FSK-18 Tausendundeine Nacht
#1

Die erste Nacht

Schrab ... schrab ... schrab... wie ein steter Tropfen klingt das leise Geräusche durch das Dunkel des Raums. Die Finger, welche das Messer halten sind lang und biegsam, Finger dazu geschaffen feine Muster zu weben, zierliche Knoten zu knüpfen. Doch diesmal halten sie das scharfe Messer, dessen blitzende Klinge sich tief in die harte, bräunliche Schale der Frucht gräbt. Der schwache Kerzenschein ist das einzige Licht, welcher die fleißigen Hände bescheint, der Mond verbirgt in dieser Nacht sein Gesicht.
Die ganze Nacht hindurch ist das leise, schabende Geräusch des Messer zu hören, der helle Laut wenn es die harten Schalen spaltet, das Rascheln der Ärmel, welche die geschmeidigen Handgelenk umspielen, wenn diese über das Holz des Tisches streichen.
Der silbrige Streif, welcher die Nacht vom Tage trennt, kündigt schon den Morgen an als die Hände in ihrem Werk inne halten. Eine hölzerne Schale steht auf dem Tisch, zwischen den Blättern und Früchten, den Zweigen, den Pilzen und allerlei Anderem, gefüllt mit der Hände Arbeit. Der süße Duft windet sich betörend durch die Luft.
"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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#2

Die zweite Nacht

Der Schein des Feuers lässt Schatten über die Wände tanzen, verwandelt die armselige Behausung in einen geheimnisvollen Ort der Nacht. Der schlanke Schemen einer Frau gleitet über die Wände, mal hierin, mal dorthin um am Ende nahe eines Tisches innezuhalten. Wie ein Schattenspiel greifen die Hände nach einer Schale und drücken diese an den Bauch. Ein Stößel wird vom Tisch genommen und in die Schale getaucht, zerreibt in ruhiger Beständigkeit den Inhalt zu feinem Pulver. Lange Zeit ist das Flackern des Feuers und der gleichmäßige Takt des Arms die einzige Bewegung dieses Schattenspiels. Ein Jeder, der von außen diesem Bild zusieht, vermag sich kaum der seltsamen, einschläfernden Faszination dieses Anblicks zu entziehen.

"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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#3

Die dritte Nacht

Wie dunkle Schwingen heben sich die feinen Brauen empor. Die Nasenflügel beben begierig bei dem schweren süßlichen Duft, der warm und einlullend aus dem eisernen Kessel emporsteigt. Ein Duft, der lang vergangene, tief vergrabene Erinnerungen aus der Dunkelheit wieder ans Licht zerrt.
Die weiche, geschmeidige Masse in dem Topf blähte sich langsam auf, biegt und wölbt sich wie ein bebender Leib um mit einem kraftlosen Blubb aufzuplatzen, die zerfransten Ränder nach außen zu werfen und sich wieder mit dem duftenden Brei zu vereinen.
Am Ende war nichts mehr von dem feinen Pulver darin zu erkennen als der zähe Brei in eine hölzerne Schüssel tropfte und nahe des Fensters ins Licht des Vollmonds gestellt wurde. Die kalte Nachtluft ließ ihn langsam erstarren.
In tiefen Atemzügen hob und senkte sich die Brust, die dunklen Locken fielen weich über die Schultern. Feiner Stoff, welcher die schlanke Gestalt umhüllte, wehte sacht im Nachtwind. Die Hand war an den Hals gehoben, die Finger strichen langsam über die weiche Haut der Kehle. Die Zeit verstrich ~ ein Zögern "Nur einmal....." verführerisch flüsternde Stimmen. Da streckte sie den Arm, die Fingerspitze tauchte leicht in die Schüssel und schimmernd wurde eine Linie gezogen die Kehle hinab bis hin zwischen die Rundungen der Brust. Ein zitternder Seufzer taumelte wie ein Nachtfalter durch den Raum "Komm zu mir …."
"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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#4

