Scheideweg
#11
Es langte. Sie hatte das Gefühl, dass ihr die Zügel immer mehr aus der Hand glitten, die Pferde durchgingen und ihr keine Möglichkeit mehr blieb, das Ruder irgendwie herumzureissen, wenn sie nicht rasch und jetzt reagierte. Die Leute waren daran zu vergessen, wer sie war. Was sie getan hatte. Eirene hatte ihren Platz in den Köpfen der Menschen eingenommen - wer konnte es ihnen verübeln, war sie doch weggesperrt gewesen. Sie hätte niemals gedacht, dass diese Zeitspanne ihr so viel von ihrem Leben einfach rauben würde. Aber so war es gekommen und es war nicht mehr zurückzuholen. Die Münzen gingen zu neige. Die Keuche hatte alle Ersparnisse aufgefressen. Sie musste handeln, hier und jetzt. Also fasste sie einen Entschluss.
Dieser trieb sie nur wenig später durch die dunklen Gassen der Stadt. Das Ziel? Ein Haus, mittig in den Straßen Löwensteins. Ein kurzer Blick hinein. Keiner schien da zu sein.

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Bedauerlich. Sie marschierte weiter. Ihre nächsten Schritte trugen sie bis in den Alten Hafen, sein Gebiet und alles, was dazugehörte. Zumindest solange, bis sie gefunden hatte, was sie suchte.

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"Hey! Kleiner!" zischte sie leise. Das blasse Gesicht war gut unter der Kapuze verborgen, die Zöpfe streng zurückgebunden, damit man nicht sofort ihr rotes Haar erkennen würde. Die Dunkelheit, welch ein diesen Gefilden undurchdringlich war, tat ihr übriges.
Der Junge trat nur zögerlich heran. Vielleicht war es auch ein Mädchen - bei den Lichtverhältnissen und dem Dreck im Gesicht konnte man das nicht genau ausmachen. Aber für ihre Zwecke ebenso gleichgültig.
"Hier" Sie drückte dem Kind eine Silbermünze in die Hand und umfasste blitzschnell sein Handgelenk, als es glaubte, sich damit davonstehlen zu können.
"Das Haus, welches direkt gegenüber der Universität liegt. Oberes Stockwerk. Dort ist auf einem Schild dieses hier verzeichnet -" Sie reicht dem Kind ein zerschlissenes Pergament, wo ein L. G. aufgezeichnet sind.
"Der Mann, der das Haus verlässt - du wirst ihm folgen. Du wirst schauen, dass du nicht von ihm erwischt wirst. Du wirst sehen, zu wem er geht. Welches Haus, welche Türe. Wann. Von mir aus du und deine Freunde. Ich gebe jedem von euch Geld, wenn ihr mir helft - verstanden?" Betroffen schüttelte der Junge das Geld, die Hand immer noch umfasst von ihrer, aber um eine Silbermünze reicher.
"In drei Tagen komme ich wieder her. Dann wirst du mir Kunde geben, ob sich etwas getan hat! UNd wenn er sich mit einer Frau trifft...sag mir ganz genau, wie sie aussieht. Aber merke dir, wohin er geht! Dann bekommst du noch mehr Münzen. Mehr als was du irgendwann besessen hast." Sie klimpert mit einem Geldbeutel. Die Hand wird losgelassen. Eine scheuchende Handbewegung. Dann sieht sie sich kurz um, und verschwindet ebenfalls in der Dunkelheit.
All the world knew that a maester forged his silver link when he learned the art of healing - but the world preferred to forget that men who knew how to heal, also knew how to kill
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#12
Zum gestrigen Tage war eine kleine Gruppe an durchgehend rotgewandeten Gestalten Richtung der Krypta aufgebrochen. Nur eine Gestalt hatte sich etwas unterschieden, denn sie war gänzlich in weiß gekleidet. Das Ziel? Die Kanalisation. Ein Spähtrupp gleichsam. Aus der Kirche selbst waren anwesend die Novizin Teran, Hochwürden Inverick und Hochwürden Teran, Novize Ottokar und Anwärterin Rajka dabei.
Das ganze war entstanden durch die Informationen, welche ihr selbst zugekommen waren durch ein Straßenmädchen, welches sie mit ein paar Münzen belohnt hatte, ihr Informationen heranzuschaffen. Ob die Aktion von Erfolg gekrönt sein würde, war fraglich. Aber darum sollte diese Expedition ja nur einer ersten Versicherung der Lage dienen.
So drang die Gruppe in das Gemäuer ein und arbeitete sich tiefer vor. Während die Legionäre darauf achteten, dass der Weg freigeräumt wurde, beschränkten sich die Novizin und die Heilerin auf das absuchen der Gänge und Räume. Recht bald stießen sie auf ein erstes, potenzielles Ziel.

