Fehlende Farben - Ein Schritt ins Leben
#1
Vom Regen in die Traufe?

Mit mürrischem Blick betrachte ich die Fassaden Löwensteins. Hässlicher, als ich sie in Erinnerung hatte, ragen die hohen Gebäude bis in den Himmel empor und die geworfenen Schatten bilden dunkle, unheilvolle Gassen.
Es stinkt nach Pisse und verwesendem Fleisch und doch fülle ich meine Lungen mit dieser abartigen Luft und ergötze mich kurz, so paradox es ist, an dem Leben welches in diesem Geruch inne wohnt.
Doch betrachte ich nicht nur die Fassaden, die das Innere der Häuser vor neugierigen Blicken schützen sollen sondern auch eben jene, die die Menschen aufrecht erhalten. So wie...

...Masken.
Voller Glanz, mit und ohne Stil, wie Schutzschilder getragen um nach Außen zu verbergen, was in einem vorgeht.


Es ist lange her, dass ich das letzte mal einem Menschen begegnet bin. Meine Zeit in den Höhlen und Wäldern war einsam aber notwendig und wenn ich eines nach den letzten Monden gelernt habe dann die Lektion, dass die Psyche eines Menschen unter ständiger Einsamkeit leidet und man ein grotesk verzerrtes Bild von der Realität bekommt. Ein schwächerer Geist wäre längst gebrochen, verrückt geworden oder, weniger schlimm, gestorben.

Die Dinge, die man plötzlich zu vermissen und schätzen lernt, mögen einem Stadtmenschen gar nicht einmal mehr auffallen.

Abfällig schnaube ich, als ich die ersten Stadtwächter wahr nehme. So selbstgefällig und in der Tristesse des Alltags verkümmert, als sei hier schon lange nichts mehr passiert außer der tägliche Trott einer großen Stadt, die zwar aus Stein ist, aber schon längst keinen richtigen Löwen mehr beherbergt.

Die ersten Bürger kreuzen meinen Weg. Ein paar von ihnen haben sogar die Zeit, mir ein beiläufig grüßendes Nicken zuteil werden zu lassen. Andere wiederum rennen durch die knietiefen Pfützen als würden sie sonst verpassen, wie die nächste Kuh auf den Acker scheißt.
Die wenigsten jedoch machen halt und bringen die nötige Höflichkeit auf, ihr Zwerchfell zu benutzen um ihre Stimme erklingen zu lassen, was mir nur recht ist. Hier hat sowieso nur jeder sein eigenes Lied zu singen, sein Leid zu klagen oder aber sein Gemächt auf den Tisch zu legen um damit zu verlautbaren "Seht her! Ich bin der Größte!"
Wahre Größe findet sich hier leider nur in sehr wenigen Personen wieder und selbst unter denen gibt es noch weniger, die sich nicht auf dem Ruhm alter Tage auszuruhen scheinen.

Ich ertappe mich dabei, wie ich in den Rinnstein spucke und ein heiseres Lachen entfährt mir.

"Wir Menschen sind so peinlich!"

Das Haus Jehann

Erstaunlich, dass man nach so langer Zeit noch wiedererkannt wird. Viel mehr noch erstaunt mich aber, wie willkommen ich zu sein scheine. Aber warum sollte man mich verschmähen? Ich bin ein Schwert, ohne Ansprüche und Trachten auf Land und Titel. Ein Vieh, dass mit etwas Futter schon zufrieden gestellt ist. Ein Werkzeug, dass unter der Führung der richtigen Hand auch das tut, was es soll.
Es gibt viel junges Blut unter den Dienern des Barons. Rohstahl, der in dem Feuer der Politik und der Schlacht noch geformt und verfeinert werden kann. Ich zähle mich gerne dazu, hat doch nun endlich jemand einen Nutzen für mich gefunden. Für mich, für den Mann, der sich selbst schon ein Dutzend und ein weiteres Dutzend mal aufgegeben hat.

Ordnung durch Führung.
Schenkt man dem Klerus Glauben, ist dies doch der Weg, Einklang zu finden. Das Chaos zu entwirren, welches in jedem Lebewesen tiefe Wurzeln geschlagen hat und es vergiftet und langsam vernichtet.

Gilt das alles auch für das Chaos, dass aus einem gebildeten Mann einen Misanthropen macht, der fast jeden Menschen so sehr hasst, wie er sich selbst verabscheut?

Und was bedeutet das? Einigkeit, Ordnung, Führung, Stärke, Frieden?
Und warum brennt die Sonne trotzdem auf meiner Haut?

Wenn dies der Weg ist, meine Seele vor dem Abyss zu bewahren, dann will ich meinem Lehnsherr treu folgen bis ich zur Läuterung gezogen werde...

Doch was, wenn nicht?
Darius Wroth - Feldarzt
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