischer Knappheit und Präzision formuliert. Er hob mahnend die Hand. »Ich erwarte, dass ihr nichts von dem, was ihr gelernt habt, vergesst! Ihr seid mir für ihren Schutz verantwortlich. Verstanden?«

»Sehr wohl, Ehrwürden!« Ich allein abgestellt zum Schutz der Erzpriesterin der Heiligen Kirche des Mithras? Ja, es war nur ein Gang innerhalb der sicheren Stadtmauern Löwensteins. Und dennoch schien es mir wie eine unerwartete Auszeichnung. Über der Erzpriesterin gab es zwar noch seine Heiligkeit, den Kirchenführer und Bewahrer Damon Vorbis, doch diesen kannte ich nur aus Erzählungen. Gesehen hatte ich ihn bislang noch nicht. Die höchste greifbare Instanz der Heiligen Kirche des Mithras war ihre Seligkeit Lisbeth Winkel, Erzpriesterin und Hüterin der Münzen. Als solches unterstand ihr auch die Sonnenlegion. Und damit auch ich.

Ich hatte sie bislang nur von weitem gesehen. Eine hagere, junge Frau von fast burschenhafter Erscheinung. Das Haar recht undamenhaft - doch zweifellos praktisch - kurz geschnitten. Trotz ihrer Jugend und ihres burschikosen Auftretens verbreitete sie eine Ehrfurcht gebietende Autorität. Wenn sie sich näherte, konnte man bei allen Anwesenden einen demütigen, selbstverständlichen Respekt ausmachen. Sie war nicht ohne Grund in diesen Rang berufen worden.

»Da kommt sie. Haltung nun!« Ehrwürden Schwarzstahls Worte liessen mich meine ohnehin schon strenge Haltung noch weiter anspannen, während die Erzpriesterin mit rauschender Robe und raumgreifenden Schritten den Gang herauf zu uns strebte. Sie entbot dem Legionär einen Gruss - erstaunlich freundlich - ehe sie sich mir zuwandte.

»Nun, zuerst, wie geht es euch?« Von allen denkbaren Dingen, die sie mir hätte sagen können, war dies das verblüffendste. Eine Erzpriesterin, die sich nach dem Wohlbefinden einer einfachen Anwärterin erkundigte? Was antwortete man auf so eine Frage?

»Ich versuche Gott, Kirche und Legion nicht über die Massen zu enttäuschen.« Im selben Moment, als ich es ausgesprochen hatte, ohrfeigte ich mich innerlich auch schon dafür. Das war mit Sicherheit nicht das, was man einer Erzpriesterin des Mithras zur Antwort geben sollte.

»Und seid ihr dabei erfolgreich?« Sie schien sich nicht im Geringsten an meiner linkischen Antwort zu stören. Im Gegenteil schien sie ehrlich interessiert.

»Es wird an Gott, Kirche und Legion sein, dies zu beurteilen, eure Seligkeit.«

»Hrmmm.« Sie rieb sich über die Nase. Eine für sie sehr typische Geste, wie ich bald lernen sollte. »Wenn ihr euch selbst einen Gefallen tun wollt, so haltet euch an Ehrwürden Schwarzstahl. Er ist ein sehr guter, sehr kompetenter Legionär.« Ein unermessliches Lob; noch dazu, weil Besagter noch immer daneben stand. Langsam begann ich zu verstehen, warum die Angehörigen der Kirche ihr nicht nur mit Respekt, sondern auch mit einer tief empfundenen Achtung begegneten. »Nun gut, kommt, wir gehen ein Stück. Ich wollte noch jemanden aufsuchen. Ich wünsche euer Geleit.«

Mit diesen Worten wendete sie sich ab und verblüfft sah ich zu Ehrwürden Schwarzstahl. Die Worte der Erzpriesterin hatten nichts von einem Befehl gehabt, wie es angemessen gewesen wäre, sondern eher von einer plauderhaften Bitte. Der Sonnenlegionär starrte mich nur schweigend an und nickte kaum merklich. Seine Botschaft war mehr als eindeutig. Ich wendete mich um und eilte ihrer Seligkeit hinterher.


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Ich folgte der Erzpriesterin in gebührendem Abstand durch die Stadt. Viel Volk war nicht unterwegs zu dieser Stunde, doch wem auch immer wir begegneten, es folgte stets eine respektvolle Verbeugung oder eine höflich grüssende Neigung des Kopfes. Die jungenhafte Erzpriesterin war nicht nur innerhalb der Mauern der Kirche eine Institution. Alle schienen sie zu kennen und alle schienen sie zu achten. Trotz ihres scheinbar ungezwungenen Auftretens.

Der Weg führte uns in die Altstadt. Wir bogen in eine Strasse mit schmucken Fachwerkhäusern ein, an deren Ende ein hochgewachsener Mann vor einem der Häuser stand und ungläubig auf dessen Schild starrte.

