Die Erschaffung des Wächters
#1
Ein Monstrum. Ein Monstrum aus Stahl. Das war es, was Seligkeit Winkel bestellt hatte. Einen Golem wollte sie - einen lebenden und echten Golem. Ein Herz aus Gold sollte er haben, die Kirche würde ihn zum Leben erwecken und er - Goran - sollte ihn schmieden.

Stundenlang hatte er über den Entwürfen gesessen und skizziert, schließlich hatte seine Vision mehr und mehr Gestalt angenommen. Die Gestalt eines vier Schritt hohen und zweieinhalb Schritt breiten Monstrums aus schimmerndem Stahl.
Er blickte hinab auf seine Skizze. Ja, er hatte an alles gedacht. Alle Gelenke waren dort wo sie sein sollten, alle Körperteile fügten sich funktional ineinander. Das Herz hatte im breiten Torso Platz. Die enormen Fäuste würden jeden Feind Mithras zerschmettern wie eine Fliege. Es war ein guter Entwurf - doch jetzt ging es an die Umsetzung.

Zunächst einmal hatte er sich vier Söldner angeheuert, sie würden neugieriges Volk am allzu interessierten Gaffen hindern. Keine Grauwölfe hatte er gedungen, nein und keine anderen Mondwächter - für diese Aufgabe konnte er nur Mithrasgläubige Krieger gebrauchen. Es war gar nicht so leicht gewesen vier verlässliche zu finden, aber schließlich war es ihm gelungen.
Gemeinsam mit seinem Gefolge steckte er in der Nähe der Eisenthaler Schmiede ein Areal von etwa zehn auf zehn Schritt mit großen, etwa unterarmdicken, mannshohen Pfählen ab. Zischen die Pfähle spannten sie Tierhäute und schufen so eine einigermaßen blickdichte Abtrennung. Dann schickte er zwei der Söldner fort, sie würden abwechselnd in Schichten mit ihren Kameraden Wache halten. Die Kohle- und Eisenvorräte hatte er über den Tag verteilt schon herbei geschleift und übergangsweise im Hirschen verstaut. Er war Lys dankbar für den Schlüssel, den sie ihm gegeben hatte.
Auch Ton hatte er schon heran geschafft. Jetzt, obwohl die Sonne sich bereits dem Horizont näherte hieß es jedoch nicht "Feierabend", nein es ging gerade erst los.

Mit einer Schaufel machte er sich ans Werk. Er grub mehrere unterschiedlich große und unterschiedlich tiefe Löcher in die Zweitürmer Erde. Dann begann er damit, die Unterseite der Löcher mit einer möglichst glatten Tonschicht zu füllen. Schließlich formte er von den Rändern der Löcher beginnend die einzelnen Abdrücke für die Gliedmaßen und Körperteile des Golems, wie er sie zuvor geplant hatte....
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#2
Es hatte fast die ganze Nacht gedauert, aber jetzt, im ersten Schimmer der aufgehenden Sonne war Goran mit seinen Gussformen zufrieden. Denn nichts anderes waren die mit Ton ausgekleideten Löcher im Boden.
Besonders schwierig hatten sich die Gelenke in der Ausführung gestaltet. Er hatte sich dazu entschlossen, den Gelenkkopf immer kugelförmig zu gestalten, mit einem durchgehenden Loch um 90° versetzt zur späteren Bewegungsrichtung, durch das er einen Stahlstab schieben könnte, welcher die Gelenkpfanne in Stellung hielt. Die späteren Löcher hatte er jetzt bereits mit gebrannten Tonstangen mit unterschiedlichen Durchmessern, je nachdem an welchem Körperteil das Gelenk später sein sollte.
Die Gelenpfannen waren mehr oder minder U-förmig vorgeformt, sodass sie sich gut in die Gelenkköpfe fügen würden. Recht weit oben an den Bögen des "U" würde er dann die Gelenkstangen hindurch treiben.
Den Torso hatte er in zwei Hälften vorbereitet, die er später zusammenfügen konnte. In die Hälften hatte er je eine Tonstange mit tellerförmigen Ende eingefügt. Diese würde später durch eine entsprechende Stahlstange ersetzt werden. Auf diese würde dann der Kopf gesteckt und wäre so drehbar. Außerdem hatte er aus Stein zwei grobe Herzen gehauen, die er später in den flüssigen Stahl würde pressen können um einen entsprechenden Hohlraum vorzuformen.

-Ja, die Formen waren fertig.

Jetzt ging es ans Herstellen des Stahls. Mit tiefen Schatten der Müdigkeit unter seinen Augen ging er zum Hochofen und begann ihn anzuheizen....
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#3
Noch nie in seinem Leben hatte er eine so große Menge Stahl auf einmal gekocht. Hätte man das Metall in Barrenform gebracht wären es wohl gut und gerne zweihundert davon geworden. Aber er hatte das Metall nicht in Barrenform gebracht. Er hatte es in die vorbereiteten Gussformen im Boden gegossen, immer und immer wieder.

