Hauptmannsbuch
#1
Vidas Lippen waren schon ganz schwarz, weil sie auf dem Kohlestift herumkaute. Sie hatte sich ein Buch gekauft - eines mit leeren, reinen Seiten. Auf der ersten Seite hat sie folgendes geschrieben, und zwar in der unansehnlichsten Schrift seit Menschengedenken:

Ziel für Hohenquell: Mehr Bewohner.
Durch: Wohnraum, Sicherheit, Arbeit, Unterhaltung.

Sorgt für Sicherheit: Die Garde.
Elfie hat viele Namen für die Garde vorgeschlagen. Klingen alle sehr mächtig. Als würde man einen Hundewelpen Oberon Walther Drechsler von Südwald nennen. Aber ein Welpe kann zu einem großen, gefährlichen Wolfshund werden. Vielleicht machen sich die Leute, die mehr mit Worten anfangen können, Gedanken über den Namen.

Mitglieder der Garde: Gestern waren drei Wachen im ehemaligen Anwesen Hohenkliff und drei im Anwesen von Hohenquell. Vielleicht wird der ein oder andere gehen... dazu Aygo (ein Ravinsthaler! Obacht!) und Ron. Naradielle: zum künftigen Hauptmann ernennen, wenn alles fertig ist.

Sold der Garde: Nahrungsmittel, 10 Schilling im Mond. Vielleicht in Umgebung umhören, wie viel ein Leben in Candaria gerade kostet.

Sold für besondere Leistungen: 80 Schilling stehen zur Verfügung.

Rüstung: Derzeit Rüstungen aus Mondstahl, keine Schützen (bedenklich!) - am Appell erkundigen.

Übungen: Kühe umdrehen, Feuer löschen, kämpfen.

Vielleicht sollte Vida für jedes Mitglied eine Seite schreiben. Etwas für die Nachwelt. Was würde bei ihr stehen?
"Genoss keine richtige Erziehung in der Familie, erfand sich unsichtbare Feinde, gegen die sie kämpfte - wie eine grausame Druidin. Wurde dreimal geküsst. Gewann kein Turnier."
Sie schrieb einfach nur:

Hauptmann Vida, Wachmann des Grauwolf-Lagers und der Grauwolf-Pferdezucht in Candaria, trat den Dienst am 18. Nebelung 1401 an.
Sie seufzte und schloss das Büchlein... vorerst.
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#2
Nun hatte Vida den Beweis. Es lag an Candaria, dass sie sich einsam fühlte.
Auf den Straßen war niemand zu sehen und die Wendung "Und wenn sie die letzten Menschen auf dieser Welt wären" bekam in Bezug auf die Juren eine seltsame Wahrheit. Die Juren. Sie waren den Amrhanern viel ähnlicheur als sie dachte. In ihr Buch schrieb sie:

Jede Hilfe annehmen, die die Juren gewähren wollen. Aber nich zu abhängig von ihnen machen, viel zu groß ist die Gefahr, dass sie nicht kommen, wenn sie gerufen werden.
Im Gegenzug müssen auch wir ihnen beistehen, denn wenn auch sie ein Wort, das sie irgendwann geben könnten, brechen können, wir können es nicht.

Wichtige Regel im Umgang miteinander: Verbot von blauen und roten Kopftüchern. Dass der Baron von Hohenkliff kein Betrüger war, wollen wir vergessen, um des Friedens Willen. Vielleicht eine neue, gemeinsame Farbe finden. Alter Zwist muss abgelegt werden, er steht nur im Weg.

Sie vermisste die Grauwölfe.... sie waren ihre Familie, auf komische Art und Weise.
Es kam ihr vor, als triebe ihr Zelt allein in einer großen, weiten Ewigkeit dahin. Vida fühlte sich klein. Ein Gefühl, das sie nicht oft hatte. Was auch gut so war, denncsie mochte es nicht. Ob Adalbert sich auch so einsam fühlte...?
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#3
Der erste Appell war gelaufen und er war... er war... er war.
Wenn sie als Hauptmann das Haupt der Wache war, dann hatte die Wache jetzt einen Arm zum Kopf.
Ins Hauptmannsbuch schrieb sie:


Erste Befehle erteilt.
  • Die Lehensbulle ist nicht nur zu lernen und zu beachten - gegen sie darf niemals verstoßen werden, denn die Strafe wird für einen Wachmann härter ausfallen als für alle anderen.
  • Es darf weder gut noch schlecht über Blutquell und Hohenkliff gesprochen werden. Ist ein Wachmann jedoch in einer Situation, in der er etwas sagen muss, dann sage er: "Das Heute zählt."
  • Dem Waffenmeister Greifangers wird mit dem gleichen Respekt begegnet wie dem Hauptmann, den Juren des Stammes mit dem gleichen Respekt wie den Kameraden. Selbst wenn sie diesen Respekt nicht entgegenbringen.

