Das Lied der Klinge
#11
Wir trinken Schmerz und Seligkeit
Aus einem Erzpokale,
Wir tragen Stolz auf unser Leid
Und leeren die ganze Schale.
Der Sieg ist Pflicht. Sonst schert uns nichts,
Der Krieg weiß nichts vom Sterben,
Wir wissen uns Hüter und Kämpfer des Lichts
Und kennen unsere Erben.


- Walter Flex, 1914

~*~

Mit ausdrucksloser Nachdenklichkeit auf der blassen Miene betrachtete Kyron die vulkansteinartigen, kugeligen Felsen, die im Gezeitenbereich des Kiesstrandes ruhten. Sowohl küstenaufwärts als auch küstenabwärts erstreckte sich der breite, helle und leere Strand über Werst hinweg zwischen den kalkigen, grasbedeckten Klippen und dem sprudelnden Meer. Nichts wies darauf hin, woher die seltsamen, porösen Felsen gekommen sein mochten.
"Die haben die Wasserschrate gerollt," erklärte ihm der Fischermann, den er mit einigen hübschen Amhraner Münzen dazu überreden hatte können, ihn nach Svesur über zu stellen, und bis zur ersten Siedlung zu begleiten. "Die fasst ihr besser nicht an, darin brüten ihre Jungen."
Für einige Momente noch betrachtete Kyron die seltsamen, schäfchenhaften Gruppierungen, dann wandte er sich mit einem Nicken ab, und folgte dem graumelierten, lederhäutigen Mann gen' Landesinneres. Die scharfe, frostige Seeluft zerrte hart an seiner mitgenommenen Kleidung, und die feinen Salzkörner in den Windströmen bissen schmerzhaft in seine Haut, aber weder die Kälte, noch der Zwang gegen den Sturm zu schreien, noch das Salz konnten die euphorisierende Wirkung des Anblicks von freier, rauher See abdämpfen.
Das erste Mal seit Kyron das Handelsschiff nach Galatia betreten hatte, konnte er tief durchatmen und lächeln. Es war ein fahles, abschätziges Lächeln, das wohl, aber die fürchterliche, lähmende Seekrankheit losgeworden zu sein war zumindest den Ansatz eines glücklichen Ausdrucks wert.
"Wie weit ist es bis zur nächsten Siedlung, Liam?" fragte er, während beide Männer sich durch den nachgiebigen, knarzenden Untergrund kämpften, begleitet vom stetig fauligen Geruch des Verfalls. Theoretisch stand die Sonne hoch am Himmel, aber die grünen Inseln schienen sich zu jeder Tages- und Nachtzeit beschämt in Wolken zu verstecken, die ganze Küstenstriche in suppendicken Nebel hüllten. Außer natürlich es regnete, aber selbst der Regen schien hier von überaus missmutigem Temperament zu sein.
"Meh," machte der Alte, ein Laut den Kyron bereits ob seiner schieren Vielfalt an Bedeutungen zu schätzen gelernt hatte, "vielleicht zwei, drei Stunden? Es gibt zwar ein Fischerdorf nicht weit von hier, aber das sind MacNáimhs, die haben einen Blutzwist mit den Leuten die ihr sucht."
Kyron nickte vor sich hin. Er hatte natürlich keine Ahnung, was nun ein Blutzwist genau bedeuten sollte, aber das Wort alleine suggerierte, dass es eine tiefere Beschäftigung nicht wert war. Krieg und Zwist waren Dinge, die er gut verstand, und die schiere Ahnung davon, dass er Shem - nein, wie hatte Cahira gesagt, Séan - dort nicht finden würde, war ihm genug der Auskunft.
Trotz des mühevollen Untergrunds legten beide Männer einen flotten Gang ein, während sie auf eine keilartige Ausbuchtung in den Klippen zuhielten. Die steilen Felswände waren bedeckt von Schwärmen von kreischenden, zankenden Vögeln, manche davon mit Schnäbeln ausgestattet, die groß genug wirkten um ein kleines Kind zu schlucken, und je näher sie kamen, umso höher schienen sie aufzuragen. Als sie schließlich endlich das geöffnete Maul der Klippen durchquerten - ein gigantischer Riss, der die Kalkwände wie mit der Axt entzwei schlug -, verschlangen die grasbepelzten Gipfel der Seitenwände die Sonne, und hinterließen nichts als erstaunlich kühles, überaus zugiges Zwielicht, durch das Krabben und seltsame, schlangenartige Wesen krochen, um ihren Stiefeln zu entkommen.
Der Boden indes wurde fester, feinsandiger, und erlaubte es endlich, einen ordentlichen Marsch vorzulegen.
Es war nicht einfach gewesen, nach Svesur zu kommen. Irgendein Feiertag oder Streit oder Treffen schien im Hafen von Suelta vorzugehen, und was immer es war hatte die Dockgebühren auf eine Weise in die Höhe getrieben, die selbst gestandene Galatier auflachen ließ. Kein einziger der üblichen Fährmänner war bereit gewesen, Kyron für eine humane Summe von Kornur aus dorthin zu bringen. Anlegen außerhalb des Hafens war verboten, wie er nach einigem Herumfragen ebenfalls herausfinden musste... Was jedoch nicht verboten war, war das Abfangen eines Svesurer Fischermanns, der zurück in die Heimat segeln wollte. So hatte Kyron auch Liam ausfindig gemacht, und mit ein paar Krügen Ale in der Hafenkneipe für seine Sache erweicht.
Liam war ein guter Mann, wenn auch ein wenig schrullig. Den steinigen Strand mochte sonst kaum ein junger Seefahrer ansteuern, hieß es doch dass Ebbe und Flut sich dort gar zu häufig gegen den Willen der Götter stellten, und zänkisch zur selben Tageszeit mal hoch und mal tief standen, doch Liam zählte nicht zu ihnen. Knapp eine Seemeile vor dem Strand hatte er sich an den Bug seines kleinen Fischerboots gelegt, bis seine Nasenspitze fast das Wasser berührt hatte, und war eine Stunde so verharrt, die Augen tief unter die spiegelnde Oberfläche richtend. Er müsse den Fischen zuhören, hatte er erklärt, denn diese wüssten, wie die Laune von Mutter Meer heute denn sei, und könnten ihm sagen wann die Zeit für ein Aufstranden die richtige sei.
Kyron indes hatte zu dieser Information nur genickt, und keine Worte darüber verloren. Mochte Liam mit den Seeteufeln selbst eine Lagebesprechung halten, sofern es half war Kyron der Letzte, der sich darüber mokieren mochte.

Der Pfad stieg steil und steiler an, vereinfacht nur durch die Äonen alten Felsblöcke, die sich mit Sand, Erde und Schwemmholz überdeckt hatten, und nun etwas wie überaus grob behauene, ungerade Treppenstufen bildeten. Als sie jedoch endlich den Kopf über die Kante der Klippen recken konnten, und Kyron die wogenden Wipfel eines fernen Waldes und die davor sanft auf und ab schwingenden Hügel von Weideland sehen konnte, da verstand er endlich was Shem, Séan hierher gezogen hatte. Verregnet mochten die tristen Inseln vielleicht sein, aber dafür umso atemberaubender.
Liam sah zu Kyron zurück, musterte dessen Miene mit etwas wie patriotischer Zufriedenheit in der Miene, und sprach eine seiner typischen rhetorischen Fragen: "Hübsch, nich'? Ist eine feine Dame, Mütterchen Svesur."
Kyron nickte und schmunzelte auf. "Das ist sie, wohl wahr."
Dann jedoch fing etwas seine Aufmerksamkeit, und er runzelte die Stirn. Der Wind mochte es zwar schwerer als gewohnt machen, manche Zeichen am Horizont zu erkennen, aber in diesem Falle war er sich doch sehr sicher. Mit einem gehobenen Arm wies er gen' des linken Ausläufers des weit entfernten Waldes, auf eine Stelle wo ein dutzend dickwolliger Schafe in eifriger Panik davon stoben, während ein dünner, vom Wind verrissener Rauchfaden aus einer Mulde zwischen zwei Hügeln aufstieg.
"Liam, ist dort das Dorf? Sieht mir nach einem ziemlich großen Feuer aus." sagte er, und warf einen Blick zu seinem Begleiter.
Liam war kalkblass, die Augen auf die punkthaften Schafe und den Rauch fixiert. "Nein... dort ist das Heiligtum Fauns, dort sollte gar kein großes Feuer sein."

Der Alte tat zwei erschütterte Schritte vorwärts, und sein Atem begann zu rasen. "Das Heiligtum brennt!"
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#12
Solange ich lebe, kämpfe ich.

