Der hohle Stab
#1
Der alte Mann begutachtete den Stab, an welchem er eine ganze Weile gearbeitet hatte. Er hatte einen interessanten aber auch recht seltsamen Auftrag bekommen.
Jemand wollte einen Kampfstab haben - der wie einer aussah - aber Innen sollte er hohl sein der Länge nach. Und der Hohlraum an der Spitze sollte gar grösser sein.
Die Auftraggeberin wollte ihn mit Metall füllen... so sagte sie.
Die Brauen sträubten sich Frostgrau, während er den Stab in seinen Klammern begutachtete.
Vielleicht würde es diesmal klappen. Der Leim müsste bald trocken sein. Dann konnte er den Stab aus den Klammern nehmen, die Eisenbänder dranpacken und den Stab ein paar mal irgendwo gegen hauen, um zu sehen, ob er hielt.
Ein Kampfstab, der im Kampf entzwei ging, taugte nichts.

Was hatte er sich nicht alles einfallen lassen... Erst hatte er versucht, in den Stab ein langes Loch zu bohren, aber das hatte nichts gebracht. Kein Mensch konnte so lange Löcher bohren, das der Stab hohl war - kein Bohrer war so lang.

Dann hatte er Holzzylinderstücke mit Bohrungen versehen und die Einzelteile versucht, aneinander zu kleben - mit Metallschnallen die Schnittstellen verstärkt...
Aber die Stücke brachen bei den ersten paar Schlägen gegen einen Holzpfosten auseinander - er müsste alle Schnallen die stabeslänge nach mit einer Metallstange versehen, damit die Holzteile nicht letztlich wegbrachen - was nicht Sinn der Sache war.

Dann hatte er wirklich den Stab der Länge nach in zwei Hälften geteilt und die Stücke mit einer schlanken Höhlung versehen. Der Stab war insgesamt etwas dicker ausgefallen als gewöhnlich, damit die Holzwände dick genug waren, um im Kampf tauglich zu sein. Dennoch würde er vorschlagen müssen, Angriffe eher abgleiten zu lassen, als sie direkt zu blockieren.

Das nächste Problem war gewesen, die zwei Hälften wieder zusammen zu fügen.
Leim? War Wasserlöslich. Er hatte zwar gehört, das die Höhlung mit Metall gefüllt werden sollte, aber... Nun Leim war nicht sinnvoll, wenn Wasser es erreichen konnte. Er wollte nicht, das der Stab brüchig wurde und dem Besitzer was Übles passierte.

Teer also. Pech auch. Beides war Wasserfest - aber dafür brannten sie gut. Was nicht hiess, das das Holz sofort Feuer fing, sobald ein Flämmchen in die Nähe kam. Na, er würde ja erfahren, was der Auftraggeber davon halten würde.

Vielleicht konnte er eine Kombination von beidem machen. In die Mitte der Holzwand eine Leimspur setzen, die Stabhälften zusammen pressen und aushärten lassen. Und dann an der Aussenseite die Naht mit Pech behandeln... und innen? Konnte man vielleicht erhitztes dünnflüssiges Pech eingiessen und es sofort wieder abfliessen lassen.
Aber Pech war teuer. Den Stab damit füllen, um es abfliessen zu lassen... Nein, sinnvoller war es, den Stab ein Stückweit zu füllen und beim langsamen Abgiessen diesen schnell zu drehen, so das die Innenseite beim Ausfluss mit Teer bemantelt wurde.
Er nickte andächtig und blickte herüber zu dem Pott mit Teer, der leise auf dem Feuer köchelte. Das war ein Versuch wert.

Sein Blick ging hinüber zu dem anderen Stab, der bereits fertig war. Dieser war nur mit Teer geklebt worden. Er vermutete allerdings schwer, das diese Klebung nicht halb so gut war wie die von Leim. Leim - gerade Knochenleim - war hart genug, um beim Trocknen kleine Glasschollen aus einem Trinkglas zu brechen - so das ein Eisblumenmuster auf dem Trinkglas entstand - eine Kunst, die so alt war, wie es Glas und Knochenleim gab.
Deswegen sein Versuch hier... Es war ein Mischholzstab, keine Buche - er wollte für einen blossen versuch nicht teures Buchenholz verwenden - nicht wenn er anschliessend den Stab zersägen wollte, um zu sehen, wie die Naht im Querschnitt aussah. So konnte er feststellen, ob die Leimung gelitten hatte, ob der Teer gut von beiden Seiten in Naht und Holz eingedrungen war. Ob seine Idee bestand hatte oder unbrauchbar war...

Die Schnallen lösend, nahm er den Stab in die Hand und drehte ihn leicht. Zog an den Holzhälften, aber sie sassen fest... Gut. Der Blick ging hinüber zu dem Pechtopf, dem Auffangbehälter und was er noch so da hatte, um den Stab drehend zu füllen und drehend wieder zu entleeren. Mit einem Glitzern in den Augen ging er mit dem Stab hinüber. "Ma schaun, ma schaun, wie der Wind weht..."
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