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Eine verschüttete Treppe. Warum nicht? Doch stimmten sie alle darin überein, dass sie diese Tatsache vorerst außen vorlassen mussten. Sie hatten zu wenig Mann und wer wusste schon, was da unten auf sie lauerte. Grünsee? Silberberg? Die Keuche in ihrer Vollendung? Jemand, der 180 Gulden für Gift ausgeben konnte und das Risiko einging, eine gesamte Stadt auszulöschen, der schreckte auch nicht vor weiteren Morden zurück. Sie würden wieder kommen müssen. Mit mehr Männern, mehr Waffen und mehr Mut.

Man arbeitete sich weiter, tiefer in die Kanäle und Stollen hinein. Was man fand, waren jedoch nur weitere Räume, gefüllt mit Schädeln oder Sarkophagen. Nur in einem Raum, war etwas seltsames anzutreffen. Ein Loch im Boden, aus dem ein paar Ratten gekrochen kamen. Es war zu dunkel, um etwas erkennen zu können. Ein weiterer, geheimer Raum? Oder einfach nur ein Erdloch?

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Und schon zogen sie weiter. Die Stimmung war beklemmend und die Fackeln schienen sich rasch des Sauerstoffes zu bemächtigen. Sie durchkämmten weitere Schädelräume, Beinhäuser, Gruften. Ein Sarg war sogar offen und offenbarte eine, in Leinen eingewickelte Leiche. Rasch entferte man sich wieder. Die Ruhe der Toten zu stören war das letzte, was sie wollte. Hoffentlich verbarg sich nur keine Treppe tiefer hinab in einem dieser Sarkophage. Legenden über derlei Vorkommnisse gab es ja zur genüge, selbst ihre Großmutter hatte ihr davon berichtet.
Dann, endlich, waren sie wieder draußen. Der Eingang war der Friedhof gewesen, der Ausgang im Armenviertel

Doch endete die Reise hier nicht. Reeben sprach von einem weiteren Zugang innerhalb der Stadtmauern. Also bewegte sich der kleine Trupp dorthin. Aber dieser Zugang war versperrt. Wer den Schlüssel besaß, wusste niemand, nicht einmal Reeben. Der Hauptmann? Wer anderes? Er hatte jedenfalls keinen. Man müsste nachfragen. Dies wurde ihm zumindest als Hausaufgabe mitgegeben. Dies war der zweite Zugang zur Kanalisation - aber dass hier jemand hinunter gegangen wäre, war wohl unwahrscheinlich. Außer Grünsee oder Silberberg waren selbst im Besitz eines Schlüssels. Nichts war scheinbar unmöglich in Zeiten wie diesen.

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Der letzte Weg führte zum Glockenturm. Doch auch er war eine Sackgasse. Das Wasser war nicht zurückgegangen, der Durchgang daher unpassierbar.

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Danach löste sich die Gruppe auf.
Garion versprach ihr, sich mit Teran abzusprechen und sich dann wieder zu melden. Man müsse mehr Leute organisieren, die helfen würden, den Schutt abzutragen. Und mehr kampffähige Mannen. Nur für alle Fälle.

Also hieß es nun wieder warten. Warten und hoffen.
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#13
Immer noch klang das Geräusch nach, welches der Bolzen verursacht hatte, als er sich neben ihr in das Holz bohrte. Immer noch löste der Gedanke daran denselben Schauer aus, wie gestern. Noch nie hatte sie Shin in einer derartigen Stimmung erlebt. Sein Blick der eines Wahnsinnigen, wie er die geladene Armbrust auf einen nach dem anderen richtete, bereit abzudrücken. Kein Auge hatte sie zugetan, hatte über Kat gewacht als könnte Shin jederzeit wieder auftauchen und sein Werk vollenden, wenn er es sich doch anders überlegte. Sie musste sie beschützen, so wie sie auch über Sam wachen musste.
Die Sonne begann stetig aber doch zu sinken. Die ersten Vögel stimmten ihr abendliches Lied an, trällerten in den Wald hinein, ins hochsteigende Zwielicht, sich gegenseitig übertrumpfend. Der Wasserfall verschluckte mit tosendem Gebrüll vieles davon. Hier war es gewesen, als sie das erste Mal mit Exael alleine war. Als ihr Leben noch in Ordnung war, Neu, erfrischend und so viel zu entdecken. Und nun saß sie wieder hier, nur dass die Ordnung mittlerweile zu einem wirbelnden Chaos geworden war, welches die Welt zu aberdutzenden Scherben zu ihren Füßen gelegt hatte. Sie war geworden, was sie sich geschworen hatte, nie zu sein. Ihre Mutter würde enttäuscht die Nase rümpfen. Eine Schande, Kind. Eine Schande ist das! Habe ich es dir nicht gesagt? Ja. Das hast du, Mam. Das hast du. Und doch konnte ich es nicht einhalten. Ich trage die Verantwortung, keine Sorge Mam.
Das Gesicht und der Gedanke an ihre Mutter verblassten. Sie war nicht ihre Mutter. Ihr Leben, eine Lüge.
Es tut mir Leid, Ron. Johanna. Ich musste mein Versprechen brechen, wie so viele davor schon. Und sei mir nicht böse Sam, aber ich werde heute nicht an deiner Seite ruhen. Kat, versuche Shin aus dem Weg zu gehen und sei vorsichtig. Bruder, ich hätte dir Kat anvertrauen sollen, damit du auf sie acht gibst. Sie ist doch so hilflos derzeit. Und Marcus...verzeih mir das Leid, welches ich über dich bringen werde.
Und so blieb sie sitzen, starrte auf die Spiegelung der Sonne im unsteten Wasser, wie sie den Himmel entlangkroch. Und sie saß noch dort, als die Dunkelheit bereits ihren finst'ren Mantel über die Berge ausgebreitet hatte.

