Das grüne Messer
#1
Es ist spät geworden als er Löwenstein endlich erreichte und der fahle Mond sein kränkliches Licht über die teils verfallenen, verwahrlosten Baracken des Armenviertels warf. Was für ein wunderschöner Anblick…., ging es ihm durch den Kopf während er nahezu geräuschlos durch die schlammigen, dunklen Gassen spazierte und sich in die Schatten schmiegte wie an einen jungen geliebten. Er zog den giftgrünen Mantel ein wenig enger und gab sich einen Moment lang den Geräuschen hin die ihn umgaben. Die Huren, die ihre Körper den Freiern feilboten, die jungen Gecken und Schläger die in kleinen Banden durch das Viertel zogen wie streunende Hunde und über alldem hing der modrige Geruch von brackigem Wasser und der süße Duft von verrottendem Unrat. Die Welt war in ihrem Kern erkrankt und hier, genau hier brach diese Krankheit wie eine eitrige Wunde an die Oberfläche, er liebte es.
Das leises Klicken des Schlosses sperrte einen Großteil der Geräusche aus und er lehnte den Rücken seufzend gegen das kühle Holz der Tür. Die grünen Augen sahen sich im noch spärlich eingerichteten Raum um, den er vorrübergehend sein Zuhause nannte. Mit ruhigen Bewegungen öffnete er den Mantel und hing ihn an einen schief aus der Wand ragenden, rostigen Nagel. Im Anschluss begann er sich aus seiner ledrigen Rüstung zu schälen, die klingen die er in den Nischen und Halterungen eingelassen hatte reihte er sorgsam auf der großen, verzierten Truhe auf, Dolche, Messer, Wurfklingen sie alle waren klein unscheinbar und frisch geschärft, Aki hatte einmal mehr wundervolle Arbeit geleistet.
Er schlüpfte in ein leichtes, offenes Hemd und eine schlichte lederne Hose und schob eines der kleinen Messer in eine kleine, im Bund eingearbeitete Nische, dann streckte er den Körper auf dem provisorischen aus Fellen bestehenden Schlafplatz aus. Einige Zeitlang lag er einfach da und lauschte den noch nachklingenden Schmerzen die seinen Schädel, das Schienbein und eigentlich seinem ganzen Körper, im Rhythmus seines Herzschlages durchzogen. Für die nächsten Tage, oder wohl eher Wochen hatte er mehr als genug zu tun. Aufträge gab es reichlich und der Gedanke daran ließ ihn verträumt lächeln.

Lawin, Aki, Kennan, Kyron, nur einige Namen die wie Phantome durch seine unsteten, ruhelosen Gedanken geisterten. Er hatte beschlossen Lawin zu helfen, aber warum? Er machte keinen sonderlich harten oder rabiaten Eindruck er wirkt weder furchteinflößend noch brutal aber er war zielstrebig und besaß ganz offensichtlich ein gewisses Talent dafür Dinge zu organisieren doch das war es nicht, seine vermeidliche Schwäche, sein Zögern und seine Versuche die Dinge diplomatisch zu lösen würden schon sehr bald jene hervorlocken die ihre Chance wittern und aufbegehren, ihn herausfordern würden sie waren es auf die er es abgesehen hatte und er würde nichts weiter tun müssen als warten bis sie ihre gierigen Finger ausstrecken würden.
Als er einen Schmied brauchte, um seine inzwischen marode Ausrüstung zu erneuern, suchte er den einzigen auf den er kannte, Aki. Ihre Begegnung war durchsetzt von Gewalt und Leidenschaft, in diesem Schmied war so viel zügelloser Hass, dass es ihn wie eine wabernde Aura umgab, war dieser Zorn schon immer da gewesen? Er konnte sich nicht erinnern doch je mehr Zeit er damals mit ihm verbrachte umso aggressiver wurde er, umso unberechenbarer und diese Wahnsinn, schien alles in seiner Nähe zu verzehren, Marie war das beste Beispiel dafür.
Ob er etwas mit Akis Wandel zu tun hatte? Bei diesem Gedanken musste er grinsen. Ob Wahnsinn ansteckend war…?
Und dann war da, Kyron…, hörte er sich den Namen laut aussprechen. Kyron…, wiederholte er ihn erneut und kostete die beiden Silben nachdenklich aus.
Ein Krieger, an sich nichts aufregendes, er hasste die Kirche, an sich nichts ungewöhnliches, er liebte viele Frauen, an sich nichts Verwerfliches.
Es war, als würde man irgendetwas direkt vor seinen Augen verstecken und er war einfach nicht in der Lage es zu sehen und es machte ihn wahnsinnig. Eine Stimme in ihm flüsterte ihm zu, sich von diesem Mann, diesem Krieger fernzuhalten, ihm ein Messer in den Rücken zu rammen wann immer er ihm den Rücken zuwandte und ihn zu vergessen. Aber warum tat er es nicht? Warum hielt er sich stattdessen in seiner Nähe auf, waren es all diese seltsamen Gestalten die in seinem Kielwasser umher schwammen?
Dieser Hexer, vor einiger Zeit in der Katz, der keinen Hehl aus dem machte was er war und mit diesen… Fähigkeiten prahlte und ihm nur um Haaresbreite durch die Finger schlüpfen konnte. Er unterhielt sich lange und intensiv mit dieser Frau, eine gute Bekannte von Kyron wie es schien, was wusste sie, was wusste er… auf jeden Fall mehr als er preisgab und dann heute… seine Schwester, eine Wirtin die Zähne, Finger und Ohren sammelte, seine Schwester, die ihn mit Wonne verstümmelte, seine Schwester die ihn begehrte wie das Feuer trockenes Heu.
„Sei froh das sie dir nicht zeigt was unser Vater ihr beibrachte“, dieser Satz, war wie Gift das Kyron in seine Gedanken träufelte, was könnte man diesem vorlauten, Ding schon beigebracht haben das sie zu mehr macht als einer eingebildeten kleinen Ziege die Meckert und um sich tritt. Mit einem gedrungenen Stöhnen schob er den Gedanken bei Seite. Kyron zu entführen und zu foltern würde wohl nichts bringen, seine Schwester schien aus einem ähnlichen Holz und vom Wahnsinn geküsst, hier würden Schmerzen ihn nicht weiter bringen.
Vielleicht sollte er ihn doch einfach töten…nur wer befriedigt dann meine Neugier?
Was tun, was tun. Er hatte sich von der Wirtin zurecht stutzen lassen, sich von ihr vor den Augen der Wachmänner verprügeln und besiegen lassen, es würde das richtige Bild vermitteln, zumindest solange Kennan sich nicht allzu sehr mit Aki befassen würde. Sollen sie mich belächeln auf einen Gaukler achtet niemand, denn er ist harmlos und einfältig.

Mit einem missmutigen laut legen sich seine Hände flach auf das Gesicht und reiben verdrossen darüber hinweg. Er würde sich wohl in Geduld üben müssen, in der Regel kamen die Antworten ganz von allein wenn man nur wartete und die Augen und Ohren offen hielt.
Zunächst heißt es jedoch sich diesen Onkel einmal genauer anzusehen….
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