[FSK-18] Wenn Sterne brechen...
#11
Ein Wunder jagte vorerst das Nächste...die Medica bot Erin eine Stelle als Studentin der Wundheilkunst an, bis zum nächsten Tag des Dienstes hatte sie Bedenkzeit. Es wurde ihr ein Bett zum Schlafen geboten, und für ein paar Handgriffe im Heilerhaus erhielt Erin sogar einen herrlich gelben Käse, Brot und ein Süppchen. Sie brachte das Haus auf Hochglanz, schüttelte die Betten aus, fegte die Dielen und warf alles was nicht benötigte wurde aus dem Fenster. Danach sank sie wie erschlagen in das ihr angebotene Bett in der hintersten Ecke des Krankenzimmers und fiel in einen tiefen, seelig erschöpften Schlaf.
Doch Stunden später erwachte sie von einem fürchterlichen Schnarchen der durch das kleine Zimmer hallte. Panisch lugte sie unter der Decke hervor und sah im ersten Bett einen Menschen liegen. Blessuren und blauen Flecken überdeckten Gesicht und die Körperteile, die nicht von der lose über ihn geworfenen Decke bedeckt wurden. Bei den Göttern, den hatte es fürwahr übelst erwischt. Es roch nach Schweiss und anderen unschönen Ausdünstungen und Erin griff hastig nach ihren Stiefeln und tappste auf Zehenspitzen hin zur Türe, nur nicht den Halbtoten weckend, und huschte treppab hinaus aus dem verlassenen Heilerhaus. Sicher würde die Medica bald nach dem Kerl dort oben schauen, doch Erin nahm Reissaus, im selben Zimmer schlafen mit dem da, das konnte sie nicht.
Es führte sie ins Armenviertel, hin zum großen Feuer, das Gesicht in den Händen vergrabend sehnte sie sich zurück zu den Jungs, hier war alles so fremd, so unsicher. Und während sie sich bedauerte, grüßte sie ein nach Fisch riechender junger Kerl mit Strohhut, kam mit ihr ins Gespräch und lud sie zu sich und Bratfisch ein. Erin hatte keine Wahl, der Junge sah nicht nach einem Frauenschlitzer aus, eher wie einer von Flint's Jungs, sodass sie mitstiefelte, ein Lager aus frisch geschnittenem Weizen angeboten erhielt, Fisch aß und auch bald wieder einschlief. Still wars in der fischmuffigen Hütte, von ein paar draussen umherschleichenden besoffenen Kerlen sie jeden anfielen, abgesehen. Aber alles war besser als der stinkende halbtot geprügelte Kerl im Heilerhaus.
Ein Lichtstrahl kitzelte ihre Nasenspitze als sie auf ihrem Weizenbett erwachte, der junge Fischer war verschwunden, doch vor ihrem Bettchen hatte jemand ein Frühstück gerichtet, frisch gefangener Fisch und ne saftige Karotte... Erin reckte und streckte sich, ausgeruht dem Morgen entgegenblickend.
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#12
Mit Yero war's ein bisschen wie mit den Jungs aus Rabenstein, ja sogar ein wenig wie mit Flint. Der junge Fischer zog um und nahm sie einfach mit ohne erst lange zu fragen. So war's oft unter Ihresgleichen, entweder es passte, oder es passte nicht. Erin war sich sicher, dass es auch diesmal wieder die Götter waren, die ihre Schritte lenkten und nahm das ihr vor die Füße fallende an, ohne lange darüber nachzusinnen. Sie aß seinen Fisch und teilte dafür ihre karge Beute an Beeren und Portwein, sie durchstreiften Löwenstein bei Nacht, lachten und glucksten und saßen am alten Pier, redeten und genossen die leise Nacht die alles in ein dunkles Schimmern färbte.
Natürlich ging es an einem Punkt schief, sie ließ ihn zurück und rannte fort.
Sie lief kopflos durch das Armenviertel, einigen Trunkenbolden ausweichend, lief um ihre innere Aufruhr abklingen zu lassen. Erst in den frühen Morgenstunden traute sie sich zurück in die neue Hütte, stieg barfuß treppauf und legte sich auf ihr Lager. Das Hüttchen war leer, kein weiteres Atmen zu hören und Erin starrte gegen die Zimmerdecke, sich fragend, was da vorhin am Pier geschehen war.
