FSK-18 Mein eigenes endloses Weiß
#1
Sie öffnete ihre Augen und vor ihr tat sich eine Fläche aus reinem Weiß auf.
Anastasia stand auf einer Düne von wohlig gewärmtem Strandsand. Doch war dieser
nicht nur von der Farbe frischen Schnees, sondern schmolz unter ihren Füßen zu
Glas. Um sie herum am Horizont, trug der Himmel die Farbe von Veilchen und
verlief sich, je höher man sah in ein farbloses Dunkel.

Aus jenem farblosen Dunkel viel graue Asche, feucht und kalt, wie Regen im Herbst.
Im Zentrum des Himmels hing eine Kugel, welche den Eindruck machte blassblau
zu leuchten. Dieselbe Art von Leuchten ging von einigen Blumen aus, welche
inmitten des warmen Sandes wuchsen. Die Blumen schienen in voller Blüte zu
stehen und die geöffneten Blütenblätter hatten eine Form nicht unähnlich jener der
Trompetenblume. Doch bildeten diese eine fast perfekte Kreisform und bestanden
aus acht Kelchblättern.

Anastasia war dieser Ort wohl vertraut, immer wenn sie etwas bedrückte oder
sonst wie aus dem Gleichgewicht brachte, konnte es passieren, dass ihre Träume
sie an diesen Ort brachten. Ein Ort, an dem sie mit sich selbst alleine sein konnte,
um über Dinge nachzudenken oder Dinge zu verstehen.

Ihre Schritten trugen sie zu einer der Blumen und sie beugte sich zu jener hinab,
legt Zeigefinger und Daumen um ihren Stängel und zog sie aus dem Boden. Ein
höchst erfreutes Lächeln und ein verträumter Ausdruck legten sich auf ihr Gesicht.
Als von der Seite eine Stimme an sie heran drang. Eine Stimme, gleich einer alte
Eiche, welche sich mürrisch gegen einen warmen Sommersturm stellte. Eine
Stimme, die ihr ebenso vertraut war, wie der Rest dieses Ortes.

„Welche Art von Blume blüht denn in der Nacht?“

Sie drehte sich herum und wollte die Frau ansehen, doch wie üblich vermochte sie
kein klares Bild von ihr zu erkennen. Ihr Kopf und ihre Augen begannen zu
schmerzen. Der Punkt, an dem die Frau stand war verzehrt, ganz als würde sie
versuchen etwas hinter einem Hitzeflimmern zu betrachten. Anastasia drehte den
Kopf wieder leicht zur Seite und die Schmerzen verschwanden im selben
Augenblick. Es war jedes Mal, als würde ein Teil von ihr etwas Wichtiges und
Bedeutendes zeigen wollen, ein anderer Teil jedoch wollte dies mit aller Macht
verhindern.

„Mondblumen, schätze ich.“

Die beiden Frauen setzten sich nebeneinander auf den Sand und beide schauten für
einige Zeit einfach wortlos in das Veilchen-Violett des Horizontes. Bis Anastasia
schließlich ihre Beine zu sich heranzog, ihre Arme um diese legte und das Kinn auf
ihrem Knie abstützte.

„Alles scheint so kompliziert geworden zu sein, seit ich
Großmutter begraben habe. Es gibt so viel, was ich einfach nicht verstehe. Ich
habe dir doch von Avi und Nara erzählt? Warum zum Beispiel mussten diese beiden
wundervollen Menschen in ihrem Leben so viel Leid tragen und mir ging es immer
gut. Wann immer ich eine von beiden sehe, entflammt irgendwo tief in mir dieses
Gefühl von Mitleid und ich will sie einfach in den Arm nehmen und ihnen sagen,
dass alles gut wird. Aber wie könnte ich? “


„Gedulde dich Anastasia, Wissen entsteht nicht, weil du wissen
willst. Wissen muss erarbeitet und verstanden werden. Du wirst sehen..“


„Gedulde dich? Ich will mich nicht gedulden. Was nützt mir all
dieses Wissen, wenn ich nicht einmal weiß, wie ich den Menschen die mir etwas
bedeuten sagen soll, dass es mir leidtut, was ihnen passiert ist, ohne dass es sich
abwertend anhört. Ich bin schwach, körperlich und seelisch und kein Wissen
vermag das wegzuwaschen.“