»Wer hat diesem Deppen ein Haus verkauft?!« Die Unverblümtheit seiner missmutigen Worte stand in deutlichem Kontrast zu seiner eindrucksvollen Erscheinung: Er war gewiss schon an die 30 Sommer alt und von einer athletischen, würdevollen Statur, die von einer militärischen Strenge kündete. Sein Haar war mehr als schulterlang. Und es war von einem merkwürdigen Hellgrau, beinahe Weiss. Er trug eine schimmernde Rüstung und darüber einen nachtblauen, lang geschnittenen Wappenrock. Insgesamt ein beeindruckender Mann mit einer natürlichen Autorität - trotz seiner unverblümten Worte. Die Hände hatte er auf dem Rücken verschränkt, während er anklagend auf das Hausschild vor sich starrte.

»Ein Freund von euch, Baron?« Fragte die Erzpriesterin in dem für sie so typischen Plauderton, während sie sich zu ihm gesellte. Der hochgewachsene Kämpe mit der unverblümten Wortwahl war also ein Adliger. Ich spannte mich in unwillkürlicher Befangenheit vor dem Edlen an und verharrte schweigend hinter der Erzpriesterin. Er wandte den Kopf zu ihr.

»Ah, eure Seligkeit. Schön euch zu sehen.« Der missmutige Unterton in seiner Stimme verblasste und er wirkte deutlich versöhnlicher, nachdem er seine Aufmerksamkeit auf sie gerichtet hatte. Fast erfreut. Die beiden schienen miteinander vertraut zu sein.

»Schön, euch wohlauf zu sehen. » Sie begrüsste ihn in unkomplizierter Freundlichkeit. »Darf ich?« Sie deutete zum Haus. »Ich wollte zu dem Herrn.«

»Natürlich.« Eine einladende Geste des Barons zum Haus. »Nur zu, ich überlasse euch den Vortritt.« Mit diesen Worten trat er zurück und wandte sich einem Mann zu, der gerade des Weges kam. Ich sah dem ungewöhnlichen Adligen mit dem langen, grauweissen Haar einen Moment nach, ehe ich mich wieder ihrer Seligkeit zuwandte.

Die Erzpriesterin klopfte indessen gegen die Tür des schmucken Fachwerkhauses. Nach einigen Momenten öffnete sich die Tür und ein schlanker junger Mann mit hüftlangen, seidig fliessenden, schwarzen Haaren trat heraus. Etwas war merkwürdig an ihm, aber ich konnte es noch nicht genau benennen.

»N'Abend zusammen.« Grüsste der Mann mit einer weichen Stimme.

»Herr Vandokir, ihr habt doch sicher einen Moment.« Trotzdem die Worte der Erzpriesterin vordergründig so beiläufig und freundlich waren wie üblich, glaubte ich darin eine lauernde Schärfe zu vernehmen.

»Aber ja. Was verschafft mir die Ehre eures Besuches?« Noch während der seltsame Mann ihr antwortete, war eine Frau aus dem Haus gekommen und neben ihn getreten. Die Erzpriesterin musterte sie neugierig.

»Euer neues Weib?« Fragte sie in unverblümter Direktheit, ehe sie mit einer beiläufigen Geste abwinkte. »Aber ihr hattet es ja mehr mit Knaben.« Die Kirche des Mithras stand der gleichgeschlechtlichen Liebe aufgeschlossen gegenüber. Das konnte es also nicht sein, was mir an ihm aufgefallen war. Es musste etwas anderes gewesen sein.

»Nun, worum geht es?« Erwiderte der Mann, den sie Vandokir genannt hatte, mit weicher Stimme.

»Fragen. Zu einer anderen Dame. Begleitet ihr mich?« Sie deutete bereits den Weg zurück und war im Begriff sich umzuwenden. Sie erwartete in völliger Selbstverständlichkeit keinerlei Widerstand. Und der Mann bot ihr auch keinen. Er folgte ihr. Und als er an mir vorüber ging, da konnte ich endlich ausmachen, was bei mir in seinem Anblick Unbehagen ausgelöst hatte: Um seinen Hals trug er eine Kette mit dem Zeichen der Mondwächter.


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Die Klänge von leise gesprochenen Worten woben sich durch die Weite des Hauptschiffs. Die Erzpriesterin und der Mondwächter, den sie Vandokir genannt hatte, hatten sich auf zwei Bänken niedergelassen und waren in ein leises Gespräch vertieft. Ich hatte etwas abseits, in höflicher Distanz und ausser Hörweite, Posten bezogen und blickte wachsam auf den Mann. Ein Mondwächter. Auch wenn er gerade im Tempel des Mithras sass, überwacht von gewiss mehr als nur einem Augenpaar, ich traute ihm nicht. Als Kind Ravinsthals wusste ich um das Gebaren der Mondwächter. Ich liess die Erzpriesterin und den schwarzhaarigen Fremden nicht aus den Augen.

