FSK-18 Tagebuch einer Kurtisane - die zwei Schwestern
#1
Quelltag, 3. Gilbhart im Jahr 1401

Es ist nun schon eine Woche her, seit wir in Servanos Hauptstadt angekommen sind. Dort, wo laut vielen die Kundschaft angeblich Schlange stünde und auch genug Geld besitzt, um die verruchtesten Wünsche wahr werden zu lassen. Eine Woche, in der viel geschehen ist.

Als ich meinen ersten Schritt von dem Schiff machte, hätte ich niemals daran gedacht, dass so viel merkwürdiges und auch spannendes passieren würde - und doch war es so. Ich habe mir daher dieses Buch gekauft, um alles aufzuschreiben und nichts zu vergessen.

Meine Schwester Destina schläft noch, der gestrige Tag war einfach zu anstrengend für sie. Es ist immerhin nicht einfach, eine Kiste herumzutragen, die an sich schon mehr als ein ganzes Mannsbild mit Rüstzeug wiegt.

Die letzten drei Nächte verbrachten wir in einem kleinen aber lauschigen Abstellzimmer auf einem schönen und gut geführten Hof außerhalb der Stadt. Nachdem unser Gastgeber, ich werde ihn nicht namentlich nennen, uns jedoch freundlich aber direkt seines Hofes verwiesen hat, waren wir einen ganzen Tag auf Wanderschaft bis wir wieder zu unserer neuen Unterkunft fanden. Ohne Gepäck wirkte der Weg doch viel leichter.

Jetzt, nachdem wir hinausgeworfen, nein, mehr hinauskomplimentiert wurden, mache ich mir Gedanken dazu. Scheinbar ist Servano genau wie alle anderen Ländereien ein Ort an dem Gerechtigkeit nicht viel zählt. Denn nachdem wir unserem Gastgeber mit unseren Körpern dafür dankten, dass er uns in dunkler Nacht noch bei sich aufnahm, wurde er plötzlich sehr ruhig und still, obwohl er noch Augenblicke zuvor lauthals genießend brummte, als er meine Schwester und mich gemeinsam nahm. Als wir alle unsere Künste nutzten, um ihn zu befriedigen. Auf dem Tisch, unter dem Tisch, an der Wand... und viele weitere angenehme Spielereien der Lust, die vielen Frauen die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Und scheinbar war eine Abstellkammer, die sonst eh keiner nutzte, genug Bezahlung dafür, wo andere uns bereits Geld für mehrere Monatsmieten zahlten.

Sicher, er hat uns ausgenutzt, aber das war es wert. In vielerlei Hinsicht.

Mir fährt ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, welche Worte ich gleich schreiben werde, aber ich tue es.

Ich bin eine Hure.

Jedoch nicht aus Not, nein, mehr aus Leidenschaft und Freude an dem, was ich tue. Daher zählen meine Schwester und ich uns auch dem Stand der Kurtisanen zu, edlen und gebildeten Begleiterinnen des Mannes.

Ich erinnere mich an eine Unterhaltung mit einem charmanten älteren Hochwohlgeborenen der Stadt Löwenstein, in der er uns fragte, was uns denn nun von der gemeinen Hure auf der Straße unterscheidet. Eine Frage, die ich schon so oft hörte. Scheinbar rechnete er damit, uns in eine Fangfrage gelockt zu haben, doch musste ich nicht lang überlegen um ihm die Antwort zu geben.

Eine Hure bietet ihren Körper und Geist einem jeden Landstreicher und Gossenfürsten an, weil sie oft keine andere Wahl hat. Wie ich es bisher auf unseren Reisen hörte, umgibt sie dabei ein Gefühl der Angst, der Hilflosigkeit und der Verlorenheit. Auch genießen sie nicht den besten Ruf, da man sie scheinbar gerne mit ungepflegter Erscheinung, Krankheiten und sonstigem in Verbindung bringt.

Wir hingegen sind anders. Wir stellen hohe Ansprüche an unsere Kunden und uns selbst. Und diese bekommen dafür mehr, als sie sich erhofft haben. Denn wir haben die Liebe zu einer Kunstform erhoben und leben diese. Zudem können wir einem Käufer dabei stets gute Gesellschaft sein, denn durch unsere Bildung und Erziehung sollten wir eigentlich einen Platz in der höheren Gesellschaft besetzen, wenn es nach dem Willen unseres Herrn Vater gegangen wäre.

