Hammer und Amboss - Aus dem Leben eines Schmiedes
#11
Kapitel III - Taranis

Die Tage ziehen ins Land und Aki hat das Gefühl, die Götterstatuen starren ihm fordernd in den Nacken. Und das, obwohl der ungeduldige Gott noch nicht einmal dargestellt wurde. Taranis, Aki's vierter Schicksalsgott. Er würde sein nächstes Werkstück sein. Die wenigen Stunden, die er sich in Ruhe in seinem Laden in Rabenstein zurück ziehen kann, nutzt er für die Steinkunst. Die Skizze hat er bereits gefertigt, dafür reichen ihm die Stunden, die er bei Orestes verbringt, wenn jener noch Aufgaben erledigen muss.
Wie gewohnt stellt er sich den Steinamboss zurecht und plaziert das ausgewählte Stück Basalt darauf. Er selbst lässt sich auf einem Hocker nieder. Die Skizze in sichtbarer Nähe plaziert, macht er sich mit Hammer und Meisel an die grobe Vorarbeit. Während er konzentriert arbeitet, besinnt er sich auf die Charakterzüge, die Taranis nachgesagt werden. Er soll ungeduldig sein, wankelmütig und stürmisch. Seine Laune ändert sich manchmal so schlagartig wie das Wetter, oder umgekehrt, da er dafür zuständig ist. Die Gedanken an die Eigenschaften, finden auch bei dem Schmied und Steinmetz seinen Anklang.
Etwa einen Stundenlauf beschäftigt er sich mit den grob formenden Hammerschlägen und scharrt mit dem Meisel über den Basalt. Dann geschieht es – Taranis sei Dank – das sich die Ungeduld in die arbeitenden Hände schleicht und er gleitet ungewollt mit dem Meisel ab. Der Hammer schlägt mit voller Wucht gegen den Basalt und zerbröselt die Kontur unwiederruflich. Ein wüster Fluch entfährt ihm beim Abrutschen und erwächst zu einem rauen Brüllen, als er mit der Rückhand gegen die verdorbene Statue schlägt und sie auf dem Pflasterboden aufschlägt, wo sie an der schmalsten Stelle entzwei bricht. Wütend und unruhig wendet er sich von dem Trauerspiel ab und schnappt sich die Spitzhacke von der Werkzeughalterung an der Wand. Er macht sich in die Mine auf und bearbeitet mindestens einen Stundenlauf lang Gestein, bis ihm die Kraft soweit aus den Muskeln gezogen ist, dass eine Feinarbeit denkbar ist. Tatsächlich prickeln seine Finger überanstrengt von der schweren Arbeit und sehnen sich förmlich nach präzisem und filigranen Werk.
Er fordert einen rohen Brocken Basalt aus dem Lagerfass und plaziert ihn auf dem Amboss. Der zweite Versuch schreitet besser voran. Aki lässt sich nicht von seiner Ungeduld hinreissen und wenn er dazu neigt, zu angestrengt zu blinzeln oder ihm die Arme schwer werden, gönnt er sich eine Pause.
Die Taranis-Statue zeigt schließlich einen Mann, der von Sturm umgeben ist. Das Haupthaar ist mittellang und die Strähnen wehen zottelig im Wind. Ebenso zerrt eine Böhe an dem Bart, der ihm fast bis zur Brust reicht. Die schlichte Robe, die er trägt, liegt an bestimmten Stellen eng am Körper und zeigt den sehnigen Muskelpartien, die darunter verborgen sind, als wäre der Stoff nass. Eine Hand hat er zur Faust geballt in die Höhe gereckt und blickt grimmig und ungeduldig wartend drein. Die andere Hand hängt hinab und die Handfläche liegt fordernd offen, die Finger aneinander gedrückt. Zu Taranis Füßen sitzt eine Frau am Sockel, die soeben im Begriff ist, ihm einen Blitz zu reichen. Der Blitz ähnelt im Entferntesten der Klinge eines Klingenstabs, gezackt und scharfkantig. Neben der Frau schmiegen sich flauschige Wolken an die Statue, etwa drei an der Zahl.
Nach der abschließenden Pinselarbeit, hebt der Erschaffer die Statue hoch und sieht Taranis von oben herab an. "Du hast mich viel Geduld gekostet," ermahnt er den Stein-Gott, "Ab zu den anderen, leiste ihnen Gesellschaft." Er plaziert Taranis neben seinen drei Kollegen auf dem Wandregal und macht sich daran, die Werkstatt zu säubern.

[Bild: mouhmfko.jpg]
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#12
Kapitel IV - Bormo, Solis und Galates

"Wenn du deine Schicksalsgötter bildlich darstellen müsstest, wie würden sie aussehen?"
So hatte der Schmied den Kopf des jungen Stichmalers ins Grübel gebracht. Neben drei Göttern, die mit Aki's Schicksalsgöttern identisch sind, hat Ghalen Bormo, Sulis und Galates genannt. Aki kann zwar jeden der einundzwanzig in etwa zu ordnen, zumindest soweit sie für ein Handwerk stehen, eine Kunst oder den Krieg, aber er hätte kein Bild vor Augen. Aber gegen ein wenig Hilfe spricht nichts und manchmal bringen anderen Ansichten neue Ideen. Welches Schaffenswerk ihn wohl an Ghalen denken lässt, wird deutlich, als er sich mit Pergament und Kohlegriffel zurück zieht und die drei Götterstatuen skizziert.

Ghalen bezeichnet Bormo als wunderschönen, makellosen Mann mit langen Haaren. Er hofft, dass er dem Gott gerecht wird, denn als er die Feinheiten in das Gesicht meiselt, das von langen, seidigen Haaren umgarnt wird, blickt ihm zusehens ein bekanntes Gesicht entgegen. Wie ein Maler Striche zieht, so führt der Schmied am heutigen Tag den Meisel und lässt sich leiten. Schließlich taxieren ihn Gesichtzüge, die eindeutig Orestes ähneln.
Demnach besitzt Bormo ein ovales und symmetrisches Gesicht mit straffer Haut und hohen Wangenknochen. Die großen Augen besitzen einen sinnlichen Schlafzimmerblick und werden von makellosen, geschwungenen Augenbrauen umrahmt. Stirn und Kinn sind ebenmäßig und zeigen keinerlei Falten. Bormo besitzt eine gerade und schlanke Nase, wohl eine Stubsnase, dank der zarten Wölbung, die das deprimierend perfekte Gesicht vervollständigt. Nur die Lippen sind nicht so voll und weniger weibisch, als die des Mannes, der Aki im Kopf herum spukt. Sie wirken weniger prall und schmaler und sind geöffnet und gekräuselt, als würde Bormo ein hohes 'Oh' singen.
Aki ist erstaunt, als er über das steinerne Gesicht pinselt, das es ihm so leicht gefallen ist. Es ist ihm fast schon peinlich, denn wer die Statue betrachtet und Orestes kennt, wird die Ähnlichkeit erkennen. Wie viele Male hat er unbewusst jeden Fingerbreit des Gesichts gemustert und verinnerlicht, dass sich ein solches Abbild in sein Gedächtnis gebrannt hat? Immerhin kann ihm Bormo nicht zürnen, der Schmied hat in seinem Leben noch keinen schöneren Mann gesehen, Verhältnis hin oder her. Er erinnert sich an den Moment, als Orestes gefesselt und mit verbundenen Augen vor ihm lag, zappelnd und ängstlich dem Tod ins Auge blickend. Trotzdem luden die Lippen dazu ein, mit dem Daumen darüber zu fahren und die schlanken Muskeln spannten sich. Einen schönen Mann kann eben nichts entstellen.
Während Aki vergangenen Augenblicken nach hängt, arbeiten die Finger weiter. Er zieht Bormo ein maßgeschneidertes Wams an, mit feinen Stickereien und Perlen, wie es Barden tragen. Das Kleidungsstück ist am Hals offenherzig ausgeschnitten und lässt die Konturen der Schlüsselbeine und der Brustmuskeln erahnen. Im einen Arm hält er eine Harfe umschlungen, an der er mit den schlanken Fingern sanft zupft. Die Beinstellung wirkt verspielt, als würde er sachte im Takt auftreten. Passend dazu schmiegt sich ein Band mit Glöckchen um den Fußknöchel, der Fuß ist leicht auf den Ballen aufgesetzt.
Das letzte Detail, das nicht auf der Skizze fest gehalten wurde, manifestiert sich erst während des Schaffensprozess. Da der Fuß im Begriff ist auf den Sockel zu tippen, arbeitet der Steinmetz zarte Kreise auf den Sockel. Der Fuß steht in der Mitte des ersten, kleinsten Kreises, welcher von zahlreichen weiteren umrundet wird. Eben so, wie Wasser seine Kreise zieht, wenn man einen Stein hinein wirft. Passend dazu gestaltet er den Sockel nach dem Vorbild von ruhigem Wasser.