Die Ravinsthaler Tore würden noch lange nicht öffnen, sie war gefangen und in dieser Nacht schien es ihr deutlich bewusst zu werden, wie sehr sie die Jungs und die Dazugehörigkeit brauchte. Sie drehte sich hin zu Yero's Lager und schob den Arm angewinkelt unters Kissen und musste sich plötzlich eingestehen, wie gern sie den zahnlückigen Fischer hatte. Sie hoffte nur, dass er nie reich und muffig werden würde wie die anderen Bürger, und sie hoffte, dass ihre Zeit nicht zu rasch enden möge.
Bald schon war Erin über diesen Gedanken eingeschlafen, sie träumte von bunten Fischen und Wellen, schimmernden Sternen und von einem Kuss.
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#13
Die Götter wurden nicht müde, ihr neue Zeichen zu senden. Der Spur eines Hirsches folgend, hatte es sie in den Südwald geführt, inmitten eines Tumults, dem der dortige Baron vorstand, nicht müde werdend, ihr deutlich zu machen, wie gefährlich und tödlich gar das Betreten dieses Areals doch sei. Auf ihre Frage hin, wer denn der Feind wäre, nannte man schliesslich ravinathaler Freischerler.. das waren Ravinsthaler! Landsleute! Schliesslich den Klauen des gänzlich in dicke, unbewegliche Platten gepackten Barons entkommend, eilte sie der Wildspur nach, beinahe jede Hoffnung auf den guten Braten verlierend, ihre Spur verlor sich im zunehmend dunkler werdenen Waldweg.
Dann plötzlich, wie aus dem Nichts, vernahm sie eine wütende Frauenstimme und sah auch schon eine dunkelgekleidete Rothaarige oben auf der Tenneder Mühle stehen, offenbar in Rage, die dazugehörige Leiter unten im Gras liegend anfluchend.
"Guten Abend Müllerin!, rief Erin hinauf und zurück schallte es:" Ich bin keine Müllerin", brüllte die Frau völlig unangemessen laut und beruhigte sich erst, als Erin die Leiter zurückgestellt und der Dame den Abstieg zu ermöglicht hatte.
Schliesslich entpuppte sich die Frau als Druidenschülerin des Rabenkreises, dunkle Rabenfedern schimmerten kunstvoll in ihrem langen, roten Zopf geflochten. Erin zögerte nicht und bat sie um Hilfe, berichtete von Anna und ihrer verzweifelten Suche.
Gwendolyn, so der Name der angehenden Druidin führte sie umgehend an einen heiligen und düsteren Ort nahe der alten Bärenhöhle und während sie im Gras vor der Statue saßen, gab sie Anweisungen, die Erin sich fest einzuprägen versuchte.
Es galt ihren Schicksalsgöttern und zusätzlich in Ermangelung von Anna's Göttern, jeweils einem Gott des Faun, Flor-und Fingreiches zu opfern, und diese zu vergraben, und das mit ihren bloßen Händen, keine Anstrengung scheuend. Zusätzlich solle Anna auch etwa von sich selbst opfern, Haare oder Blut, wobei Letzteres noch eindrucksvoller wäre. Zu guter letzt solle sie dort schlafen, denn Göttern nah.
Erin erschauderte nur bei dem Gedanken hier eine Nacht allein zubringen zu müssen, angstvoll fragte sie, ob sie jemand begleiten dürfe und dachte sogleich an Yero. "Nur, wenn diese Person stark im Glauben ist!" so Gwendolyn und hielt ihre Hand über Erin's Schopf, sie segnend und war daraufhin wie vom Dunkel des Waldes verschluckt.
Erin verweilte noch solange es ihre Angst zuließ, dieser Ort war anders als die gewohnten Steinkreise und Menhire, hier schien die Kälte und der Tod so nah, so durchdringend, dass ihr das Blut gefror. War diese Stätte Morrigù gewidmet? Zaghaft erhob sie sich und suchte den Weg zurück, sich verirrend, im Kreise laufend. Tränen stiegen in ihr hoch, wütend und ohnmächtig all dies durchstehen zu müssen, sie, die alles andere als eine Heldin war.