(Hier wurde die Feder scheinbar längere Zeit an einem Ort abgesetzt, da ein dicker Tintenklecks eine unschöne Unterbrechung des Eintrages darstellt.)

Mein Herr Vater. Als ich noch ein kleines Mädchen war, hatte ich immer gedacht, dass er Spaß machte, als er Destina und mir vorausorakelte, dass wir zu unserer Volljährigkeit an den mit dem meisten Geld verheiratet würden. Jedoch hätte ich es besser wissen müssen... denn mein Herr Vater war niemand, der gerne spaßte. Dort, wo andere Kinder spielten, mussten wir Benimmregeln lernen. Dort, wo andere Kinder Feste feierten, mussten wir Kassenbücher führen. Dort, wo andere Kinder Vergebung und Liebe für Fehler erfuhren, bekamen wir seinen Gürtelriemen zu spüren. Gnadenlos.

Unsere Frau Mutter unterstützte dieses wortlos. Nicht, weil sie es nicht wagte, sondern weil sie genau so dachte. Und schließlich gezieme es sich nicht für eine Dame ihres Standes derart aufbrausend zu sein und sich die Hände mit der Bestrafung Leibeigener zu beschmutzen. Ja, Leibeigene im Hause unserer Eltern waren wir. Nicht mehr. Und auch nicht weniger.

Zwar hatten wir durch den enormen Reichtum unserer Eltern immer alles, was wir brauchten und ständig mehr, als alle anderen Kinder, aber zu welchem Preis? Es wurde von uns erwartet, dass wir perfekt funktionieren. Zu jeder Tageszeit, zu jeder Nachtstunde. Letztendlich waren wir, Destina und Jael Wolkenstein, nichts weiter als Waren, die Eigentum des Handelskontors Wolkenstein waren, welche zu gegebener wirtschaftlicher Lage an den meistbietenden Kunden gehen würden. Ohne Skrupel.

Zum Glück gab es da noch unsere Großmutter, die uns stetiger Lichtblick in dieser kargen Kindheit war. Denn durch sie lernten wir, dass es außerhalb dieses glasgoldenen Käfigs noch andere Dinge gab. Dinge wie Freude, Liebe, Fantasie und Herzlichkeit. Auch wenn unsere Großmutter das Kontor an ihren Sohn weitergab, so war sie jedoch niemals so streng wie er. Sicher, andere würden sie für ihre Art am liebsten verdammen, da auch sie streng, unnachgiebig und überkorrekt war, doch war es bei ihr anders. Irgendwie.

Jedoch endete auch dieser Traum, dieser Strohhalm, nach dem wir griffen, und platzte wie eine Seifenblase, als ich meinen achtzehnten Geburtstag feierte.

Ich erinnere mich noch genau, als ich ein riesiges Geschenkpaket auf der Festtafel vorfand. Darin lag ein wunderschönes Kleid. Weißer Samt. Darauf waren mit Goldfaden eingestickte Ornamente, ich konnte sogar das Wappen unserer Familie erkennen. Perlen und kleine geschliffene Bergkristalle verzierten das wundervolle Kleid, welches passgenau auf meinen Körper zugeschnitten war. Enganliegende Schlaufenärmel sowie geschlitzte Elemente am Rock waren neben gekonnt eingestickten Wolleinlagen zum hervorheben der Brüste und flügelartigen Applikationen am Rücken noch zusätzliche Blickfange, die dieses Kleid alleine mehr kosten liess als manches Haus.

Ich war so glücklich. Meine Verwunderung, weshalb ich mit meinen Eltern alleine an der Festtafel saß, wurden zur Seite gespült, als ich es anprobieren wollte, dies jedoch verboten bekam und mein Herr Vater mir eröffnete, dass dieses Kleid mein Hochzeitskleid sei und ich nun artig folgen sollte, dass sie mir meinen zukünftigen Ehemann vorstellen können.

Eine Welt brach für mich zusammen, als 10 Jahre Androhungen plötzlich Wirklichkeit werden sollten. Ich folgte still, wie man es von mir erwartete und selbst, als ich nach einer kurzen Kutschfahrt den widerlichsten Mann meines Lebens sah, blieb ich ruhig. Er hatte Warzen, stank auf zwei Meter erahnbar aus dem Mund und auch, wenn er nicht dick war, nein, so war er so furchtbar ungepflegt. Und als er bei unserer Vorstellung in seiner Nase bohrte und seine Ausbeute in den Mund steckte, begann ich innerlich und äußerlich zu weinen, was meine Eltern ihm als Freudentränen versicherten.

