Die Suche
#1
21. Hornung im Jahre 1401 n.M.

Die Gewänder, die ich dem Schneider für viel zu viele Silberlinge abgekauft hatte, passen nur leidlich, schlackern um meinen Körper wie eine viel zu weit gewordene Haut. Jedesmal, wenn sich mein Antlitz in einem Fensterglas, einer Wasserpfütze zu spiegeln droht, ziehe ich das elende Chaperon noch tiefer ins Gesicht, diese Vogelscheuche die aus mir geworden war, ignorierend, ich weiss ja, dass es sich als Junge besser reist, schlichtweg sicherer ist - es musste sein!
Doch es schmerzt, dass ich mein Haar abschneiden, und meinen Blondschopf in diese dunkle Masse aus Sepiaextrakt tauchen musste. Ich sehe furchtbar aus, doch erkennt mich niemand und die meisten nehmen mir den Jungen tatsächlich ab.
Ich werde dich finden Vater, ohne dich ist alles verloren.
Warum nur, hat dich die Fürstin des Hexenwerks beschuldigt, dich, der du doch der Gerechteste aller im Lande warst. Wieso half dir niemand? Oh Vater, ich sehne mich zurück zu der Zeit als wir am Kronensee unser kleines Leben lebten.
[Bild: moon22.jpg]

Du schenktest mir das braune Pferd, ich konnte es nicht mit mir nehmen, doch ist nichts wichtiger als dich zu suchen, unerkannt, dich nicht gefährdend, wer weiss, ob die Fürstin auch hier ihre langen Finger im Spiel hat.

Ich bin müde, meine Glieder schmerzen. Dass mich der Seemann kurzerhand über Bord warf, anstatt mich, wie verabredet an Land zu rudern war eine Schweinerei vor allen alten Göttern. Doch am schlimmsten war, dass mich dieser Mann am Ufer liegen fand als ich an Land gespült wurde.
Er kennt nun mein Geheimnis, wird er es für sich behalten?
Was, wenn er es weitererzählt?

Gestern fand ich Arbeit als Botenjunge, ich werde mich nun aufmachen und den Tag beginnen ... es soll viele Schmiede geben in Löwenstein, meine Hoffnung steigt Vater zu finden.
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#2
23.Hornung im Jahre 1401 n.M.

Nie hätte ich auch nur annähernd gedacht, dass es so anstrengend sein könnte in die Rolle eines Jungen zu schlüpfen. Abgesehen von der unbequemen Kleidung, den engen Hosen, der harten, ins Fleisch schneidenden Rüstung die ich tagsüber, meinen Körper verbergend, zu tragen pflegte sondern auch der ständigen Aufmerksamkeit die ich meiner Stimme und Gesten zu schenken gezwungen war.
Doch das Ziel heiligt die Mittel. Nach und nach lernte ich Menschen kennen, ja sogar solche, die mich in ihren Reihen zwar als einen der Niedersten aufnahmen, einen, der Stiefel putzend und Botengänge tätigend, ihren Schutz genoss. Ich wurde zu einem Mitglied derer, die sich "der Orden des Schwarzen Adlers" nannten, einer Gruppe ehrbarer Recken, allen voran Großmeister Therat, der im Südwald für Gerechtigkeit und Frieden zu sorgen schien.
Ich war der Laufbursche, der keines weiteren Blickes beachtet wurde, was mir somit sehr rechtens war. Somit baute ich mein kleines Geheimnis aus, hielt mich burschikos und frech, zeitweilen sogar vorlaut, jeglichen Zweifel an meinem wahren Geschlecht ausräumend, abseits von den anderen im Pferdestall schlafend, sicher gehend, dass mir keiner beim Umkleiden zu nahe kam.
Doch dann sah ich ihn am Hofe des Ordens, ihn, der mein Geheimnis kannte und ich erstarrte. Wer war er, wohin gehörte er? Trotz einer leisen, beruhigenden Geste auf meinen panischen Blick hin, hielt er sich von mir fern, ja ließ sich die nächsten Tage nicht mehr blicken. Ich werde auf der Lauer sein, gegebenenfalls fort sein, bevor man mich auch nur im Ansatz bloßstellen könnte.