Er stellt Bormo zu den anderen Florgöttern ins Regal und, da er mit den Gedanken noch in der elementaren, natürlichen Welt ist, gleitet sein Blick zur Skizze des Florgottes Galates. Die Grübeleien fließen in die Statue ein, die er sich in den folgenden Tagen vornimmt. Die Galates-Statue besitzt keinen Mund und trägt eine faltige Robe. Die Gesichtszüge sind recht regungslos, zwischen entspannt und gleichgültig. Alles in allem ist die Statue recht minimalistisch. Galates hat ein dickes Bündel Bücher im Arm, das er fest an sich drückt. Die freie Hand liegt mit gestreckten Finger in einer andächtigen und schützenden Geste auf einem der Einbände. Den Sockel spicken Grabsteine, da Galates der Hüter der Verstorbenen ist.
Aki erinnert sich an den Vergleich zu Cois, den er gezogen hat. Seit Kurzem ist der Wächter des Rabenkreises Friedhofswächter und es erscheint dem Schmied passend, denn Galates ist auch einer von Cois' Schicksalsgöttern. Nur inwieweit er eine Verbindung zu Ghalen sieht, weiß er nicht. Vielleicht besitzt der Kerl noch eine Seite, die ihm noch nicht bekannt ist? Oder viele Geheimnisse.

Der dritte Gott, bei dem Ghalen sozusagen seine Muse war, ist Sulis. Als Finggöttin ist sie schwer greifbar und darzustellen. Sie steht für die Sonne und das Feuer, was Aki nur schwer in eine Statue einarbeiten kann. Nach reichlichem Überlegen kam ihm in den Sinn, ihr runenhafte Tätowierungen zu verpassen. Dazu arbeitet er erst die Statue soweit zu Ende, um die Runen als Vertiefungen in den Stein zu meiseln, als wären sie ein Teil des Körpers. Dabei arbeitet er Kreise in die steinerne Haut, die mit Strahlen auslaufen und kleine Sonnen darstellen. Abgesehen davon - nach Vorbild seiner Flammen-Tätowierung am Unterarm – setzt er die Haut der Statue in Flammen und ritzt Flammenzungen, als Ergänzung zu den Sonnen, in alle unbedeckten Hautpartien.
Sulis trägt ein lockeres, ärmelloses Kleid mit schönem Faltenwurf. Auf dem Arm hat sie ein Kind, das sie liebevoll und aufmerksam ansieht. Sulis erscheint dem Schmied sehr passend als Schicksalsgott für den Stichmaler. Er besitzt ebenfalls ein sonniges Gemüt und hat immer ein feines Lächeln auf den Lippen. Darüber hinaus besitzt er eine Neugierde, die keine Scheu kennt.

Die drei Götterstatuen, die bis zum Wochenende fertig gestellt wurden, finden ins Regal. Damit ist die kleine Gruppe bereits auf sechs Götter gewachsen.
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#13
Kapitel V - Artio und Morrigú

Er fertigt die Statuen für den Rabenkreis, also ist es nur fair, wenn ihm ein Druide dabei hilft. Seine erste Wahl wäre wohl Gwen gewesen, aber sie ist momentan in andere Dinge vertieft. Oder lässt sie ihn das nur glauben? Die Vergangenheit mit Rahel hat sie misstrauisch gemacht und vielleicht sogar Hass gesäht. Aki hat jedoch das Gefühl, dass sie ein paar Schritte aufeinander zu wagen, seit er in Rabenstein wohnt, sehr kleine, aber bestimmt nicht zu vernachlässigende. Die gelegentlichen Treffen, um sie nach ihren Schicksalsgöttern und deren Bildlichkeit zu fragen, hätten den Prozess bestimmt unterstützt.
Unbeabsichtigt hat er Cois dazu befragt, als der schweigsame Krieger die Statuen im Laden gesehen hat. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich den nächsten beiden Schicksalsgöttern des ruhigen Druiden widmet, Artio und Morrigú. Er würde Cois noch mehr Worte entlocken – ohne dessen täglichen Redekontingent zu überstrapazieren – und sein Glück als nächstes bei Koren versuchen. Womit könnte man den gottesfürchtigen Hüne sonst aus dem Haus locken? Aki verhofft sich, dass es so wirkt wie Honig auf einen Bären.

Die Tage sind verregnet und düster, die perfekten Vorraussetzungen, um sich in fordernde Arbeit zu vertiefen. In der Mine wird es kühler und Aki bevorzugt die Arbeit neben der Feuerstelle. Er hat wieder den Platz auf dem Hocker neben dem Steinamboss eingenommen und widmet sich einem neuen, soliden Brocken Basalt. Die Paarung von Hammer und Meisel, die von einem metallischen Klocken begleitet wir, wird lediglich unterbrochen, wenn der Schmied einen Holzscheit nachlegt. Als die Finger staubig sind und die Gerätschaft dadurch die Reibung an den rauen Händen verliert, fliegen die Stunden dahin und die Arbeit schreitet voran. Er hat einen guten Tag gewählt, denn seine Finger sind ruhig und gehorsam und die erste Statue formt sich langsam.

Aki ist gegenüber Artio, der Göttin der Jagd geteilter Meinung. Einerseits ist sie eine Jägerin, mit der Wildheit eines Raubtieres, fähig mit ihren blanken Händen zu töten. Auf der anderen Seite werden ihr aber auch große Geduld und eine Abneigung gegen Handwerker nachgesagt. Er wundert sich also nicht, dass sie ihm nicht nahe gelegt wurde. Zu Cois passt es aber und der Schmied ist ganz zufrieden damit, dass dessen Abneigung gegen die Schaffenden nicht sondlich ausgeprägt ist.

