FSK-18 [MMT] Candarianische Märchen
#1
Irgendwo in einem kleinen Bauernhäuschen in Candaria liegt ein verstaubtes altes Buch. Es ist randvoll gefüllt mit Geschichten und Märchen aus Candaria. Ein jeder Candarier wird diese Geschichten kennen und sie mit Begeisterung erzählen. Manche sind gruselig, manche bereiten auf das Leben vor und andere wiederum sind einfach zum Vergnügen des Lesers gedacht. Einige schwören darauf, dass viele der Geschichten sogar einen wahren Kern haben. So ihr das Buch zur Hand nehmt, es von Staub befreit werdet ihr auf der ersten Seite direkt eine der gruseligeren Geschichten vorfinden.

Die kreischende Edle
~*~
Es war einmal des Nachts auf der Handelsstraße welche quer durch Candaria führt. Der Mond stand weit oben am Himmel und erhellte die Nacht spärlich. Geisterhafte Schemen waren überall am Wegesrand auszumachen - die meisten davon wohl Pflanzen oder Gebäude welche vorüber zogen, so man aus der Kutsche blickte wirkte alles wie in einem dunklen Alptraum dem man so schnell wie möglich entfliehen möchte. Kein Geräusch drang durch die Nacht und die eiserne Stille wurde lediglich durch das donnernde Grollen der Kutschenräder durchbrochen. Geführt wurde die Kutsche von einem alten Mann mit tiefen Falten im Gesicht. Der Duft von billigem Wein und anderem Fusel hing in seiner Kleidung. Auf seinem Kopf trug er einen Chaperon mit Sendelbinde, der ihm so weit ins Gesicht gerutscht war, dass er kaum noch erkennen konnte wo er entlang fuhr.
~*~
Im Wagen befand sich ein junges Mädchen von welchem man munkelte, dass es aus adeligen Kreisen entstammte. Das Ruckeln der Kutsche hielt sie nicht davon ab sich im Taschenspiegel zu betrachten. Sie war dem Gesicht welches ihr entgegen blickte über die Jahre überdrüssig geworden. Eine junge Frau in den besten Jahren mit feinen Zügen und gesunden rötlichen Wangen. Sie war wunderschön anzusehen aber auf ihrer Stirn hatten sich einige Sorgenfalten gebildet. Ihre Haare waren fein hochgesteckt und ihre Kleidung entstammte wohl aus bester Hand. Dennoch war ihr Blick voll von Traurigkeit. Sie lenkte ihn hinaus aus der Kutsche in die Dunkelheit und verlor sich in Gedanken - Gedanken, die sie in eine andere Welt hinübertrugen in der alles besser war. Dort wo sie frei war und sich jeden Wunsch selbst erfüllte. Keine Zwänge und keine Etikette - ein Leben ohne Kummer und Sorgen. Sie hatten ihre große Liebe verlassen müssen welcher nur ein armer Stallbursche auf Löwenwacht war. Ihr Herz war schwer und ihr Kopf voll von traurigen Gedanken.
~*~
Während ihrer Träumerei geschah es, dass der Alte auf dem Kutschersitz langsam aber sicher einschlief. Das Grollen wurde abgedämpft von dem Gras welches die Kutsche nun befuhr. Sie entfernte sich immer weiter querfeldein Richtung Kutschersee. Bäume rasten an den Fenstern der Kutsche vorbei und das Fräulein im Innern der Kutsche schrie entsetzlich. Dem Rausche völlig verfallen bemerkte der Kutscher nichts. Kurz vor dem Kutschersee bremsten die Pferde abrupt ab doch das Gewicht des Kutschenwagens zog sie elendig hinab in die dunklen Tiefen des Kutschersees. Der Kutschführer indes erlangte sein Bewusstsein wieder als das kühle Nass ihn umfing und er paddelte zurück ans Ufer. Die letzen quälenden Schreie der Frau erstickten im Wasser welches langsam ihre Lungen füllte. Eingesperrt im Innern der Kutsche und ohne Möglichkeit einen Ausweg zu finden ertrank sie elendig. Ungewöhnliche Stille erfüllte die Nacht erneut und der Kutscher floh aus Angst vor Konsequenz. Doch ein schweres Herz welches voll ist von unerfüllter Liebe gibt sich nicht so leicht dem Tode hin. Und so geschah es, dass sich in der nächsten Vollmondnacht eine weiß glühende Gestalt aus dem Wasser erhob und sich mit nassem weißem Haar gen Kutscherinsel schleppte. Weiße Fäden aus Mondlicht schlangen sich um ihren jugendlichen Körper, doch das Gesicht war völlig entstellt als ob zu jeder Zeit ein Schrei ihre Kehle verlassen würde. Und heute noch in Vollmondnächten wird man ihren Schrei von der Insel inmitten des Kutschersees hören können. Verloren und Einsam und voller unerfüllter Liebe.
[Bild: 72dklwax.png]
"Wenn du zögerst, hör auf dein Herz"
Elfie Fuchsenfelde