Ihre Seligkeit hingegen plauderte scheinbar zwanglos mit dem Mann vor ihr. Und für einen Beobachter, der nur flüchtig zu ihr herüber schaute, hätte es wie ein beiläufiges, vergnügliches Gespräch gewirkt. Aber da ich die beiden nicht aus den Augen liess, konnte ich das Gebaren der Erzpriesterin eingehender studieren. Ja, sie wirkte auf den ersten Blick zwanglos. Wie immer. Doch wenn man sie genauer beobachtete, konnte man immer wieder für einen kurzen Moment hinter die Fassade trügerischer Beiläufigkeit blicken. Und was ich dort sah, liess meinen Respekt vor ihr spürbar wachsen: Ich sah schnörkellose Zielstrebigkeit, ich sah scharfe, wachsame Blicke denen nichts zu entgehen schien, und ich sah die Stärke eines Willens, dem sich besser nichts in den Weg stellen sollte. Unwillkürlich erschauderte ich in einem Moment der Ehrfurcht. Diese hagere, burschikose Frau war so viel mehr, als man auf den ersten Blick zu sehen glaubte. Diese hagere, burschikose Frau war nicht ohne Grund die Erzpriesterin der Heiligen Kirche des Mithras. Das wurde mir in diesem Augenblick der unerwarteten Erkenntnis bewusst.

»Ausgezeichnet. Damit will ich euch nicht mehr länger aufhalten.« Die Erzpriesterin stand auf und ihre Worte trugen weit in der lichten Halle. Doch ihre Worte waren nur vordergründig von einer beiläufigen Freundlichkeit. Wer genau hinhörte, konnte eine unmissverständliche Aufforderung genau jetzt zu gehen heraushören. Der Mondwächter erhob sich augenblicklich. »Mithras erhelle eure Wege, Herr Vandokir.« Fügte sie noch grüssend an.

»Ach, ich glaube noch immer an die 21.« Erwiderte er leichthin. Mir stockte der Atem. Mitten in der Kathedrale des Mithras, auf einen Gruss der Erzpriesterin höchstselbst hin antwortete dieser Kerl mit einer Erwähnung des überkommenen Glaubens und seiner vermeintlichen Götter? Im Herzen des Reiches, dessen König den Mithrasglauben vertrat? Ich konnte kaum fassen, was ich eben gehört hatte. Die Erwähnung von Mithras an den Stätten der Druiden Ravinsthals könnte den Tod bedeuten. Oder schlimmeres. Die Erzpriesterin jedoch schien gar nicht auf des Dunkelhaarigen blasphemische Antwort einzugehen, sondern liess ihn ziehen.

Ich schaute wortlos fragend zu ihr. Ein Starren, dass glücklicherweise nicht von Ehrwürden Schwarzstahl gesehen werden konnte. Doch die Erzpriesterin schien auch darüber hinweg zu sehen. Mehr noch, sie trat auf mich zu mit einem Blick, der mich ahnen liess, dass sie ganz genau wusste, was in mir vorging.

»Ja, es sind seltsame Zeiten.« Meinte sie nur, während sie neben mir stand und nachdenklich gen Portal blickte, durch welches der Mondwächter eben verschwunden war.

Ich sollte bald lernen, was sie damit meinte. Ich sollte bald lernen, dass der Glaube an Mithras nur vordergründig der dominierende Glaube im Königreich Amhran war.


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#8


Das Königreich Amhran war dem Mithrasglauben treu ergeben. Das Volk von Amhran war es nicht.

Ich war in einer Welt der Mondwächter aufgewachsen. Das Lehen Ravinsthal stand traditionell treu zum alten Glauben und seinen 21 vermeintlichen Göttern. Und es stand zu den Druiden, die diesen Glauben als Oberhäupter der Mondwächter vertraten. Und doch wusste ich - wie jeder in Ravinsthal - dass das Reich und seine Könige nur durch Mithras Wirken hatte entstehen und bestehen können. Vor Mithras Ankunft, als der Mondwächterglaube noch das Leben der Menschen bestimmt hatte, war das heutige Amhran eine chaotische Ansammlung von sich bekämpfenden Sippen und Clans gewesen, die schliesslich vom Stamm der Ulgard unterjocht und versklavt worden waren. Ein ganzer Kontinent, der unter der eisernen Faust seiner Gewaltherrscher ächzte und blutete. Erst die Ankunft Mithras hatte die Menschen von diesem Joch befreit und sie in ein Zeitalter der Ordnung und des Friedens geführt. So wurde das heutige Königreich Amhran geboren. Ohne Mithras gäbe es kein Reich, keine Königswürde, keinen Fürsten von Ravinsthal. Und trotz dieser Tatsache gab es da noch immer dieses störrische Lehen, welches hartnäckig den alten Glauben bewahrte und in dem die Druiden das geistliche Leben bestimmten. Ein Lehen der Mondwächter inmitten eines Reiches von Mithras' Ordnung. Ein Widerspruch, der zu häufigen und langen Disputen mit meinem einstigen Mentor - meinem Oheim Berengar - geführt hatte. Damals war ich davon überzeugt gewesen, dass Ravinsthal ein absonderlicher Schandfleck auf dem makellosen Hermelin des Reiches sein musste, welcher über kurz oder lang durch den König und seine Kirche geläutert und missioniert werden würde. Ich hatte nie verstehen können, wieso Berengar als treuer Anhänger des Mithrasglaubens meine Überzeugung stets infrage gestellt hatte und Ravinsthal nicht als einziges Übel hatte anerkennen wollen.