Als die Zeit voran schreitet und Artio sich im Stein festigt, zeigt sie sich als agile und zugleich muskulöse Frau. Sie trägt leichte, lederne Wehr, die aus einem Bustier und einem knielangen Lederrock bestehen. Der Rock besteht teils aus Lederstreifen, Tierhaut und Fellstücken. Ebenso wird ihr Torso von Fell verziert. Am Gürtel und um den Hals trägt sie Lederriemen, an denen Tierkrallen, Zähne und Federn aufgefädelt sind. Sie trägt keinerlei Waffen am Körper, steht angriffslustig und leicht breitbeinig auf dem Basaltsockel, barfüßig und die Hände zu Fäusten geballt. Ihre Mimik wirkt verbissen und selbstbewusst. Zu ihren Füßen steht die kleine Version eines Bärs, das auf zwei Beinen steht, sowie ein Wolf, der sprungbereit wirkt.
Auf Wangenpartie und Kinn trägt sie Bemalung, die sich am Stein nur minimal absetzt und T-förmig verläuft. Die Strichführung dabei ist leicht vage, als wäre dicke Flüssigkeit mit den Fingern verteilt worden. Artio's langes Haar ist zu einem zweckmäßigen Zopf geflochten, der die Haare streng zurück bündelt aber dennoch weiblich wirkt. Zuletzt verpasst der Erschaffer ihr ein straffes Lederband, das sich um ihre Wade schmiegt. Daran baumelt eine große, zottelige Rabenfeder, als eine Art Spielerei oder Botschaft des Steinmetz.

Morrigú indes tritt deutlich kriegerischer auf. Sie trägt eine perfekt sitzende Plattenrüstung mit einem weiblichen Harnisch und einem Visierhelm. Zu ihren Füßen steht ein Henkersblock auf dem Sockel, neben dem ein Mann kniet, den Kopf gedreht und den ungeschützen Nacken dargeboten. Um die Verbildlichung zu verstärken, trägt er Mann eine Glatze und besitzt kein detailliertes Gesicht. Seine Arme hat er seitlich um den Block geschmiegt, sodass die Hände nach vorne zeigen, die Handflächen dabei auffordernd nach oben gedreht. Morrigú, die Göttin des gewaltsamen Todes, hält beidhändig ein Henkersbeil parat.
Abgesehen von dem Beil ist sie mit einem Schwertgehänge geschmückt, das an den gepanzerten, aber weiblichen Hüften sitzt. Laut der Sagenkunde kann sie selbst die schwersten Wunden überstehen, wenn sie jemanden hat, an den sie die Verletzung übermitteln kann. Dieser Jemand ist der kniende, gesichtslose Todgeweihte, der sich der Göttin anbietet. Die Sage verbirgt sich in der Statue und wird nur dem aufmerksamen und geduldigen Betrachter erkenntlich. Sowohl unterhalb des Rippenbogens, als auch im Oberschenkel steckt ein Bolzen im Körper der Göttin. Die Munition hat den Panzer durchdrungen und die Spitze lugt auf der Rückseite von Bein und Torso aus der Statue. Auf gleiche Weise stecken zwei Bolzen in dem Körper des Mannes, exakt an den selben Stellen.

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#14
Kapitel VI – Nodons

Ein weiteres Gespräch mit dem Druiden Cois vergeht, dessen Nachnamen sich der Schmied bei bestem Willen nicht merken kann, das weitere Eindrücke mit sich bringt. Aber nicht nur, was Amatheon, Epona und Nondons angeht, sondern auch Neuigkeiten. Gwen soll angeblich die Nase aus ihren Studien recken, was dem Schmied sehr gelegen kommt. Außerdem verspricht das jüngste Vorhaben des Druiden eine interessante Arbeit. Der schweigsame Mann mit dem rabenschwarzen Haar will den Schrein in Stand setzen lassen, der in jüngster Zeit von Borkenviechern heim gesucht wird. Da lohnt es sich doch, dass der Schmied wieder unter die Steinmetze gegangen ist. Bis dahin steht noch mindestens eine Statue auf dem Plan.

Er macht sich an Nodons, da die Statue viel Arbeit verspricht. Nodons ist der Gott des Kriegertums und der Heilung. Der großgewachsene Gott trägt eine Rüstung, die jedoch keinesfalls prunkvoll wirken soll. Sie ist eher auf Funktionalität bedacht und unterscheidet sich darin von der Rüstung von Morrigú. Aki lehnt die Gestaltung der Rüstung an eine Lamellenrüstung an, wobei sich Leder und Metallplatten abwechseln. Die sichtbaren, zugänglichen Stellen sind demnach mit Metall bedeckt, das bereits Kerben, Dellen und Kratzer zeigt. Die Nieten und die sichtbaren Riemen sind nicht perfekt gesetzt und wirken so, als wären sie bereits das ein oder andere Mal repariert worden. Die Lamellenplatten überlappen und räumen dem Krieger dadurch Beweglichkeit ein. Die Beinrückseite ist, abgesehen von den Kniekehlen, von Leder bedeckt. Der Steinmetz deutet die Verarbeitung an, indem er feine Nähte in den Stein einarbeitet. Auch hierbei wurden teilweise kleiner Stücke von Arbeitsleder verwendet und zusammengenäht, zum Teil bereits geflickt.

Auch an den Innenseiten der Ober-und Unterarme blitzt Leder hervor. Die Stellen sind ersichtlich, da Nodons die Ellenbogen angewinkelt hält, um in der Rechten einen Langspeer zu halten und in der Linken einen Drachenschild. Der lange Schaft des Speers zeigt ebenfalls Zeichen von häufiger Benutzung, denn hier und da sind Kerben ins massive Holz geschlagen. Die Metallspitze der Waffe wirkt intakt, aber fleckig. Der Rand des Drachenschilds ist mit Lederhaut bespannt. Auf der Rückseite des Schildes wurde ein natürlich gewachsener Ast verwendet, der ausreichend gebogen ist, um ihn als Griff zu verwenden. Knorrige Vertiefungen und kleine Astlöcher verleihen dem Holz Echtheit. Um die Bemalung des Schilds realistisch darzustellen, meiselt der Steinmetz die Symbolik in die Schildoberfläche. Darauf ist ein Stab abgebildet, mit Flügeln am oberen Ende, um den sich zwei Schlangen winden. Der Ärztestab ist das allbekannte Symbol für einen Heiler und veranschaulicht die Hauptfunktion des Gottes.
Nondons Haar ist zweckmäßig und kurz gehalten, leichte Falten im Gesicht schaffen einen menschlichen Eindruck. Das Kinn hat er, ebenso wie den Blick leicht gesenkt, während die Augen wachsam offen sind und den Betrachter anblicken. Die Mimik besitzt zugleich einen treuherzigen und selbstlosen Zug.

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#15
Kapitel VII – Amatheon und Epona

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Gwen ist wieder aufgetaucht! Er hat die quirlige, rothaarige Vatin beim Weinfest gesehen und sie sogleich um einen Termin gebeten. Bis dahin ist noch etwas Zeit, die er für zwei weitere Statuen nutzen will. Es sind die zwei letzten Schicksalsgötter des Druiden Cois, ehe Aki einmal wieder die Vorlagen ausgehen. Grund genug Gwen aufzusuchen, vor allem da ein Großteil der ausstehenden Götter Finggötter sind. Teilweise hat er keine Idee, wie er sie darstellen kann, deswegen erhofft er sich viel von Gwen's Vorstellungsvermögen und Wissen.