Ich fühlte mich so unfassbar ängstlich, hilflos und verloren. Eigenschaften, die ich weiter oben den Straßenhuren zusagte. In diesem Moment unterschied sie nicht viel von mir, bis auf die Tatsache, dass ich eine Geldhure war, als meine Eltern von diesem Mann einen großen Beutel mit Münzen bekamen und das Anwesen verließen. Ohne mich. Und ich würde nicht einmal mehr erfahren, für wieviel Geld sie mich verkauft haben. War ich eine gute Tochter und teuer? Oder war ich eine Last an ihrem Leben und war billig zu veräußern, Hauptsache weg?

In dieser Nacht spürte ich, wie ein Teil meines Herzens starb. Ich wurde verkauft, an meinem eigenen Geburtstag. Doch entschied ich für mich, dass ich das nicht mehr wollte. Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich egoistisch sein. Und ich werde meine Schwester Destina davor bewahren, ohne ihren Willen wie ein Stück Ware verkauft zu werden.

Also floh ich. Es war nicht schwer. Ich liess alles behindernde hinter mir: Meine Kleider, den Schmuck, ja selbst meine geliebten Abendschuhe. Nur weg von hier. Das Anwesen meines "Gatten" hatte nur fünf Wachmänner, die trantütig Karten spielten und wenig auf ihre Arbeit gaben. Daher war es ihnen auch egal, als eine Tür ins Schloss fiel und mein einziger Fluchtfehler somit unbestraft blieb.

Ich holte meine Schwester von zuhause ab. Und wie es das Schicksal wollte, band uns auch ab dieser schicksalhaften Nacht nichts mehr an unser Elternhaus, denn unsere Großmutter verstarb in ebendieser Nacht und liess nur unsere strengen Eltern zurück.

Also brachen wir auf in ein neues Leben. Ein Leben, weg von unseren Eltern. Ein Leben, das wir schon immer leben wollten. Freudig, leidenschaftlich und vor allem frei. Wir haben die letzten sechs Jahre nicht bereut und werden auch die kommenden nicht bereuen. Denn auch, wenn der Krieg viele Männer mit sich nahm, gibt es noch immer genug, die ungestillte Sehnsüchte haben, die ihnen ihre Frauen und Gespielinnen einfach nicht erfüllen. Dafür sind wir nun hier.

Denn eines frage ich mich immer wieder:

Wenn Männer dafür bezahlt werden, Menschen zu töten, wieso ist es dann sündig, wenn wir bezahlt werden, Menschen Freude und Lust zu bereiten?

In Liebe,

Jael
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Je ne veux pas dire que je te l'ai dit, mais je te l'avais dit que tu m'aimeras -
alors goute le péché de ma peau.
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#2
6. Gilbhart im Jahre 1401

Die Schrift wirkt auf der nächsten Seite etwas größer und runder. Um die vereinzelten Tintenkleckse wurden drumherum Striche gemalt, damit sie wie Sonnen aussehen.

Du bist eigentlich Jaels Tagebuch, aber ich habe dich gemopst und werde dir auch meine Geschichten erzählen.
Ich bin böse, ich bin eine böse junge Frau, die Hand an sich legt und an ihre Freier und Freierinnen (Heißt das so? - * Jael fragen!). Was daran böse ist? Es macht mir Spaß, die weiche Haut zu berühren, meine Finger über ihren Körper tanzen zu lassen. Meiner Zunge die Gelegenheit zu geben zu schmecken, zu fühlen und herauszufordern. Jeder Mensch schmeckt anders, was nicht heißt, dass es gut sein muß, aber es ist faszinierend. Jeder riecht anders und verhält sich anders. Kurz vor der Extase zeigt jeder sein wahres Gesicht. Die einen Schreien, die anderen Stöhnen, es gibt auch Menschen, die sind dann total ruhig oder aber sie werden brutal.