Ich musste mich verteidigen üben, ziehe mit dem ersten und letzten Licht hinaus in den Wald, mich dort der quälenden Männerkleidung entledigend und übe geschwind und behände bis das Rapier geschmeidig in meiner Hand liegt.
Es wird noch dauern, bis es mein Leben schützen kann...
Ich werde üben...

[Bild: Nuit777.jpg]
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#3
26.Hornung im Jahre 1401 n.M.

Asmandur dort am Hafen anzutreffen, zog mir die Füße weg. Hatte ich doch ihn und Nortgard verlassen um Vater zu suchen, wissend, dass jedweder Kontakt zu uns den Tod bedeuten könnte. Niemand sonst soll in die Gefahren unserer Familie einbezogen werden, besonders nicht Asmandur.
Doch kenne ich ihn besser als jeden anderen, eher würde der Winter zum Sommer werden, als Asmandur von seinem Vorhaben ablassen, nun, da er mich gefunden hatte.
Er zog mich in seine Arme wie er es schon viele Male zuvor getan hatte, mir nicht grollend, mich nach wie vor beschützen wollend. Er strich mit seinen Fingern durch mein dunkles, gefärbtes Haar, schmunzelnd sagend, dass er meine strohblonden Strähnen vermisse, es jedoch nichts ändern würde. Oh Asmandur.
Als seine Eltern starben, hatte Vater sich um ihn gekümmert, ihn das Schmieden gelehrt, wie einen Sohn behandelt. Wir hingegen verbrachten jeden freien Moment zusammen, jagten, lachten und vertrauten uns. Seine Küsse habe ich nicht vergessen, und dennoch...
Nun war ich ein Junge, alles hatte sich verändert nach Vater's Flucht.
Was soll ich tun? Ich darf sein Leben nicht in Gefahr bringen, oder etwa doch? Würde Vater es gutheißen?
Ich lasse ihn erst einmal ausschlafen, dort in dem alten Heuschober des Alten Hafens, heute Abend zeige ich ihm den Südwald.


[Bild: Asmandur_Doran.jpg]
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#4
2.Lenzing im Jahre 1401 n.M.

Sie schworen auf ihre Namen, ihren Orden, schworen mir, dass sie mein Geheimnis wahren würden. Ihre feinen Spürnasen hatten mich in die Enge getrieben, mir angedroht, aus meiner Haut Stiefel zu fertigen, wenn ich dem Orden nur ansatzweise schaden würde. Auf ewig hätte ich es vor ihnen nicht geheimhalten können, zu eng lebten wir auf dem Hof, es waren keine Kinder denen man Lügengeschichten auftischen konnte.
Mein Geheimnis würde gewahrt werden, doch der Preis dafür spielte sich im Pferdestall der Ordens ab, aus 30 Hieben wurden nur 10, doch noch nie in meinem Leben hatte ich derartige Schmerzen verspürt. Aryn ließ die dünne Rute in gleichmässig starken Hieben auf meinen Rücken fahren, immer wieder sauste sie hinab, meine Haut zerreissend, 30 Schläge und ich bin tot, hallte es in meinem Kopf... nach dem zehnten Hieb warf er die blutige Rute beiseite, reinigte und versorgte den Rücken, wickelte einen Verband um mich, ja er umarmte mich, wollte mich trösten. Er war lediglich dem Befehl des Großmeisters gefolgt, und jenen zu belügen kannte nur eine Sprache.
Ich verkroch mich tief in die Ecke des Pferdestalls, hüllte mich in eine Pferdedecke die Aryn mir gab und hoffte dass der Schmerz und die Tränenflut bald ein Ende hätten. Meine Stirn an die gekalkte Hauswand drückend, kühlte ich meinen hämmernden Kopfschmerz, die Arme um mich geschlungen versuchend, meinem elendigen Wimmern Einhalt zu gebieten.
Asmandur dürfte hiervon nichts erfahren, er würde es nicht einfach hinnehmen. Ich musste ihn davon abbringen, nur wie.. stechend waren diese Gedanken die durch meinen ohnehin schon gemarterten Kopf schossen. Asmandur durfte mich so nicht sehen, und ich zog mir die Decke weit über den Kopf, mich vor ihm und der Welt versteckend.