Das sanfte rascheln von blättern, immer wieder ein sachtes tropfen auf den matschigen Boden, wen ein Tropfen des Regens der gestrigen Nacht , welcher seine Reise zum Erdreich auf den ein oder anderem Blatt pausiert hatte, das singen der Vögel, das knarren des ein oder anderen Astes, und all die anderen Geräusche des Waldes die ein Teil von dem waren das er das Lied der Welt nannte. Er im Gegenzug versuchte sich so geräuschlos wie möglich durch den Wald bewegen. Er war nur leicht bekleidet, hatte alles hinter sich gelassen was Heute hinderlich gewesen wäre, an dem Tag seiner aller ersten Jagd. Seit einem viertel Stundenlauf war er nun der Spur eines Rehs gefolgt. Immer wieder fand er spuren im Schlamm, den einen umgeknickten Ast oder niedergetrampelten Strauch, und er wusste das er sein Ziel bald eingeholt haben würde. Innerlich trieb er sich dazu nicht unachtsam zu werden, auf das Ziel fixiert zu bleiben. Ruhiger Atem, und Konzentration. Keine Ungeduld, keine hast. Und tatsächlich war es ihm gelungen das Tier nach weiteren zehn Minuten auf zu spüren. Die Gerüche das Waldes so kurz nach einem Regenfall, die Geräuschkulisse und seine bedachten Schritte hatten dazu geführt das es noch nicht auf ihm aufmerksam geworden war. Es hatte den Kopf geneigt und war gerade mit dem verzehr von irgendetwas, vielleicht Laub oder ein Strauch beschäftigt. Langsam griff er zu seinem Bogen, und wickelte ihn aus dem Tuch , immer wieder einmal nach dem Tier stierend ob es seiner Anwesenheit vielleicht bereits gewahr worden war, doch noch hatte er sich nicht verraten. Er griff zu seinem Köcher und zog fast im Zeitlupentempo einen Pfeil heraus, und legte ihn neben den Bogen bereit. Er versuchte konzentriert zu bleiben doch langsam begann Nervosität in ihm auf zu stiegen. Er befestigte die die Sehne, und blickt ein letztes mal zu seinem Ziel. Tief zog er die Luft durch die Nase ein, und stieß sie durch seine nur teils geöffneten Lippen wieder aus. Die Ohren des Tiers zuckten und es hob den Kopf, ungefähr im selben Moment griff er zu seinem Pfeil. Es war eine Frage von Sekunden, das Tier hatte ihn bemerkt, jeden Moment würde es los springen. Er legte den Pfeil an, spannte den Bogen, zielte, das Tier setzte an um seine Flucht zu starten, Schuss.
Während er Richtung seiner Opfers ging, sich immer wieder umsehend, ob er in seiner Konzentration auf sein Zeil nicht etwas anderes übersehen hatte murmelte er leise : “ Tapadh leat, Artio. “ Sein Schuss hatte das Tier zu Fall gebracht, jedoch nicht getötet. Es lag da, sein Atem raste, der Pfeil ragte ihm aus der Seite, die Augen... eine Mischung aus Panik, und Gewissheit des kommenden Todes. Langsam ging er auf die Knie, streichelte sachte mit der Hand die Haut des Tieres nahe der stelle wo er es getroffen hatte, die Hufe des Tieres zuckten noch leicht doch es wusste wohl das jeder Kampf ein verlorener gewesen wäre. Während er mit der einen Hand streichelte griff seine andere zum Messer an seinem Gürtel, das Jagdmesser das angeblich schon sein Vater vor ihm benutzt hatte. Er konnte bei all dem jedoch nicht den blick von dem ihm zugewandten Auge lassen. Dieser Blick. Würde er eines Tages den selben blick in den Augen tragen. „ Gabh mo leisgeul.“ Bat er das Geschöpf leise um Vergebung während er in der nächsten Sekunde ihm den Pfeil aus der Brust zog, und zeitgleich mit der Klinge dem Tier in einer Kräftigen Bewegung über die Kehle fuhr. Warmes Blut floss über seine Hände, rotes warmes Blut, fast so rot wie ihr Haar. Es war nicht ein Reh das hier zu seinen Knien lag, nein, sie war es. Mit unzähligen tiefen Wunden, aus denen etwas Blut rann. Ihre Toten Augen starrten in die leere, doch er hatte das Gefühl sie starrten ihn an. Ihre blutleeren Lippen begannen sich zu bewegen was dem Rest des Reglosen Gesichts einen zusätzlichen grauen verlieh. Mit heißerer Stimme flüsterte sie, doch für ihn war es ein Geräusch das sich tief in seine Knochen bohrte „ Du hast mich sterben lassen.“


Er öffnete seine Augen, und blickte zu Decke, eher er mit seiner Handfläche über sein Gesicht fuhr, um die feuchte Handfläche kurz darauf urverwandt an zu starren, Waren es Schweiß oder Tränen? Er wusste es nicht. In diesem Moment war er sich nicht einmal sicher wo er war. Er schlief in einem Bett. Ein blick zur Seite verriet ihm das neben ihn noch weitere Betten waren. Langsam, arbeitete sich die Erinnerung der letzten Tage wieder in sein Bewusstsein. Er war wieder bei der SSI, er war wieder bei Koridan, und Cahira, und Kyron sobald er wieder da war. Er war wieder in Ahmran. Doch wieso war er wieder hier? Er hatte schon vor ein paar Monaten an der Seite einer Kindheitsfreundin aus Galatia erfahren müssen das Ahmran ihn nicht gut tat, es brachte nur die Erinnerungen wieder. Langsam richtete er sich auf und Stieg aus dem Bett. Nein... das redete er sich ein, die Erinnerungen waren immer da, ob in Ahmran, Prenne oder dem Ende der Welt. Er hatte sich vor gemacht auf Prenne wieder zur Ruhe zu kommen nach allem, was er gesehen hatte, allem was geschehen war. Doch Tatsache war das er niemals zur ruhe kommen würde. Er warf sich einen Überwurf über und Verlies die Baracke , hinaus in die Nacht. Er reckte seinen Kopf gen Sternenhimmel, um ihn herum, ein anderer Aspekt des Lieds. Das zirpen von grillen, gelegentliche rufe der Nachtvögel und einige Blätter die im Wind raschelten. Er war sich nicht sicher aber irgendetwas sagte ihm das es ihm gut tat, wieder bei der SSI zu sein, auch wenn sie auch da war, die SSI ein Teil der Erringung war. Es gab Momente, da war es wieder wie früher, Augenblicke, bis ihm wieder gewahr wurde das sie nicht hier war, und es niemals wieder sein würde. Heute war ein Guter Tag gewesen, mit Alten Freunden, und neuen Bekannten, doch auf jeden Tag folgte die Nacht. Ob er jemals vergessen können würde? Er glaubte nicht, waren es doch immerhin inzwischen drei Jahre, und es war ihr Gesicht das er jedes mal vor sich sah wenn er die Augen schloss. Er öffnete den Mund zu einem Schrei, doch es war kein hallendes Geräusch das seine Kehle verließ, nur ein paar würgende, ächzende Geräusche eines erstickten Schreis.
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#13
Sei dennoch unverzagt, gib dennoch unverloren,
Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid,
Vergnüge dich an dir und acht es für kein Leid,
Hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.

Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren,
Nimm dein Verhängnis an, lass alles unbereut.
Tu, was getan muß sein, eh man dir's gebeut.
Was du noch hoffen kannst, das wird noch stets geboren.

Was klagt, was lobt man doch?
Sein Unglück und sein Glücke
Ist sich ein jeder selbst. Schau alle Sachen an,
Dies alles ist in dir. Laß deinen eitlen Wahn,

Und eh du vorwärts gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
Dem ist die weite Welt und alles untertan.


- Paul Fleming (Flemming) (1609 - 1640)