Nun aber verstand ich es.

Ravinsthal war vielleicht in seiner Kompromisslosigkeit, den Mondwächterglauben zu bewahren, ein Sonderfall innerhalb des Königreichs Amhran. Aber der Mondwächterglaube hatte sich nicht allein in Ravinsthal festgesetzt. Auch in anderen Lehen schienen immer mehr Menschen zu vergessen, welches Leid Amhran einst zu erdulden gehabt hatte, als es noch unter dem Einfluss des Mondwächterglaubens gestanden hatte. 1400 Jahre in Freiheit konnten durchaus manches vergessen lassen. So schienen die Menschen mittlerweile einen fast romantisch verklärten Blick auf dieses dunkle Zeitalter der Kriege und der Versklavung zu entwickeln. Und auf die Mondwächter, unter deren Zeichen die grausame Epoche der Ulgard gestanden hatte.

Vandokir war nur der erste Mosaikstein für diese Erkenntnis gewesen. Sein Verhalten in der Kathedrale hatte mich damals noch entsetzt. Aber ich sollte bald lernen, dass es viele andere wie ihn gab; andere, die wie er einen verklärten Blick auf den archaischen Glauben eines grausamen Zeitalters entwickelten.
Meine Zeit als Anwärterin der Sonnenlegion war von der bitteren Erkenntnis geprägt, dass ich nun zwar meinen Glauben ohne Furcht vor Verfolgung würde leben und verteidigen können, aber dass dieser Glaube innerhalb des Reiches bei weitem nicht so dominierend war, wie ich es immer angenommen hatte. Immer wieder begegnete ich mitten in Löwenstein - der Wiege des Reiches und seines Glaubens - Menschen die offen die 21 Götter priesen und sich zum Mondwächterglauben bekannten. Menschen, die völlig zu leugnen schienen, wer ihnen diese Ordnung überhaupt erst geschenkt hatte. Und sie alle blieben darin unbehelligt. Jenseits der Lebensgrenzen Servanos sah es gar noch düsterer aus: Eine Mondwächterin als Baronin von Hohenquell, ein Jure als Ritter von Greifanger. Ein Jure! Keiner von ihnen folgte Mithras - im besten Fall schwiegen sie zu ihm, im schlimmsten Fall schmähten sie ihn.
Hätte es in Ravinsthal jemand gewagt, an den heiligen Stätten der Druiden die 21 zu schmähen und Mithras anzurufen, er wäre wohl nicht mit dem Leben davon gekommen. Aber hier, im Herzen des Königreichs und des Mithrasglaubens, blieben die Mondwächter gänzlich unbehelligt. Die Kirche verfolgte sie nicht und die weltliche Ordnung tat es auch nicht.

In meiner Zeit als Anwärterin stand ich dieser Erkenntnis oft fassungslos gegenüber. Bis ich lernte zu verstehen. Und ich verstand auch endlich, warum Berengar mir stets zu erklären versucht hatte, dass Ravinsthal nicht der Kern allen Übels war. Ich lernte zu verstehen, was der wahre Kern war: Opportunismus.