Aber vorerst zu den beiden Ausstehenden. Amatheon ist der Gott der Saat, der Ernte und des Todes. Somit der Anfang und des Endes, sowohl in der Welt der Pflanzen, als auch des Lebendigen. Jedoch ist er als Florgott vor allem für die Pflanzenwelt zuständig und den stetigen Kreis des Lebens. Der Steinmetz stellt Amatheon als, in die Jahre gekommener Bauer mit kurzem, krausem Haar und Vollbart dar. Das Gesicht wirkt durch die Falten erfahren, aber auch freundlich und väterlich. Lachfältchen an den Mund- und Augenwinkeln unterstreichen den Ausdruck, sowie die hohe Stirn. Er trägt ein einfaches Gewand, welches die Brust freilässt. In einer Hand hält er eine Sichel, während der andere Arm einen Eimer umarmt hält.
Der Sockel ist mit Pflanzenranken, Blumen und Gras verziert. An Amatheon's rechten Bein lehnt ein Rad, das aus Ähren besteht. Das Rad besitzt vier durchgehende Speichen, die ebenfalls aus den Kornreben bestehen. Cois meint beide Darstellungen wären passend, weswegen der Schmied sie miteinander verflechten wollte.
Vor allem mit den Details des Gesichts, der krausen Haare und des Barts ist Aki lang beschäftigt. Ganz abgesehen von den Rad und den detailreichen Ährenknospen. So ist die Statue, die grundsätzlich recht einfach gestrickt ist, trotzdem eine Arbeit für zwei lange Tage. Die Arbeitstage enden erst, als das silbrige Licht des Mondes auf den Sonnenuntergang folgt und nurnoch der Geruch des Öls an die erste abgebrannte Fackel erinnert.

Die Göttin der Jagd und Reitkunst entfernt sich dafür von der klassischen Statuengestaltung. Ähnlich wie bei Branwen fordert das, in die Darstellung eingebundene Tier die meiste Feinarbeit. Epona thront auf einem Hirsch mit mächtigem Geweih. Die knorrigen Knochen bearbeitet der Steinmetz sachte und vorsichtig, da die Gabeln des Geweihs recht fragil sind und keinen harten Hammerschlägen Stand halten. Die Knopfaugen des Hirsches sind halb von den Augenlidern bedeckt, der Kopf ist gereckt und das Maul für einen rührenden Ruf geöffnet. Die Anatomie und Körperhaltung des Tieres wurde wahrheitsgetreu in den Stein umgesetzt und verrät die wachsende Erfahrung des Steinmetz.
Epona sitzt in entspannter Haltung auf dem Tier. Nichts an ihr schreit nach einer Jägerin, sie wirkt vielmehr wie eine Wanderin mit einem einfachen Überwurf bekleidet. Die Augen sind wachsam, aber die Miene wirkt sanft. Sie trägt ein gütiges, schwaches Lächeln auf den Lippen. Die Haare sind zu einem festen Zopf geflochten, der sich verspielt an ihrer Wange vorbei windet und auf der Schulter auf liegt. Dadurch verleiht Aki ihr etwas sanfter, mädchenhaftes. In einer Hand hält sie einen kurzen, knorrigen Wanderstab, der nah am Hirsch anliegt. Die andere Hand trägt ein Rufhorn, um das sich die Finger fest ballen. Epona's Ellenbogen ist angewinkelt und das Mundstück des Horns deutet zu ihrem Mund, als wolle sie das ergriffene Rufhorn alsbald an die Lippen führen. Es wirkt ganz so als sei Frau und Tier dabei zusammen einen Jagdruf abzugeben.
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#16
Ein weiteres Mal war die Forschung ein voller Erfolg. Diesmal zog es den Schmied dafür nach Löwenstein, wo er einen alten Kollegen, - den er gefühlt Jahre nicht mehr gesehen hat - Roderick Falkmar aus seinen Träumereien riss.
Die Arbeiten an der Klinge aus Damaststahl, die seit Grenzöffnung begehrt war, schritt so gut voran, als hätten die beiden Männer Jahrelang zusammen gearbeitet.
Es kam keine Diskussion auf, als Aki verkündete, dass er das Werkstück für gewöhnlich den Göttern dar bietet, um ihnen für das Wissen zu danken. Er kann sich noch an Zeiten erinnern, in denen Wissen rar gesäht war. Ein berüchtigter Schmied hat jahrelang Anleitungen gehortet, zum Leid aller anderen, engagierten Schmiede. Aki ist heilfroh, dass die Zeiten überstanden sind und die, damals unerschwinglichen Anleitungen mittlerweilen sogar in der Universität zu Löwenstein vertrieben werden.
Trotzdem gibt es immer noch unentdeckte Anleitungen und so viel Wissen, das den Meisterschmied reizt. Bestimmtes, ravinsthaler Wissen reizt ihn ganz besonders, aber er hat sich abgewöhnt, jede Nacht davon zu träumen und versucht sich auch zusammen zu reissen, um nicht dem nächstbesten Gardisten die Rüstung vom Leib zu reissen, um vielleicht der Verarbeitung auf die Schliche zu kommen.

Er legt Dankbarkeit und Demut in seine Worte, als er das Breitschwert mit der typischen Damastätzung, die besonders gleichmäßig und stimmig geglückt ist, auf dem großen Fels ablegt. Nur einen Satz lässt er mit der gewohnt rauchigen, baritonen Stimme erklingen, den Rest widmet er den beiden Schicksalsgöttern, die sein Handwerk behüten, stumm.
Noch immer wagt er es nicht mehr zu fordern. Er ist zufrieden mit dem, was das Handwerk ihm bietet und guter Dinge, wenn er in die Zukunft blickt. Trotzdem vergisst er die Tage nicht, an denen er das Schmieden leid war und den Hammer an den Nagel gehangen hat. Jahre sind seitdem ins Land gezogen und er kann nur hoffen, dass die Götter nicht nachtragend sind und er sich ihre Gunst erarbeiten kann.

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#17
Kapitel IIX – Gwynn und Mabon

Dem Schmied war Gwynn gewogen und er konnte sich kürzlich mit Gwen treffen. Sie begegnete ihm erfreut aber auch erstaunt, als er ihr von seiner Arbeit erzählte. Hat sein Wettkumpan vielleicht doch Recht? Ganz gleich wer nun die Nase vorn hat, die Idee hat dazu geführt, dass er ein, für seine Verhältnisse normales Gespräch mit Gwen führen konnte. Es hat ihn nicht unbedingt erstaunt, vielmehr beruhigt. Aber das Wichtigste war, dass sie ihm weiter helfen konnte.
Trotz des kürzlichen Umzugs, hat sich Aki wieder eine Ecke für die Steinbearbeitung eingerichtet. Das größere Haus und der deutlich großzügigere Ladenbereich bringt den Vorteil, dass man nicht mehr ständig Gefahr läuft, über eine Statue zu fallen. Sie waren überall und Aki frägt sich insgeheim, wie es sein wird, wenn alle einundzanzig plötzlich fort sind. Die wachsende Truppe motiviert ihn insgeheim. Natürlich will er nach der Zeit auch langsam zu einem Ende kommen, aber es graut ihm keinesfalls vorm Rest des Weges. Jede der neun verbleibenden Statuen hat ihre besonderen Reize, die es noch umzusetzen gibt.