Wir sind nicht schwach und die Zeit..“

„Die Zeit? Tu nicht so! Wir wissen beide, dass die einzige Sache,
welche wir beide wirklich fürchten, die Zeit selbst ist. Alles auf dieser Welt wird
von der Zeit bestimmt, ist der Zeit unterworfen.“


„Du liegst falsch, nicht wir fürchten die Zeit. Du tust es, ich
habe die Zukunft gesehen“


„Wirklich? Du kommst wieder damit? Wenn du keine
Lust hast mir zu helfen, dann verschwinde ich eben.“


Sie öffnete wieder die Augen und könnte die Decke nur mit Mühe in der Dunkelheit
ausmachen. Sie lag eindeutig wieder im Bett. Sie drehte den Kopf zur Seite und ihr
Blick ruhte auf dem friedlich wirkenden Gesicht der Person neben ihr. Ein Lächeln,
welches mit der vorherrschenden Traurigkeit, in ihrem eigenen Gesicht, um die
Kontrolle kämpfte, umspielte schwach ihre Lippen. Sie legte ihren Arm um diese
Person, schloss wieder die Augen und flüsterte „Ich liebe dich“.
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#2
Nachdem die Türglocke verkündet hatte, dass die andere Frau das Haus verlassen
hatte, wischt sie sich mit dem Ärmel noch einmal über die tränennassen Augen.
Mit beiden Geschichten, und sie passten so wundervoll ineinander, konnte sie nun
zumindest das Bild in seiner Gesamtheit sehen, so dachte sie zumindest, obgleich
einige der Details noch immer unklar waren.

Es war ein grausames Bild, nicht aufgrund dessen, was das Bild darstellte, sondern
was zur Entstehung des Bildes geführt hatte, die Intention hinter der Schaffung.
Diese von ihr lediglich vermutete Intention war es, welche ihr, wie kleine Nadeln,
in das Herz und die Seele gedrückt wurden. Sie war so ein dummes kleines
Mädchen und diese Welt war so ein komplizierter und grausiger Ort.

Ohne weitere Dinge zu packen hatte sie das Haus verlassen und während ihre
Schritte sie tief in die Wälder Servanos trugen, wünschte sie sich zurück, zurück in
eine Zeit wo das Leben so einfach und schön wirkte. Eine Zeit in der ihre
Großmutter noch lebte und sie vor all den schmerzhaften Erkenntnissen dieser Welt
beschütze.

Sie hasste diese Welt, sie hasste dieses Leben, den nichts von all dem hier
verstand sie und dabei war sie sich immer so unglaublich sicher, sie würde all
diese Dinge verstehen. In ihrer Naivität hatte sie angenommen, Menschen denen
sie vertraute, würden auch ihr vertrauen und ihr Innerstes mit ihr teilen. Ein
offensichtlicher Trugschluss, welcher ihr die Luft zum Atmen raubte und so würden
zumindest die Tiere des Waldes an diesem Mittag, das Schluchzen einer Frau hören
können, deren Welt gerade dabei war in Scherben zu zerfallen.
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#3
Sie öffnete langsam ihre Augen und erkannte sofort, dass sie schlief und träumte.
Doch konnte ihr diese Erkenntnis, keinen Frieden schenken. Weniger als ein
Lidschlag genügte ihr, um zu erkennen, welcher Traum zurückgekehrt war, um sie
zu quälen. Der Himmel trug die ihr bekannte Farbe von Veilchen, doch der gesamte
Himmel leuchtete in einem Licht das Schmerzen durch ihren Kopf schießen lies. Ein
Schmerz, als würde man seinen kleinen Zeh mehrfach und voll Elan gegen eine
Möbelkante treten. Alleine die Augen geöffnet zu halten, verlangte ihr viel ab. Doch
war es kein Vergleich mit der Luft, nicht nur, dass man durch sie hinweg kaum
etwas sehen konnte. Sie hatte eine Geleeartige, rauchige Konsistenz und ließ sich
ungefähr so gut atmen wie Wasser. Das Schlimmste aber, war der Geruch. Es roch
nach Verwesung, Tod und dem Bösen. Ein Geruch so intensiv, dass sich ihr der
Mangen umdrehte, so intensiv, dass man unter keinen Umständen noch durch die
Nase atmen wollen würde. Ein Geruch so intensiv, dass man ihn auf der Zunge
schmeckte, wenn man nur daran dachte, durch den Mund zu atmen. Sie hielt sich
die Hand vor den Mund und mit dem Gefühl, jederzeit ihren Mageninhalt zu
verlieren, wurde sie auch dem Rest dieser Welt gewahr. Ana stand auf einem
kreisrunden Platz, von welchem nur eine Straße wegführte. Der Platz war umgeben
von seltsam verdrehten Gebäuden, zumindest hielt sie es für Gebäude, die sich bis
in den Himmel erstrecken und den Eindruck machten, als wären sie es, was den
Himmel an seinem Platz halte. Neben ihr befand sich ein Brunnen der eine
dampfende Flüssigkeit von roter Farbe über eindrucksvolle Fontänen in die Luft
ergoss. An diesem Punkt des Platzes war der metallische Geruch so stark, dass sie
keinen Zweifel daran hatte, was diesen Brunnen füllte. Die Häuser und der Brunnen
waren aus einem ihr unbekannten Material geschaffen, es wirke wie schwarzer
Marmor.