Das Königreich Amhran war in erster Linie eine weltliche Institution. Natürlich verstand sich der König auch als Bewahrer des Mithrasglaubens, denn man kann schlecht das leugnen, was einem erst die Daseinsberechtigung gegeben hat. Aber in Wirklichkeit ging es dem König und seinem Reich nicht um das Bewahren des Glaubens. Zumindest nicht in erster Linie. Stattdessen ging es um das Bewahren von etwas gänzlich anderem: Macht.
Macht gründet sich auf Menschen. Und Herrschaft über Menschen ist immer auch die Kunst des Möglichen. Zumindest solange man nicht die Ulgard war. Der König und seine Lehensfürsten wussten dies nur zu gut. Ihre Macht würde genau dann enden, wenn sie die Herrschaft über ihre Untertanen verloren. Und um diese Menschen an sich zu binden, mussten sie Kompromisse eingehen. Sie mussten sich arrangieren. Herrschaft als Kunst des Möglichen. Die weltlichen Herrscher konnten nicht einfach einen Grossteil ihrer Untertanen ignorieren. Oder sie unterjochen. Oder sie mit Gewalt in Scharen zum wahren Glauben zwingen. Wenn sich - aus welchen irrsinnigen Gründen auch immer - die Mehrheit der Untertanen dem Mondwächterglauben zuwandte, dann mussten sich die Herrscher damit arrangieren. Nicht der Glaube pflanzt das Korn, Menschen tun es.
Den Ulgard und ihrer Herrschaft der eisernen Faust wäre all dies einerlei gewesen. Einige Hundert Tote mehr oder weniger hätten für sie keine Rolle gespielt. Ihre Macht gründete sich auf Furcht. Gehorsamkeit geboren aus Angst; Folter und Tod als Bewahrer eines Reiches. Aber in einem Reich das der Ordnung und dem Frieden folgte, war Unterjochung keine Alternative mehr. Die einzige Alternative für das Königreich waren Kompromisse. Doch würden zu viele Kompromisse nicht unweigerlich dazu führen, dass sich das Königreich über kurz oder lang selbst zersetzte? Wenn es seinen Wurzeln im Glauben untreu wurde, würde es sich dann nicht schliesslich selbst korrumpieren? Konnte eine Regentschaft der harten Hand dem Königreich wie wir es kannten überlegen sein?
Doch wenn eine Regentschaft der harten Hand ein Reich davor bewahren konnte, sich selbst zu zersetzen, war dann Mithras Ankunft nicht nur Erlösung, sondern auch Vorbote des heutigen Zerfalls gewesen? War die blutige Herrschaft der Ulgard am Ende die stabilere Herrschaftsform? Würde die Nachsichtigkeit des Königreichs gegenüber den Mondwächtern einst den Untergang Amhrans einläuten? Und war das Lehen Ravinsthal vielleicht nur deshalb eines der schlagkräftigsten Lehen, weil es eine Herrschaft der harten Hand führte und eben keine Nachsicht übte? Fast blasphemische Fragen, die mich selbst heute noch erschrecken, denn ich habe bis heute noch keine klaren Antworten darauf finden können.

Ich habe damals, während meiner Zeit als Anwärterin, viele Gespräche über diese Fragen geführt. Wie hatte es nach dem Untergang der Ulgard dazu kommen können, dass der Mondwächterglaube wieder einen derart erschreckenden Aufschwung erlebte. Und wie konnten ein Reich und seine Kirche am besten darauf antworten. Ich erhielt viele Meinungen, aber keine Antworten. Egal mit wem ich sprach - Seligkeit Winkel, Ehrwürden Eschenbruck, Gnaden Teran, Frau Degener, natürlich Ehrwürden Schwarzstahl - sie alle hatten die Zeichen der Zeit erkannt und sie alle sorgten sich deswegen. Aber alle - Kirche und Weltlichkeit gleichermassen - schienen unschlüssig gefangen zwischen den wenig beglückenden Optionen: Ignorante Duldung? Mildtätige Missionierung? Harte Verfolgung? Inquisition?

Damals begann ich zu erkennen, dass das Leben in Ravinsthal auf eine befremdliche Art einfacher gewesen war: Ravinsthal war eine Welt von Schwarz oder Weiss, Leben oder Tod. Die Welt, in der ich nun aber gelandet war, kannte diese Trennschärfe nicht. Löwenstein, Servano und das ganze Königreich waren eine Welt in Grau - eine Welt gefangen zwischen Licht und Schatten.

Und so wie das Königreich würde auch ich stets um eine verzweifelte Balance zwischen Schwarz und Weiss ringen müssen. Dies war zugleich die bedeutendste und die bitterste Erkenntnis meiner Zeit als Anwärterin unter dem Banner der Sonnenlegion. Die Erkenntnis, dass das Spiel aus Licht und Schatten niemals enden würde. Auch nicht für eine Dienerin der Heiligen Kirche des Mithras. Vor ALLEM nicht für eine Dienerin der Heiligen Kirche des Mithras.

Erst als ich dies erkannt hatte, fand ich wahrhaftig zum Mithrasglauben.



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#9


»Was soll das hier sein?!« Die Stimme des Ordensmeisters der Sonnenlegion überschlug sich fast in kaum kontrolliertem Zorn. » Und was soll das überhaupt darstellen? Warten in lockerem Pulk?!«

Während ich unwillkürlich zusammenzuckte, ertrugen die beiden Streiter der Legion an meiner Seite - Ehrwürden Rajka Eschenbruck und Ehrwürden Viktor Schwarzstahl - den gellenden Tadel deutlich gefasster. Wir hatten uns zum Appell auf dem Exerzierplatz eingefunden und waren in ein Gespräch vertieft gewesen, während wir auf Justan Schumann, Ordensmeister der Sonnenlegion im Rang eines Hochwürden, gewartet hatten. Seine Auftritte hatten stets etwas unberechenbares, aber auf eine derart gellende Tirade waren wir dann doch nicht vorbereitet. Er musste einen besonders schlechten Tag gehabt haben.

»Und ist hier niemand mehr des Lesens mächtig?!« Er hatte sich vor uns aufgebaut, den Bogen über der Schulter, die Hände in die Seiten gestemmt. »Sammeln in den Heiligen Hallen, hatte es geheissen!«.