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#14
Wieder war Wasser ihre Zuflucht geworden. Das Rauschen der Wellen unter ihr bot ein beruhigendes Gefühl. Vermutlich erinnerte es an Zuhause. Ein Zuhause, welches längst Geschichte war. Ihr Hof in Galatien war nahe dem Strand gebaut gewesen. Das Rauschen hatte sie ihr Leben lang begleitet und hatte sie bereits als Kleinkind sanft an den Schlaf übergeben, Nacht für Nacht. Jede einsame Minute war erfüllt worden, vom Klang des Meeres. Jede freudige ebenso.
Diese nun, war keine freudige. Aber auch keine traurige. Sie war eine leere Minute, ein leerer Moment der Einsamkeit und Resignation. Eine Rechnung war ihr präsentiert geworden, die längst überfällig gewesen war. Und obwohl sie sich hatte drauf einstellen können, war sie nicht weniger schmerzhaft ausgefallen.
Ein schweres Seufzen kam über die Lippen der jungen Heilerin. Der Blick glitt über das Wasser, welcher unter den Wellen erzitterte. Auch die Sonne, welche glitzernd ihre Strahlen in dem blauen Wasser badetete, erzitterte unter jeder Welle, die über das Meer hinwegrollte. Unter ihr donnerten sie an den Turm, ließen seine Grundfesten erbeben. Doch zeigte er sich unbeeindruckt von ihrem Bemühen, buchstäblich als Fels in der Brandung. Ein Fels, den sie weder hatte noch selbst war.
Wind zerrte an ihren Haaren und Kleidung, einen tiefen Fall versprechend, so man einen Fehlschritt wagte. Hier oben war sein Revier. Hier wütete er ungebrochen, stärker als in der Stadt, geschützt von den Häuserschluchten. Wer sich in seine Gefilde wagte, musste damit rechnen, tief zu fallen.
Der Gedanke ließ sie erschaudern und lenkte den Blick zurück auf den weit entfernten Horizont. Sie sehnte sich nach Galatien. Nach ihrem Zuhause. Aber es gab nichts mehr, wohin es sich zurückzukehren lohnte. Dafür hier umso mehr, was es zu fliehen galt.
An der rauen Steinfassade glitt sie zu Boden und zog die Knie an. Die Sonne strahlte ungetrübt vom Himmel und erwärmte den Stein auf eine angenehme Temperatur. Der Wind war dennoch schneidend kalt. Sie schloss die Augen und fuhr fort, dem Duett von Wind und Meer zu lauschen.

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#15
Sie blickte nicht zurück, als sie die Stadt verließ. Die Kapuze, welche sie tief ins Gesicht gezogen hatte, verbarg die eiserne Maske der Emotionslosigkeit und die dunkelgrünen Augen. Keiner fragte, wohin ihre Wege sie trugen. Vögel verstummten, wenn sie an ihnen vorbei schritt. Nur die Krähen nicht. Sie waren immer da, ihre schwarzen Augen auf sie gerichtet. Ab und an keckerten sie und es klang wie ein höhnisches Lachen. Vielleicht waren sie nur ein Traum, eine Illusion die ihr Geist ihr vorgaukelte. Vielleicht aber auch bittere Wahrheit. Den Blick senkend und die Schritte beschleunigend ließ sie sowohl die Stille als auch das Keckern hinter sich zurück, als die Dunkelheit sie verschluckte.
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