Abermals wünschte sie sich zurück zu Flint, in seine sicheren Wände, seine Arme...doch da drängte sich Yero in das Bild, der junge Fischer, der teils so einfältig schien, doch ein riesiges Herz für sie hatte. Erin dachte an ihn und beruhigte sich, ihre Panik nahm ab und fand schliesslich einen Weg, der sie aus dem Dickicht lenkte.
Sie musste Yero finden und ihn beknien, die Nacht mit ihr hier im Südwald zu wachen, dort ihrem Opfern beiwohnen, sie brauchte ihn, allein brachte sie es nicht über sich dort länger zu verweilen!
Doch blieb der junge Fischer unauffindbar, noch lange rannte Erin durch die dunklen Gassen und fragte mal hier, mal dort nach ihm.. das Opfer musste warten, vielleicht Morgen..ja, vielleicht! Die Götter würden ihr helfen ihre Anna zu finden, tot oder lebendig.
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#14
Erin erwachte viel zu spät, die Sonne stand bereits hoch am Himmel, immer noch schlaftrunken, stolperte sie aus dem Bett. Heute war der Tag- die Vorstellung im Heilerhaus, das Studium zum Wundarzt, bei den Göttern! Erin war plötzlich immerhalb von wenigen Lidschlägen hellwach und hastete zu ihren Kleidern und landete der Länge nach auf dem Imdharimer! Überrascht aufjuchzend betrachtete sie das Hindernis, welches sich um ihre Füße geschlungen hatte, ein grauer Wappenrock den die Söldnerwölfe zu tragen pflegen. Rasch entknotete sie den Fetzen und bestaunte ihn neugierig. Was hatte denn der Fischer mit den Söldnern zu tun? Unruhig rappelte sie sich auf, huschte treppab ins untere Stockwerk wo ihr der Geruch von zu lange gelagertem Fisch in die Nase stieg. Sie riss die Tür auf und atmete erst einmal tief durch, lenkte ihren Blick zur Sonne und musste sich eingestehen, dass es weit nach Mittag war. Flink zog sie ein Baumwolltuch vom Haken und machte sich auf zum Hafenbecken, heute war Badetag, keiner sollte sagen können, dass ravinathaler Frauen unfein rochen!
Das Opfer am Schrein von Morrigù fiel ihr wieder ein, Yero! Sie würde ihn noch schlafen lassen, später dann ins Heilerhaus gehen und danach versuchen, ihn zu überreden mit ihr zu gehen....allein traute sie sich selbst bei Tageslicht nicht. Fing, Faun und Florgötter..aye...über die musste sie nachdenken...so viel für einen Morgen!
Bald schon atmete sie die frische Brise des Wassers, eilte barfuß hinab zur Sandbank, zog sich die Kleider vom Leib und tauchte ins noch recht kühle Hafenwasser und alle Hektik fiel von ihr ab.
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#15
Es war verzwickt, wie schnell sich die Zeitenuhr in Löwenstein drehte. Ein Tag überrannte den nächsten, so viele Ereignisse und Einsichten ließen Erin kaum einen Gedanken in Ruhe zuende denken, sodass sie sich in das schäbige Hüttchen zurückzog und dort erst einmal durchzuatmen suchte.
Hier war es friedlich, das leise Atmen des schlafenden Schmutzfinks auf dem Bett schien zur Zeit das einzige Geräusch zu sein welches ihre Gedanken erreichte, die Trunkenbolde des Viertels lagen noch in ihrem Erbrochenen und würden sich noch lange nicht rühren.
Erin hatte es sich neben Yero gemütlich gemacht, gesprochen hatte sie ihn schon seit Tagen nicht mehr, es schien, als würden sie zweierlei Leben leben und beide nur dieselbe Hütte bewohnen. Doch es war ihr recht, so viel Neues drängte sich in ihr Leben. Die Götter hatten ihren Weg bereitet und den nicht zu gehen, wäre mehr als einfältig.
