Der wahre Glauben
#1

21igster Wandelmond


Was erlaubte er sich?


Dieser verrückte Jehann Patriarch, einfach in die Kirche zu kommen und mit einer offensichtlichen Respektlosigkeit die Worte der Priesterschaft durch den Dreck zu ziehen...und das auch noch VOR Zeugen?
Caspar hatte jedes Quentchen Geduld aufbringen müssen, um diesen Geck nicht sofort aus den Heiligen Hallen werfen zu lassen. Doch warum eigentlich? Bei jedem Anderen hätte er es getan. Nur weil dieser Jehann vor kurzer Zeit einen Adelstitel erungen hatte...erhob ihn das etwa über den Rest des Volkes?
In weltlichen Ansichten? Da stimmte es wohl. In Glaubensfragen? Wohl kaum. Vor dem Strahlenden waren sie Alle gleich, und niemand konnte das Verbrechen der Blasphemie einfach abputzen. Nicht einmal der elde Patriarch. Doch...

Warum tat dann niemand etwas?


Wie ein Stich hatte es ihn durchbohrt, ein nagendes Gefühl der Ungewissheit. Für einen kurzen Moment war er verdattert gewesen, bis er hatte zuordnen können, was geschehen war.

Zweifel.


Seit langer Zeit hatte er Diesen nicht mehr verspührt, doch nun fragte er sich tatsächlich...wenn dieser Mann tun und lassen konnte was er wollte, und nun einen Adelstitel als Schild vor sich hielt...Adel, welcher vor dem König und dadurch vor Mithras legitimiert war...
Konnte diese Tatsache dafür Sprechen, dass der eine Gott selbst seine schützende Hand über den Anführer des Jehann-Haushaltes hielt? War die Priesterschaft hier im Unrecht? Alle ihm bekannten Dinge und Fakten sprachen dagegen, doch seine sonstige Sicherheit war dahingeschmolzen.

Und so stand er nun hier, vor dem Grabe des Novizen Emanuel Liebrecht. Hier war Mithras ihm seiner Zeit erschienen, hier hatte er das erste Mal die Verbindung zur Gabe des Herren entdeckt. Das Feuer war an dieser Stelle in ihm entfacht worden...und hier würde er Antworten finden. Viele Priester waren verrückt geworden durch ihren Drang sich näher an das Feuer, welches die wahre Kraft Mithras darstellte, heranzubegeben. Caspar war sich dessen bewusst, doch der Eifer in ihm wuchs mit jeder Sekunde. Aus einem ledernen Gurt, wohl verborgen unter den Falten seiner tiefroten Robe, fischte der Priester eine Phiole mit klarer Flüssigkeit hervor. Das geweihte Wasser würde ihm, wie schon so oft, gute Dienste erweisen.
Geschickt und mit geübten Bewegungen begann er den Ritualkreis zu ziehen, und schon bald versanken seine Gedanken zwischen den Zeichen und Symbolen des Glaubens. Wie in Trance bereitete er die Liturgie vor, und dies aus gutem Grund: Seiner Zeit, als er dieses Ritual erlernt hatte, war es fast schon offensichtlich gewesen, wofür der Ritualkreis verwendet werden könne...Er war ein Tor. Eine Verbindung zu der Ebene des Elysiums, ein Fenster, um die Macht des Mithras zu kanalisieren. Und genau dieser Öffnung würde er sich nun bedienen.
Der Kreis war vollendet, schweifende Bewegungen seiner Finger fuhren durch die Luft, versuchten die feinen Kanten und Fugen zwischen den Wirklichkeiten zu erhaschen. Wie bei einem Stickwerk fügte er Fäden, gewoben aus der Macht seines Glaubens, zu einem Seil, einem netzartigen Gebilde...bis er fand, wonach er suchte.

Die Augen, welche Caspar vor Konzentration geschlossen hatte, wurden aufgerissen und mit einer ruckartigen Bewegung zog er mit aller Kraft die unsichtbare Schranke beiseite.

"Oh Mithras, strahlender Herr!
Ich, dein ewiger Diener, benötige deine Weisung! Schicke mir ein Zeichen, dass ich mich auf dem richtigen Weg befinde?
Hilf mir, die Wahrheit zu erkennen und den Pfad der vor mir liegt zu Erleuchten.
Mit meiner Kraft werde ich deine Gläubigen durch die Dunkelheit führen, doch bin ich nur ein einfacher, schwacher Mensch auf der weltlichen Ebene.
Die Welt liegt vor mir, doch ist sie voll mit den Verkörperungen des Abyss.
Oh Mithras, strahlender Herr!
Weise mir die Richtung!

Die heiligen Zeichen des Ritualkreises erstrahlten in gleißend weißem Licht, ein Leuchten, welches auch die Augen des Klerikers erfüllte. Starr stand er in betender Pose inmitten des Gebildes, dessen Macht die Dunkelheit der Katakomben illuminierte.

Stille.
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