~*~

Der Weg gen' der windverrissenen Rauchfahne war beschwerlich für den Alten, dessen Brust sich immer noch vor Panik verengte und ihm das Atmen schwer machte. Ohne Liam hätte Kyron wohl in einem kraftsparenden Trott schon weitaus näher kommen können, aber er kannte weder das Land noch die Leute, und hielt es für unsinnig, voran zu stürmen. Er wäre dann zwar früher dort am Feuer, aber er hätte beileibe nicht gewusst, was wohl zu tun sei und ob alles mit rechten Dingen zuging. Also hielt er sich an der Seite des Fischers, nahm ihm sein Reisegepäck ab um ihm zumindest das zusätzliche Gewicht zu lichten, und behielt eine Hand am Griff seines Bastardschwerts, während er die unebene Umgebung im Auge behielt.
Sattgrüne, regengenährte Gräser säumten den Wegesrand zu beiden Seiten, immer wieder durchsetzt mit den weißen Blüten der Schafgarbe, die vor allem an den Gipfeln der Hügel ein gutes Heim fanden, und selbst Mithraskerzen und Gwynnklee sättigten die Weiden mit ihren fröhlichen Farben. Hin und wieder konnte Kyron ein Vogelbeergebüsch ausmachen, das sich in die Mulden abseits des Weges drängte um dem Wind zu entkommen, und der Geruch von Schafs- und Hasenkot rangelte sich eifrig mit dem durchdringenderen Gestank von Füchsen.
Zwei Rebhühner, eines davon mit einem imposanten Schwanzfederkleid, stieben kreischend und aufmerksamkeitsheischend davon, als Liam von dem kalkigen Trampelpfad abwich um einem Wildwechsel zu folgen, den er für zielführender hielt, aber ansonsten war die Stille nur vom Wind und dem ab und an heran getragenen Blöken von Schafen durchbrochen.
Es dauerte eine gute halbe Stunde gesunden Fußmarschs, bis das Paar dem Wald und seinem Schutz vor Wind nahe genug kamen, um auf einen wesentlich breiteren, benutzteren Weg zu stoßen, aber wie alle anderen Straßen war auch dieser weder bepflastert, noch sonst irgendwie markiert. Wenn jemals eine Invasion Galatias stattfand, überlegte Kyron mit einem verhaltenen Schmunzeln, so würden die Soldaten wohl eher an der Schriftlosigkeit und der fühlbaren Wildheit des Landes scheitern, als an der Kampfeskraft der Inselbewohner.
"'s ist nicht mehr weit," keuchte Liam neben ihm. Die Panik des alten Mannes hatte gegen den Marschweg nicht lange anhalten können, und auch wenn immer noch Sorge in tiefen Furchen sein sonnengegerbtes Gesicht durchzog, so schien der erste Schreck nun grimmiger Entschlossenheit Platz zu machen. Mit einem Seitenblick musterte er den Gerüsteten neben sich, die Verbundteile an den Schultern und dem Rumpf, die Bänderbeine und Handschuhe, den gewitterwolkenblauen Wappenrock mit den gekreuzten Klingen, und schniefte. "Ich halt' mein Versprechen auch und bring dich ins nächste Dorf, aber-" begann er seine Entschuldigung, und wurde mit einem kräftigen, einmaligen Kopfschütteln unterbrochen.
"Ein Heiligtum der Götter könnte in Gefahr sein, ich wäre dir vergrämt wenn wir nicht nachsehen was los ist," erwiderte Kyron knapp und in seinem üblichen, schleppenden Tonfall. Insgeheim war er sich unsicher, wie er mit der Situation umgehen sollte. Was war ihm mehr wert, sein Sohn oder die Götter? Es war eine Frage, die er unmöglich beantworten konnte, und über die er auch nicht nachdenken mochte. Soweit er es wusste, war Lionel bei seinem Großvater Shem - Séan - und damit in Sicherheit. Ob Kyron in drei Stunden oder einer Stunde dort ankam, würde keinen Unterschied machen... Ob er den Schrein vorher besuchte und ein potenzielles Buschfeuer löschte, oder nicht, würde hingegen sehr wohl einen Unterschied machen, und er war der Letzte, der es sich mit den Göttern verscherzen mochte. Am Ende war es eine Prüfung der Einundzwanzig um zu sehen, ob seine Absichten mit seinem Glauben überein gingen, und tat er dies nicht, wer wusste schon was geschehen würde.
Liam schien in jedem Fall erleichtert, und schritt kräftiger voraus, nun da sie den fast ebenerdigen, leichter begehbaren Weg erreicht hatten. Der Waldrand rechts von ihnen zog sich mal näher und mal ferner, und ab und an konnte Kyron Geäst dort drinnen knacken hören, das auf die rasche Flucht eines Hirschs oder Wildschweins hindeutete. Das Blöken der Schafe erklang von der anderen, linken Seite des Weges, und wurde nun konstanter, nicht mehr von der Stärke des Windes abhängig.
Schließlich sahen sie die ersten verwirrten, ungeschorenen Biester mal nervös im Kreise irren, mal seelenruhig grasen und mal argwöhnisch zu ihnen starren. Mispelsträucher durchzogen ein kleines Tal wie Pocken auf dem Gesicht eines alten Mannes, und die Schafe hatten diesen kleinen Hain als ausreichend Schutz vor was auch immer empfunden, um ihre wilde Flucht einzustellen. Keines von ihnen wirkte verletzt oder mitgenommen, auch wenn sie selbst aus der Distanz von einigen Schritten verdächtig nach Ruß rochen. Die meisten der Schafe hatten einen blauen Farbklecks auf ihrem Hinterteil, und Liam deutete auf diese und erklärte: "Das sind die Opfertiere für das nächste heilige Fest, sie sollten eigentlich in einer Koppel beim Heiligtum eingesperrt sein."
Da keiner von ihnen ein Hirte war, und da die Schafe noch dazu irgendwie freigekommen sein mussten - entweder dadurch, dass jemand die Tore geöffnet hatte, oder aber dadurch, dass die Koppel zu Bruch gegangen war - gaben sie sich nicht länger mit den Tieren ab, und wanderten zügiger voran. Zwei weitere Hügel und ein größeres Tal mussten sie noch umrunden, dann öffnete sich die Landschaft plötzlich zu etwas wie einer Tiefebene, deren Boden schneeweiß wie Knochen zum Himmel leuchtete, schimmernd wie Marmor, nur stellenweise durchbrochen von kleinen Inseln von Gras und dürren Sträuchern. Und mitten darin saß eine vielfarbige, schillernde heiße Quelle, die Fontänen kochenden, salzig riechenden Wassers spuckte, und sich dabei in eine schiere Unzahl von flachen, kreisrunden und kaskadenartig übereinander liegenden Wasserbecken ergoss.
Es war, als hätte Kyron einen Schritt in eine andere Welt getan. Die schiere andersartige Macht des Ortes trieb ihm eiskalte Schauder den Rücken hinab und mochte ihm beinahe die Haut vom Körper kriechen lassen. Grüne, rote, gelbe und gar blaue Schlieren drängten sich wie vom Wasser verwaschene Finger an den glänzenden Wänden des Geysirs hinauf, als versuchten sie zurück in jene Tiefen zu kriechen, aus denen sie einst gekommen waren. Dichte Libellenschwärme flirrten über den weiten, runden Wasserbecken, die ferner von der sprudelnden Hitze entstanden waren, und ab und an konnte Kyron eine Forelle von unerhörtem Ausmaß aus den völlig stillen, klaren Fluten springen sehen, um eines der Insekten zur Mahlzeit zu machen.
Liam, der trotz eines kurzen Innehaltens recht zügig weiter gegangen war, hielt nun inne und sah zu ihm zurück. "Wir haben keine Zeit für eine Andacht! Dort drüben, die Hirtenhütte und die Unterkunft der Druiden brennt!" rief er, und deutete abseits auf die linke Seite, wo gegen die Hügelseite abseits von dem Schauspiel einige verkohlte, flammenspuckende Hütten lagen.
Am liebsten wäre Kyron umgedreht und gerannt, so sehr trieb die schiere Kraft des Heiligtums ihm die Angst in die Knochen, aber er tat es nicht. Gegen die Macht der Götter konnte kein Ort, keine Flucht, keine Waffe etwas tun, und es würde keinen Unterschied machen ob er vom Blitz in drei Werst Entfernung erschlagen wurde, oder hier, während er die Hütten löschte.
Begleitet vom Knarzen und Klirren seiner Rüstung und dem lustigen Holzklappern aus seinem Gepäck rannte er Liam hinterher. Sie hielten beide erst an, als die Hitze des Feuers spürbar wurde, mitten zwischen den brennenden Hütten und der Koppel mit dem bisher noch unangetasteten Unterstand.
"Wieviele Menschen leben hier normalerweise?" fragte Kyron, während er zügig das Gepäck ablegte und auch den leichter brennbaren Wappenrock abnahm. Nur das Kopftuch, das sein langes Haar aus dem Weg hielt und ihn nun vor Funken schützen würde, blieb ihm erhalten.
Liam schien kurz zu überlegen, erschwert durch seine Verzweiflung bei dem unschönen Anblick. "Ein Hirte, ein Druide, normalerweise. Also zwei," erklärte er, und sah sich suchend um, als versuche er die Männer ausfindig zu machen.
Mit einem letzten Kontrollblick auf die Brandfestigkeit seiner Aufmachung setzte Kyron sich in Gang und lief zu der ersten Hütte, um die Türe mit dem Stiefel rasch einzutreten bevor er sich vor der Hitze zurück ziehen musste. Trotz des Rauchs und der Flammen konnte er die verkohlte Gestalt einer Leiche ausmachen, in deren Brust ein Dolch oder Küchenmesser steckte. Der Griff war abgebrannt, nur das Metall verblieb, und selbst dieses war geschwärzt von der Hitze. Kopfschüttelnd lief Kyron zur nächsten Hütte, die etwas größer und weniger verbrannt war, und stieß auch diese auf, nur um im nächsten Moment zurück zu stolpern, als ein hustender, halb besinnungsloser Mann zur Türe heraus stolperte, die weißen Roben fast völlig abgebrannt, und um Luft ringend wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Liam kam bei dem Anblick des Mannes armewedelnd und schreiend angerannt, stürzte sich regelrecht auf den Halbtoten und zerrte ihn mit der energischen Besorgnis eines Tiefgläubigen fort vom Feuer und hin zu ihrem Gepäckshaufen. Das war dann wohl der örtliche Druide, was bedeutete, dass der andere, tote Mann wohl der Hirte gewesen war.
Damit waren alle Einwohner gefunden, und alles getan, was zwei Männer tun konnten. Kyron runzelte die Stirn. Wieso fühlte er sich also immer noch unruhig und nervös?
Mit verengten Augen drehte der Krieger sich auf dem Absatz, betrachtete die fröhlich brennenden, langsam zusammenfallenden Gebäude, die Koppel, deren Zaun an einer Stelle abgebrannt war, und schließlich den windschiefen Unterstand, der bis auf ein paar kleine Qualmfahnen erstaunlich unversehrt geblieben war.
Der Hirte war da. Der Druide war da, wenn es auch unsicher war ob er überleben würde. Wieso hatte er die Türen auftreten müssen? Der Hirte war tot gewesen, jemand hatte ihn also getötet, und dann das Feuer gelegt. War es der Druide gewesen? Hatte er Feuer gelegt, um den Tod des Hirten zu vertuschen, und es war einfach im Unfall auf sein eigenes Haus übergegangen? Aber wieso hatte Kyron dann die Türe des Druiden ebenfalls eintreten müssen, obwohl dieser offensichtlich bei Sinnen gewesen war als das Feuer ausgebrochen war?
Mit einem leisen Knurren und einem Ruck setzte Kyron sich in Bewegung, schwerer, großer Schritte auf den Unterstand zu.
Irgendjemand hatte den Hirten umgebracht, und den Druiden eingesperrt. Irgendjemand hatte Feuer gelegt, vermutlich an beiden Hütten gleichzeitig. Irgendjemand war noch hier.
Seine Hand schloss sich um den Griff des Schwertes, zog die lange, jungfräulich neue Klinge drei Handbreit aus der Scheide, als er über die verkohlten Balken der Koppel stieg, bedacht darauf nicht zuviel Lärm zu machen, wenn schon völlige Stille nicht möglich war. Irgendjemand hatte ein Heiligtum der Götter angegriffen, Druiden zu töten versucht, die Ruhe dieses heiligen Ortes gestört. Kalter Zorn stieg in seinen Adern auf, als er sich dem Rand des Unterstands näherte.
An der Kante hielt er kurz inne, zog sein Schwert völlig und spannte sich an, in das Innere lauschend. Stroh raschelte, Holz knarzte leise. Die Schafe waren nicht da, die Schafe waren fort, Schafe blieben immer in ihren Herden, eselsköpfig wie sie waren. Kein Schaf wäre hier zurück geblieben, was bedeutete, dass jemand dort drinnen herum schlich.
Mit einem tiefen Atemzug wirbelte Kyron um die Ecke schwang sein Schwert mit kalter Präzision, und hielt die Schwertspitze...