Mein Körper ist in meinem Beruf zwar nur ein Instrument, was aber nicht heißt, dass sich meine Seele ausschließt. Jael und ich haben unterschiedliche Vorlieben. Ich mag es hart und schnell. Jael liebt es verspielt. Ich spiele auch, aber anders. Manchmal will ich einfach nur schreien: "Verdammt, trau dich endlich!" Die Menschen sind von uns fasziniert, die Gesellschaft findet uns abstossend. Aber die Erfahrung lehrt, die prüden und unscheinbaren sind die versautesten. Sie sind im Bett oder Tisch oder Stall, wo auch immer nicht mehr schüchtern, sie wissen was ihnen gefällt, sie wollen experimentieren. Und da komme ich ins Spiel. Ich bin ein böses kleines Mädchen. Ich bohre und dehne immer noch ein Stückchen weiter, keine Region des menschlichen Körpers ist mir fremd. Ich liebe es unterschätzt zu werden. Die Menschheit ist so blind und dumm. *eine kleine Fratze wurde hinter den Satz gemalt*

Während ich am Tisch sitze und schreibe bin ich nackt, so bin ich gekommen und oh ja, so werde ich gehen. Liebes Tagebuch, wie gut, dass du auf dem Tisch liegst und nicht drunter schauen kannst und frag bitte nicht nach meiner linken Hand. *die Schrift wirkt nun etwas verwackelt* Auch gestern war ich nackt, sowie Jael. Sie schmeckt gut, je älter sie wird, desto besser schmeckt sie. Ich sollte ihr das sagen, es wird sie freuen. Die Dame gestern konnte ich noch nicht probieren. Ihre Haut und ihre Lippen waren so weich und sanft. Ihre Hand auf meinem Hintern kalt und brutal. Sie hat wundervolle Brüste, so üppig, so warm mit harten Knospen. Ich wollte mehr, aber sie wollte nur zusehen. Der Kunde zahlt, der Kunde bestimmt. Also habe ich Jael zu einem Höhepunkt verholfen und der Dame sicher zu einem feuchten Höschen. Ich weiß, wie ich Jael am effektivsten befriedige. Ich habe zwar keinen Schwanz, aber meine Zunge und meine Hand haben sie noch nie enttäuscht. Wir werden die Dame wiedersehen und dann geht es hoffentlich weiter. Auf der anderen Seite freue ich mich aber auch schon auf den nächsten männlichen Freier. Männer sind auf ihre Art so perfide zu befriedigen, aber ihre Kraft, ihr animalischer Trieb lassen sie für mich doch unberechenbar werden. Tagebuch, du wirst wieder von mir lesen.

Liebe Jael, sei nicht sauer, ich kaufe dir, wenn wir das Buch hier vollgeschrieben haben ein Neues, versprochen.

Deine Destina *ein Herzchen wurde daneben gemalt*
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#3
Tag des Dienstes, 7. Gilbhart 1401

Ich bin froh, dass der heutige Tag nicht allzu hell und mehr wolkenverhangen beginnt, da mich mein Kopf sonst ins frühe Grab bringen würde. Frau Darandor sollte Recht behalten, dass ihr Honigwein wirklich von feinster Qualität ist, aber drehen tut sich trotzdem noch alles. Ich habe einmal wieder zuviel getrunken. Destina muss mich unbedingt davon abhalten.

Als ich heute morgen zu Sonnenaufgang zum ersten Mal aufwachte, erinnerte ich mich an einen merkwürdigen Traum: Ich war in einer Kirche und trug ein wunderschönes weiß-fliedernes Brautkleid. So viele Leute waren da um der Feierlichkeit beizuwohnen. Destina stand in einem grau-rosé-farbenen Jungfernkleid neben mir und grinste mir alles und nichts sagend zu. Vor mir stand der Prediger unseres Herrn und lächelte mir glücklich zu, da er sich scheinbar genau so freute wie ich, dass ich mein Glück fand und dieses nun besiegeln wolle. Ja, ich war so unendlich froh und verliebt, dass mein Herz vor Aufregung schlug wie die Hufe eines Rennpferdes. Und neben mir stand mein zukünftiger Ehemann: Eine Ziege. Und sie machte Mäh.

Dieser Anblick genügte scheinbar um mich aus den Träumen zu reißen und ich bin auch froh, dass er es tat. Ich will nicht wissen, was meine Fantasie und der Rest des Honigweines noch für verrückte Dinge in meinem Kopf getan hätten. Ich erinnere mich grob daran, dass ich mich recht peinlich beim Abschied von den Eheleuten Darandor benommen habe und Destina mir noch den Unterschied zwischen einer Ziege und einem Hermelin erklärte, was zuletzt schonmal wegen der Größe offensichtlich ist.