Kalte Schauer liefen ihr den Rücken herab und sie spürte, wie Panik langsam von
ihr Besitz ergriff. Sie wollte diesen Ort einfach verlassen. Mühsam bewegte sie sich
auf die Straße zu, denn mit jedem ihrer Schritte trat sie ein eine klebrige Substanz
auf dem Boden, die wie großflächiges verteiltes Kaugummi, ihre Füße mit einem
schmatzenden, quälenden Geräusch fest hallten wollte. Sie hatte nicht einmal vor
zu wissen, welche Art von menschlichen Teilen da unter ihren Füßen am Verwesen
war und sie wagte es auch nicht hinabzublicken.

Anastasia hatte die Straße beinahe erreicht, da tauchte in einer Entfernung vor ihr
eine Frau auf, sie konnte diese bei bestem Willen nicht erkennen, als würde ihr
Verstand sich weigern, das Bild der Frau zu vervollständigen. Zusammen mit der
Frau, erklang das Geräusch von klirrenden Ketten und ein eiskalter, unheilvoller
Wind begann ihre Haut zu streicheln. Sie versuchte den Ursprung des Geräusches
auszumachen und erst jetzt vielen sie ihr auf, oder vielleicht waren sie auch vorher
nicht dort. Aus dem Himmel selbst hingen schwere schmiedeeiserner Ketten, wie
von der Decke eines Schlachthauses. Aufgehängt an den Hacken hingen eindeutig
menschliche Körper, ohne erkennbares Muster mit einer Kette, mit zwei Ketten, an
Schlüsselbein, oder Hüfte hingen sie dort und bewegten sich synchron im eiskalten
Wind, als wollte er die Leichen in ihren ewigen, endlosen Schlaf wiegen.

Mit jedem Moment, denn sie an diesem Ort verbrachte, nahm das flaue Gefühl in
ihrem Magen zu. Sie schloss ihre Augen und mit aller Gewalt wollte sie sich selbst
zum Aufwachen zwingen, doch war dies ein vergeblicher Kampf. Dann drangen von
irgendwo her zwei vertraute Stimmen an ihr Ohr, es klang wie ein leises Flüstern,
als würde jemand versuchen durch mehrere Räume hinweg in Zimmerlautstärke
miteinander zu reden. Dennoch konnte sie die Stimmen klar erkennen. Sie öffnete
die Augen wieder und hinter der Frau, die sie noch immer nicht erkennen konnte,
sah sie gut einige Hundert Meter voneinander entfernt Thalia und Avi stehen. Ihr
Instinkt flüsterte ihr ein, sie müsse umgehend zu den beiden gelangen, aber drei
schneidende Worte erfüllten die Luft und im selben Moment, in welchem sie an ihr
Ohr drangen, hatte sie die Worte auch wieder vergessen. Das Ergebnis jedoch, eine
Wand aus Dornenranken, war zu einem Hindernis zwischen Thalia, Avi und ihr
geworden, das unüberwindbar schien. Die Ranken selbst machten keinen
besonderen Eindruck, aber die Dornen waren deutlich großer, als bei gewöhnlichen
Pflanzen und eine jede davon, machte den Eindruck, schärfer zu sein, als die
meisten Barbiermesser.