Von einer Begeisterung getrieben, die ihr zuvor fremd war, dachte sie nahezu pausenlos an den Abend, an dem ihr die Medica Kerlow die Vorgänge zu Zeiten der Keuche erzählt, und lebensgetreu nähergebracht hatte. Die kalten Wände der Gefängnisinsel schienen all diese Erlebnisse in sich aufgesogen zu haben und gab man sich Mühe, offenbarten sie immer noch den süßlichen Geruch der Verwesung. Erin gestattete den Gerüchen und Bildern in ihr zu erwachen. Sie hörte das Klagen der Totgeweihten, roch die Fäkalien, den Eiter und spürte das unermüdliche Streben der Heiler. Medica Kerlow hatte damals mit Wundarzt Weckberger gemeinsam nach einem Gegenmittel gesucht und schliesslich auch gefunden. Von jenem Tage an, wurde dieser Seuche der Schrecken genommen. Erin fühlte Bewunderung für die Medica. Wenn es ihr bestimmt war, von dieser berühmten Frau zu lernen, dann würde sie alles dransetzen, soviel von diesem Wissen mitzunehmen, zum Heil der Jungs und zum Heil Flint's in Rabenstein. Nie mehr würden sich Eiterbeulen so sehr entzünden, dass der Tod zu fürchten war, nie mehr würde das Fieber sie verbrennen. Vielleicht würden ihre Fähigkeiten über die Hütten des Viertels hinausgehen, vielleicht würde man sie mit Nahrungsmitteln bezahlen, sodass sie dem Diebeshandwerk entsagen konnten? Was, wenn sie Flint mit verdienten Münzen eine neue Hand kaufen könnte, ihm seine Freude zurückgeben könnte... was, wenn... Erin's Tagträume wurden von einem leisen Schnarcher des jungen Fischers unterbrochen, Erin schaute ihn an und musste lächeln. Er war vorerst das, was die Jungs für sie waren, egal ob er da war oder nicht. Diese schäbige Hütte ein Rückzugsort. Eine Weile noch betrachtete sie das schmutzige Gesicht des Jungen und schlief über dieser Tätigkeit ein, sich warm unter die Decke schmiegend.
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#16
Bis es dann doch nicht mehr genug war. Erin's Tage begannen sich zu gleichen, wie ein Ei dem anderen, das Hoffen auf weitere Unterrichtsstunden, das Durchstreifen der Gassen Löwensteins, stets mit der unterdrückten Hoffnung zumindest abends in trauter Zweisamkeit über alles reden zu dürfen. Ihr Herz tat tatsächlich einen Sprung, als sie den jungen Fischer auf der Bettkante sitzen sah. Während er sich die Stiefel abstrampelte lächelte er ihr entgegen, so als hätte es nie einen Grund für Kummer oder Ärger gegeben. Es schien ihn nicht weiter zu belasten, dass nahezu zwei Wochenläufe vergangen waren, ohne dass sie einander gesprochen, geschweige denn berührt hätten. Servano schien so anders und fremd. In Ravinsthal würde kein frisch verliebter Mann sein Mädel allzulange allein lassen, allein schon aus Angst heraus, dass sie der nächstbeste stehlen und betören könnte.
Yero sprach von Hochzeit, von Druiden, von Wahrsagern die ihm rieten ihr Monatsblut zu vergraben, von Münzen die es zu beschaffen galt, von einem neuen Heim, sogar von Kindern! Doch wieso bei den Göttern, schien sie sich nicht wahrgenommen zu fühlen? "Ich bin der Mann, und sorge dafür, dass du ein Dach überm Kopf hast. Na.. das ist doch so.. Vater hatte auch nie Zeit für Mutter, der war im Wachmann.. sie auf dem Markt, er ..wieder im Wachmann, sie zuhause bei uns..!"
Erin fühlte nur noch den Drang zu laufen, fort von allem hier, fort von dem einfältigen Fischer, der nichts zu begreifen schien. "Du hast nichts begriffen, Yero!" " Wenns ich das hät.. dann würdest du jetzt wohl nicht gehen.., " waren seine traurigen Worte und es versetzte Erin einen Stich mitten ins Herz, zu sehr hatte sie sich bereits an Yero gebunden.
Er hatte ihr von einem Treffen im Rabenkreis berichtet, von der Möglichkeit einem Ritter den Wunsch zur Rückkehr nach Ravinsthal zu übermitteln, Yero war dort gewesen.... nur sie nicht! Sie küsste den Fischer ein letztes Mal und lief fort, wanderte gedankenverloren durch das abendliche Löwenstein, sehnte sich nach den Jungs, nach dem Vertrauten. Die Worte des jungen Fischers klangen in ihren Ohren:" Aber Erin.. du wirst niemanden finden der is wie Flint... ich glaubs du... liebst ihn sehr und wenn dat Herz in dir ihn will, dann hab ichs da kein Platz.."