Doch genug von meinen Fehltritten, ich halte mich sonst noch selbst für unzurechnungsfähig.

Wenn ich mich umdrehe, sehe ich einen riesigen Haufen nagelneuer Kleider. Sie sind alle so wunderschön, ein Teil hübscher als das andere. Sie alle konnten wir uns dank einer großzügigen Kundin leisten. Und alles, was wir dafür tun mussten, war uns gegenseitig zum Höhepunkt zu führen, während sie uns dabei zusah.

Diese Stimmung war einfach romantisch, fast schon magisch. Der ganze Raum duftete nach feinem Lavendel und das Licht der untergehenden Sonne durch die leicht durchsichtigen Vorhänge liess Destina nochmals schöner aussehen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich langsam aber sicher meine Kleider verlor und die folgenden Stunden nur noch ein atemberaubender Sturm der Leidenschaft war.

Ich fühlte mich willenlos, ich sah alles um mich herum nur noch geschehen, konnte aber wenig dazu tun, da mein ganzer Körper wie in einem einzigen Moment der Extase gefangen war. Manchmal verfluche ich es, dass du alle meine Schwachpunkte kennst, Schwesterherz. Wie du mich mit mir spielend näher und näher an meine Grenzen brachtest und letztendlich jede Wehr zwecklos war, als mein Körper sich restlos der Leidenschaft hingab.

Ich denke gerne an diese Nacht zurück, denn sie war einfach perfekt. Und einträglich. 40 Schillinge waren wir unserer Kundin wert. Und ein wortloses Versprechen, wiederzukommen, sobald sie uns ruft. Und wir werden da sein.

Der gestrige Tag war einfach wundervoll. In vielerlei Hinsicht.

Denn zusätzlich zu dieser mehr als großzügigen Bezahlung, hatte ich seit nun über sechs Jahren einmal wieder das Gefühl, bei Menschen zu sein, die ich Freunde nennen kann. Ja, vielleicht bin ich tatsächlich zu naiv, aber es fühlt sich gut an.

Ich hielt die Aussage des Herrn Darandor, dass wir zum Tee bei ihm erscheinen sollen, anfangs für einen Jux, doch entschieden wir uns (hier ist ein Teil durchgestrichen und ausgeschwärzt) mit der noch verbleibenden Zeit des Abends etwas sinnvolles anzufangen und diese anzunehmen.

Warum, weiss ich nicht, aber er begrüßte uns wie langjährige Bekannte in seinem schön eingerichteten Geschäft und auch seine Frau liess nicht lange auf sich warten und begrüßte uns nach allen Regeln der Gastlichkeit. Ich weiss noch, dass ich zu Beginn verwundert war, da wir die Beiden erst einmal sahen, damals, als Destina fast ihren Hintern in den Stadtkerker gepoltert hätte. Aber ich weiss, dass du das alles für mich tust, Schwesterherz und ich würde das selbe für dich tun, Hauptsache es geht dir gut.

Wenn ich mich zurück erinnere, ist es sogar länger als sechs Jahre her, als wir zum letzten Mal gefragt wurden, was wir denn essen möchten. Zuhause gab es immer das, was auf dem Tisch stand. Und dann auch nur in kleinen Mengen, da wir als Töchter des Handelskontors Wolkenstein auf unsere Taille achten müssten. Es verwunderte mich daher nicht, dass das fürstlich anmutende Abendessen schneller verschwunden war, als es aufgetischt wurde.

Es gab frischen Joghurt mit Honig darin. Alleine diese Köstlichkeit gab mir mit jedem neuen Löffelchen das Gefühl greifbaren Glücks. Ich konnte nicht anders, als mir sehr lange Zeit dafür zu lassen, sodass ich fast den Hauptgang nicht mehr meistern konnte: Frau Darandor tischte einen gewaltigen Fleischkuchen auf. Feine Gewürze und genau abgestimmte Zeit im Ofen machten diesen zu einer Gaumenfreude sondergleichen. Es tat mir innerlich so leid, dass ich mich bereits durch die delikate Vorspeise derart gemästet fühlte, dass ich nur wenig von dem verführerisch duftenden Mahl hinein bekam. Manchmal wünsche ich mir ein wenig von deinem jugendlichen Übermut, Destina. Denn dort, wo ich bereits zuviel hatte, machtest du noch fleissig weiter. Genau wie bei dem Kuchen, der gegen Ende des Mahles platzraubend auf dem Tisch stand und alle mit seinem köstlichen Duft erfreute.