... an die Kehle eines winzigen Kinds.
Leises Tröpfeln gesellte sich zu den anderen Geräuschen, während sich die braune Hose des Balgs mit Urin benetzte, und aus den riesigen, panikweiten Augen ein Schwall von Tränen schoss.
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#14
Wanderlied

Von dem Berge zu den Hügeln,
Niederab das Tal entlang,
Da erklingt es wie von Flügeln,
Da bewegt sich's wie Gesang;
Und dem unbedingten Triebe
Folget Freude, folget Rat;
Und dein Streben, sei's in Liebe,
Und dein Leben sei die Tat.
(...)


- Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)

~*~

Kyrons eisiger Blick wanderte an der Schneide des Schwerts entlang und ins Gesicht des Kindes, während dieses ein lautes, klägliches Heulen anstimmte, und sich mit einer Hand plärrend die Augen wischte. Wie alt es sein mochte, das wusste er nicht. Ein Jahr? Zwei? Fünf? Zehn? Es sah zumindest nicht aus wie jemand, der Türen verriegelte und Häuser anzündete.
"Hör auf zu weinen, ich tu dir ja nichts," grollte er kurz entschlossen in etwas, das er bisher für einen beruhigenden Tonfall gehalten hatte, und machte einen Schritt vor um das Balg zu schnappen. Natürlich sah es die Bewegung kommen und wandte sich zur Flucht ab, aber der Hosenbund an der Rückseite geriet dabei in Kyrons Finger, und er hob es einfach daran hoch wie einen unhandlichen Tragekorb.
Mit dem Hosenbund als Griff war auch das Gestrampel weniger störend, auch wenn das kleine Ding weiter schrie als sei es auf dem Weg zum Schlachter. Mit verzogenem Gesicht beschleunigte Kyron seinen Schritt, und trug den Jungen zügig aus der Koppel, zwischen den brennenden Hütten hindurch und hin zu Liam, der mit feuchten Tüchern am scheinbar besinnungslosen Druiden herum tupfte.
Der Anblick der brennenden Hütten brachte auch das Kind dazu, sein Schreien einzustellen, auch wenn penetrantes Schniefen und Schluchzen erhalten blieben. Die Laute waren es auch, die Liams Aufmerksamkeit erregten, und ihn kurz von seinem Tun aufblicken ließen. "Was hast du denn da gefunden?" fragte er in einem Tonfall, der wesentlich großväterlicher und freundlicher war als Kyrons, und ihn insgeheim in Neid erblassen ließ.
Anstatt zu antworten trat Kyron dichter an den Bewusstlosen und den alten Fischer heran, drapierte das Kind so vorsichtig wie er vermochte auf den Boden, und machte zwei Schritte zurück. Der braune Schopf des Kindes verschwand prompt und mit etwas Staub aufwirbelndem Gestrampel hinter Liam, dann fixierten zwei helle Augen Kyron über Liams Knie hinweg. Der Blick hatte etwas überaus Erzürntes an sich, genug Empörung um Kyron aufschmunzeln zu lassen.
Das Schmunzeln wurde nicht wohlwollend aufgenommen, und das Kind - ein Junge, der Stimme nach - kauderwelschte etwas in der lokalen Zunge, die Kyron nie erlernt hatte, und wohl auch nie erlernen würde. Was auch immer es war das er gesagt hatte, es ließ Liam kurz auflachen und seinen Kopf tätscheln, bevor er ähnlich zungenbrecherisch antwortete.
Ein weiterer sträflicher Blick des Jungen streifte Kyrons schwer gerüstete Gestalt, dann wurde das Gespräch fortgesetzt, diesmal auf einer Basis die ihn selbst von Blicken ausschloss. Nicht dass es ihn interessiert hätte was die beiden zu sprechen hatten. Kyron verwandte die Zeit lieber darauf, sich umzusehen, und die nächsten Schritte zu überlegen.
Beide Hütten waren nicht zu retten, das Feuer zu löschen hätte höchstens dafür gesorgt dass die Druiden das halb verbrannte Holz wegschleppen müssten, also verschwendete er keinen Gedanken auf das Löschen. Einen verwundeten Druiden jedoch zu tragen vermochten ein Gerüsteter, ein alter Fischer und ein kniehoher Knirps sicher nicht, und der Mann sah aus wie jemand, der dringend eines Heilers bedurfte. Kyrons Augen hielten am Koppelzaun an, und er legte den Kopf schief. Die Stangen waren vielleicht etwas zu massiv und damit schwer, aber im Großen und Ganzen zumindest von der richtigen Länge.
Mit einem "Pass auf dass der Knirps nicht durchbrennt" marschierte er einmal mehr los, zurück zum ehemaligen Schafgatter. Im Kopf spielte er die Planung durch während er zwei der dünneren, langen Querstangen aus der Verschnürung löste, und Nägel mit feisten Tritten lockerte. Zwei Stangen, dazu ein Stück Stoff so groß wie ein Umhang, und möglichst reißfest. Wenn man den Stoff geschickt wickelte, und die Enden auf der Liegefläche auslaufen ließ, wurden sie durch das Gewicht der Fracht fixiert und sie hatten eine Trage. Vermutlich würden sie öfters mal anhalten und das Gebilde richten müssen, aber der Gedanke war korrekt.
Während er die Stangen aufhob, bemerkte Kyron einmal mehr wie das Kind ihn finster und empört beobachtete, und dann einige Worte zu Liam sprach. Vermutlich beging Kyron gerade einen lokalen Affront gegen die Götter mit seiner praktischen Ader, aber zumindest Liam schien nicht aufgebracht oder gekränkt, und beschäftigte sich mehr damit den Jungen zu beschäftigen als sich über zerstörte Zäune zu echauffieren. Es war wohl eher der Knick im jungen Stolz, der hier für Gewitterwolken sorgte.
Die nächste Zeit beschäftigte Kyron sich damit, Liams Umhang und ein paar Stücke Angelschnur aus seinem Gepäck mit den zwei Stangen zu kombinieren, bis er sich halbwegs sicher war, dass das Gebilde einen Verletzten tragen würde. Der Junge hielt sich die meiste Zeit nahe Liam auf, konnte aber nicht umhin das Tun mit typischer kindlicher Neugier auch einmal aus der Nähe anzusehen.
"Er stammt aus dem Dorf das du suchst," erklärte Liam, als sie schließlich soweit waren, ihr Gepäck wieder aufzuladen. "Ich verstehe nicht ganz wie er hierher kam, aber er sagte ein Onkel habe ihn her gebracht, und sei in einen Streit mit dem Druiden geraten. Mehr wollte er mir nicht sagen."
Liams besorgte Miene war durchaus angebracht, und die Schilderung brachte Kyron dazu missmutig die Zähne zu blecken. Er hatte gute Lust, das Kind am Fuß hoch zu halten und ihn erst wieder abzusetzen wenn er mit dem Rest heraus gerückt war, aber er verstand die Sprache nicht, und irgendetwas sagte ihm, dass Liam nicht so ergebnisorientiert eingestellt war, wie die Schwere Silendrische Infanterie. Angeblich, so hatte er gehört, runzelten normale Menschen die Stirne darüber, Kinder kopfüber in die Luft zu heben. "Dann nehmen wir ihn mit zum Dorf, und sehen was die Leute sagen," entschied er schließlich mit einem Schulternzucken, und machte sich daran den Druiden auf die Bahre zu ziehen. "Es wäre besser wenn du Tragen hilfst, Liam, aber wenn es dir zu schwer wird kann man ein Ende auf dem Boden schleifen lassen. Ich habe es langsam eilig damit, mein Ziel zu erreichen... Das Unglück scheint mir omenhaft zu folgen."