Nach und nach hatte er so die Formen für Füße, Unterschenkel, Oberschenkel, das Brust- und das Rückenteil des Torsos, den Kopf, die Oberarme, die Unterarme und die Handflächen gefüllt. Die Hitze hatte den umliegenden Schnee schmelzen und verdampfen lassen. Ihm hatte sie den Schweiß auf die Stirn getrieben, aber er war daran gewöhnt. Jetzt erhellte ein matter roter Schein des noch flüssigen Stahls die Innenseite des ledernen Sichtschutzes.
Weil er jetzt ein wenig Zeit zur Verfügung hatte, machte er sich daran, aus dem restlichen Stahl die Fingerglieder zu schmieden, je drei Glieder für einen Finger, je zwei für einen Daumen, letzterer würde, wenn er erst fertig wäre, einen Durchmesser von etwa drei normalen Fingern haben. Wenn die komplette Hand fertiggestellt wäre, würde die Faust, die der Golem daraus formen konnte eine mächtige und tödliche Waffe sein. Wer so eine Faust besaß benötigte kein Schwert.

Und so erschallte das rhythmische Hämmern weithin hörbar durch das Tal...
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#4
OOC
Das Goldherz wurde im RP geschmiedet unter permanenten Segnungen von Hannah. In das Herz wurde ein Mithrassymbol geprägt
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#5
Er erwacht davon, dass eine der Wachen ihn an der Schulter rüttelt, müde und verwirrt schaut er sich dröge blinzelnd um. Es ist noch dunkel. Desorientiert fokussiert er den Blick auf den Söldner.

"Herr, Ihr wolltet nach zwei Stundenläufen geweckt werden."

Ein dunkles Brummen ist alles was der Mann zur Antwort bekommt. Dann drückt sich der Hüne auf. Ächzend stemmt er die Hände ins Kreuz. Zwei Stunden Schlaf. Er fühlte sich jetzt noch müder und zerschundener als zuvor, vielleicht wäre er besser wach geblieben. Er warf die Felle ab unter denen er gelegen hatte und sah sich in seiner improvisierten Werkstatt unterm Sternenzelt um. Die Gussstücke strahlten noch immer eine gewisse Wärme ab, glühten jedoch nicht mehr.

"Herr Mithras gib mir Kraft!" schickte er sein Stoßgebet gen Elysium und stand vollends auf.

Die nächsten Stunden verbrachte er damit die gegossenen Werkstücke aus ihren irdenen Formen zu befreien und endgültig in Form zu schlagen. Mit jedem Hammerschlag, mit jedem metallischen Geräusch näherten sich die einzelnen Stücke mehr ihrer Bestimmung. Immer vollendeter sahen sie aus, jetzt konnte auch jemand, der nicht in den Plan eingeweiht war erkennen, dass es sich um gigantische Körperteile handelte. Er fügte Löcher in die Halterungen der Gelenkpfannen und passte die einzelnen Teile an einander an.

Schließlich gab er dem Kopf noch grobe Gesichtszüge. Zwei Augenhöhlen, eine rudimentäre Nase und ein Mund, verzogen zu einer harten Linie. Als letztes griff er zu seinem Gravurwerkzeug und begann damit eine etwa menschenkopfgroße Mithrassonne auf die linke Brust des Golems zu gravieren.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel als er ein Kohlebett aufschüttete, anfeuerte und alle Teile des Golems darauf ablegte um sie ein letztes Mal anzulassen. Nachdem der Stahl den für die Anlasstemperatur typischen Rotton angenommen hatte, wusste er, dass der Stahl sich nun entspannt hatte. Er rollte die Golemteile von der Kohle herunter und ließ sie etwas abkühlen.

Dann machte er sich daran den Stahl zu säubern und zu polieren. Als schließlich alles glänzte und die späte Mittagssonne reflektierte begann er damit, die einzelnen Körperteile zusammen zu fügen. Er setzte die Gelenke ineinander, führte letzte Anpassungen durch und trieb dann die Gelenkstäbe hinein. Die Enden der Stäbe wurden breit geschlagen, damit sie sich nicht mehr herauslösen würden. In den Brustkorb setzte er das Goldherz ein, welches er gestern gemeinsam mit Hannah Teran gefertigt hatte. Die Achsstange des Kopfes setzte er ebenso ein.

Ehe er den Brustteil des Torsos aufsetzte betrachtete er das goldene Herz noch einmal und murmelte:

"Mithras, möge deine Macht und deine Führung in diesen Wächter eingehen, aufdass er Freund von Feind zu trennen wisse und dem Schrein, wie auch der Esse ein würdiger Hüter sei!"

Dann setzte er den Brustteil auf den Rückenteil und vernietete mit dicken Bolzen die beiden Körperteile.

Zufrieden und müde betrachtete er sein Werk. Der Golem lag in seiner ganzen Pracht und Größe vor ihm. Er war das größte Werkstück seines bisherigen Lebens geworden. Jetzt war es an der Kirche ihm Leben einzuhauchen.

Er deckte das Monstrum mit mehreren Fellen zu um es vor neugierigen Blicken zu schützen und machte sich auf den Weg zum roten Hirschen. Schlaf, endlich Schlaf!
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