FSK-18 Der Vorbote der Verdammnis
#11
Vielleicht hätte Kyrthons Hexenbeutel mehr Wirkung gezeigt, wenn nicht zwei Dinge geschehen wären: Zum einen nahm so gut wie niemand Notiz von der aufgegrabenen Stelle noch vom Blutsymbol - es sei' denn, Kyron hatte es in seiner Panik erkannt und einfach nichts gesagt? Jedenfalls: An jenem Tag waren die Gedanken auf die werdende Mutter gerichtet und ein- und ausgehende Stiefel vertraten die frisch aufgeworfene Erde und verwischten das Zeichen vielleicht so gar noch etwas. Zum anderen weihte Cois, der Schüler des Rabenkreises, das Haus und dessen Bewohner.

Dennoch lag der Kräuterbeutel an der Hausschwelle im Untergrund verborgen wie eine langsam eiternde Wunde. Cahira und das Neugeborene schliefen schlecht; aber wer wäre verwundert, eine junge Mutter unausgruht und mit dunklen Augenringen zu sehen, wenn das Kind zu jeder Tages- und Nachtzeit lautstark nach Aufmerksamkeit schreit? Manchmal hatte die junge Frau Alpträume und wachte verschwitzt auf, um dann den Rest der Nacht in der kühlen Ruhe auf der Veranda zu verbringen.

Lionel, endlich bei seiner Familie in Ravinsthal, war das neue Heim unheimlich. Nicht nur, dass er sich bei seiner ersten Begegnung mit seinem geliebten athair vollkommen blamierte - der Kleine wurde steif, panisch und rannte heulend gen Hühnerstall, als er seinem Idol endlich gegenüber gestanden hatte - das Haus verwandelte sich zudem in eine gräßliche Frazte und er musste jeden Mut zusammen nehmen, um über die Schwelle zu treten. Und mit seinen unausgebildeten Sinnen erahnte er, dass es auch seiner kleinen Schwester - "Sie sieht so rot und schrumplig aus wie eine Weintraube, die zu lange in der Sonne gelegen hat!", war sein erstes, grinsendes Urteil - ähnlich ging, sie sich nur noch nicht ausdrücken und schreien das einzige war, mit dem sie ihren Unmut kund tun konnte, sehr zum Leidwesen der übrigen Bewohner.

Auf den ersten Blick das Leben einer ganz normalen Familie, doch Kyrthon würde die kleinen Anzeichen sicher deuten können, die sein vergrabener Kräuterbeutel hervorrief. Und wahrscheinlich war dies auch erst der Anfang ....
[Bild: Cahira-Sig.jpg]
Herzlichen Dank an Morrigan!
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#12
Seines Zeichens war Kennan stets neugierig. Und seitdem er den typischen Geruch von Löwenstein gerochen hat, war er neugierig darüber, was sich innerhalb der Grenzen abspielt. Doch nicht nur, was die Leute denken, was geschieht, sondern was wirklich geschieht. So lag es in seiner Natur.

Neugier ist aber nicht nur ein Segen, das war Kennan schon stets bewussst. Erkennt man erstmal, wer die Fäden spinnt und wohin sie führen, so ist man schon längst mit eingestrickt.

"Er" spinnt viele Fäden und ist mächtiger als viele denken mögen. Ein Raubtier, welches seine Opfer genau aussucht und schnappt. Und sind sie erstmal in seiner Gewalt, so gibt es kein Entrinnen.

Kennan kennt Ihn und Er kennt Kennan. Doch wäre er ein treudummes Schaf, welches einer Herde folgt, so wäre er heute nicht mehr am Leben. So ist er in das Konstrukt miteingebunden, doch stützt er es nicht.

Als Kyron mit dem Mal auf der Stirn in Ravinsthal auftauchte, war er sofort neugierig. Das Brandmal der Kirche sagt viel aus und er kennt nur wenige, die mit so einem Mal herumlaufen, anstatt davor lichterloh zu brennen.

Als er ein bisschen nachhakte war ihm klar, warum er dieses Mal trug. Es war wegen Ihm.

Mit der Zeit kam die Familie von Kyron nach. Und natürlich war er neugierig, was für eine Person war seine Frau, die sich entschieden hat, mit so einem geprägten seinen Leben zu teilen.

Die Botschaft von Cahira gab ihm die perfekte Möglichkeit sie kennenzulernen. Und es überraschte ihn. Wenn Kyron die Dunkelheit war, dann war Cahira das Licht. Es teilt sie viel, doch teilen sie sich ebenso viel, was ihm eine Erklärung war, warum sie sich gefunden haben.