Beinahe schon wütend sich an seine Worte zu erinnern, stieß sie mit der Stiefelspitze gegen einen Stein, der klirrend durch die stille Gasse kullerte. "Flint, verdammt, wieso hast du mich fortgeschickt?" und mit einem Male fühlte sie alles Leid der verdammten Welt auf sich lasten, bar jeder Hoffnung und Sonne. Voll Selbstmitleid vermochte sie noch nicht einmal der Medica unter die Augen zu treten, stieg den alten Heuschober hinauf und legte sich in das muffige Heu, das Gesicht in der Armbeuge vergrabend leise in sich murmelnd: " Reiß dich zusammen Mädel, spiel nicht die Mimose, die Götter führten dich hierher, denke an Anna, finde sie verflucht....und reiss dich zusammen, denk an die Medica, studiere und kehre dann zurück." Doch in ihren Traum nahm sie Yero's Umarmung mit, seinen Blick und sein Lächeln.
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#17
Erin hatte sich die letzten vier Wochenläufe mehr oder weniger in den Büchern der Medica vergraben, ihre Sehnsucht nach Yero gegen den Ehrgeiz des Heilerstudiums getauscht und letztendlich den jungen Fischer aus ihrem Herzen vertreiben wollen. Dieses war ihr leider nur mäßig gelungen, verlangte es sie doch weiterhin nach seiner Gegenwart. Sie vermochte noch nicht einmal zu sagen, was tatsächlich das Anziehenste an ihm war, sein Verstand war es sicherlich nicht, denn dieser beschränkte sich lediglich darauf durch den Verkauf von Fisch reich zu werden. Auch hatte er sich einer rauhbeinigen Meute von Söldnern angeschlossen und verbrachte einen Großteil seiner Zeit damit, deren hungrige Mäuler mit Essbarem zu stopfen, was zwar Schillinge einzubringen schien, ihn aber mehr und mehr von ihr fernhielt. Letztlich konnte sie sich nur noch wage an ihr letztes Beisammensein erinnern, so lang lag dies bereits zurück. Als die Medica nach ihnen beiden fragte, log Erin und erzählte von lieblichen Küssen und einem harmonischen Miteinander. Innerlich jedoch weinte sie, schien es ihr doch zunehmend, dass ihr Yero mehr und mehr das Interesse an ihr verloren hatte. War's vielleicht sogar ein Söldnerweib welches sein Herz gestohlen und ihn ihr fortgenommen hatte.
Die Medica hatte Erin ernst zur Seite genommen, ihr eine Warnung ohne weitere Erklärung zukommen lassen, am Tag der Mitte das Heilerhaus unter keinen Umständen zu verlassen, zur Not sich in die Vogtei zu retten und Yero mitzunehmen. Es lag eindeutig Gefahr in der Luft, Worte vom Krieg, von Angriffen seitens Ravinsthal machten in Löwenstein ihre Runde...Erin lief ins Armenviertel und hinterließ Yero eine gemalte Botschaft, auf dass er doch am dritten Tag der Woche mit ihr kommen solle, und plazierte die Nachricht wohl sichtbar in seiner Kammer.
Doch sah und hörte sie nichts von ihrem Fischer, weder Nachricht noch Bote, gescheige denn er selbst ließen sich blicken.
Erin's Herz war schwer, sie fühlte, dass er in Gefahr geraten könnte, sollte sie ihn suchen, ihn retten, beschützen, ihn ins Heilerhaus einschliessen, wo er dann endlich mit ihr sein könnte? Doch je mehr Erin darüber nachdachte, umso einfältiger kam sie sich vor. Yero schien ihre Liebe nicht zu brauchen, zog ihr Fische und mordende Söldner vor, dann sollte es so sein.
Erin schloß die Türe zum Gewölbekeller des Heilerhauses, und ließ das Klacken des schweren Eisenschlosses in ihrem Bewusstsein widerhallen. Sie hatte ein Ziel, es lag nun umso deutlicher vor ihr. Heilung um jeden Preis, Heilung übelster Wunden, Heilung von Pestilenz, Heilung von Lungenpest und Fieber, und als letztes Heilung der so gefürchteten Seitenkrankheit. Es brannte in ihr und ließ sie nicht ruhen, es gab ihr Sinn und ließ sie ungebrochen jeden Morgen erneut angehn. Sie würde als Wundheilerin in Rabenstein gebraucht werden, und dafür wollte sie ihr Bestes geben... einem Stoßgebet gleich dankte sie der Medica Kerlow im Stillen und schlug das alte dicke Buch der Wundheilkunde auf... schwarze und gelbe Galle, Blut, Schleim..die vier Säfte die alles bedeuteten, die den Menschen am Leben hielten, doch wehe dem, der aus dem Gleichgewicht geriet!
