FSK-18 Menuett einer Schildmaid
#1
Es war mehr als nur Zufall gewesen, in Zeiten des Zweifels auf Ambriel zu treffen. Es ist ihr bewusst, dass es ein gefälliger Wink Mithras gewesen sein muss, dessen Wege manches Mal nicht direkt auffallen, und schon gar nicht seine Fügungen. Erst, wenn man ihn ganz beschreitet, den steinigen, unangenehmen Weg, und die Belohnung am Ende wie eine süße Frucht an einem heißen Sommertag genießt, erkennt man Sein Werk und ist zufrieden, vertraut zu haben.
Noch vor ein paar Wochen hätte sie sich nicht mehr träumen lassen, es überhaupt bis nach Löwenstein zu schaffen. Mindestens sieben Jahre ist sie nun aus ihrer Heimat fort gewesen, und Personen, die früher Freie waren wie sie selbst, sind nun Bürger und gar im Adel, oder bekleiden hohe Positionen in den Ämtern der Stadt.
Noch vor ein paar Wochen wäre sie lieber fortgerannt, als sich der Legion anzuschließen.
Noch vor ein paar Wochen hat sie Ambriel nicht gekannt.

Manchmal fügt Mithras, und der Mensch weiß es nicht. Als sie diesen jungen Mann, voller Zögern und Zweifel wie sie selbst, sah, hätte sie niemals gedacht, dass ausgerechnet dieses Treffen beiden genug Mut gäbe, um den Heimatweg fortzusetzen. Was an ihr bewirkt hat, dass er sich entschied, weiß sie nicht. Aber es war sein brennender Wunsch, Mithras zu Dienen um des Dienens willen, dieser selbstlose Wille, gewesen, der ihr die Augen geöffnet hat. Der ihr es leichter machte, ihren Entschluss zu fassen, all ihr Habe aufzugeben und ihren Willen und ihre Loyalität der Kirche zu vermachen.

Nun hat sie es getan. Ihre letzten Münzen sind der Kirche gespendet und bis auf einige wenige Kleidungsstücke und ein einzelnes Armband, gut versteckt unter Tüchern und Laken, ist alles verschenkt worden. Der erste Schritt ist getan. Ein stummes Dankgebet bringt Bewegung auf ihr Gesicht, ehe sie zum Abendhimmel sieht und zufrieden auflächelt.
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#2
Als Anwärterin hat sie nicht erwartet, andere Aufgaben zu bekommen als die solchen, die sie zu erledigen hat. Am Tage die Ausbildung, ist des Abends nicht mehr an Ruhe zu denken - jedes Fünkchen Licht, welches Mithras ihr in seiner Gnade schenkt, galt es auszunutzen. Mal hieß es, neues Holz für die Kirche zu schlagen, dann wieder, die Zimmer herzurichten und den Boden aufzukehren - ihre Hände waren schon vorher nie fein gewesen, wie die einer Dame, sondern rau von Arbeiten, für die sie sich nicht zu schade war, und somit war es kein Verlust, dass sie bald Schwielen mit Salbe einreiben musste von dem rauen Stiel der Axt oder dem splitternden Holz des Besens.
Doch bald war auch dies nicht genug. Sie hatte es schon bemerkt, als sie zum ersten Mal nach beinahe sieben Jahren ihre Stadt betrat - aus dem Alten Hafen und dem Armenviertel drängen sich die Ratten im nördlichen Teil der Altstadt, ihrer geliebten Heimat, und nun hatte sie Sorge zu tragen, das dem bald nicht mehr war.
Nachts, als Ambriel und die anderen schon schlummerten, schärfte sie also ihr Messer und schlüpfte in weiche Schuhe, den Umhang um ihre Schultern ziehend.