Die Frau schien ihr durch die Dornenranken zuzulächeln, dann drehte sie sich
herum. Es waren immer drei Worte, welche klar die Luft durchschnitten und obwohl
Ana die Worte jedes Mal vergessen hatte, wenn sie an ihr Ohr drangen, wusste sie
doch jedes Mal um die Wirkung. Sie hatte jeden einzelnen dieser Zauber in ihrem
Thesenbüchlein notiert. Sie hatte sich die meisten dieser Zauber als Spielerei
ausgedacht, um die Grenzen der Selvetik zu überprüfen. Ein Zauber, der in dem
Opfer unsagbare Schmerzen verursachte, war das Erste, was die Frau auf Avi und
Thalia sprach. Ana hatte diesen Zauber liebevoll „Folterfluch“ genannt. Aber die
Formel entglitt ihr jedes Mal aufs Neue, doch nicht nur diese, auch jede andere
Formel entglitt ihr. Sie wusste, dass nur 3 Worte nötig waren, Avi und Thalia zu
retten, aber die einzige Waffe, die sie imstande war zu führen, wurde ihr
genommen und gerade gegen sie eingesetzt.

Wenn sie nur zu Thalia und Avi kommen könnte, dann könnte sie all dies beenden,
dessen war sie sich sicher und so lief sie in panischer Verzweiflung auf die Dornen zu.
Die Wand aus Dornen, für diesen Zauber hatte Ana sich überlegt, wie
unglaublich praktisch es wäre, wenn ein Zauber die Effekte einer Klinge und eines
Spinnennetzes vereinen würde. Ihre Lösung war die Wand aus Dornen gewesen, ein
Zauber, der das Opfer welches in die Ranken laufen würde, nie wieder freigeben
sollte, bis es sich selbst die Haut von den Knochen geschält hätte. Ein Zauber, der
zumindest in dieser Traumwelt von grausiger Effizienz zeugte. Denn mit jedem
Griff, jeder Bewegung tiefer in die Ranken, spürte sie wie die Dornen ihr tief in
Haut und Fleisch schnitten. Ana war nicht einmal klar, dass sie vor Schmerzen
schrie, bis sie ihre eigene Stimme deutlich hören konnte.

Mit jedem qualvollen Atemzug füllte die seltsame Luft dieses Orts ihre Lungen
weiter an und irgendwann war sie zu kraftlos um mit den blutverschmieren Händen
noch nach den Ranken zu greifen, in welchen sie tief verfangen war. Sie sah wie
Avinia und Thalia versuchten, statt zu ihr, zueinander zu gelangen. Sie könnte sie
retten, sie könnte das alles hier beenden, aber statt zu ihr zu kommen, waren die
beiden dabei einen gemeinsamen Tod zu wählen, anstatt sich zusammen mit ihr für
das Leben zu entscheiden. Wieder durchschnitten drei klare Worte die Szenerie,
wieder war ihr der Zauber wohl bekannt. Brennendes Blut, ein Name der ebenso
erschreckend, wie wahrheitsgetreu war. Sie spürte, wie Tränen ihre Wangen
herunter rannen, den ihr war klar, dass dieser Zauber im Tod endete und ihr war
ebenso klar, dass wenn sie das nächste Mal die Augen schließen würde, zwei
weitere grausige Avi und Thalia Leichen aus dem Himmel hängen würden.

Doch bevor sie wieder den Tod der beiden Frauen mit ansehen musste, war
plötzlich das Einzige was ihre Augen sahen Dunkelheit und ein Gesicht, das ihr
entgegen blickte. Der Geruch war dem von süßem Tee und morschem Holz
gewichen. Der Schmerz war verschwunden und sie spürte nur die angenehme
Wärme von Avi und Avis Lippen, die einen vorsichtigen Kuss auf Anas legten.

Wie versprochen, hatte Avi sie aus dem Traum geweckt, aber richtigen Schlaf,
würde Ana auch diese Nacht nicht mehr finden. Als sie ihre Augen wieder schloss,
erinnerte sie sich daran, wie ihre Großmutter immer sagte, dass jeder Ort an den
wir in unseren Träumen reisen, einen Teil unserer Seele widerspiegelt. Weshalb
sich die Orte wandeln und verändern und weshalb wir je nach Gemütszustand an
andere Orte reisen. Ana hoffte so sehr, dass es keinen Teil ihrer Seele gab, der
wirklich so finster war.