Gesagt, getan. Liam trug das hintere Ende der Bahre, während Kyron das Vordere trug, und der Junge lief tatsächlich ohne Murren mit ihnen mit. Er schien Liam zu kennen, oder aber den Druiden, und Kyron war froh dass er nicht auch noch einem Kind nachrennen musste. Er hatte schon viel zuviel Zeit verloren.
Hin und wieder musste Liam sein Ende der Bahre absetzen wenn ihm das Gewicht zuviel wurde, aber selbst dann kamen sie gut voran, begleitet vom schnarrenden Knirschen von Holz auf Sandstein und Gras. Dreimal auf der Strecke packte Kyron ein seltsam mulmiges Gefühl, das ihm die Magengegend zusammen zog und die Haut am Nacken jucken ließ, aber so sehr er sich dann auch umsah, er konnte nie einen Auslöser dafür entdecken. Vermutlich waren es die überaus fremdartigen Wälder, deren Bäume mit jedem Schritt den sie tiefer taten höher und höher wurden, bis sie schier das Firmament selbst zu halten schienen, und Wolken sich in ihren Ästen verfingen.
Es dämmerte, als sie das Waldstück am anderen Ende wieder verließen, und nicht nur der Junge, sondern auch Liam wirkten am Ende ihrer Kräfte. Nicht dass es Kyron viel anders ergangen wäre, hatte er doch die meiste Last zu tragen und zu ziehen, aber er hatte immerhin das fast tägliche Training mit der Waffe als Kräftevorrat, von dem er zehren konnte.
Im beginnenden Zwielicht konnte Kyron eine Reihe von Lichtern über den Hang und am Rande des Waldes hin und her wandern sehen, und entfernte Rufe klangen näher, erinnernd an einen Namen, den er nicht ganz verstehen mochte. Für einen Moment hielten alle drei inne, und Kyron und der Junge legten gleichzeitig den Kopf schief, die Stirn runzelnd im Bemühen, die Rufe zu verstehen. '...nel!'
Unten am Fuße des Hanges konnten sie die Palisade des kleinen Dorfes erkennen, '... ioon..' und so manchen Gebäudeumriss, beleuchtet von Außenfackeln und Kerzenlicht, unüblich hell für einen üblichen Abend in einem Bauern- und Handwerkerdorf. 'Liiiii...' "Kommt, es ist nicht mehr weit, packen wir's an," brummte Liam im Versuch, aufmunternd zu klingen, und griff das Ende der Trage einmal mehr. '...onellll!'
Sie begannen den Hang hinunter zu tasten, während der Junge ein paar Schritte voraus lief, inne hielt und sich auf den Fingern kaute, den Blick unsicher auf die am Waldrand tanzenden Lichter gerichtet. Mondlicht flackerte knochenfahl in seinen hellen Augen. 'Lionelll!'
Kyron runzelte die Stirn, und machte einen kleinen Bogen mit seiner Last, um den Jungen nicht über den Haufen zu rennen. Dann jedoch musste er an sich halten um die Trage nicht vor Schreck ganz fallen zu lassen, denn im nächsten Moment rannte der Junge los, und schrie in perfektem Amhranisch:
"Opa Séan! Opa Séan! Hier bin ich!"
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#15
Ich sehe hinter dem Grau heute Blau
Und bin milder geworden.
Ich bin nicht mehr der junge Radau
Und wehe nicht mehr aus Norden.

Es kommen die Jüngsten auch mal dahin,
Wenn sie streng Zauderndes wagen
Und fragen nach jedem »Wie ist ...?« dann: »Wie bin ...?«
Und werden still Danke sagen.


- Joachim Ringelnatz (1883 - 1934)

~*~

Kyron beobachtete in einer Art hysterischen Starre wie Shem, sein Schwiegervater und langzeitige, familiäre Nemesis, seine Fackel fallen ließ, die gut hundert Schritt vom Waldrand bis zu ihnen in einer Windeseile hinter sich brachte die Kyron ihm niemals zugetraut hätte, und aus dem Zwielicht gestürzt kam. Dem Krieger schenkte der alte, sonst so gemütliche Mann keine Beachtung, und Liam erhielt ebenso keinen zweiten Blick. All seine Aufmerksamkeit galt dem Knirps, den er nun mit einem trockenen, erleichterten Aufschluchzen an sich drückte, und teils schimpfend, teils frohlockend beschwatzte.
Kyron hörte die Worte nicht, sein schwerer, starrer Herzschlag war zu laut, zu einnehmend. Auch die Zeit konnte er nicht mehr einschätzen, denn die Welt schien sich wie durch zähe Melasse zu schieben, langsam und doch so unaufhaltsam. Nur ein Ruck an der Trage hielt ihn davon ab, die Griffe aus der Hand gleiten zu lassen, während er Shem anstarrte, und seinen... Sohn. Der Knirps war sein Sohn. Er hatte seinen Sohn gerettet, ohne es zu wissen.
Shem sah auf, beide Arme am Jungen, eine sein Haar streichelnd, die andere dazu nutzend um ihn an die Brust gedrückt zu halten damit er nicht fortlief. Nicht, dass Lionel noch munter genug war sich davon zu machen, nun wo er in den Armen seines Großvaters war, schien er bereit, auf dem Fleck einzuschlafen, die kleinen Fäustchen fest an Bart und Überwurf gekrallt. Shems Augen fanden und erkannten Kyron, und ein erschrockener, missbilligender, dann dankbarer Ausdruck huschte über die faltige, sonnengezeichnete Miene. Er schien mehr als überrascht seinen Schwiegersohn zu sehen, regelrecht schockiert, aber alle Missgunst konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kyron den verlorenen Enkel heimgebracht hatte.
Liam, der trotz seiner schrulligen Fischerart sehr wohl ein Gefühl für die plötzlich aufziehende Gewitterfront zu haben schien, gab der Trage einen leichten Schub um Kyrons Aufmerksamkeit zu erregen, und brummte: "Komm, bringen wir ihn zum Heiler bevor meine Arme bis zum Boden reichen. Ich bin zu alt für sowas."
Es blieb keine andere Wahl. Kyron wollte etwas sagen, aber der Schreck saß noch zu tief, und er öffnete und schloss den Mund einmal, dann wandte er den Blick mit ausdrucksloser Miene ab und trottete den rutschigen Hang weiter hinab. Früher, wenn er sich aufgeregt hatte, war die mörderische Raserei sein Weg gewesen, damit umzugehen. Wenn man alles kaputt schlug was Angst auslöste, musste man keine Angst mehr haben. Wann hatte er diesen Weg aufgegeben? Während die Trage mit den zwei Trägern und dem Verletzten zwischen ihnen durch das hölzerne Dorftor schaukelte, runzelte Kyron mit ansonsten nichtssagendem Ausdruck die Stirn. Lange war der Moment noch nicht her, und manches Mal geriet er noch an Situationen, die ihn nahe an den Wutausbruch brachten, aber er war definitiv... beherrschter geworden seit dem Gefängnis.
Shem trottete hinter ihnen her, Lionel weiter in den Armen haltend, während der Junge bereits halb zu schlafen schien, erneut unbesorgt in der Präsenz des Alten. Es war das Vorrecht der Kinder zu glauben, dass ein einziger Mann alles Böse und alle Gefahr durch schiere Präsenz abhalten konnte.
Der Anblick sandte stechende Schmerzen durch Kyrons rechte Hand. Lüge über Lüge, und eines Tages wird er das wissen.
Das Dorf war mehr eine Siedlung, bestehend aus einem großen Versammlungshaus das auf der rechten Seite eines kleinen, unebenen Erdplatzes mit überdachtem Brunnen lungerte wie ein ausnüchternder Stallknecht, einem zweistöckigen Herbergsgebäude, das in gegensätzlichem Desinteresse an der Palisade links lehnte, und vier oder fünf weiteren, kleineren Häusern, die den Ring vollendeten. Die Sonne war fast vollständig hinter dem Horizont verschwunden, und der nahe Wald tat seinen Teil dazu, die Siedlung in zunehmende Finsternis zu tauchen, die nur von den schwer blakenden Fackeln durchbrochen wurde.
"Wo finden wir den Heiler?" fragte Liam mit gepresster, angestrengter Stimme zurück zu Shem, hörbar beeilt damit, die schwere Fracht loszuwerden. "Der Heiler ist tot," antworteten Kyron und Shem unisono, nur um dann einen kurzen, bedeutungsschweren und wenig freundlichen Blickaustausch zu halten.
"Das stimmt," bestätigte Shem schließlich mit Ingrimm, und löste einen Arm kurz von seiner dösenden Fracht um zu dem kleinen Haus links vom Versammlungshaus zu deuten, das sich im Schatten eines knorrigen, großen Nussbaumes versteckte. "Aber das Haus der Hebamme ist dort drüben, und sie ist die nächstbeste Heilerin, die wir haben. Morgen können wir einen Läufer an die Küste schicken, damit jemand mit mehr Fähigkeiten kommt."
Mit einem grimmigen Nicken setzte sich der kleine Konvoi wieder in Bewegung. Während Shem an die Türe klopfte und dann mit der runden, kleinen, alten Frau hinter der windschiefen Tür Zwiesprache hielt, versuchte Kyron das stetig zunehmende Gewicht seiner Fracht zu ignorieren. Man konnte sagen was man wollte, spätestens nach drei Stunden des Schleppens mochten selbst dem versiertesten Krieger die Arme lahm werden. Die Aussicht darauf, bald entspannen zu können, tat ihr Übriges, und als die runde, fröhlich aussehende Frau endlich die Türe weit öffnete, und nicht nur einen seltsam verlegenen Shem, sondern auch die zwei Träger und ihre Bahre ins Haus winkte, atmete Kyron mit einem leisen Dankesgebet an die Götter auf.
Es war Liam, der Kyron zu einem kleinen, grob gezimmerten aber von Jahrzehnten gezeichneten Tisch nahe dem Eingang trieb, während Shem einige Momente bei der Hebamme herum schwirrte, und den Eindruck von hilfsbereiter Nutzlosigkeit erweckte. Beide Männer ließen sich mit einem erleichterten Ächzen auf die Sitze fallen, wo Kyron sich aus dem Gepäck schälte und für einige Momente in simplem Glück die Augen schloss. Das erste Mal seit dem frühen Morgen konnte er sitzen, musste nicht schleppen, nicht laufen und nicht Ausschau nach Gefahren halten. Es fühlte sich einfach himmlisch an.
Liam schien die Angelegenheit ähnlich zu sehen. Erst nach einem tiefen Seufzen lehnte er sich vor, fasste Kyron ins Auge und brummte halblaut: "Also, ich will mich ja nicht einmischen, aber es erfreut die Götter nicht, wenn man den unwillkommenen Gast spielt." Passend zu den Worten rieb er sich den Nacken abschätzig, musterte den müden, immer noch gerüsteten Krieger prüfend, und lehnte sich schließlich wieder bequem zurück. "Du musst etwas sehr Wichtiges hier zu tun haben, dass du den Ärger von Nodons, Anu und Sulis auf einmal riskierst."
Es war eine durchaus kreative Form der Nachfrage, soviel musste Kyron dem Fischer anrechnen. Andererseits aber war er zu müde und zu angespannt, um Geduld für derlei Wortspiele aufzubringen, also deutete er nur zurück zu Shem und seiner Fracht, und erklärte knapp, "Das dort ist mein Schwiegervater, und der Junge ist mein Sohn." Kurz, knapp, bündig, und vermutlich unangemessen trocken. Kyron hob einen Moment lang die Mundwinkel, aber selbst für Amüsement über sich selbst reichte seine Energie nicht lange.
Liam schien verblüfft, verwirrt und ein kleinwenig verärgert, aber bevor er etwas erwidern konnte kam Shem zurück an den Tisch. Ein weiterer langer Moment des wenig freundlichen Starrens legte sich über die kleine Gesellschaft, dann hob Shem unwillig einen Wangenmuskel.
"Liam, du kannst ein Zimmer in der Herberge haben, lass es einfach auf meinen Namen schreiben. Und du, Kyron, kommst mit zu mir." Zwei Herzschläge der Stille folgten, dann wandte Shem fast beschämt den Blick ab und stapfte zur Türe. "Wir haben viel zu bereden, morgen."
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#16
Die süße Näscherei,
Ein lieblich Mündleinkuß
macht zwar niemanden fett,
Stillt aber viel Verdruß.