Gwynn steht auf dem Plan, neben Morrigú und Nodons ebenfalls ein Gott des Kampfes. Jedoch liegt Gwynn mehr an der Kunst des Kampfes, sowie der Perfektion und Form. Deshalb kleidet der Steinmetz die Götterstatue in keine schwere Plattenwehr, sondern eine leichtere Kombination aus Ring und Leder. Gwynn ist vielmehr der Hüter der Tuniere als des Schlachtfeldes und Aki erwägt ihn als verspielten, flinken Kämpfer. Der Kämpfer trägt – wie es in Tunieren Pflicht ist – einen Helm. Aki wählt einen Nasalhelm, der das Gesicht noch problemlos erkennbar macht. Gwynn's Züge wirken heiter und amüsiert, die Wangen sind angehoben und der Mund leicht geöffnet, wie bei einem Lachen. Die Augenwinkel und Mundwinkel sind zusätzlich von Lachfältchen geprägt und die Wangen von den zarten Vertiefungen der Grübchens geziert. Trotzdem ist das Kinn einen Deut gereckt, wodurch die gut gelaunte Mimik triumphierend wirkt.
Gwynn hält die Hände deutlich gereckt, dafür die gemeiselten Ellenbogen abwinkelnd. Die Hände des Gottes haben ihre Wichtigkeit, weswegen Aki sie detailiert ausarbeitet, sodass man Sehnen und Falten erahnen kann. Er hat sich entschieden, die Hände größer als üblich dazustellen, sodass die Sinnbildlichkeit nicht verloren geht, denn die Hände des Gottes sind nicht leer. In der einen Hand hält Gwynn drei schlichte Würfel sowie ein paar Münzen, dem Glücksspiel geschuldet. Die andere Hand hält eine Lanze, die am Sockel aufgesetzt ist. Die Tunierwaffe besitzt eine glatte Oberfläche und eine abgerundete Spitze. Auf halber Höhe, einige Fingerbreiten über Gwynn's greifenden Fingern sitzt ein kleiner Lorbeerkranz an der Lanze, der von der wuchtigen Waffe aufgespießt wurde.

Der zweite Gott, über den Aki mit Gwen gesprochen hat ist Mabon. Er ist einer von Gwen's Schicksalsgöttern und bringt als Finggott seine Schwierigkeiten mit sich. Gwen erzählte ihm, dass Mabon als Lichtgestalt dargestellt wird, hell glimmend und ohne Festlegung, ob er beziehungsweise sie als Mann oder Frau in Erscheinung tritt. Da der Schmied nur greifbares in Stein verewigen kann, das für den Betrachter ersichtlich ist, tut er sich bei einer solchen Umschreibung schwer. Es gibt keine Möglichkeit Licht in Stein darzustellen, aber immerhin kann er durch unscharfe, das heißt nicht detailiert ausgearbeitete Gesichtszüge, die Geschlechtslosigkeit darstellen.
Gwen hat schließlich den Vorschlag gebracht Mabon das Gesicht eines Jungspund's zu geben, also eines Kindes, bei dem die Züge noch nicht eindeutig jungen- oder mädchenhaft ausgeprägt sind. Es stellt sich jedoch als leichter gesagt als getan heraus, denn der Gott wirkt befremdlich dank dem jungen Gesicht an dem großgewachsenen Körper. Vielleicht ist es aber auch das Zeichen dafür, dass die Darstellung gelungen ist? Das glatte Gesicht mit weichen Konturen wirkt warm und herzlich, um Mabon's Herzenswärme auszudrücken. Die Gottgestalt hat die Arme ausgebreitet, als wolle sie zu einer herzlichen Umarmung ansetzen. Dennoch sind die Handflächen leicht nach oben gedreht, sodass jeweils eine dicke Stumpenkerze darauf Platz findet. Die Gestik besitzt etwas Erhabenes, was Aki recht stimmig findet.
Am Gürtel trägt Mabon weitere schmale Kerzen, die frisch gezogen am Docht vom Leder abbaumeln. Außerdem trägt sie Kräuterbüschel bei sich, die eigentlich Lavendel, Salbei und Gwynnklee darstellen sollen. Bis auf ein paar, eindeutige Kleeblätter könnte jedoch kein Kräutersammler die Büschel unterscheiden, so weit reichen die Fähigkeiten des Steinmetzs nicht. Mabon trägt einen schlichten Wickelüberwurf, Hosen und Stiefel. Um die Schulter hat sie eine Tasche geschlungen, an deren Beutel ein Phiolenhalter angenäht ist.
Zuletzt macht sich der Schmied an den Sockel, den er mit zahlreichen Kerzen verschiedenster Größe und Dicke ziert. Dabei sind manche weiter abgebrannt und der Sockel voller Wachs getropft, während andere so wirken, als wären sie eben erst angezunden worden. Dazwischen findet sich die ein oder andere Edelweiß, teils mit Stängel, teils nur die Blüte. Aki hat sich bemüht die Blume der Skizze nachzuempfinden, die Gwen ihm angefertigt hat. Die Blume steht für ewige Jugend, immerhin erzählen zahlreiche Legenden, dass jugendbringende Blumen unter Mabon's Auge wachsen.

[Bild: 2dc465nv.jpg]
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#18
Kapitel IX – Ogma und Chronos


Ogma wäre vermutlich einer von Orestes Schicksalsgöttern, wenn dieser Mondwächter wäre. Er ist der Gott der Magie und Sprachgewalt, Patron der Herrscher und Gelehrten und gilt als äußerst charismatisch, überzeugungsfähig und redegewandt. Vermutlich wäre Ogma der letzte Gott, der Aki als Schicksalsgott propezeiht werden würde, weswegen er verständlichermaßen sogut wie überhaupt nichts zur Umsetzung beisteuern kann. Zu seinem Glück hatte er auch hier Hilfe, überaus überraschende Hilfe wohl gemerkt. Marie Strastenberg. Sie und Orestes besuchten Aki in der Löwensteiner Schmiede, als er zusammen mit Roderik mit der kniffligen Herstellung einer Schwertklinge beschäftigt war. Er schmiedet nicht gerne in Löwenstein, denn es weckt nur alte, ungute Erinnerungen, aber in diesem Fall hat es sich gelohnt. Irgendwie kam das Statuen-Thema zur Sprache und überraschenderweise stellte sich Marie als Mondwächtergläubige heraus. Eine Schreiberin der Vogtei, Schöffin zu Löwenstein und adrette Erscheinung glaubt an die Einundzwanzig? Nicht, dass er ihr nachstellen würde oder auch nur darüber nachsinnt, die Informationen wurden ihm auf die Nase gebunden. Man erwartet doch von einer braven Löwensteinerin, dass sie an Mithras glaubt. Was soll's, sie wusste eine Beschreibung zu Ogma beizutragen, die ihm weiter geholfen hat.
Trotzdem hat er lange über der Skizze gebrütet, da ihm seine Intuition und Vorstellungskraft während der Arbeit keine Hilfe sein würde. Die Variante der Statue von Kohle auf Pergament zeigt die Gestalt eines dürren Mannes. Auf dem zerbrechlich wirkenden Hals sitzt ein Kopf mit zwei Gesichter. Demnach nimmt das zweite Gesicht den Platz des Hinterkopfes ein. Das eine Gesicht, das dort sitzt, wo sich ein Gesicht hin gehört, blickt wissend dem Betrachter entgegen, ein gar schelmisches Lächeln auf den Lippen. Das Gesicht am Hinterkopf blickt kühl und berechnend drein. Für die Gesichtsausdrücke ist Aki meistens ein Spiegel eine gute Hilfe. In diesem Fall denkt er aber an Orestes, der beide der Mimiken des Öffteren zum Besten gibt. Er ermahnt sich stumm, solche Vergleiche niemals auszusprechen.
Der Rest des hageren Körpers ist mit einem faltenreichen Stoff behangen und lässt nur schmale Körperkonturen erahnen. Nach mehrmaligem Abwägen hat sich Aki entschieden, Ogma sitzend darzustellen, wodurch sich die Knie und der Rest der Gestalt unter dem Vorhang lebhaft abzeichnet. Auf dem Schos liegt ein offenes, wuchtiges Buch, in Fachkreisen auch Schinken genannt. Der Sockel ist ebenfalls von zahlreichen Büchern sowie, zum Teil zusammen gerollten, zum Teil entfalteten Schriftrollen bedeckt. Inmitten des Wissenschaos kann der aufmerksame Betrachter eine Schreibfeder in einem Tintenfass entdecken.