Und dann wurde der Zapfhahn des Fasses Honigwein geöffnet. Fatalerweise, denn ab diesem Zeitpunkt verschwimmen meine Erinnerungen an diesen Abend mehr und mehr. Es war jedoch gut, unter Freunden zu sein und sich gehen lassen zu können. Einmal. Ohne jemanden zu befriedigen.

In Liebe,

Jael
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#4
Liebe Jael,


verzeih, dass ich dein Tagebuch für meinen letzten Eintrag missbrauche.
Er soll auch nicht lang werden.

Richte Nara bitte meine Entschuldigung aus, dass ich an ihrer Haushaltskommode war, aber ich besitze keine kleine Kiste, die ich dir hinterlassen könnte. In der Holzkiste mit dem Fuchsfell liegen meine Habseligkeiten und Reagenzien, die ich für dich gesammelt habe.

Mit diesem Schreiben vermache ich dir das Erbe unserer Großmutter, welches ich kurz vor ihrem Tod bekam. Pass gut darauf auf, es ist schon sehr lange im Familienbesitz. Ich habe es aus Angst vor Verlust jeglicher Art versteckt. Ich habe dir schon davon erzählt, dir es aber nie gezeigt. Mache damit, was du für richtig hälst.
*daneben eine kleine Skizze eines Waldstücks mit Beschriftung und Richtungsanzeigen*

Ob ich noch lebe, wenn du diese Zeilen liest weiß ich nicht, aber ich werde mir die größte Mühe geben dann schon tot zu sein, er will es so.

Wir sind zusammen stark, alleine wirst du stärker sein. Du hast jetzt Freunde, du brauchst keinen Wegbegleiter mehr. Meine Arbeit ist getan.

Fühle dich geliebt und umarmt. *ein Herz ist daneben gemalt*

Deine Destina
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#5
Mondtag, 2. Lenzing im Jahr 1402

Das zuvor liebevoll geführte Tagebuch wirkt auf diesen Seiten stark verwittert. Regen, Kälte und Schnee haben ihr Werk sichtbar daran getan.

Ich kann es nicht glauben, dass ich schon vier Monate auf Wanderschaft bin und dich in all dieser Zeit nicht bemerkt habe, mein Tagebuch. Du bist eine leichte Last im Vergleich zu jener, die auf meiner Seele liegt wie ein Leichentuch.

Ich habe Wälder, Wiesen und Weiler durchquert auf der Suche nach der anderen Hälfte meines Herzens, aber ich war bisher erfolglos. Keine Wärme eines Mannes noch eines Herdfeuers vermochten mir seit deinem Verschwinden Sicherheit und Freude zu spenden. Wo bist du nur?

Ich lese deinen letzten Eintrag und weigere mich nach wie vor, die Worte, die dort stehen, zu glauben. Ich war schon oft versucht, diese Seite einfach herauszureißen und daran zu glauben, wenn ich mich schlafen lege, wache ich wieder auf und alles ist ungeschehen. Doch seit deinem Verschwinden - ich scheine wohl verrückt zu werden - höre ich so oft im Dunkeln eine Stimme. Sie scheint mich zu verspotten doch sobald ich versuche wegzuhören, klingt sie warm, weich und sanft. Und sie wohnt überall. In finsteren Ecken, in nebelverhangenen Wäldern und Auen und selbst in den tanzenden Schatten des Feuers.

Ich darf niemandem davon erzählen, sonst werde ich weggesperrt und sehe das Tageslicht niemals wieder. Doch war und ist es diese Stimme, die mich immer weiter getrieben hat, dich zu suchen. Und sie war es auch, die mir immer wieder Hoffnung gab, dass du nicht fort bist. Denn du wärst niemals so dumm. Mittlerweile weiss ich eines gewiss: Ich würde alles tun, wirklich alles, um dich wieder bei mir zu haben.