Als der Himmel sich langsam ob der Morgensonne erhellt, sitzt sie auf den Treppen vor dem Nebeneingang und summt eine leise Melodie, während sie weiche Rattenschwänze verflechtet. Obschon die Aufgabe an ihr und Ambriel zugewiesen ist, würde sie nicht im Traum daran denken, den jungen Mann dies tun zu lassen - zu hell brennt dafür das Feuer in ihm, und zu groß sind seine Träume.
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#3
Sie atmet kontrolliert aus, jedes Zittern ihrer Lippen verbergend, und auch das Schaudern des Körpers. Die Anstrengung erschöpft sie immer mehr, und man sieht es ihr an - schweiß rinnt ihre Schläfen hinab, und schon unlängst geht ihr Atem schnell und flach, egal wie sehr sie sich darum bemüht, dies im Zaum zu halten. Bei Mithras, ich wusste, ich bin nicht dafür gemacht...
Doch den Zweifel schluckt sie hinunter, vergräbt ihn tief in ihrer Seele in ein für sie nur allzu bekanntes Grab. Der Gedanke flüchtet sich zu Ambriels flammenden Augen, als sie miteinander sprachen. Es kommt ihr vor wie Ewigkeiten, als ihr eigenes Feuer sich an seinem Lodern entfachte und sie abermals beschloss, ihrem Traum zu folgen. Das Langschwert neigt sich gen Boden, und nur mit Mühe hebt sie es wieder an - das sie es mit Links führt, bereitet ihr keine Probleme, aber auch den schweren Schild am rechten Arm zu halten schon. Es wiegt schwer, die Ledergurte schneiden in ihr Fleisch, und sie kann dort das Zittern der Anstrengung nicht verbergen. Der Schild nimmt ihr die Bewegung und die Kraft, das Schwert effizient zu nutzen, es nimmt ihr schlicht den Atem. Und dennoch erlaubt sie sich nicht, beides einfach fallen zu lassen, um eine Pause zu machen. Als sie bis sechzig zählt, tritt sie zurück und entlastet endlich ihren Schwertarm. Der Schild geht vor, das Schwert waagerecht neben ihren Körper, bereit, zuzustoßen. Und dann, mit einem Ausfallschritt, das Schild zur Seite nehmen, den linken Arm vor... "Hah!"
Der unsichtbare Feind vor ihr wird in der Brust aufgespießt. Dennoch wäre sie in einer Schlacht nun tot, denn das Schwert entgleitet ihren müden Fingern und fällt klirrend aufs Pflasterstein des Übungsplatzes. Sie gibt ihre Haltung auf und gönnt sich erst jetzt eine bittersüße Pause, in der sie ihren Schild abnimmt und sich auf eine der Bänke niederlässt. Zum ersten Mal ist sie froh, dass niemand sie gesehen hat. Eine Schande, und doch, sie muss durch. Wenigstens die Grundübungen sollen in ihr Fleisch übergehen, ehe sie ernsthaft mit dem Rest der Novizen und Anwärter in die Übung geht. Der Gedanke an mitleidige oder belustigte Blicke ist schier unerträglich.
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#4
Es ist nicht so, als würde sie Undankbarkeit dem Mann gegenüber empfinden, welche ihr derartige Aufgaben gegeben hatte. Es ist aber auch nicht so, dass sie sonderlich zufrieden damit wäre, Listen über Nahrungsmittel zu schreiben oder jungen, aufgekratzten Mädchen darüber zuzuhören, wie viele Ratten sie schon getötet hatten. Seine Ehrwürden wird seine Gedanken dazu gehabt haben. Mindestens der, dass er sich nicht mehr darum zu kümmern habe - aber dieser Gedanke ist zu zynisch, sodass Theresia ihn sorgsam weglegt, um ihn später, im Dunkeln der Nacht, zu denken, denn dann würde niemand Anstoß an dem bitteren Lächeln nehmen, welches sie dabei zu tragen gedenkt.
Sie hat sich in den Garten der Kirche zurück gezogen, mit einem kleinen Schoßtisch, nicht mehr als ein aufwendigeres bearbeitetes Holzbrett, einigen Bögen Hadern und Schreibwerkzeug. Als sie die Hand zum Schreiben anhebt, zuckt sie sachte auf - am Unterarm zeigt sich noch immer ein straffer Verband, etwa eine Handbreit lang zieht sich darunter der Schnitt. Und dieser kurze Schmerz hebt ihre Laune merklich, ist er doch der Grund dafür, warum sie es Seiner Ehrwürden tausendmal nachsieht, dass sie sich um Brot und Ratten kümmern muss.
Der Abstieg in das alte Räuberversteck in der Miene war eine Lehrstunde gewesen, wie sie es sich nur wünschen konnte. Sie hat mit ihrem eigenen Leib gelernt, und jeder Fehler bedeutete mehr als nur einen Tadel.
Sie streckt ihren Arm aus und betrachtet den Verband, ehe sie auflächelt und dann doch zu schreiben beginnt. Vielleicht käme bald wieder die Gelegenheit für eine Lehrstunde.
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