Orange und blutrot, das Leben als Knappe
#21
Zum späten Abend hin begibt sich Jon in den Tempel in Löwenstein. Andächtig betritt er die Hallen und hält den Blick dabei zum Altar gerichtet. Er wirkt fokussiert und entschlossen. Ein letztes Mal würde er auf diese Weise vor Mithras treten, ehe er seinem Gott und seiner neuen Herrin einen innigen Schwur leistet.

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Neun Mondläufe waren vergangen und einige Male wechselte der Mond sein Gesicht. Zum Ende hin wagten sich Zweifel hervor, die mit der Hoffnung konkurierten. Aber schlussendlich wurden beide Gefühle von Gewissheit überrumpelt.
Jon hatte einen Wochenlauf, um sich vorzubereiten.
Ist er nun bereit? Tatsächlich fühlt er keine Veränderung, was aber für sein Herz nichts schlechtes bedeutet. Man verändert sich nicht mit dem Schwur, sondern die Zeit und die Erfahrung, die darauf folgt, schleift dich zurecht. Aber was die kommende Zeit angeht, fühlt er sich gewappnet, gar euphorisch. Er ist bereit, der Aufforderung nachzugeben, nach der er sich gesehnt hat. »Kniet nieder.« wird seine Baronin befehligen und er wird gehorchen, bereit sein Herz, seine Klinge, seine Treue und sein ganzes Sein ihr zu versprechen.
Er würde ihr ein guter Ritter sein, dem ist er sich mittlerweile sicher. Sie hat ihn beobachtet und geprüft. Saresh hat ihn geschliffen, lies ihn leiden, hungern, bluten und knien. Aber jedes Lob, jeder Stolz und jedes vertraute Wort machte die größten Qualen wett. Der einzigartige jurische Ritter hatte etwas in ihm gesehen, was Jon selbst nicht zu sehen vermochte. Saresh provozierte seine Schwächen und fütterte seine Stärken. So vollzogen sie zusammen eine Gratwanderung und Jon würde diesen Weg und das 'Erbe' für immer im Herzen tragen. Es ist nicht das Ende einer einfachen Ausbildung sondern schuf tiefe Verbundenheit. Töricht wären diejenigen, die denken, dieser Bund wäre mit der Freigabe dahin. Jon würde noch immer sein Leben für Saresh' tauschen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Er würde sich im Kampf jederzeit an seine Seite stellen und die Klinge erheben. Er ist das lebende Sinnbild für Saresh' Fähigkeiten als Ritter und als Mensch. Vielmehr würde diese Verbindung und der gefruchtete Erfolg jeden Zweifler überzeugen, dass dieser Mann, Jon's ehemaliger Herr, kein Wilder ist.
Mit der Freigabe verliert Saresh' seinen treusten und – seiner Aussage nach – geschicktesten Schwertkämpfer, aber er gewinnt einen Verbündeten, der streng dem Glauben Mithras' folgt. Diese, in manchen Augen vielleicht ungewöhnliche Kombination, wird Greifanger stärker machen. Ein amrhanisches, mithrasgefälliges Herz schlägt ihm Einklang mit dem eines Juren, welcher den 21 folgt.

Mit aller Kraft wird sich Jon ab dem morgigen Tag bemühen, Saresh' Fußstapfen auszufüllen. Niemals wird ihm das gänzlich gelingen, denn ein Khan, der Lehensritter wurde, war einst an diesem Platz. Aber auf seine eigene Weise, würde er seiner Baronin Sicherheit und Treue geben und hoffentlich eines Tages ebenfalls mit Stolz belohnt werden. Als bescheidener Diener der Ordnung ist es das was für ihn zählt - kein Ruhm und keine Lorbeeren - nur die Fähigkeit zu beschützen, zu unterstützen und zu stärken, was seine Heimat geworden ist.

Diese Gedanken wärmen sein Herz und lassen seinen Atem fließen, als der Knappe die Beichtkammer betritt, die er für diesen Abend und diese Nacht als einzigen Ort gewählt hat. Im Einklang mit Mithras würde er die Nacht überdauern und Buße tun, um schließlich mit offenem Herzen dem Schwur entgegen zu reiten.
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