Hoffnung ist ein fester Stab
Und Geduld ein Reisekleid,
Da man mit durch Welt und Grab
Wandert in die Ewigkeit.

Weißt du, was in dieser Welt
Mir am besten wohlgefällt?
Daß die Zeit sich selbst verzehret
Und die Welt nicht ewig währet.


- Friedrich Freiherr von Logau (1604 - 1655)

~*~


Der nächste Morgen fand Kyron in einem Zustand der abgestumpften Verstörung am imposanten Küchentisch sitzend wieder. Mit einem Ausdruck beginnender Kopfschmerzen auf der konzentriert-verkrampften Miene hob er eine Hand, und deutete einmal mehr durch die Runde der - im Gegensatz zum Ausdruck des Stiefvaters - fröhlichen, neugierigen Mienen. "Also, noch einmal. Jovane, Anorah, Riona, Conlec,..." Falten der Mühe bildeten sich auf seiner Stirn, während der Finger über dem Kopf eines vielleicht zehn Jahre alten Jungen schwebte, der ihn breit und gnadenlos angrinste. "... äh," machte Kyron verzweifelt, und brummte dann ein wenig ungeduldig, "Kieran?"
"Kiernan!" sagte der Junge in vollem Triumph jemandes, der etwas besser wusste als ein Erwachsener, und fuhr mit seinem Brotbrocken durch die salzige Butter mitten auf dem Tisch.
Kyron seufzte und senkte die Hand, ohne sich um die drei anderen Personen am Tisch zu bemühen. Er würde sich die Namen ja doch nicht alle merken, nicht in der kurzen Zeit die er hier bleiben wollte. Sich dafür zu entschuldigen wäre müßig gewesen, immerhin tat es ihm nur bedingt leid. Cahiras Brüder Jonathan und Jovane und deren zwei Frauen würde er sich noch merken können, immerhin waren diese in seiner Wahrnehmung enorm wichtig für sein Wohlbefinden, aber der Rest der Familie war so groß und so ausschweifend, dass es unmöglich schien sich alle Namen zu merken.
Jovane schien seine Zwickmühle nur allzu gut zu verstehen, und setzte zwischen den Bissen von seinem Schinkenstück zu einem breiten Grinsen an. "Du willst also rüber zu Aidans Haus? Was willst du dort denn? Ist doch nur noch Asche," gab er zu bedenken, mildes Interesse an dem schrulligen Verhalten des Amhraners zeigend, der selbst am Küchentisch noch gerüstet und bewaffnet Platz nahm, wie einer dieser Wilden aus dem Süden.
Kyron hatte schon bei den ersten Worten die sie getauscht hatten festgestellt, dass Cahira etwas zu rücksichtsvoll mit der Schilderung des vollen Ausmaßes der Geschehnisse gewesen war. Einerseits verstand er ihren Gedankengang - Aidan war tot in ihren Augen, also gab es keinen Grund seinen Ruf zu beschmutzen -, aber andererseits machte es ihm die Angelegenheit schwer. Was konnte er sagen, was durfte er sagen, und vor allem, würden Cahiras Verwandte ihm überhaupt glauben, wo sie doch nichts von den Schrecken erzählt hatte?
Schließlich entschloss Kyron sich dazu, einfach die Teile der Wahrheit zu sagen, die er für absolut notwendig hielt. "Ich weiß nicht wieviel Cahira euch erzählt hat, aber Aidan und sie hatten einen sehr schlimmen Streit kurz bevor er starb, in dem er meinen Sohn bedroht hat," erklärte er bedächtig, und schmierte eine dicke Schicht der salzigen Butter auf seine großzügig geschnittene Brotscheibe. "Sie sagte auch, dass seine Überreste nicht gesucht wurden, also möchte ich sicher gehen dass er tot ist."
Dass er Lionel in zwei von drei Fällen mitnehmen würde, und insgeheim Cahiras Familie mit der potenziellen Bedrohung eines gewissenlosen Magiers - Hexers vielleicht gar! - alleine lassen würde, behielt er für sich. Sie schienen zahlenmässig eine eigene Garnison füllen zu können, und waren vergleichsweise sicher gegen das milde Interesse jemandes, der hinter einer einzelnen Person her war.
Jovane schien trotz allem beeindruckt von soviel Einsatz, und murmelte eher halblaut: "Du bist so weit gereist, nur um eine Leiche zu suchen? Da schau einer mal an." Ein Moment der Stille kehrte ein, nur gefüllt mit den nachdenklichen, verwirrten und hilfsbereiten Blicken, die die Familienmitglieder austauschten, dann sagte Anorah, Jonathans Frau, abwägend, "Du könntest ihn dorthin bringen, und sehen dass er sich nicht verirrt."
Es schien allgemeiner Konsens, dass Kyron trotz seiner Heirat zu Cahira immer noch ein hoffnungsloser Amhraner blieb, der in der Wildnis bestenfalls versuchen würde, auf die nächste Kutsche zu warten wenn er sich verirrte. Es stand in die Gesichter der Familie geschrieben, dass sie ihn nicht ganz für voll nahmen, andererseits aber auch ihr Bestes tun würden, dass er heil wieder daheim ankam, und Kyron befand dies für ausreichend für seine Zwecke. Welchen Sinn hätte es auch gemacht, ihnen vorzuhalten, um wieviel trostloser und ungezähmter seine Heimat Hohenmarschen war? Es hätte keine Vorteile gebracht, und sie höchstens verstimmt.
Jovane schien nicht unbedingt unglücklich über den Vorschlag. "Dann muss allerdings jemand anders das Heu wenden gehen," gab er mit schlecht gespieltem Genuss zu bedenken, und erhob sich vom Tisch um Proviant für eine kleine Zwischenmahlzeit zusammen zu suchen. Anorah nahm sein Spiel mit einem kopfschüttelnden Auflachen hin und hob die Schultern. "Kiernan hat sich lange genug beschwert, dass er keine wirklich wichtigen, verantwortungsvollen Arbeiten bekommt," schloß sie sich dem Spiel an, was einen prompten, lautstarken Protest des Jungen auslöste.
Momente später war die gesamte Großfamilie in das Geschrei involviert, und wäre da nicht das häufige Auflachen und die fröhlichen Mienen gewesen, Kyron hätte soviel Lärm als Grund zur Sorge genommen, dass demnächst eine handfeste Keilerei ausbrechen würde.
So aber floh er schlicht vor die Türe und atmete die kalte Morgenluft mit tiefen Atemzügen ein. Wie konnte man soviele so intensive Menschen für mehrere Tage erdulden? Er würde Cahira befragen müssen, sie schien es geschafft zu haben.
Ein Tabakröllchen später gesellte auch Jovane sich hinaus, begleitet vom Johlen der Hausbewohner. Seine Miene zeigte beim Anblick Kyrons ein gewisse fröhliches Mitleid. "'S ist schon was anderes, so eine galatische Familie, eh?" erwähnte er grinsend und hob eine Hand um den Krieger mit sich zu winken. "Komm, brechen wir auf bevor Kiernan dem Streit da drinnen entkommen und mit uns flüchten kann, am Ende muss ich noch das Heu wenden bevor wir los gehen," schlug er überaus belustigt vor und schlug einen Weg ein, der sie in einem Winkel in Richtung des verbrannten Schreins führte.
Eine halbe Stunde und eine Butterstulle später wühlte Kyron durch die verkohlten Überreste eines weiteren abgebrannten Hauses, während Jovane im Gras vor dem ehemaligen Eingang saß und ihm zusah. Gläser, Lederfetzen, Möbelstücke und ein paar Bronze- und Silberbrocken, die irgendwann vermutlich einmal Werkzeug, Schüsseln oder Schmuckstücke gewesen waren, lagen verstreut in der Asche und erinnerten mit kalter Gleichgültigkeit daran, was passiert wäre wenn ein lebendes Wesen in dieser Flammenbrunst gestanden wäre. Wie Cahira entkommen war schien Kyron schleierhaft, aber die Gewissheit dass auch andere entkommen waren, legte sich wie ein zunehmend schweres Gewicht um sein Herz. Es konnte natürlich sein dass das Feuer zu heiß gewesen war, dass Aidan völlig verbrannt worden war, aber die Lederreste sprachen dagegen. Bevor Knochen gänzlich verbrannten, war Leder schon lange Asche, und solange das Eine noch da war, musste auch das Andere zu finden sein.
Außer natürlich wenn da keine Knochen zu finden waren.
Kyrons Wangenmuskel zuckte, einem nervösen Tic folgend den er lange nicht mehr verspürt hatte, und seine Miene musste dabei einen Ausdruck zeigen der Jovane nicht behagte. "Was ist? Was ist passiert?" fragte er nervös und erhob sich aus dem Gras.
Kurz biss Kyron die Zähne aufeinander, fieberhaft überlegend was als nächstes zu tun sei. Dann setzte er sich mit einem Ruck in Bewegung, zügiger als zuvor zurück zum Dorf stapfend, begleitet vom stetigen Klirren der Wehr.
"Aidan ist nicht in diesem Feuer gestorben."
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#17
„Do not go gentle into that good night. Rage, rage, against the dying of the light“

-Ich darf nicht schlafen-

Die ganze Zeit war er durch die nächtliche Siedlung spaziert, seine Augen müde, sein Geist müde, sein Körper, seine Knochen schmerzten ihn, immer wieder betete er sich das innere Mantra vor:“ Ich darf nicht schlafen.“ Seine Schritte hatten ihn zurück zum Hause der Mendozas geführt, wo er sich mit etwas Stroh und ein paar Fellen eine Lagerstätte hergerichtet hatte.