[Bild: 2044.jpg]
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#5
4.Lenzing im Jahre 1401 n. M.

Der Schmerz, den mir mein Rücken bereitete, war nicht dass, was mir Pein brachte, nein, es war die Schmach, die mir zuteil geworden war.
Strafe? Nun, Strafen kann man mit vielerlei Maß, aber den zarten Körper einer Frau bluten lassen, war ein Maß, an das mich nicht werde gewöhnen wollen.
Vater war ein harter Mann, nur hätte er gesehen, was mir zugestoßen war, hätte Aryn seinen Schmiedehammer zwischen den Augen gefühlt.
Asmandur und ich kamen überein, dass dies nicht der richtige Platz für uns beide war. Das Vertrauen war hinüber, lieber arm und obdachlos als inmitten einer Horde grober Wesen, die ihren Respekt untereinander nur mit harter Hand aufrecht erhalten konnten.
Wir erreichten bei Anbruch der Nacht das Armenviertel Löwensteins, suchten einen Unterschlupf, wanderten von einer ärmlichen Hütte zur anderen, in der Hoffnung eine leerstehende zu finden, doch ohne Erfolg.
Schliesslich erkoren wir den kleinen Heuschober als unser Heim, richteten uns auf dem Heu ein und betteten unsere müden Körper zur Ruh.
Morgen ist ein neuer Tag, wir werden schon irgendwie zurecht kommen, beinah schon freute ich mich darauf, denn mit einem Mal, erschien alles leicht, hier mit ihm und mit seinem Kuß auf meinen Lippen.
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#6
6.Lenzing im Jahre 1401 n.M.

Wir durchstreiften den schäbigsten Teil Löwensteins, das Armenviertel. Schmutzige Gassen, Ratten, die Leute warfen ihren Dreck aus dem Fenster, dem anderen direkt vor die Füße. Kleine dicht aneinander gedrängte Hütten aus dünnem Holz prägten das Bild des Viertels. Und genau dort am Rande dessen entdeckten wir eine verlassene Heimstatt, die Dielen brüchig, teilweise die blöße Erde preisgebend, die Mauern alt, die Fenster zerschlagen, und doch hatte es etwas, was uns wichtig war, eine Tür die wir verschliessen könnten, und diesen Ort zu einem Heim machen, etwas, was wir beide brauchten.
Wir sahen einander an und nickten uns zu, versuchen könnte man es..

[Bild: Huumltte.jpg]
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#7
8.Lenzing im Jahre 1401 n.M.

Die Götter hatten uns zum Hause der Eulenruh's geführt. Ulrich, ihr Oberhaupt, stellte uns ein, zur Probe, für einen ganzen Wochenlauf.
Als Hauswächter, Kundschafter und Boten würden wir ihnen dienen können, als Mondwächter, dem alten Weg der Traditionen folgend.
Nach aller Schmach und Pein, nahmen wir dieses Angebot mit Freude an, lernten alsbald schon die anderen Familienmitglieder kennen, Walburga, die alte Frau mit der Sehergabe, Gorkon den Kellerer und Koren den Druiden.
Über dem Haus schwebte Frieden, ein unerwartetes Gefühl von Geborgenheit durchzog mich ein jedes Mal sobald ich die kleine heimelige Küche betrat.
Man merkte, dass hier Einigkeit herrschte, Einigkeit und Festigkeit, und ein Gefühl von Zusammenhalt und Vertrauen.
Asmandur und ich fühlten uns wohl bei den Eulenruhs, wurden gut behandelt und man gab uns bereits die ersten Aufgaben... die Wege der Kundschafter waren geheimnisträchtig und gefährlich, ein falscher Tritt und...
Ulrich zog mit uns im Lichte des Silbermonds durch das Land, uns seine geheimen Verstecke zeigend, voller Vertrauen uns einweihend, uns bereits als einen der Seinen betrachtend? Wir würden sehen.. die Woche war noch nicht vorbei, wir würden uns zu beweisen haben.