Noch bis spät in die Nacht hinein sah man den Kerzenschein unter der dicken Eichentüre hindurch schimmern, während andernorts die Menschen den Schlaf der Gerechten schliefen.
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#18
Der Gestank des alten Söldners warf sie nahezu um. Er lag in nassen, gelben Laken, Urin hatte auch seine lederne Hose durchweicht, Blut und Schweiss mischte sich mit dem Geruch von Schnaps. Im Nebenbett lag noch einer, ein wenig jünger wie es schien, der Patientenliste nach war dies Einar und der Ältere Marquard von den Grauwölfen. Erin war unverhofft in dieses Spektakel hineingeraten, just zurück aus dem Heilergewölbe, fort von ihren Studien in dieses gnadenlose Wirrwarr hinein. Sie wusste nicht recht wo sie beginnen sollte, riss vorerst die Fenster weit auf, was jedoch keine Abhilfe schuf, die erste Sommerhitze hatte sich über Löwenstein gelegt und wabernde Hitze zog in jede Pore des sonst so kühlen Heilerhauses. So beschloss sie zuerst die Söldner von ihrem Schmutz zu befreien, stieg treppab und eilte über den Marktplatz hin zum Brunnen um kurz danach mit einem Eimer voll kühlem Wasser zurückzukehren. Der Alte musste zuerst dran glauben, einen Lappen eintauchend begann sie sein Gesicht zu waschen, aus seinem Bart krabbelte etwas Vielbeiniges, Erin zuckte zurück, doch schon war das Insekt unter seinen Wams gekrochen.. mit jeder weiteren Waschung krümelten Essensreste aus dem Bart des Alten, Erin musste sich überwinden, nicht alles stehen und liegen zu lassen um in ihren Büchern Trost und Zuflucht zu finden. Heilen, bedeutete auch die Umstände zu richten, und in diesem Fall bedeutete es die Söldner von Insekten, Exkrementen und Dreck zu befreien. Sich weiterhin der Hygiene hingebend öffnete sich die Türe und eine junge Frau rief Hilfe herbei, ein Priester, verletzt auf seinem Pferd sitzend, musste ins Heilerhaus geschafft und versorgt werden. Den Söldner sich selbst überlassend hastete Erin der Frau hinterher treppab, um wenige Augenblicke einen hageren Priester in roter Kutte hinauf ins Krankenzimmer zu begleiten. Zu ihrer Erleichterung roch dieser im Vergleich zu den Söldnern nahezu gut und es tat ihr in der Seele weh, ihn in das Zimmer der Barbaren verfrachten zu müssen.
Sich zerreissend zwischen zwei nun gröhlenden, wach werdenden Grauwölfen und dem frisch Verletzten, sprang sie von einem Bett zum anderen, der jungen Frau auftragend, den Priester aus seiner Kleidung zu schälen.
Just hatte sie dem Alten den Rücken zugedreht, da nutzte dieser den Eimer mit frischem Wasser, um sein Geschäft darin zu erledigen! Erin wurde flau im Magen, und atmete erleichtert auf, als endlich auch die Medica das Krankenzimmer betrat, die Rettung in der Not!
Heilen bedeutete nicht nur Verbände wickeln und Tinkuren verordnen, das wurde Erin abermals bewusst und sie gedachte ihres Freundes Flint und der Zeit als sie ihn Tag und Nacht versorgte.
Es wird noch ein wenig dauern Flint, doch dann, wenn ich zurückkehre, wirst du stolz auf mich sein!
Und sich von ihren Gedanken losreissend, stand sie der Medica bei, lernte und tat es mit Freude.
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#19
Die Bücher ließen die Zeit wie im Fluge vergehen, die Kühle der Gewölbe unterhalb des Heilerhauses boten ihr den Rückzugsort, den sie brauchte.
Es war still geworden in Löwenstein, der Sommer schien viele vor die Tore der Stadt zu ziehen, hin an die Flüsse und das Meer.