Die beiden Legionäre und ich wechselten verstohlene, ratlose Blicke. Heilige Hallen? Doch er war der Ordensmeister. Wir waren nur zwei Legionäre und eine Anwärterin. Das Recht war auf seiner Seite. So oder so. Die mithrasgewollte Ordnung war nicht nur dann einzuhalten, wenn alles lieblich und sonnig war. Er war im Rang über uns, also hatte er Recht. Immer.

Da der Ordensmeister keine Anstalten machte zur Kathedrale zu gehen, nahmen wir eilig dort wo wir waren Aufstellung und Haltung an. Gerade wollte er zu einem neuerlichen Tadel anheben, als eine angenehme, melodische Frauenstimme hinter ihm erklang. Ein Kontrast wie er grösser nicht hätte sein können.

»Mithras zur Ehr, Hochwürden, und einen guten Abend.« Die Frau war klein und von einer schlanken, fast zierlichen Statur. Sie hatte auffällig blaue Augen und trug ihr dunkelrotes Haar lang. Ihr Gebaren wie ihre Kleidung waren von einer aristokratischen, beiläufigen Eleganz und einer unaufgeregten Würde. Ich mochte sie auf Anhieb.

Der Ordensmeister wandte sich zu ihr um. »Ah, edle Vogtin. Mithras Segen.« Sein gellender Zorn war von einem Augenblick auf den anderen verebbt. Ein jäher Umschwung, wie wir ihn oft bei Hochwürden erlebten.

»Ob er es irgendwann mal lernt, sich klar zu artikulieren?« Ich vernahm neben mir die leise, kaum hörbare Stimme der Streiterin Eschenbruck. Eine erfahrene, stets gelassene Kriegerin, deren Kommentar mich weniger ob seines Inhalts, als vielmehr wegen der kaum verhohlenen Missbilligung gegenüber dem Ordensmeister verblüffte. Was geschah hier?

»Gestattet ihr mir, ein Wort an die Legion zu richten?« Die Adlige, die der Ordensmeister mit 'Vogtin' angesprochen hatte musste seine Tirade mitbekommen haben. Dennoch deutete nichts in ihrem höflich lächelnden Antlitz darauf hin. Was immer sie sich denken mochte, sie liess es sich nicht anmerken.

»Selbstverständlich.« Antwortete er und richtete sein Augenmerk wieder auf uns. Ein vernichtendes Augenmerk. »Sofern sich Mithras Streiter dann endlich mal gesammelt haben.« Ergänzte er ätzend im Blick zu uns. »Anwärterin Eylis, dort einreihen!« Eine unwirsche Geste und ich setzte mich augenblicklich in Bewegung. »Ich will da keinen Haufen sehen, sondern eine Linie! Und mehr in die Mitte! Da hin! Bei Mithras! Müssen wir nun wie bei der Stadtwache anfangen, eine Stunde Rüstung und Waffen zu kontrollieren?! Wollt ihr das?!« Er begann sich schon wieder zu ereifern und seinen Spott über uns auszugiessen.

»Nein, Hochwürden.« Die Antwort der Kriegerin an meiner Seite war gefasst und ruhig wie immer. Souveränität; eine der Eigenschaften, für die ich sie schätzte. Ehrwürden Schwarzstahl hingegen blickte nur stumm und in strenger Haltung voran. Wer ihn nicht kannte, hätte sein Verhalten 'gleichmütig' genannt. Aber ich kannte ihn besser. Nach unzähligen Stunden auf dem Exerzierplatz hatte ich gelernt, sein Mienenspiel und seine Blicke zu lesen. Und beides gab in diesem Moment beredte Kunde darüber ab, was er von dem unbeherrschten Auftritt des Ordensmeisters hielt.

Die Vogtin hingegen verharrte geduldig und mit einem unverbindlichen Lächeln, welches nicht im Ansatz darauf schliessen liess, was sie davon hielt, dass die Angehörigen der Legion von ihrem Ordensmeister unter den Augen einer Aussenstehenden zusammengefaltet wurden. Sie verharrte einfach in unbeteiligter Würde und weder Gebaren noch Mienenspiel erlaubten sich irgendeine Art von Kommentar zu diesem Schauspiel.

Dann endlich war Hochwürden mit seiner Anklage gegen uns fertig, trat zurück und hiess die Vogtin vor uns zu treten. In selbstverständlicher Eleganz stellte sich die kleine Frau vor uns und schenkte jedem ein freundliches, offenes Lächeln.