So schön es war, die Mendozas wieder in seiner nähe zu wissen, waren sie bereits wieder drauf und dran sich in den Abgrund zu rudern, erst dadurch das sie Dureth zurück in ihr Leben gelassen hatten , und Heute Nacht war die Elster zurück in ihr leben gestoßen. Sie schienen nicht zu verstehen das diese Gestalten aus der Vergangenheit nur soviel Macht über sie besaßen , wie sie es zuließen. Aber... er brauchte nicht groß reden, über das bewältigen von Vergangenheit.

„Ich darf nicht schlafen.“ murmelte er leise während er sich wieder besseren Wissens auf seine Strohmatte legte in der Hoffnung das seine Müden Knochen alleine durch das liegen etwas ruhe geben würde. Immer wieder blinzelte er, und starrte konzentriert an die Decke. Warum hatte er Prenne bloß wieder verlassen. Natürlich war er dort nicht glücklich, wie konnte er das auch ohne sie, aber... er überlebte, es war unkompliziert. Nun hatte er das Gefühl seine alten Gefährten aus den Gruben ziehen zu müssen die sie sich die letzten Monde Fuß für Fuß selber schaufelten. Die Mendozas mit den Kultisten, und Kordian einerseits mit Shae, und zum anderen mit seinem Selbstzweifel.

„ Ich darf nicht schlafen.“

Shae... wie lange war es her. Vier... oder Fünf Jahre, er kannte sie länger als er die Mendozas oder Kordian kannte, er kannte sie als Feindin, Rivalin, Freundin, Kameradin und hatte sie im laufe der Jahre schätzen und lesen gelernt. Sehr bald nach ihrem auftauchen war ihm klar was sie hier wollte, und zur selben Sekunde war ihm klar das wie es auch ausging, es nicht gut enden würde, was auch immer er tun würde, nichts konnte sie oder Kordian retten. Alles was in seiner Macht stand war zu zu sehen und zu warten ob sich ihm nicht doch ein Fenster öffnen würde das ihm die Möglichkeit bot alles in Ordnung zu bringen. Er durfte nicht zu lassen das Kordian etwas zustieß oder Shae sterben würde.

„Ich darf..... nicht schlafen“

Kordian. Seit dieser Schlacht, die so vielen Kameraden das Leben, ihn sein Kommando und den Trupp gekostet hatten , hatte der Wolf seine Zähne verloren. Statt zu handeln, zögerte er, so wie all die anderen Unfähigen gestalten die auf Ahmran kreuchten und fleuchten. Er hatte verloren, was er einst in sich trug, er war zwar auf dem Weg es wieder zu erlangen, doch die Frage war, ob dies noch Rechtzeitig geschehen würde, oder ob es dafür berreits längst zu spät war. Teilweise hatte er ab und an sogar das Gefühl als wolle ein Teil Kordians den Soldaten hinter sich lassen.

„Ich..... da......“

Um ihn herum,Schlachtenlärm. Blut, Gewalt, Tot. Er selbst hatte noch vor einer Minute wie wild mit Rabenschwinge durch die Reihen der Feinde gepflügt, sich seiner geliebten Raserei hingegeben die nur durch seinen , oder den Tot des Gegners glaubte beenden zu können. Und doch saß er nun da auf dem Boden, bis auf seinen noch immer schnellen Atem still, und blickte zu der Rothaarigen hinab, deren Kopf auf seinem Schoß gebettet war. Mit starren, toten Augen starrte sie in den Himmel, etwas Blut rann von ihrem rechten Mundwinkel ihre Wange hinab. Ihre Lippen bewegten sich während der Rest ihres Gesichts starr und tot verweilte: “ Du hast versprochen an meiner Seite zu sterben.“

Seine Augen rissen auf und mit Verzweiflung im Blick starrte er auf die Fugen der Decke. Schwach und müde murmelte er: „ Ich darf nicht schlafen.“
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#18
Man sagt, die Elster efreut sich an glänzenden, glitzernden Dingen – so sehr, dass sie davon magisch angezogen wird, dass sie jene in ihrem Besitz wissen will.
Selbst wenn das glänzende Objekt bereits vergeben ist, schreckt sie vor Diebstahl nicht zurück. Die diebische Elster, nimmt was nicht ihr gehört, ohne Reue und Gewissen.

So kam es, dass die Elster ein gar wertvolles, wenn nicht das Wertvollste aller Dinge besaß. Es glänzte und schimmerte so hell, wie die Sonne und wurde sicher in ihrem Nest verwahrt, um es vor dem Rest der Welt zu schützen. Das helle Strahlen war so reizvoll für die Elster, dass sie immer wieder mit dem Schnabel dagegen pickte, in Bewunderung und Faszination. Im Laufe der Jahre, verlor das Objekt nach und nach seinen Glanz. Es ermattete und formte sich allmählich nach dem Willen der Elster.
Aber nicht nur das. Eine eigenartige Co-Abhängigkeit entstand. Denn die Elster konnte an nichts anderes mehr denken, als an das was ihr gehörte. Jeder Gedanke kreiste nur noch um ihren Besitz, den es vor der grausamen Welt zu beschützen (oder zu zerstören) galt.

Man sagt, was die Elster einmal findet, gibt sie nicht mehr her. Denn sie ist nicht bereit, loszulassen, egal wie schädlich es ist. Obwohl die Elster stets ein wachsames Auge auf ihre Dinge hat, kann es doch vorkommen, dass ab und an, etwas verloren geht. Fortgeblasen durch den Wind, gestohlen von anderen diebischen Kreaturen oder einfach aus den Augen verloren.

So kam es, dass ihr wertvollster Besitz eines Tages verschwand und wie der Mond die Sonne benötigt, um durch ihr Licht in Erscheinung zu treten, so sehnte sich auch die Elster nach ihrem hellen Stern. In allen Winkeln der Welt suchte sie und fand doch Nichts. Im Laufe der Jahre wurde die Elster müde und ihr Herz schwer, voll Einsamkeit und Trauer. Glaubte sie doch, dass ihr wertvollstes Kleinod für immer verloren war.
Doch dann, an einem Tag, wie jeder andere auch, in einer Stadt, die sie noch nie zuvor betreten hatte, von einem Mann, den sie noch nie zuvor gesehen hatte, erhielt sie die ersten Hinweise auf den Verbleib ihres Besitzes.
Noch am selben Abend fand sie, was einst ihr gehörte und immer ihr gehören wird. Auch wenn Frau und Kind an seiner Seite saßen und er so hell strahlte wie noch nie zuvor – Isabelle wusste, dass sie die dunkle Seite in ihm wieder hervorkehren würde. Sie war ein Teil von ihm, der friedlich und tief schlummern und doch nie gänzlich verschwinden konnte. So wie er sie einst in den Abgrund riss und sie ihn dann noch tiefer hinab - so eng waren ihrer beider Schicksal miteinander verknüpft.

Und in ihrem Kopf ratterte nur noch ein Gedanke, ein Wort – denn alles andere war in Unwichtigkeit versunken:

Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron Kyron
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#19
Der Puppenspieler

Ruhelos stapfte er in der kleinen Hütte die er zusammen mit den Mendozas sein Heim nannte auf und ab. Der Tag, hatte gut angefang
en, was sich über wenige Tage sagen lies. Er hatte einem Mann namens Planke eine Bauanleitung überantwortet, hatte dann einen kleinen Ausflug nach Ravinsthal unternommen. Einerseits um endlich einen Schneider auf zu tun um Lionels Geschenk für seinen nächsten Namenstag zu bestellen, andererseits um Shae zu besuchen, um zu sehn, wie es ihr so erging, in ihrem neuen Leben. Ersteres war erfolgreicher als zweiteres, so hatte er zwar das Pech Shae nicht an zu treffen doch konnte er ein paar andere Dinge die seit geraumer Zeit auf seiner Brust lasteten mit der Schülerin Gwendolin Veltenbruch besprechen. So konnte er sich zumindest mit mäßigen Erfolg auf dem Heimweg machen, und auf dem Rückweg gleich die Harpienpopulation am Pass der Einwohnerzahl Laskandors angleichen.