Die Medica selbst schien bis über beide Ohren beschäftigt in ihrem neuen, wichtigen Amt. Erin klappte das dicke Buch zu und ließ ihren Blick den kleinen tanzenden Staubpartikelchen folgen, die sich vom abendlichen Licht gen Kellerfenster erhoben. Es wurde Zeit sich umzusehen, heute würde sie Yero besuchen gehen, es war zu lange schon, dass sie einander nicht mehr gesehen, geschweige denn gesprochen hatten. Sie vermisste ihn und ihr Kätzchen aus Ton.
Die helle Heilerkleidung tauschend, stieg Erin auch schon treppauf und kurze Momente später sah man sie fassungslos vor der Hütte stehen, die Yero und sie bewohnt hatten. Das Schild trug nicht mehr ihre Namen, ihr Schlüssel griff nicht mehr.
Erin spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte.
Sie drehte sich und eilte aus dem Armenviertel heraus, Schritt um Schritt, nicht wissend, wohin es sie führte und kam erst in der Bogengasse zu stehen, um Luft ringend sich an eine kühle Mauer drängend.
Ihre Gedanken waberten wie die stickige löwensteiner Luft, Heimweh traf sie heute ärger denn je, Rabenstein, Flint, die Jungs, wie es ihnen wohl ginge? Erin hatte von der Grenzöffnung vernommen, nur schwer konnte sie sich zum Bleiben überwinden.Doch in Löwenstein war das Heilerhaus, die Medica. Es gab noch viel zu lernen, so viel. Flint musste warten, nur noch ein wenig..
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#20
Erin saß am Hafen, so wie sie es jeden Morgen so gerne tat, knabberte an einem belegten Brot und sah den Möwen beim Fliegen zu, ja warf gar mal den einen oder anderen Bissen hoch in die Luft, die kreischenden Vögel fröhlich fütternd. Ihre Gedanken flogen wie die Vögel, mal auf, mal ab in wilden Pirouetten, was war nicht alles geschehen in den letzten Tagen! Sie hatte IHN gefunden, war mehr oder weniger in ihn hineingelaufen, als ihre Waden nach dem langen Fußmarsch von Ravinsthal so schmerzten und sie sich eine Weile auf den Bänken der Altstadttaverne ausruhen musste,und seit dem Abend, konnten sie nicht voneinander lassen. Sie teilten Stunden an Gesprächen, stellten immer mehr fest, dass sie ähnlich dachte, gar ähnlich fühlten. Firu, begleitete sie nach Ravinsthal, er hatte ernsthaft vor, ihr bei der Suche nach Flint zu helfen, was sich vorerst als nahezu aussichtsloses Unternehmen erwies. Auf leisen Sohlen schlichen sie in Richtung der Hütten, die noch vor einem halben Jahreslauf Heimat aller Armen Rabensteins war. Sie alle waren auf unerklärliche Weise verschwunden, Piraten hatten stattdessen Einzug gehalten, einige der Hütten niedergebrannt. Doch keiner der Dorfbewohner vermochte zu sagen, was dort unten am Strand geschehen war. Die Bäuerin Magdalena vermutete gar, dass sie zu den Briganten übergelaufen sein könnten, nie im Leben! Flint war zwar ein Dieb, aber kein Mörder. Seine Waffe waren seine flinken langen Beine mit denen er schneller Reißaus nehmen konnte, als ein anderer den Mund zu einem Ausruf öffnen konnte. Das passte nicht. Auch Firu schien nachdenklich zu sein, sie übernachteten an einem Feuer nahe des Strandes. Würde sie Flint finden, und wenn ja, was dann? Etwas war geschehen mit ihr, natürlich hatte sie ihn gern, vertraute ihm, sorgte sich um ihn, ganz sicher, doch so wie Gertchen bereits betont hatte, sollte sie sich ihrer Gefühle bewusst werden. Ihr Blick wanderte im Licht des Lagerfeuers immer wieder hinüber zu Firu, und in ihrem Bauch schien ein Tumult aus Geflatter und Gesumme tausender kleiner, leuchtender Nachtfalter vorzuherrschen. Was geschah denn da mit ihr? Firu indess saß nur still da und begegnete ihrem Blick, wusste was mit ihnen geschah und lächelte.
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