Als Zweites nimmt sich der Steinmetz die Tage der Darstellung von Chronos an, einem Faungott. Angesichts der Nummer an Finggöttern, die ihm noch bevor stehen, ist er heil froh um die Abwechslung. Chronos ist ein Gott, der sich mühelos und ohne große, metaphorischen Meisterleistungen darstellen lässt. Chronos ist der Gott der Gewässer und der Gezeiten, wobei sich sogar Aki an die Darstellung eines alten Mannes mit Schlapphut und Wachsmantel erinnern kann. So wird es auch im Stein umgesetzt. Der Schmied schenkt der Statue Details, wie ein wettergegerbtes Gesicht, runzelige Hände, als wäre Chronos zu lange im Wasser gewesen und zahlreiche Wassertropfen, die vom schweren Mantel abperlen. Um den Hals baumelt an einem Band ein Anker als Anhänger.
In einer Hand hält Chronos einen Fisch, der förmlich in der zappelden Bewegung eingefroren ist. Die andere Hand hat Chronos in Richtung Sockel ausgestreckt. Dort sitzt ein Schwan, die Flügel ausgebreitet, wie zum fort fliegen, den Kopf von Chronos abgewandt. Die Sagenkunde erzählt, das Chronos sich in diesen Schwan verliebt hat und ihn sucht, seit dieser einst nach Süden gezogen ist. Abgesehen davon zieren Wellen den Sockel. Eine der Wellen bricht sich an Chronos, der wie ein Fels in der Brandung im Wasser steht. Das Wasser um den Schwan ist dagegen ruhig und friedlich.
Nachdem die fertige Statue einen Platz im Laden gefunden hat, erhascht sie öffter als die Anderen einen Blick vom Schmied. Auf unbewusste Weise ist es ihm gelungen eine gewisse, stürmische Sehnsucht in Chronos's Gesicht zu verewigen, die ihn fasziniert. Im Gegensatz zu Ogma hatte er bei Chronos eine freiere Hand bewiesen, weswegen sich in der Statue mehr Emotion wieder spiegelt. Bei einem kurzen Blick zum dürren Wissensgott, kann Aki nur hoffen, dass er ihm trotzdem gerecht wurde. Von dort aus, wo der Schmied soeben steht, hat der sitzende Ogma ihm den Rücken zugewandt und wirft ihm einen kühlen Blick zu. Aki bemüht sich das nicht als Antwort zu werten.
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#19
Kapitel X – Cranus und Easar

Die neue Statue beginnt Aki mit einem kleinen Fass Met. Das Fässlein wurde frisch gekauft und es wäre einfach unpassend, nicht zu trinken, wenn man sich diesem Schicksalsgott widmet. Er schlägt den Zapfhahn in die Bretter und erfreut sich an den wenigen, kräftigen Hieben, die dem Umgang mit Hammer und Meisel nicht einmal so fremd sind. Sobald der Zapfhahn seine Arbeit verrichtet, plaziert Aki einen Becher darunter und genehmigt sich ein paar tiefe, einstimmende Schlucke. Währenddessen studiert er nochmal die Skizze der Statue, die Cranus darstellen soll, den Gott der Alchemisten und Brauer.
Die Statue soll den Trinker unter den Gläubigen ansprechen. Cranus besitzt einen mächtigen Bierbauch, der sich unter dem einfachen Wollüberwurf abzeichnet. Der Eindruck eines saufenden Gottes - wobei das wäre plump - eines Gottes, der dem Alkohol nicht abgeneigt ist, wird von der knolligen Nase und den Pausbacken verstärkt. Cranus fallen krause, kurze Locken ins Gesicht, die teilweise wirr abstehen und einen verschwitzen, ungewaschenen Anblick bieten. Der Blick ist indes zu dem erhobenen Methorn in der einen Hand gereckt, welches überschwappt, sodass ein Flüssigkeitsrinnsal in den Stein gemeiselt ist, das Gefahr läuft auf den Boden zu tropfen. Was natürlich unmöglich ist, aber es verleiht der Statue etwas lebendiges. In der anderen Hand hält Cranus Immergrün, das sich um die Hand schmiegt. Seine Züge wirken genüsslich und geduldig, mit einem zufriedenen, vielleicht leicht trunkenen Lächeln auf den Lippen.
Um den Bauch wringt sich ein Gürtel, der ein paar Phiolen sowie Kräuter trägt. Im Kontrast dazu baumelt an Cranus Kehrtseite ein kleines Fässchen, welches den Gürtel durch das Gewicht hinab zieht und den Bauch noch stämmiger erscheinen lässt. Selbst am Sockel finden sich Weinfässer, Zapfhähne, die noch nicht in die Behälter geschlagen wurden, sowie Traubenreben.
Die Details der Trauben fallen dem geübten Steinmetz leicht, weswegen er sich nicht wundert, warum sie oft in Statuen verewigt werden. Die dreieckige Rebe ist unverkennbar mit ihren prallen, ovalen Früchten, die sich mühelos in Stein umsetzen lassen. Es ist eine simple Frucht, ohne Furchen, Grübchen und Kanten, um nicht zu sagen perfekt. Mit dem letzten Details, einer Weinflasche, die an Cranus nacktem Knöchel lehnt, setzt der Steinmetz gewissermaßen seinen letzten Pinselstrich. Sein Nacken pocht, ein Zeichen von stetiger Konzentration und der steifen, vorgebeugten Haltung auf dem Hocker. Vielleicht liegt es auch an seinem Begleiter, dem Metfässchen, denn ganz nach Cranus' Wille hat er den kleinen Behälter restlos geleert. Als ihm nach einem tiefen Durchatmen nur noch spärtliche Tropfen aus dem Zapfhahn entgegen kommen, weiß der Schmied, dass er gut in der Zeit lag. Cranus erhält vorerst einen Ehrenplatz auf dem Vorratsschrank, dicht an ein Fässlein Vogelbeerenbrand geschmiegt, in der Hoffnung, dass er sich dort wohl fühlt.