Insgeheim hoffte sie, dass der Fluch von Rabenfeld vielleicht doch nicht das
lächerliche Gerücht war, für das sie ihn gehalten hatte…
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#4
Es ging ihr nicht gut und wie sollte es auch. Thalia war tot und unabhängig
davon, dass sie eine Hexe war und was vielleicht sonst, so war sie in
erster Line doch Anas beste Freundin gewesen. Ihre Seligkeit hatte
gesagt, dass die Verbrennung Thalias Seele gerettet hätte und Ana
zweifelte keinen Moment daran, dass die Seligkeit das wirklich glaubte und
wahrscheinlich hatte sie damit sogar recht. Leider konnte Ana diese
Erkenntnis keine Erleichterung verschaffen. Sie würde in jedem Fall noch
einmal mit Gwen reden müssen, die zweite Seite der Münze betrachten.

Es war frühster Morgen und die Straßen Löwensteins waren in das dunkle
Blau der Nacht getaucht, nur stellenweise durchbrach das Licht der
Laternen die Dunkelheit. Immerhin fühlte Ana sich hier in Löwenstein wieder
zu Hause und dies, mehr als alles andere half ihr, sich besser zu fühlen. Sie
verschwand wieder in dem Gebäude, welches sie ihr Zuhause nannte und
hoffte, Avi hätte ihr verschwinden nicht bemerkt.

Leise stieg sie die Treppe hinauf und die Feststellung, dass Avi fest schlief,
entlockte ihren Lippen ein kurzes Lächeln. Dann setzte sie sich an den
Eichensekretär und zog ein Stück Hadern aus der Schublade. Wenn weder
ihre Seligkeit noch Gwen ihr helfen könnten, gäbe es nur noch einen
anderen Weg, an die Wahrheit zu kommen. Ihre Gedanken wanderten wild
und unkontrolliert durch ihren Kopf, aber die Feder vermochte es irgendwie
sie trotzdem zu Papier zu bringen.

Schutz war der erste Punkt, der sich auf dem Papier wieder finden ließ,
denn für sie war es der wichtigste, sie hatte keine Lust, das gleiche Ende
zu finden, wie Nara es getan hatte. Knochenrüstung, Fleischrüstung,
Steinrüstung, Energierüstung, jeden dieser Zauber und mehr galt es zu
erforschen, alles was sie und ihren Geist schwerer zu zerstören machte
würde ihr nur recht sein. Steinwände, Energiewände, sie hatte keine
Ahnung, was der Zauber am Ende hervorbringen würde, aber sie wollte auf
alles vorbereitet sein. Der Raum, ihr Körper alles würde ein
undurchdringlicher Panzer werden müssen, falls das überhaupt irgendwie
möglich wäre. Sie wollte ein Wesen in diese Welt zerren, das
möglicherweise nicht einmal an die Regeln dieser Welt gebunden war.
Vielleicht würde sie gar ihre eigene Seele an ein Objekt binden müssen, auf
dass ihr Körper sich wieder heilen könnte, oder ein anderer Magier ihre
Seele an einen neuen Körper binde.

Sicher würde es Jahre dauern, Jahrzehnte, im schlimmsten Fall
Äonen. Es kümmerte sie nicht, sie war Nekromantin, es gab eindeutig
beweisbar vor ihr Menschen, welche die Form eines Lich annahmen und
damit den Tod zumindest einige Zeit betrogen. Wäre es so einfach, wie
den Untod in einem lebenden Ziel zu kontrollieren, hätten sicher mehr
Hermetiker dieses Stadium erreicht. Aber sie würde sich darum kümmer,
wenn es nötig war, Wissen mochte verschwinden aber es ging nie verloren.
Irgendwo, in irgendeiner Kammer lag die Antwort.

Natürlich war Leben auch in der Nekromantie kein dehnbarer Begriff, konnte
aber um das Unleben erweitert werden.