[Bild: owl333.png]
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#8
16.Lenzing im Jahre 1401 n.M.

Nun gehören wir zum Haus Eulenruh. Es tut gut, nach so langer Zeit einer Gemeinschaft zuzugehören, zu wissen,dass sie es gut mit einem meint. Ulrich Eulenruh, das Oberhaupt des Hauses, ist ein ernstzunehmender Mensch, jemand dessen Wort zählt und dem ich zu vertrauen beschlossen habe.
Asmandur macht sich gut als Hauswache, wir sehen uns nicht mehr so oft, viele Verpflichtungen halten uns voneinander ab, doch gelang es ihm bisher, mich doch abzufangen und mich heimlich zu küssen.
Ich weiss nicht ob der Herr das gutheissen würde, wir werden vorsichtig sein.

Auch ist mir weiterhin noch keinerlei Spur von Vater untergekommen, einzig weiss ich, dass er Nortgard verließ um mich und Asmandur zu schützen, den Dämon fortzulocken, an einen Ort, wo er uns nichts zufügen kann. Ich traue mich nicht, diese Geschichte niederzuschreiben, es könnte fatale Folgen haben, würde man das Tagebuch finden und lesen - und doch ist da der Drang alles aufzuschreiben... oh Vater, warum ist das nur dazu gekommen.

[Bild: -tagebuchs.jpg]
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#9
20.Lenzing im Jahre 1401 n.M.

Seit er mir zuraunte, er müsse einer "Spur" folgen, dachte ich nicht, dass es so viele Tage werden würden. Mit jedem Augenblick der folgte, wurde ich unruhiger, malte mir das alles Erdenkliche in den dunkelsten Farben aus. Hatte Asmandur womöglich Vaters Spur gefunden, war er ihm gefolgt, hatte er ihn gefunden und mit ihm den Dä...... ? Pures Grauen schüttelte mich, und doch musste ich Stillschweigen darüber bewahren. Niemand durfte davon wissen, niemand wegen der Torheit meines Vaters leiden.
Wie lange noch halte ich es aus zu warten, vielleicht sollte ich mich aufmachen und ihn suchen, doch nur wo???

[Bild: Asmanduralone.jpg]

Heute lernte ich einen Jungen kennen, nicht älter als sechzehn oder siebzehn Winter, seine Kleidung war so heruntergekommen wie auch sein Benehmen, und doch war da etwas, was mich ihm den Kuchen schenken ließ.
Ron, so nannte er sich, kannte Löwenstein bis in das letzte Schlupfloch hinein, ich bat um seine Dienste, mir jedes Versteck zeigend, würde ich ihm als Gegenleistung seinen leeren Magen füllen. Vater, wo steckst du, aber denke nicht, dass ich dich nicht finden werde!

Meister Eulenruh, ließ ich in dem Gedanken, dass ich mich im Rahmen meiner Kundschafterdienste für diesen Jungen interessierte, mehr darf er nicht wissen.
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#10
21.Lenzing im Jahre 1401 n.M.

Endlich brach sich das Licht wieder in meinem Locken und ließen sie hell schimmern. Wie fremd war mir das dunkle Haar gewesen, wie sehr erinnerte es mich an Aryn's Stock und all die Lügen die nun zum größtenteil ein Ende hatte.
Die Meisterin Kristin hatte sich meiner, mit Sepia gefärbten Locken angenommen, sie mit einem speziellen Mittel bearbeitet, so dass das Schwarz weichen und mein helles Haar zum Vorschein kam. Sie mischte noch etwas Farbe hinzu, um jedweden dunklen Schimmer zu entfernen, wusch es aus und als ich schliesslich in den Spiegel sah, sah ich mein vertrautes Ich, diejenige, dich ich endlich wieder sein durfte.
Einzig hatte sich Asmandur über die dunklen Locken gefreut, nun, wenn er mich wollte, dann so wie ich wirklich war und nicht anders.

[Bild: 20100920171135-b704cf43-cu_s9999x200.jpg]
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