Bei seinem Besuch bei dem Hof der Familie hat sie ihn gewissenhaft bedient sich bemüht einen guten Eindruck zu hinterlassen, doch trotzallem scheute sie sich nicht offen zu reden.

So war er zufrieden mit seinem Besuch, jedoch war es ihm so, als säße ihm bei dem Gespräch etwas im Nacken. Auf dieses Gefühl folgte eine Ahnung und als er das Haus verließ, folgte Bedauern.

Kennan wusste nicht wie, doch sagte ihm sein Gefühl, dass Er auch dort auf der Lauer lag und abwartete.

War er ehrlich zu sich selbst, gefiel es ihm nicht. Ob es an seinen eigenen Plänen lag oder weil er Sympathie für die Frau von Kyron empfindet, weiß er nicht.

Doch wäre es nicht klug sich ihm entgegenzustellen. Weltliche Macht versagt dort, wo seine Pläne anfangen.

Doch heißt es nicht, dass er weiter beobachten sollte, was passiert. Möglicherweise kann er nicht viel tun, jedoch sollte er nicht jetzt aufgeben neugierig zu sein.
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#13
Missgelaunt wusch Kyrthon die bis zu den Ellenbogen blutbesudelten Arme im Waschbottich der Zuflucht. In letzter Zeit war er meistens alleine und ungestört hier, und er nutzte die Gelegenheit - einerseits um sich abzulenken und andererseits um seine in letzter Zeit brachliegenden Forschungen voranzutreiben. Ersteres fiel ihm allerdings zunehmend schwer, und wieder und wieder wanderten seine Gedanken zurück zu jenem Haus in Ravinsthal. Es war ihm durchaus bewusst, dass es Zeit benötigen würde, ehe sich das eventuelle Potenzial des jüngsten Zuwachses der Mendozas zeigen würde... und im Moment hatte er alles getan, was es zu tun gab um den Prozess zu fördern und zu beschleunigen. Er konnte also in dieser Angelegenheit gerade nur abwarten, was seine Geduld wie stets äußerst strapazierte.
Die zwischenzeitlich wiederaufgenommene Beschäftigung mit seiner Erforschung der menschlichen Seele war dazu momentan bedauerlicherweise wenig hilfreich. Er fand durchaus Gefallen daran und hatte seine Faszination nicht verloren, aber... Mit einem Seufzen griff er nach einem Lappen um die nach wie vor halb blutverschmierten Arme zu trocknen und sich wieder zum Tisch umzuwenden. Die toten Augen des jungen Mannes, starrten ihn im Kerzenschein anklagend an, wie sie es schon die letzten Stunden getan hatten, was Kyrthon zu einem unwilligen Brummen veranlasste. Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt... du hast deine grenzenlose Freiheit erhalten, Kerl. Diese Hülle hat dich letztlich nur eingeengt... Mit einem leisen Seufzen betrachtete er den geöffneten Brustkorb des Mannes - wieder war es ihm nicht gelungen ihn lange genug am Leben zu erhalten um das Herz zu beobachten, wenn die Seele den Körper verließ. Aber - nachdenklich erwiderte er den Blick der toten Augen - was wäre, wenn das Herz garnicht der Sitz der Seele wäre? Vielleicht war die Prozedur garnicht erforderlich? Langsam griff er zu einem geschärften Löffel inmitten der wirr am Tisch verstreuten Operationsinstrumente und wog ihn nachdenklich in der Hand... Das Brechen der Augen war zwar oftmals nicht das erste Anzeichen für die Flucht der Seele, aber doch das deutlichste - was also, wenn die Seele das Herz von einem anderen Ort im Körper antrieb...?

Er würde weitere Probanden benötigen. Glücklicherweise waren die Bewohner der Stadt so sehr von Sorgen, Ängsten und Sehnsüchten geplagt, dass es ein leichtes war, Freiwillige zu finden die sich im Gegenzug für die Erfüllung ihrer Wünsche zur Verfügung stellten. Freilich geriet die Entschlossenheit so mancher ins Wanken, doch dies war seine Aufgabe: Er geleitete sie durch diese schweren Abschnitte ihres Lebenswegs, um wahrhaft und aufrichtig zu bleiben. Eine jede Vereinbarung musste erfüllt werden - und alles hatte seinen Preis...
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