Die vierte Nacht

“Komm her!“ die dunkle Stimme ist rau und fordernd. Grobe Hände voller Schwielen fahren über weiche Haut, ziehen Spuren von Feuer hinter sich her. Das schrille Lachen einer Frau klingt von draußen herein, irgendwo weiter entfernt spielt eine Fidel und bellende Stimmen singen ein Lied, das selbst eine Hure zum erröten bringt. Hungrige Küsse bringen ihre Lippen zum bluten, ein Schrei vor dem Fenster, ein dumpfer Schlag und ein Körper fällt zu Boden. Was kümmert es sie, wer draußen stirbt. Sie lebt, ihr Körper bebt vor Lebendigkeit, windet sich vor Lust.
Kaltes Mondlicht zeichnet silberne Spuren auf ihren schweißnassen Körper. „Mehr, ich will dich verschlingen ..“ Das leise Wispern kriecht furchterregend unter ihre Haut, breitet sich aus bis es jede Nervenfaser durchdrungen hat und mit unbarmherziger, grausamer Lust stimmt es eine Melodie an, deren Töne ihren Körper willenlos zucken lassen.

"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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#5

Die fünfte Nacht

Ihr Körper ist wund, die Lippen zerbissen, der Mund so trocken wie die Wüsten Indharims. Welcher Tag ist heute, welche Nacht? Wie lange …. zu lange! Barmherziger Neumond, der ihr den Anblick ihres Körper, ihres Gesichts erspart. Blind tastet sie nach dem Hemd im Wust der Felle um sich herum um es ungelenk über den Kopf zu zerren. Die Kälte der Pflastersteine beißt in ihre Füße als sie sich tastend vorwärtsbewegt, dorthin wo sie vor …. zwei Tagen? … wo sie den Krug mit dem Wasser hingestellt hatte. So gierig trinkt sie in ihrem Durst, dass ein Teil des Wasser von ihrem Kinn die Kehle hinabtropft. Keuchend ausatmend setzt sie den Krug ab. Ihre Lippen brennen und vorsichtig streicht sie mit den Fingerspitzen darüber. “Dreifach verflucht sollst du sein!" Die leisen Worte kommen mit einer Inbrunst, die nur reinster Hass hervorbringen kann. „Hast du wirklich geglaubt du brauchst dich nur abzuwenden und ich bin fort?" Mit einem wilden Aufschrei presst sie beide Hände auf die Ohren, als in ihrem Kopf ein samtweiches, boshaftes Lachen erschallt.

"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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#6

Die sechste Nacht

Die leere Schale auf dem Tisch starrt sie an. Wo immer sie sich auch hinwendet spürt sie den Blick. Es war vorbei, sie hat getan was nötig war, Zeit es zu vergessen. Warum findet sie dann keine Ruhe, warum meidet sie der Schlaf. Dicht an dem schmalen Fenster bleibt sie stehen und blickt hinaus in die Dunkelheit. Ohne das sie es sieht, weiß sie, das hinter jeder Ecke der Tod lauern kann. Mit einem Frösteln schlingt sie die Arme um sich "Erinnerst du dich, wie ich dich gehalten haben? Du liebtest es, dich an meine Brust zu lehnen … ". Ihr Widerstand fällt zusammen noch bevor sie das erste Wort gesprochen hat. Hat er nicht Recht? Die Erinnerung türmt sich wie eine Welle hinter ihr auf und selbst als über ihr zusammenschlägt rührt sie sich nicht. Arme schließen sich um sie, pressen sie an die breite Brust. Sie spürt wie erregt er ist, wie sehr er sie begehrt, alles an ihr zu verschlingen droht. Die Schüssel hinter ihr fällt zu Boden, der letzte, schimmernde Rest darin ist verschwunden, zusammen mit der Kälte und der Dunkelheit. Zurück bleibt die Hitze eines auflodernden Feuer, in dessen Flammen zwei helle Körper eng umschlungen zerfließen wie Wachs.
Berauscht von dem schweren, süßen Geruch treibt sie dahin, hinaus aus dem Assam.