Für die nächste Arbeit sucht Aki nach einem steinigen Kammerad. Easar ist an der Tagesordnung, der Gott des Schabernacks und der Zauberei. Der Steinmetz will die Beziehung zu einem anderen Gott aufzeigen, Ogma. Das kühle und berechnende zweite Gesicht des Gottes der Magie und der Gehehrten soll auf Easar hinab blicken. Der Streichespieler duckt sich unter Ogma's Blick, wie ein kleines Kind, das etwas angestellt hat und dafür getadelt wird. Den Zusammenhang findet man in der Sagenkunde, die erzählt, dass Easar einst einen Maskenball veranstaltet hat. Der Gott des Unfugs lies die Feiernden mit ihren Masken verschmelzen und sie so ihr Dasein einen Jahreslauf lang fristen. Ogma löste den Zauber schließlich, doch Easar zog rasch weiter, um einer Strafe des strengen Ogma zu entgehen.
Die Statue des sitzenden Ogma's hat er nach dem Umzug nahe dem Stapel an Rezeptbüchern und Mappen abgestellt, eine der wenigen Wissenquellen in dem Schmiedeladen. Er stellt ihn in der Nähe seiner Arbeitsstätte ab, um selbst den ernsten Blick zu spüren. Dem Schmied ist Tadel nicht fremd, ganz im Gegenteil und der Gedanke daran weckt unwohle Erinnerungen.
Easar kümmert sich nicht darum, was immer deutlicher wird, umso länger der Meiselkopf über den Basalt arbeitet. Der Gott des Schabernacks ist großgewachsen, aber schlaksig. Er verharrt leicht in den Knien, die Schultern angehoben, den Kopf in den Nacken gezogen, während er schelmisch grinst. Das Grinsen ist verschmitzt, weswegen Aki ihm Grübchen an den Wangen verpasst. Alleine die Betrachtung des heiteren, unbeschwerten Gesichts, soll zum Grinsen motivieren. Das eine Auge ist von Lachfältchen umgeben, während das andere von einer Federnmaske verborgen ist. Auf Easar's Kopf sitzt eine Narrenkappe, die schief aufgesetzt ist, mit Glöckchen an den Zipfeln. Am Körper trägt er berüschte, fransige Kleidung, die Barden- und Narrenkluft vereint. Die kurzen Stiefel enden ebenfalls in spitz zulaufenden Lederstreifen mit Bommeln, ebenso wie die Manschetten. Easar sieht halb über die rechte Schulter zu Ogma hin und hat die Hände schuldabweisend angehoben, in einer Geste, die einem nonverbalen 'ich war's nicht' gleich kommt.

Aki hat Ogma damit mehr Tiefe verliehen, einer Statue, die ihm schwer von der Hand ging und bei der er sich nur auf die Skizze gestützt hat. Es gibt Personen, die sich lieber in ihre Bibliotheken zurück ziehen und in Ruhe an etwas arbeiten und sich willentlich von rauschenden Festen fern halten. Ogma fällt wohl in diese Kategorie und Aki frägt sich, ob er in dieser Eigenschaft ihm überhaupt so unähnlich ist. Zwar hat er kein Interesse an Büchern oder staubigen Bücherregalen, aber er ertappt sich des Öffteren, wenn er sich auf Festen fehl am Platz fühlt. Die Masse an gut gelaunten, trinkenden Leuten überfordert ihn viel zu sehr. Er frägt sich, wie es ihm ergehen wird, wenn Gwen wirklich ein Fest veranstaltet, um die Statuen zu ehren.
Da hilft nur eins: Sich am nahen Fest ganz an Cranus halten und dem Wein huldigen.

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#20
Exkurs: Ein Helm aus Rabenstahl

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Rabenstahl. Was ist daran schon besonders? Nur eine Legierung, als hätte man Stahl unwiederruflich geschwärzt. Die Werkslegierung ist nicht härter oder wiederstandsfähiger als Stahl, wie es bei den Waffenlegierungen Stahl und Damaststahl der Fall ist. Rabenstahl ist nicht leichter, nicht härter, und nicht schützender als Stahl. Vielleicht variieren die Resistenzen minimal und der Schutz gegen Feuer und damit Magie ist bei Rabenstahl leicht erhöht, was sich leicht erkennen lässt. Denn es braucht deutlich mehr Hitze, um es formbar zu machen.
Doch was macht es dann so begehrenswert und wertvoll? Die ganz simplen Unterschiede in Optik - dank der dunklen Farbe - und die Seltenheit. Was schwer zu bekommen, also rar ist, wird begehrt. Die Menschen definieren sich über Prestige und zeigen ihren Reichtum oder ihren Machteinfluss gerne. Angeblich schmeichelt es dem Ego.
Aki legt auf nichts davon wert. Es ist ihm egal, wie schön, selten, besonders, wertvoll oder lukrativ die Legierung ist. Ihn reizen die Dinge, die nur einen Handwerker interessieren: Wie ist die Zusammensetzung? Wie kommt die Farbe zustande? Wie lässt es sich gießen und verarbeiten?

Als die Grenzen geöffnet wurden, galt Aki's erster Blick den Gardisten in der besonderen Legierung um sich herum. Sie repräsentiert Ravinsthal und es ist diese Legierung, die Kindheitserinnerungen weckt. Weder der modrige-efeureiche Geruch des Dorfes, noch die schöne Bauweise aus Basalt, Holz und Barracke hat die nostalgische Wirkung auf ihn. Er hat seine Kindheit und Jugend in Ravinsthal verbracht und doch war es immer die Legierung, die ihm Schmetterlinge im Bauch bescherte. Die seltenen Tage, an denen er auf den Marktplatz nach Rabenstein durfte, kümmerte er sich kaum – oder zumindest wenig – um die Mädchen in seinem Alter, die dort herum eilten und ihr hinreissendes Lachen hören liesen, auch nicht darum, mit dem Händler den besten Preis zu verhandeln und erst recht nicht um den Langfinger, der ihm an den mageren Hellerbeutel will. Er hatte nur Augen für die patroullierenden Wachen.
Sie brachten den jungen Schmiedelehrling zum Stillstand und wurden mit großen, stahlblauen Augen betrachtet. Einer der grimmigen Gesellen störte sich an dem Gestarre und schnaubte ihn an. Auch daran kann Aki sich Bestens erinnern.
»Was starrst du so, Balg?« Der Junge blinzelt rasch und senkt den Kopf, als der Gerüstete auf ihn zu kommt. Der Blick findet dabei eine – zumindest für ein fachkundiges Auge – recht massive Delle in der Lamelle auf Schulterhöhe des Gardisten. Er konnte schlecht gestehen, dass er den Gardisten gerne eine über ziehen würde, um ihn aus der Rüstung zu pellen und die Beschaffenheit und Verarbeitung des Materials zu analysieren.
»Ihr solltet über eine Reparatur nachdenken, Herr Gardist.« quiekt er mit aufgeregter Stimme, die von einer Mischung aus Unruhe, Tatendrang und Neugier getränkt ist.
»Und da bist du der Experte, eh? Scher dich fort.«
»Nein, bin ich nicht! Mein Vater sagt der Rüstmeister des Fürsten ist dafür zuständig und niemand sonst.« erwiedert Aki mit großen, wissenden Augen. Der Gardist hebt die Brauen fast bis zur Spange des Nasalhelms und sieht den Schmiedelehrling an, wie man einen vorlauten Naseweiß ansieht.
»'Bist wohl ein ganz schlauer was, Kleiner? Und nun Gewinn Land.«
Mit einem mürrischen Schnauben hat Aki nochmals einen Blick auf die Rüstung geworfen, die sich gerade bemüht im zarten, herbstlichen Sonnenschein Aki zu verhöhnen, um sich schließlich ab zu wenden. Mit tapsenden Schritten eilt er zur Markthalle zurück, denn – Liebe zu dem seltenen Stahl hin oder her – er hat kein Interesse sich Schläge vom Vater einzufangen, weil er getrödelt hat.