»Mithras Segen, Legionäre der Heiligen Mutter Kirche.« Begann sie in dieser warmen, melodischen Stimme, die ihre unaufdringliche Würde unterstrich. »Ich bin heute hergekommen, um der Legion und ihren tapferen Kriegern für den heldenhaften Einsatz im Südwald zu danken.« Südwald? Das musste die Schlacht in der benachbarten Baronie gewesen sein, die verlustreich aber auch siegreich beendet werden konnte, kurz bevor ich in Löwenstein angekommen war. »Auch im Namen des Truchsess kann ich nur für die Hilfe und die Aufopferung danken und versichern, dass dies niemals vergessen wird.« Ihre Worte kündeten von einer tiefen Achtung und einem aufrichtigen Dank. Mir wurde in diesem Moment klar, dass sie ihr hohes Amt nicht ohne Grund bekleidete. Sie wusste, wie man die Herzen von Untertanen gewinnen konnte. »Mir persönlich ist es eine besondere Ehre, eine solche Legion in der Stadt zu wissen. Möge Mithras immer mit euch sein und euch segnen und schützen.« Sie neigte den Kopf in einer Geste der Achtung, dann wandte sie sich ab.

Eine kurze Ansprache, aber sie hatte mich nachhaltig beeindruckt. Schlichte, würdevolle Worte, denen die Aufrichtigkeit anzumerken war. So musste man mit Menschen sprechen, um sie für sich zu gewinnen. Ja, ich mochte sie vom ersten Augenblick an.

»Solche Worte habt ihr im Augenblick gar nicht verdient!« Erklang wieder die schnarrende Anklage des Ordensmeisters, nachdem die Vogtin ihren Dank an uns beendet hatte. Ich wurde jäh in die wenig wohlwollende Realität zurück gerissen. Was für ein schriller Kontrast.

Aber irgendwann endete sein Tadel für uns und irgendwann hatte sich auch die Vogtin wieder taktvoll unauffällig zurückgezogen. Wir folgten dem weiteren Appell des Ordensmeisters mit mechanischer Gehorsamkeit. Folgten seinen Befehlen und führten die Übungen wie geheissen aus. Aber was ich an diesem Abend in Wahrheit gelernt hatte, war etwas gänzlich anderes gewesen:
Ich hatte einen ersten Eindruck davon bekommen, wie man Menschen führen musste; und wie man es nicht tun sollte. Und ich hatte eine erste Ahnung davon bekommen, wie die Streiter der Sonnenlegion zu ihrem Ordensmeister standen. Eine überraschende, verwirrende Erkenntnis. Zumal es nicht die letzte bleiben sollte.


[Bild: symbol_sonne_mond.png]

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#10


Uneinigkeit in der Sonnenlegion? Der Makel mangelhafter Führung in Mithras Heiliger Kirche? Unordnung im Hort der Ordnung?

Meine Zeit als Anwärterin der Sonnenlegion schien mich in energischer Unbarmherzigkeit mit all den Widersprüchen zu konfrontieren, die ich im Mithrasglauben, in der Ordnung des Reiches und in Mithras' Heiliger Kirche selbst niemals vermutet hätte: Das Wiedererwachen der Mondwächter, der Opportunismus der Weltlichkeit um ihre Macht zu erhalten, und nun sogar Unfrieden innerhalb der Sonnenlegion?

Heute erkenne ich Mithras Weisheit darin, dass er mich gerade während meiner Zeit als Anwärterin mit all diesen Widersprüchen konfrontiert hatte. Heute weiss ich, dass mein Glaube damals auf die Probe gestellt worden ist. Ich wurde geprüft, ob ich mich trotz der Widersprüche einer seltsamen Welt als Mithras treue Dienerin bewähren würde. Ob ich meinen Pfad finden würde zwischen den Tücken einer Ordnung, die weit davon entfernt war, so harmonisch und glückselig zu sein, wie ich es bis anhin in kindischer Naivität angenommen hatte. Ja, heute erkenne ich Mithras Weisheit in dieser Zeit der Widersprüche. Aber damals brachte mir diese Zeit der Widersprüche hauptsächlich schlaflose Nächte des Grübelns. Und meine einzigen Verbündeten damals waren die Lehren der Heiligen Kirche. Erst sehr viel später sollte sich zu der Lehrmeinung auch noch Lebenserfahrung hinzugesellen. Und erst dann begann diese Zeit der Widersprüche einen Sinn zu ergeben:

Des Menschen natürlicher Zustand ist Chaos. Getrieben von Lust, Gier, Anarchie ist der Mensch gefangen im steten Kampf mit seinen niederen Instinkten. Und aus diesen niederen Instinkten erwachsen Leid und Kummer. Wer aber den Zustand des Chaos überwinden will, wer Einigkeit und Frieden erlangen will, der muss nach Ordnung im Chaos streben. Frieden, Einigkeit, Ordnung und Führung. Die Grundpfeiler des Mithrasglaubens:

Frieden durch Einigkeit
Einigkeit durch Ordnung
Ordnung durch Führung


Dem entgegen stehen die 21 alten Götter und der Mondwächterglaube. Eine archaische Religion als Sinnbild für den Urmenschen, der gefangen ist im Chaos seiner niederen Instinkte. Die Wurzel allen Übels. Soweit die Lehren der Heiligen Kirche.

Ach, wenn die Welt doch nur so einfach wäre.