"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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#7

Die siebte Nacht


Es ist noch nicht genug. Sie hat es schon vorher gewusst und trotzdem gehofft – hat sie? Eine dunkle Locke fällt ihr in die Stirn als sie sich über die schwere Truhe beugt und einen kleinen Beutel hervorzieht. Auch wenn sie mehr Tänze verweigert als getanzt hatte, so wusste sie dennoch der Musik zu folgen. Glaubten jene wirklich, das wäre alles gewesen? Die feinen Brauen wölben sich, die vollen Lippen kräuseln sich in einem verächtlichen Lächeln, während sie den Faden zu einem filigranen Muster verwebt. Sein blutiges Rot wirkt schwarz in der mondlosen Nacht, doch die schmalen Fingern scheinen genau zu wissen, was zu tun ist. Der Samen, der sich in dem feinen Gespinst verfängt, schimmert nur einen kurzen Moment hell auf ehe er vom gleichen, dunklen Rot wie der Faden ist.
Mitternacht ist vergangen ehe sie ihr Werk vollendet hat. Nur noch eins ist nun zu tun. Auf dem Weg zu ihren Fellen streift sie ihre Robe ab und schlingt das feine Netz um ihre Hüften. Leise Worte voller Macht hüllen sie in eine Aura von Lebendigkeit und so versinkt sie in einen tiefen Schlummer. Der Morgen wird sie hinaus vor die Stadt führen, dass vollendet wird, was sie in dieser Nacht begonnen hat.


"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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#8

Die achte Nacht

Selbst die Nacht bringt keine Erleichterung, drückend und schwer liegt die Hitze auf der Stadt. Von draußen weht ein süßer Geruch hinein, zu süß, er hat den schmalen Grat zur Fäulnis schon überwunden. Jeder Schritt den sie geht lässt das dünne Untergewand an ihrer feuchten Haut kleben, jeder Atemzug ist wie ein Ringen um Luft.
Ein Mond ist es nun her, auch ihre Geduld ist nicht unendlich. Ein Mond Zeit, dass ihre Macht sich entfalten konnte. Ein Mond, den sie gewartet hat. Nun wird sie auch bis zur Dämmerung warten können, bevor sie nach Osten aufbricht.
"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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#9

Die neunte Nacht


Sie beugt sich herab um die Blüte zu pflücken als es sie kalt durchfährt. Da ist er, der Moment, auf den sie schon solange wartete. Der Moment, wo es beginnt – es wieder beginnt. Reglos steht sie dort auf der Wiese und genießt den Augenblick. Die Sonne brennt heiß herab, Bienen summen träge von Blüte zu Blüte und aus dem Wald hört man das schläfrige Zwitschern von Vögeln. Aber all dies ist Nichts, nicht mehr als ein Schatten vor dem Gefühl der Kälte, welches langsam in ihr aufsteigt.
Ihr Lachen klingt weich und melodisch auf. Es ist richtig gewesen zu warten, manche Gerichte entfalten ihren höchsten Genuss erst, wenn sie kalt zubereitet werden.
~~~~~

Nicht mehr lange und der Mond wird voll am Himmel stehen, sie spürt den Sog seiner Macht in ihrem Leib. Die Unruhe lässt sie nicht los, immer wieder huscht ihr Blick zu dem Korb, der Sichel … eine Spur von Zorn huscht über ihr Gesicht als sie sich einer anderen Sichel erinnert. Kleiner als diese war sie gewesen, zierlicher - im Mondlicht hatte sie wie flüssiges Silber geschimmert. Umso leuchtender war das Rot darauf gewesen beim letzten Mal…

"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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#10

Die zehnte Nacht

Dinge von solch einer Macht lassen einen nie unberührt zurück. Sie weiß, wen sie herausgefordert hat, wem sie ihren Willen aufgezwungen hat und das es nie vergessen sein wird. Irgendwann, in einem unachtsamen Moment, wird sie den vollen Preis bezahlen müssen. Doch das ist … irgendwann. Was zählt ist das jetzt. Und da hat sie bekommen was sie haben wollte.
Sie erschauert als sie sich erinnert. Fast wäre sie entdeckt worden. Ein Jäger hatte in den Sümpfen gejagt und sie gesehen, umgeben von den Flammen. „Leichtgläubig und dumm!“ Sie zuckt zusammen als die boshafte Stimme direkt hinter erklingt, fährt herum, aber da ist niemand, da war niemals jemand. „Wäre er es nicht gewesen…“ sie lässt den Rest des Satzes offen. Die Boten waren ausgeschickt und würden nicht eher ruhen, bis sie ihren Auftrag erfüllt hätten. Für einige, für wenige würde der Sumpf in der nächsten Zeit um ein vielfaches gefährlicher sein.

"Stell dich tot! Oh, Verzeihung..."
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