Je näher er der Barracke der Klinge kam , umso mehr schwand sein Gutes Gefühl das der Tag mit sich brachte, und vor der Baracke traf er dann auf Kyron und das Mädel Sam, das er bei einer Bogenschiesübungsstunde in Löwenstein schonmals gesehn hatte. Kyron eröffnete ihm das ein paar der Kultisten in der Barracke waren, und schon war ihm klar das der Heutige Abend nicht friedlich enden würde. Als von drinnen der Schrei der Elster erklang, stürzte Kyron sofort hinein, und er folgte ihm aus den Fuße. Drinnen waren bereits Sam, die Kyron vor geschickt hatte, eine andere ihm unbekannte Dame, die Elster, und der Puppenspieler Dureth selbst. Dureth, wie so oft in seinem Machtwahn Schrieh herum und drohte, und seine willigen Marionetten tanzten nach seinem Willen. Ein teil von ihm verabscheute Kyron in diesem Moment für seine Schwäche, wie er buckelte, und zitterte und ihn Meister nannte, aus Angst vor seiner Macht. Er hatte nie begriffen das Dureth nur so viel Macht besaß wie man ihm gab. Ja... er hatte.... Kräfte die über die eines Menschen hinaus gingen, doch Kordian hatte bewiesen, was Cois schon immer wusste. Auch er kann Bluten, auch er kann sterben. Es sind seine Anhänger die ihm zum Gott erheben. Und so begegnete er Dureth als das was er war, ein Mann, wie jeder andere auch, ein Puppenspieler. Und dieser... spielte. Als er endlich seine Aufmerksamkeit auf Cois richtete orderte er Kyron ihn zu töten. Irgendwo tief in sich schmunzelte er, zwei Totgeweihte in den Kampf auf Leben und Tot schicken, beide sind bereit zu sterben und keiner will Kämpfen. Und so unterwarf sich Kyron dem Puppenspieler um diesen Kampf zu entgehen, drückte dem Puppenspieler noch mehr Fäden in die Hand, gab ihm noch mehr Macht. Und als dieser mit der ihm gegebenen Macht Kyron folterte, versuchte er sein Glück, er holte mit der Klinge aus und versuchte die Fäden ein für alle mal zu trennen. Und wäre es nur er und der Puppenspieler gewesen, wäre es ein harter Kampf geworden, doch einer der zu gewinnen war. Doch so wurde er von Kyron zu Boden gerissen, in seiner Hörigkeit dem Meister gegenüber. Der Puppenspieler, die Elster und der Totgeweihte gingen, er blieb zurück mit den letzten Worten seines Bruder im Ohr :“ Einer von uns muss Kordian finden, wir können nicht beide draufgehen!“ Und mit dem finden von Kordian, stand ihm wohl eine große Herausforderung bevor.
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#20
Wofür man Lebt, Wofür man Stirbt.

Solange er sich zurück erinnern konnte, hatte er immer für andere gelebt. Für ihre Wünsche, ihre Ziele, ihr Ambitionen. Es gab ihm einen Grund zu Leben. Nicht das er des Lebens überdrüssig war, doch für ihn hätte es gereicht den Rest seines Lebens in einer kleinen Hütte auf Prenne zu bleiben, von der Jagd zu leben, die Götter zu ehren und zu sterben, wenn seine Zeit gekommen war. Es war die Suche nach seiner Ziehschwester Nef die ihn damals mit siebzehn Jahren nach Ahmran führte, die ersten paar Schillinge am Festland verdiente er sich im Bergwerk, auch wenn er mit den Münzen nie viel an zu fangen wusste, Nef wusste es umso mehr. Er verlor Nef bald wieder aus den Augen, das wissen das es ihr gut ging, war für ihn jedoch ausreichend, er hätte heimgehen können, doch tat er es nicht. Jemand sagte ihm, er wäre kein Bergarbeiter, er wäre ein Söldner, und so wurde er zum Söldner, und wie alles was er tat versuchte er es zur vollsten Zufriedenheit seines Auftraggebers aus zu führen und so hätte sein Leben immer weitergehen können. Wieder einige Jahre, und einige Herren später traf er auf Kyron und Kordian, sie sagten er wäre kein Söldner, er wäre ein Soldat, und so wurde er zum Soldat. Er baute sich in der SSI ein Leben aus, hatte seine kleine Hütte abseits von Guldenach, und er hatte sogar ein Auge auf eine Nordgarder Soldatin geworfen. Nicht mehr aus Stolz oder Pflichtbewusstsein wollte er der beste Soldat sein der er sein konnte, nein für sie. Für sie wollte er dienen, kämpfen, leben und sterben, und so hätte das Leben immer weitergehen können. Doch dann kam der Guldenach Zwischenfall, er versagte, sie starb. Immer wieder hatte man ihm gesagt, dass es töricht wäre, sein Leben an eine einzige Person zu ketten, von ihr den Willen zum Weitermachen zu beziehen. Aber hört man zu, wenn man nur noch Augen für diesen einen Menschen hat? Die nächsten Wochen saß er nur in seiner Hütte, aß kaum, schlief kaum, er wartete auf das Ende das nicht kommen wollte. Und dann kamen die Truppen des Fürsten, um ihn über die Auflösung der SSI zu informieren, seine unehrenhafte Entlassung, der vermeidliche Tot Kordian´s, Kyrons und Cahiras. Dies alles interessierte ihn zu diesem Zeitpunkt nicht.

Wie so oft konnte, oder wollte er nicht schlafen, und diesmal war es gut so, wenn er die Augen schloss, könnte es das letzte Mal für ihn sein, oder noch schlimmer, es könnte Lionell das Leben kosten. Er hatte sich einen Stuhl geschnappt und sich nahe an den Jungen gesetzt und wachte über ihn. Für einen kurzen Moment dachte er, er wäre verloren. Auch wenn er nicht viel für Magdalena übrig hatte ob ihrer seltsamen Einstellung zum Glauben an die 21, so hatte sie von nun an doch einen Pluspunkt, bei dem er sich fast sicher war das sie diesen bald wieder aufbrauchen würde auch wenn es bei weiter kein so leicht Tilgbarer Pluspunkt war. Sie hatte Lionell das Leben gerettet, hatte ihn in Sicherheit gebracht, etwas das er nicht zustande gebracht hatte. Es war wie damals, im Chaos verlor er den Überblick und anstatt sich um die zu kümmern die er liebte Schlug er nur noch Wild auf alles ein das sich bewegte. Lionell war sein Grund zu Kämpfen geworden, sein Grund zu leben, sein Grund zu sterben, sein letzter Faden der ihn am Rest der Menschheit teilhaben lies. Natürlich liebte er Cahira wie die Schwester die sie war, und er Liebte und Hasste Kyron wie den Bruder der er war, doch waren beide nie genug gewesen um ihn zu halten. Es war Lionell, nicht als der Junge Lausbub der er war, nein… das, wofür er stand. Jeden Tag den der Junge lebte, heranreifte, älter und kräftiger wurde, war für ihn ein Zeichen, das Gute Dinge passieren können, und er hatte sich selbst auf das Banner gesetzt das diesem Jungen niemals ein Unheil wiederfahren dürfe, oder wenn, es mit so viel mehr Freude aufgewogen werden würde, das er eines Tages als alter Mann auf sein Leben zurück blicken könne mit einem Lächeln.
Lionell gab im Schlaf ein leises murren von sich, er beugte sich herab und richtete seine Decke und streichte ihm kurz durch sein Haar, Es war ein langer, schrecklicher Tag gewesen, so einer wie er sich eigentlich geschworen hatte Lionell zu ersparen, aber wie ihm ihr tot gelehrt hatte, gab es Dinge auf die er keinen Einfluss hatte, vor allem wenn er die Beherrschung verlor. Tidus Falkenstein von Silendir war tot, die letzte fünf, sechs Jahre hatte er sich gefragt ob er ihn hasste, ob er ihn töten wollte, auch wenn er wusste das dies die Gefallenen nicht zurückbringen würde, oder ob er selbst nur ein Opfer der damaligen Politik gewesen war. Das Gespräch darüber würde wohl nun nie mehr stattfinden. Er fragte sich was wohl gewesen wäre wenn Kordian dabei gewesen wäre, hätte er ihn auf Sicht versucht eine zu verpassen, der Herzog wäre Empört abgereist und die Klinge im Kerker, all das wäre nie passiert. Aber wer konnte schon sagen was gewesen wäre wenn Kordian wieder bei ihnen gewesen wäre, vermutlich hätte er die Truppe aus der Stadt geführt und nicht auf die Gefägnisinsel, wo sie sollte die überrannt werden wie auf dem Tablett saßen.
Sachte schüttelte er den Kopf, er fing schon wieder an was wäre, wenn Spielchen zu spielen, und diese führten ihn meist an Orte an denen er nicht sein wollte. Er konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe und wachte über Cahiras und Lionells Schlaf.

Er hielt dem Kapitän eine Kiste hin in der einige schwere Rüstteile lagen :“ Könnt ihr mich dafür nach Prenne bringen?“ Fragte er damals noch mit etwas schnellerer Sprechweiße doch war jedweder Freundlichkeit und Klangmelodie schon verschwunden, seine Miene schon wie eh und je fest wie Stein, und gerade in dieser Zeit war ich kein Lächeln ab zu ringen. Der Kapitän des Handelskutters blickte irritiert auf den Inhalt der Kiste:“ Aber Herr, das ist Rabenstahl!“ Er erwiderte nichts und starrte den Kapitän einfach nur schweigend an, was wohl so viel wie: „Und weiter?“ bedeuten sollte. Nur eine knappe Stunde später legte das Schiff ab, er blickte zurück auf Ahmran, voll bedauern und Schuldgefühle, in dem festen glaube nie mehr dorthin zurück zu kehren.
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