Ich vermisse dich, Schwesterherz. Dein unbeschwertes Lachen und sorgenfreies Sein, welches mir so oft half, die Vergangenheit zu bewältigen. Vermutlich würde es mir selbst jetzt helfen, meine durchgelaufenen Schuhe zu vergessen, doch die stechenden Schmerzen meiner wund gelaufenen Füße erinnern mich grausam an die Wirklichkeit.

Die Wirklichkeit... weshalb hast du mir nur nichts gesagt? Hast du wirklich geglaubt, ich würde jemand anderen dir vorziehen? Menschen, die ich erst seit einigen Wochen kenne? Wir haben fast unser gesamtes Leben miteinander verbracht, Schwesterherz. Alleine diese unfassbar lange Zeit sollte Antwort genug sein. Doch nein... ich verstehe deine letzten Worte bis heute nicht völlig.

Ein quer gezogener Tintenstreifen zeugt von einer Ablenkung der Schreiberin und hektisch wirkende Schrift folgt von hier an, die sich nur langsam wieder normalisiert.

Dort war sie wieder. Ich höre sie klar und deutlich. Der Hund des Jägers hat sie auch gehört.

Ich raste heute Nacht in einer kleinen Jagdhütte am Rande von Servanos Wäldern. Es war eine eigenartige Fügung, wie alles andere, seit ich beschlossen habe, mich dieser Stimme hinzugeben und ihr zu folgen.

Als ich heute nachmittag den Wald betrat, habe ich nicht damit gerechnet, dass die Dämmerung mich derartig schnell einholt. Ich hatte mich verschätzt und sah mich schon den bitteren Preis dafür bezahlen, als wie aus dem Nichts ein Hund aus dem aufkommenden Nebel auf mich zulief, zweimal bellte und artig an meiner Seite wartete.

Es sollte sich herausstellen, dass dieser Hund, sein Name ist Freiherr von Filz, zu einem Jäger gehört, der die prächtigen Wildbestände in dieser Gegend für den Thron überwachte und pflegte. Doch seit dem Feldzug Seiner Majestät kamen immer weniger Leute hierher. Die illustren Jagdgesellschaften blieben aus, die Bestandslisten stapelten sich und die königlichen Handwerker kauften keine Hornwaren mehr. Doch der liebenswerte ältere Jäger, sein Name ist Michel Riebenthal, nahm seinen Auftrag stets ernst und legt noch heute Listen an und überwacht die Wildbestände mit großem Respekt für das Leben.

Wenn ich in das wärmende Feuer der Jagdhütte sehe kommen mir Gedanken an die Kundinnen und Kunden aus Löwenstein. Wie oft wurden wir behandelt, als litten wir an einer Krankheit, die man heilen könnte. Und doch nahmen sie unsere Dienste gerne in Anspruch und verliessen uns zufrieden.

Ich frage mich, ob sich in den letzten Wochen etwas an meinem Aussehen geändert hat. Denn als ich mich Herrn Riebenthal als Gegenleistung für Kost und Logis anbot, lehnte dieser ab und sagte, dass es völlig normal sei, einer eleganten jungen Dame zu helfen. Danach lud er mich ein, sich an seinen Vorräten zu bedienen, bis ich satt bin und liess den Freiherrn von Filz hier, um auf mich aufzupassen. Seit langer Zeit fühle ich mich wieder zufrieden, ja fast sicher.

Die Wärme des bulligen Hundes vermischt mit dem sterbenden Feuer der Herdstatt wirkt einschläfernd. Und mein voller Bauch tut sein übriges dazu. Ich werde noch ein paar Scheite nachlegen und dann schlafen. Ich bin so müde.

Die folgenden Worte scheinen später im Halbdunkel hinzugefügt worden zu sein.

Ich bin aufgewacht, denn ich habe die Stimme wieder gehört. Und ich hörte sie einen Namen sagen.

Löwenstein.

Sollte ich dort wirklich etwas übersehen haben? Ich muss es herausfinden. Gleich zu Sonnenaufgang werde ich mich in Richtung Löwenstein aufmachen und meine Suche dort fortsetzen.

Herr Riebenthal sagte, dass man zu Sonnenaufgang von einem Hügel aus bis nach Silendir sehen kann. Ich freue mich schon, meine Heimat wieder zu sehen. Wenn auch nur aus der Entfernung. Ich werde daraus die Kraft für den langen Weg schöpfen.
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#6
13. Lenzing im Jahr 1402

Es war die richtige Entscheidung, nach Löwenstein zurückzukommen. Ich kann mich auf meine Gefühle verlassen, denn diese sagen mir, dass du hier irgendwo sein musst, Schwesterherz.