Ihre Augen flogen noch einmal über die lange Liste an Zaubern. Sie tauchte
die Feder ein letztes Mal in die Tinte, und während sie hoffte, dass Gwen die
Antworten hätte, die sie suchen würde, fügte sie die letzten Worte zu dem
Text hinzu.


Gaei Sanor Felum

Beschwöre Mithras...
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#5
ELI BALTUTI IMA'IDA MITUTI

Sie hatte keine Ahnung, was diese Worte bedeutenden. Eine Vermutung im besten
Fall. Ein altes halb verfaultes Buch war sicher nicht die sinnvollste Quelle für
Informationen. Aber das Gefühl der Gefahr, das Versprechen auf Erfolg waren
erregende Aussichten. Außerdem hätte sie wohl keinen der Thaumaturgen eine so
wichtige Befehls-Formel versuchen lassen.

Sicher.. es gab Zweifel.. aber keiner davon überlebte die Sekunden in welchen die
Galionsfigur erneut zum Leben erwachte und sich in ihrer vollständigen
imposanten Größe aufbaute. Sie blickte an der Figur vorbei zu Arellus und ein
triumphierendes Lächeln lag auf ihren Lippen. Ana konnte den Blick wieder
ehrfurchtsvoll auf die Galionsfigur zu richten. Die Figur lebte und Ana war ihre Herrin.


[Bild: DarkMaiden-800.jpg]


Irgendetwas vertrieb ihre euphorischen Gedanken.. Feindseligkeit? Sie vernahm
die erfreuten Ausrufe der anderen Hermetiker, aber irgendetwas stimme nicht.
Die Galionsfigur hatte ihren Angriff begonnen. Anas Gedanken wirbelten
unaufhaltsam. Falsche Aussprache, eine Falle? Ein flinker Sprung nach hinten und
dennoch, die Kreatur erwischte Anas Wange. Ein brennender Schmerz ging von
ihrer Wange aus. Jedes Rasiermesser wäre, bedingt durch die Schärfe der Waffe
vor Neid erblasst. Der Schmerz entfernte jeden unnötigen Gedanken aus ihrem
Kopf, es gab nur noch den Kampf.

Positiv denken Ana.. positiv denken.

Der nächste Angriff war einfacher vorauszusehen. Mit einer geübten
Leichtfüßigkeit, führte sie einen weiteren Satz nach hinten aus. Tisch..? Sie hatte
die Umgebung aus den Augen gelassen. Ana kannte diesen Raum so gut wie ihr
eigenes Zimmer, das hätte nicht passieren dürfen. Immerhin konnte sie sich ein
Stück weit aus dem Angriff zurückziehen, jedoch nicht weit genug. Sie konnte
hören, wie etwas knackte, trotzdem der Rufe des Entsetzens und der
Überraschung der Anderen. Sie erwartete das Einsetzen von Schmerzen,
stattdessen fühlt der Unterarm sich taub an.

Schwache Leistung..

Diese kurze Ablenkung war alles, was die Kreatur benötigte, der zweite
Kreaturen-Flügel traf Ana ohne, dass sie überhaupt an Ausweichen gedacht hätte.
Erneut fuhr ein Schmerz durch ihren Körper und Panik begann, besitzt von ihr zu
ergreifen und sie blickte an sich herab. Mit Angst in ihren Gesichtszügen
beobachtete sie, wie der orange Wappenrock sich langsam rot färbte. Wie ein
Hammer traf ein weiter Angriff sie am Oberarm. Die Wucht hinter dem Angriff hob
sie von ihren Füßen und schleuderte sie einen halben Meter zur Seite.

Die linke Hand klammerte sich fest an das halb verfaulte Buch. Ihr wurde langsam
schwarz vor den Augen und alles, was ihr von dem verschwimmenden Rest an
Sicht geblieben war, zeigte ihr die Galionsfigur in all ihrer Schönheit. Sie wollte
um Hilfe bitten, aber wohl wissenden, dass diese Worte niemals Candaria
erreichen würden, schweig sie. Da war kein Schmerz.. nur Ruhe.

Sie war sich nicht sicher, wieso sie wieder die Augen öffnete.
Ana lag in ihrem Blut und konnte noch immer hören, wie jemand selvetische
Formeln sprach und Kampflärm. Sie zwang sich auf die Beine und stolperte auf die
Tür zu.. dann wurde wieder alles schwarz.
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