Irgendwann während meiner Anwärterschaft unter dem Banner der Sonnenlegion lernte ich einen Mann kennen, der Orestes Caetano geheissen wurde. Ein seltsamer, tiefgründiger Mann mit unzähligen Gesichtern. Gekannt und anerkannt von vielen. Und doch schien er mir stets abseits zu stehen. Ausserhalb des alltäglichen Treibens unserer Welt. Vielleicht darüber. Vermutlich wurde er mir gerade deshalb so teuer. Dieser Mann erzählte mir eines Tages, dass er sich angewöhnt hatte, den Glauben von den Gläubigen zu trennen. Ich floh mich lange in die tröstliche Ablehnung dieser Meinung. Doch irgendwann erkannte ich die unbequeme Weisheit darin.
Mithras hatte die Menschheit aus Epochen der Dunkelheit hinein ins Licht geführt. Seine Ordnung hatte das Königreich Amhran erschaffen. Doch was war die Seele dieser Ordnung? Fragte man drei Menschen nach dem Aspekt der 'Ordnung', würde man fünf verschiedene Antworten bekommen. Mindestens. Und warum? Trotzdem die Menschheit im Licht von Mithras' Ordnung herangereift war, trug sie tief in sich noch immer die Saat ihres Ursprungs: Chaos.
Glaube wird durch Gläubige getragen, aber Gläubige sind stets nur Menschen. Selbst wenn sie das Rot der Mithraskirche tragen. Auch wenn eine Gruppe von Gläubigen dem gleichen Glauben folgt, die Art wie jeder Gläubige diesen Glauben versteht, wird niemals gleich sein. Wir sind Kinder des Chaos. Und daher ist es uns gegeben, die Dinge mit unseren eigenen Augen zu betrachten und auszulegen. Denn Chaos gebärt nicht nur Leid und Kummer, es gebärt auch Vielfalt. Ein Segen. Und ein Fluch.

Irgendwann begann ich die unbequemen Worte des Orestes Caetano für mich so auszulegen, dass der Glaube das absolute und endgültige Ideal unseres Daseins ist. Wie die Sonne am Firmament, nach der wir streben und unter der wir leben; aber die wir niemals erreichen und niemals gänzlich begreifen werden. Denn wir sind nur Menschen. Gläubige, die einem Ideal folgen, das sie zu verstehen glauben. Aber so makellos dieses Ideal, dieser Glaube auch sein mag, die Gläubigen die ihm folgen werden es niemals sein. Denn die Gläubigen sind noch immer dem Chaos ihrer archaischen Wurzeln unterworfen. Und der Vielfalt, die daraus erwächst.

Erst als ich zu diesem Schluss gekommen war, begann ich die Uneinigkeit innerhalb der Sonnenlegion zu verstehen. Wir waren zwar berufen, das Ideal des Mithrasglaubens zu behüten und in die Welt hinaus zu tragen, aber wir waren auch nur Kinder des Chaos. Nur weil wir das Rot trugen, waren wir nicht davor gefeit, Fehler zu machen und den Mithrasglauben nicht in seiner ursprünglichen Reinheit zu leben und zu lehren. Wir waren vielleicht als Diener des Mithrasglaubens ein Stückchen näher an das Verstehen dieser fernen Sonnenscheibe heran gerückt, aber niemals sollten wir uns in der arroganten Annahme suhlen, diesen Glauben in all seiner Unermesslichkeit zur Gänze erfasst zu haben. Jene, die sich dennoch dieser Anmassung hingaben, wurden zu Fanatikern. Und Fanatiker sind der Tod eines jeden Glaubens.
Auf diese Weise lernte ich schliesslich auch zu verstehen und zu akzeptieren, dass es gute und aufrechte Mondwächter geben konnte. Oder verderbte und niederträchtige Mithrasgläubige. Und sogar unwürdige Mithrasdiener.

Frieden, Einigkeit, Ordnung, Führung. Die Fundamente des Mithrasglaubens. Ich war in diesem Glauben aufgewachsen und erzogen worden. Niemals stand er für mich als der einzige, der wahre Glauben infrage. Aber erst als ich dazu gezwungen war, diesen Glauben zu hinterfragen und mich mit seinen Widersprüchen auseinanderzusetzen - sei es durch den Zwist in der Sonnenlegion oder durch Menschen wie Orestes Caetano - näherte ich mich ihm weiter an. Aber mehr als ein Annähern sollte es niemals werden. Denn selbst jetzt, am Ende meines Lebens, masse ich mir nicht an zu behaupten, ich hätte Mithras in all seiner Unermesslichkeit erfasst. Ich glaube, Mithras ist zu erhaben und zu umfassend, als dass es jemals einen Menschen geben könnte, der ihn zur Gänze erfassen könnte. Ich denke, jeder wahre Gläubige sollte sich die Demut dieser Erkenntnis bewahren. Vielleicht kann es wahren Glauben ohnehin nie ohne Demut geben.


[Bild: symbol_sonne_mond.png]

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