Es ist sehr früh am morgen und das langsam nachlassende Mondlicht ermöglicht mir noch genug Sicht zum schreiben, da ich sowieso nicht ruhen kann, bis ich dich endlich gefunden habe.

Ich muss dir zustimmen, denn Löwenstein sagt mir immer mehr zu, da wenig in dieser Stadt ist, wie es zu Beginn scheinen mag. Unter dem Deckmantel der edlen und weltoffenen Königsstadt verbergen sich zwei - wenn nicht gar mehrere - Gesichter, welche für Aussenstehende oftmals nicht sofort ersichtlich sind. Der Eindruck, dass die große Kathedrale Mithras' den Einwohnern alleine durch ihre Präsenz Respekt abverlangt mag wahr sein, doch habe ich nun schon oft genug erlebt, dass unter den Fassaden der braven Bürger so oft die reine unverfälschte Sünde lebt. Zu meinem Vorteil.

Meine Kunden dieser Nacht, ein äusserst nettes Paar, leben im Schatten der Kathedrale und sehen diese sicherlich täglich, doch sobald die Sonne verschwindet und die Dämmerung den Tag frisst, werden die Türen geschlossen, das Licht bis auf wenige kleine Flammen gelöscht und das wahre Gesicht des tagsüber so braven Bürgers offenbart sich in all seiner verdrehten Schönheit.

Der Abend begann sehr angenehm, denn ich begrüsste das Angebot einer Wanne voller warmen Wassers sehr. Das mit betörend duftenden Kräutern versehene Bad lockte mich regelrecht an, als ich die Kleidung ablegte und meinen von der langen Reise geschundenen Körper in diese unbeschreibliche Wonne sinken liess. Doch konnte ich diesen Zustand nicht lange frei geniessen, denn er war bereits Teil des Wunsches meiner Klienten für die heutige Nacht:

Die Dame des Hauses wünschte, dass ich ihren Mann vor ihren Augen verführe. Welche bessere Möglichkeit bietet sich da an, als meinen nackten Leib in einer Wanne vor diesem zu zeigen? Das schwache Licht zweier einsamer Kerzen reichte aus, um noch genau zu erkennen, was sich wo befand, jedoch nicht, um genauere Details auszumachen.

Als der Mann meiner Kundin sich gerade anschickte, meinen Rücken zu säubern, betrat diese in aufreizender Kleidung den Raum und wies an, dass er mich jetzt und sofort nehmen soll. Es dauerte tatsächlich nur einen kurzen Augenblick und ich war aus dem warmen Wasser gehoben und kniete vor ihm, bereit, seine verdorbensten Wünsche zu erfüllen.

Und dieser Mann war wirklich nicht von schlechten Eltern. Selbst nachdem er bereits seine Manneskraft nicht mehr zügeln konnte, konnte ich ihn nochmals überzeugen, weiterzumachen. Bis zum zweiten Mal. Meine Kundin war sehr zufrieden und gab mir ohne Verhandlungsversuche meinen Lohn von 18 Schillingen. Ein Zeichen guter Kundschaft.

Bald wird die Sonne aufgehen und ein weiterer Tag seinen Lauf nehmen. Doch zuerst bleibe ich noch hier liegen. Meine Kunden haben mich eingeladen, in dieser Nacht bei ihnen zu bleiben. Es ist in der Tat ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, dass ich gerade zwischen zwei Menschen liege, die einander lieben und doch so hemmungslos mit ihrer Lust umgehen. Und sobald die Stadt wieder von den ersten goldenen Sonnenstrahlen erhellt ist, werden die Masken wieder aufgesetzt und ich werde auf der Straße abwertend betrachtet. Besonders von jenen, die des Nachts bei mir waren und von denen keiner wissen darf, dass sie die Dienste einer Kurtisane erworben haben. Ein reizvolles Spiel.

Ich habe bereits eine genaue Vorstellung, wie meine Suche weitergeht, Schwesterherz. Doch dazu muss ich erst jemanden aufsuchen, den ich schon vor Monaten aufsuchen wollte.

Ich werde dich finden, koste es, was es wolle.
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