Wachfest findet nach Umbau des Wachhauses statt. In Candaria muss so manches Fest gefeiert werden, bis Hohenquell anerkannt wird.
Mein Großvater stammt aus Nortgard. Mein Vater ist hier geboren, wird aber seither als "der Nortgarder" bezeichnet. Es half auch nichts, den Namen der Frau anzunehmen und so candarisch zu sein wie man nur sein kann. Er ist sowas von Candaria.

Anwesende Wachmänner:
  • Ron, Schütze
  • Aygo, Schütze
  • Adalbert - ihm drücken wir eine Wuchtwaffe in die Hand
  • Naradielle - künftiger Hauptmann, zweihändige Axt und richtige Rüstung.
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#4
Keine wütenden Bauern auf der Patroullie gesehen, dafür Ceras getroffen, der von einer Bäuerin mit einem Apfel beworfen wurde.
Lilya getroffen. Ein Mitglied des Stammes wurde ebenfalls angepöbelt, Lilya sagt jedoch, ein Jure habe den Mann nicht getötet. Ich habe keinen Grund, ihrem Wort zu glauben, aber auch keinen, ihm nicht zu glauben. Außerdem ist eine Armbrust keine typische Waffe der Juren, wie mir bisher scheint.

Lilya hat den praktischen, jurischen Ansatz vorgeschlagen, den Bauern den Schutz zu entsagen, wenn sie weiter herumpöbeln und unbeteiligte Leute angreifen.
So einfach ist das aber nicht.
Wir, die Wache von Hohenquell, haben die Pflicht -selbst wenn noch keiner von uns einen offiziellen Eid geleistet hat - die Menschen zu beschützen.
Wir können ihnen nicht einfach diesen Schutz verwehren und somit dieses Wort brechen, nur weil die Menschen Fehler machen. Dann wären wir nicht besser als ihre Mörder.
Sie sind unzufrieden, nicht weil sie gar einen Nachteil von einer großen Baronie hätten, sondern aus Angst vor dem Neuen. Angst wird mit Neugier besiegt. Ich weiß nicht...

... was ich tun soll. Doch Vida lässt den Satz einfach so stehen.
Sie musste den Totschläger des Bauern finden. Alles andere musste sie den Menschen überlassen, die klüger sind als sie. Und davon gibt es eine Menge.
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#5
Waffenübung in Greifanger. Anwesende Wachleute: Vida, Naradielle und Adalbert. Naradielle zweifelte die Übung an noch bevor sie begann, schlug sich dann aber sehr gut.
Die Arme tun weh...

... nicht so sehr wie die Gewissheit, dass Bertie irgendwann nicht mehr der wäre, der er ist.
Was nützt es, die Menschen in Candaria zu schützen, wenn man sie nur korrumpierte und sie so sehr veränderte, dass sie waren wie die Menschen überall? Oder noch schlimmer: Wie Ravinsthaler?


Leutnant Naradielle hat den Befehl bekommen, auf Fragen nach ihrer Herkunft zu lügen. Ob das so klug ist? Die Unwahrheit zu sagen macht die Dinge kompliziert. Komplizierter wird es aber, den Candariern klarzumachen, warum ausgerechnet der Ravinsthaler eine so wichtige Stelle in der Wache einnimmt...

Der Hauptmann der Stadtwache Löwenstein ist nicht erfreut über Naradielles Weggang und macht den Hauptmann der Hohenqueller Wache dafür verantwortlich. Vielleicht zurecht? Ich weiß es nicht, es ist mir auch egal. Naradielle wird die Sache regeln, sie kann mit Worten besser als ich.
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#6
Es ist...

steht auf der letzten beschriebenen Seite des Buches. Es wären noch viele Seiten Platz, doch sie bleiben leer.
Was ist es? Traurig?
Vida hatte das gleiche Ziel wie Elfie: Beide wollten eine Heimat schaffen. Vida hatte sogar angefangen, Candaria zu lieben. Sie!
Wobei, nein. Eigentlich hatte sie nur Hohenquell geliebt.
Aber sie war mit dem Abzeichen und dem Umhang der Grauwölfe umherstolziert. Es war einfach nicht richtig, die Menschen gegen ihren Willen beschützen zu wollen. Dachte man genauer darüber nach, war so etwas gar nicht möglich. Wenn in Hohenquell Vertrauen zur Wache gefasst werden sollte, dann musste sie gehen.
Sie konnte auch nicht über Misitia richten, denn dies lag in den Händen der Baronin.
Doch sie würde nie, niemals mehr an Misitias Seite stehen.
Nun war sie also wieder allein, ihrer liebsten Begleitung.


...gut.

Und so schloß sie das Buch und übergab es den Flammen.
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