Baronie Hohenquell
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#2
Vida erinnerte sich noch gut daran, als sie die Geschichte der "kreischenden Adeligen" das erste Mal gehört hatte.
Gemischt waren ihre Gefühle gewesen, denn einerseits mochte Vida keine adeligen Damen, Liebeskummer verachtete sie, Pferde mochte sie nicht besonders, sie verstand auch nicht, warum die Adelige die Tür der Kutsche nicht einfach zertrümmert hatte... und über Kutschen oder den Kutschersee hatte sie auch keine hohe Meinung. Dann auch noch Alkohol!
Aber sie mochte den gruseligen Schauer auf ihrer Haut und nahm sich vor, eines Abends mal in weißen Leinen gekleidet am Kutschersee entlang zu gehen und Leute zu erschrecken. Aber wie mit all den guten Plänen, die sie hatte - es wurde nie etwas daraus.
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#3
Eisenkiefer
~*~
Es war einmal ein Männlein welches in einer Höhle am Koboldfluss hauste. Er hatte braunes wuscheliges Haar in dem sich diverse Zweige, Blätter und Moos gesammelt hatten. Seine Augenbrauen waren buschig und mitten im Gesicht prangte eine riesige Knollnase welche auch eine Kartoffel hätte sein können. Seine Höhle lag einsam und weit ab von den Höhlen der anderen Kobolde. Sie mieden das Männlein welches von allen nur "Eisenkiefer" gerufen wurde. Dieser Name hatte sich aber nicht des Respektes wegen eingeschworen sondern wegen seiner schrecklich schiefen Zähne. In Koboldkreisen war er sehr hässlich und wurde gemieden. Das hing auch damit zusammen, dass er einen für Kobolde unangenehmen Geruch von Kräutern an sich haften hatte. Die Kobolde liebten den erdigen und muffigen Geruch der Höhlen in denen sie hausten. Aber Eisenkiefer war anders als die anderen und so fristete er sein einsames Leben in der kleinen abgelegenen Höhle.
~*~
Eines Tages jedoch als die Sonne hoch über dem Himmel stand und das Land in ihre Wärme hüllte, wagte sich der eigentlich so lichtscheue Kobold aus der Höhle heraus. Er wanderte nach Hohenkliff zu den Klippen und traf auf eine Frau, die gerade dabei war ein Zackelschaf zu scheren. Als die Frau den kleinen Kerl erblickte schrie sie auf und rannte davon. Traurig ließ der kleine Kobold den Kopf hängen und setzt sich mitten auf die Wiese um an einem Kieselstein zu knabbern. Nach einer Weile hörte er das Schlagen von Flügeln und eine Möwe aus dem fernen Greifanger ließ sich neben ihm nieder. Ihr Schnabel war schrecklich schief und ihr fehlte ein Auge. Schließlich setzte sie mit krähender aber melodiöser Stimme an "Na... ganz allein hier kleiner Mann? Wusstest du schon, dass ich nicht mehr in Greifanger bleiben kann?" Dabei legte sie den Kopf schräg und starrte dem Kobold direkt in die Augen. Der daraufhin erwiderte mit trauriger Stimme "Ich fühle stark mit dir, das ist ganz gewiss. Die woll'n mich nich' in den Höhlen - das ist doch Beschiss!" Woraufhin ihm ein schweres und lautes Seufzen entfuhr. Nach einer Weile des Redens und auch nach einigen Lachern beschlossen die beiden Freunde zu werden. So machten sie sich auf und wanderten zum Hexensee welcher in Blutquell lag.
~*~
Als sie den See erreichten konnten sie ein lautes trauriges Stöhnen vernehmen. Im Schlamm des Seeufers lag eine Kröte - es war wohl die schönste Kröte die man je gesehen hat. Wunderbare glatte Haut mit lediglich einer Warze und kleine bernsteinfarbene Krötenaugen. Die beiden machten sich auf den Weg zu der Kröte welche sie mit wehleidigem Blick ansah und dann mit einer tiefen Stimme ansetzte "Ich bin zu hübsch für die Kröten im See - das tut mir in der Seele weh." Daraufhin entgegneten die beiden anderen. "Na das fängt ja wunderbar an. Wusstest du, dass ich nicht mehr in Greifanger bleiben kann?" sagte die hässliche Möwe. "Ich fühle stark mit dir, das ist ganz gewiss. Die woll'n mich nich' in den Höhlen - das ist doch Beschiss!" fügte der unförmige Kobold an. Und schließlich beschlossen die drei Freunde zu werden, auch wenn die Möwe einen gewissen Appettit gegenüber der Kröte nicht verbergen konnte.
~*~
Die drei machten sich auf den Weg ans andere Ufer des Hexensees wo laut Erzählungen eine alte Frau leben sollte, die jenen Wünsche erfüllte welche ohne Hoffnung waren. Und als sie den See umrundet hatten, da fanden sie eine kleine baufällige Hütte vor der eine alte Frau saß. Ihre Augen waren milchig grau - anscheinend war sie erblindet. Die drei traten vorsichtig vor sie und erzählten ihr ihre Geschichten. Die Alte erwiderte daraufhin, dass sie keine Wünsche erfüllen könne, aber ein jeder, der das rechte Herz in der Brust trägt von der Göttin des Sees erhört werden würde. Und so traten die drei vor den See und sprachen ihren Wunsch aus. Sie wollten akzeptiert werden wie sie sind und wollten wieder heimkehren an den Ort wo sie hingehörten. Und mit großem Getöse und viel Tohuwabohu klopfte die alte Frau auf eine nahe Trommel und jaulte über den See hinweg um den Dreien dann mitzuteilen. "Zu Hause ist dort wo eure Lieben sind. Hört nicht auf jene, die euch verurteilen. Sucht euch den Ort - an den ihr gehört. Euer Zuhause liegt vielleicht fern - oder auch nicht." Die drei Freunde sahen sich an und von da an gingen Sie auf Reisen. Bis sie schließlich irgendwann bemerkten, dass ihr Zuhause die Freundschaft war, die sie von da an als wertvollstes Geschenk ansahen und andere ebenfalls damit segneten.
[Bild: 72dklwax.png]
"Wenn du zögerst, hör auf dein Herz"
Elfie Fuchsenfelde

Baronie Hohenquell
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