Jahre später ist die Faszination noch immer die Gleiche, auch wenn er besser geworden ist, das zu verbergen. Vielleicht lässt sich sogar ein Hauch an Vernunft erkennen, der ihm bei so vielem Anderen fehlt. Solange er nicht darüber nachdenkt, wie es wäre hinter das Geheimnis zu kommen, kann er sich auch nicht über die Ermangelung des Wissens beschweren. Zumindest ist er eine ganze Weile mit dieser Einstellung gut zurecht gekommen.
Bis Oswin angetrabt ist. An einem der besonders kundenreichen Abenden, klopfte er an die Ladentüre. Aki hatte Oswin, den Hauptmann der ravinsthaler Garde, eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Aber es kam so, wie es oft kommt. Entweder man hat überhaupt keinen Kunden oder mehr, als man abarbeiten kann. Oswin brachte einen eingerollten Fetzen Pergament mit und Aki machte sich gedanklich schon auf die übliche 'Hast du gefunden, hab ich aber schon'-Entschuldigung gefasst, die er für gewöhnlich vorbringt, wenn ihm ein Krieger eine Anleitung aus den tiefen irgendeiner Höhle anschleppt. Stattdessen zucken seine Finger in unruhiger Vorahnung, als er das Schriftstück entfaltet. Die anderen Kunden werden für einen Moment ausgeblendet und er muss sich schwer zusammen reissen, um Oswin nicht augenblicklich die Nase zu brechen. Vor Freude versteht sich. Aber auch vor Qual. Er weiß bestens, dass eine solche süß-schmerzhafte Kombination an Emotionen im Rahmen des Möglichen liegt.

In dem Moment ging viel in seinem Kopf umher, während er auf die Anleitung für den Nasalhelm aus Rabenstahl starrte. Oswin hatte das Rezept schon eine Weile in irgendeiner Kiste, wohl von der Obrigkeit für besondere Taten erhalten. Aki erinnert sich, dass Koren ebenfalls eine Anleitung vom Fürstenhof bekommen hat. Er erinnert sich zu gut, denn der Gedanke daran kann ihn innerhalb von drei Herzschlägen zur Raserei bringen. Koren hat die Aneitung an eine befreundete Schmiedin gegeben, die weder Ravinsthalerin ist, noch an die einundzwanzig glaubt. Ganz abgesehen davon, dass es einem Schlag ins Gesicht gleich kam, hätte er Koren am Liebsten geschüttelt. Aki kennt die Schmiedin aus seiner Zeit in Löwenstein und weiß, wie gut sie im Auftauchen und Verschwinden ist. Der Druide hat wohlmöglich nicht einmal eine Abschrift anfertigen lassen und wenn doch, ist sie unauffindbar. In solchen Momenten muss er sich eine 'Das hätte ich dir gleich sagen'-Bemerkung schwer verkneifen.

Obwohl es erfreulich und beruhigend ist, dass solche Anleitungen an die hiesigen Schmiede gelangen, bringt es niemandem einen Vorteil. Ein paar wenige Barren Rabenstahl sind im Umkreis, stammend von dem Raritätenhändler in Löwenstein, der mittlerweile spurlos verschwunden ist. Aber wer weiß, wo sie vergraben sind und wer sich wissend die Hände reibt, um irgendwann das große Geld damit zu machen. Ohne Material ist die Bauanleitung wertlos.
Aber er hat einen Barren in seinem Besitz, einen kläglichen Barren, den er für den Helm verwenden wird. Nur hilft das Oswin nicht weiter. Der Rezept-Geber macht eine abwinkende Bewegung. Es scheint nicht einmal so, als hätte er erwartet, eine Kiste voll Helme im Gegenzug zu bekommen. Obwohl es das einzig Richtige wäre. Wenn irgendjemandem Wehr aus Rabenstahl zusteht, dann den Männern der Garde. Aber Oswin ist eine pflichtbewusste, kammeradschaftliche Seele und er würde keinen einzelnen Helm nehmen. Entweder die ganze Garde wird damit ausgestattet oder niemand. Vielleicht hätte er auch Angst, dass er vom nächstbesten Halunken geköpft wird, der es auf den Helm abgesehen hat? Auszuschließen wär es bestimmt nicht. Aki ist froh darum, dass der Mann so denkt – einer der Gründe, warum er Oswin zu schätzen weiß – denn er weiß bereits für was er seinen einen Barren nutzen will.
Sobald er die Anleitung ausgiebig studiert hat, führt ihn sein Weg in die örtliche Schmiede. Da er einen der Barren hat, benötigt er nur ausreichend Hitze, um den Rabenstahl formbar zu machen. Die nötige Temperatur ist nicht zu unterschätzen, aber immerhin ist es deutlich weniger, als es zur Herstellung der Legierung benötigt. Wie diese Hitze erreicht wird bleibt wohl weiterhin ein Rätsel. Da der Nasalhelm aus recht dünnen Metallspangen besteht und mit Arbeitsleder verkleidet ist, reicht der eine Barren aus. Zumindest soweit dem Schmied kein Fehler unterläuft.
Für die Herstellung des ausergewöhnlichen Helms nimmt er sich alle Zeit, die es benötigt. Die Spangen vernietet und verschweißt er erst miteinander, sobald das dunkle Metall die optimale Dicke aufweist und glatt ausgearbeitet ist. Mithilfe von Nieten verbindet er die einzelnen Spangenteile und integriert an den Seitenteilen Scharniere, welche Wangen und Ohren schützend bedecken, um die Beweglichkeit zu erhalten. Für die Innenseite schneidet er Arbeitsleder zurecht und polstert das Metall damit. Als er die Oberfläche des Rüstungsstück mit feinem Schleifpapier abschließend glättet und zum Glänzen bringt, lehnt er mit einem zufriedenen, seltenen Lächeln am Amboss. Obwohl er etwas überaus rares in Händen hält, nach dessen Herstellung er sich lange Zeit gesehnt hat, fühlt es sich nicht befremdlich an. Durch den Herstellungsprozess ist es ein Rüstungsteil aus seiner Hand geworden, wie zahlreiche Andere zuvor und doch hat der Helm einen Stellenwert, wie das erste Schwert, das Aki als junger Lehrling in seinem Leben geschmiedet hat.
Dem Schmied in ihm bleibt nichts anderes übrig, als dankbar und ehrfürchtig zu sein. Die Götter haben das Metall geschaffen, um den Menschen ein Geschenk zu machen. Rabenstahl ist nichts Notwendiges, nichts, was das Leben erleichtert oder fürs Überleben benötigt wird. Es ist ebensoviel Luxus wie Schmuck oder Zuckersteine. Eine Belohnung für die Gläubigen. Deswegen wäre es arrogant und überheblich, das Werkstück zu behalten. Er träufelt etwas Öl auf einen Lappen und bearbeitet das geschliffene Metall damit. Den Helm schlingt er schließlich in etwas Stoff und macht sich auf den Weg und verlässt Rabenstein. Nahe der Küste begibt er sich an den Schrein.

[Bild: 54q7eitq.png]

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»Lugh und Lyon, nehmt dieses Werkstück als Zeichen meines Dankes. Ich danke euch, dass ihr mir die Möglichkeit geschenkt habt, euer feinstes Metall zu verarbeiten.« Obwohl die Worte knapp gewählt sind, erscheinen sie bedeutsam für den, wenig sprechgewandten Schmied. Er bestaunt den Helm noch ein paar Augenblicke, bevor er sich erhebt und zum Aufbruch bereit macht. Der Abschied schmerzt nicht, denn das Werkstück ist dort, wo er sein sollte. Es ist kein Verlust sondern eine besonnene Gabe. Er kann nur hoffen, dass die Götter diese akzeptieren.
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