Götterreisen
#1
1. Tag - Lyon

Kräuter, Blumen, Pilze werden in einem Kreis ausgelegt, direkt an den Kreuzungen der wichtigen Handelsstrassen, die sich vor den Toren Löwensteins treffen. Ein besonders wertvoller Trüffel und zwei Häufchen weißes Gold werden in der Mitte platziert.

Lyon, Herr des Handels und der Wege!

Ich erflehe deine Vergebung!
Nimm diese Gaben in reuevoller
Buße einer Tochter des alten Glaubens!
Beschütze die Wege deiner Kinder!


[Bild: lyoncrrrf.jpg]

Zitieren
#2
2. Tag - Midir

Ein sorgsam bemaltes Pergament, stellenweise mit Blattgold belegt, welches den angesprochenen Gott der Schrift und der Winde darstellen soll, wird zusammen mit Feder und Tinte in der Bibliothek der Universität ausgelegt.



[Bild: midirklein5gs4m.jpg]

Zitieren
#3
3. Tag - Taranis

Hier am Strand würde der nächste Sturm die kleine Kiste mitnehmen, so hoffte sie jedenfalls. Die Zeit der Stürme stand bevor, der Sommer lag in den letzten Zügen und die Bäume begannen ihre Blätter abzuwerfen.

Herr Taranis!
Herr der Stürme, des Donners, des Wetters und der Jahreszeiten!
Herr des Wandels, erhöre deine Tochter!
Vergib mir meine Tat und grolle mir nicht, ich will dir weiterhin treu dienen!
Lass die Wetter über diesen Ort hereinbrechen, lass die Winde und Wasser steigen und nimm mein Opfer, das ich dir weihe, Herr!


Sie hatte die kleine Kiste sorgfältig mit Stoff ausgelegt und als Symbol des Wechsels der Jahreszeiten bunte Blätter und einige Sommerfrüchte hineingelegt. Als sie ihr Gebet beendet hatte, kam ein Wind auf und weit draussen zeigten sich die ersten Schaumkronen. Die Wellen, die an den Strand rollten, benetzten den Saum der Robe und leckten nach dem Holz der Kiste. Zufrieden machte sie sich auf den Weg zurück.



[Bild: k6qi76a6.jpg]
Zitieren
#4
4. Tag - Chronos

Es war noch sehr kühl an diesem Morgen, aber sie war an ihrem Platz. Tief atmete sie die frische Waldluft ein, die einen Hauch von Salz in sich trug. Fröstelnd entledigte sie sich ihrer Kleidung nahm behutsam das Kästchen aus ihrer Tasche, in der - wie ein kleiner Schatz geborgen - die Schwanenfeder lag. Nur selten waren sie zu finden. In perfektem Schwung bog sich die Feder des Unterkleides, die kleinen, feinen Härchen zitterten im seichten Lufthauch, als sie sie heraus nahm.

Die Hände zu einer Schale geformt, in der die kostbare Feder lag, stieg sie ins kalte Wasser und watete zum Wasserfall - wie sie es in den warmen Sommertagen schon so oft getan hatte. Dort, wo das Wasser sich durch die Wirbelungen gerade wieder ein wenig beruhigt hatte, tauchte sie die Hände ins Wasser, bis der untere Teil der Feder die Wasseroberfläche berührte. Dann öffnete sie die Hände und sie trieb davon, den kleinen Fluss hinab.

Noch einen Moment blickte sie ihr nach, dann stellte sie sich vor den Wasserfall, die Arme weit geöffnet, Bauch, Hüften und Beine vom tosenden Wasser umspielt und erhob ihre Stimme zu dem rauschenden Lied des Wassers:

Chronos! Herr! Erhöre mich!
Habe Mitleid mit deiner Tochter, die gekommen ist, um Abbitte zu leisten!
Ich flehe dich an, nimm mein Opfer an und vergib mir!
Du bist der, der mein Schicksal lenkt, hilf deiner Tochter auf den rechten Weg zurück zu gelangen!
Beschütze und rette mich und meine Saat!

Sie ging noch einen halben Schritt vor, so dass das Wasser auf ihren Kopf prasseln konnte und sie fast gänzlich unter dem Vorhang verschwand, als sie etwas in das rechte Bein biss. Erschrocken zog sie es weg, verlor das Gleichgewicht und knallte mit dem Kopf unglücklich gegen einen Felsen, der neben ihr aus dem Wasser ragte. Es war, als würde sie in einen Strudel gerissen, der sie tiefer und tiefer mit sich riß, bis nur noch Schwärze sie umgab.

Ihr Körper tauchte für einen Moment leblos ins Wasser und die Strömung nahm sie mit sich, bis sie nach wenigen Augenblicken wieder an die Oberfläche kam, auf dem Rücken treibend. Und schon an der nächsten Flussbiegung spülte der Körper an das weiche Ufer des Waldes, als hätte sie jemand vorsichtig dort abgelegt.

Es dauerte nicht lange, bis sie wieder die Augen aufschlug und hustend und frierend zu sich kam. Das Bild, dass sie jemand auf sanften und doch starken Armen getragen hatte, um sie dort ans Ufer zu legen, stand ihr so klar vor Augen, dass sie sich kaum der Schmerzen der Platzwunde am Hinterkopf bewusst wurde, aus der nur noch wenig Blut sickerte.

[Bild: p99te8l8.jpg]

Erst viel später bemerkte sie, dass auch die Brandwunde auf ihrer Hand weniger schmerzte und die frische, rosige Narbe sich glatter anfühlte.
Zitieren
#5
5. Tag - Ogma

Es war Neumond und ihr stand ein besonderer Weg bevor, vor dem ihr graute. Zuviel hatte sie über diese Geisterscheinungen gehört, davon abgesehen, dass die alten Geschichten von Wiedergängern sicher einen wahren Kern hatten, immerhin war es eine Tatsache, dass diese Toten durch das Kauen auf ihrem Leichentuch einem Menschen den Lebenshauch entziehen konnten. Darum war es auch kein Wunder, dass Cleo so merkwürdig war, sicherlich war sie einen besonderen Pakt mit den Toten eingegangen.

Diese unheilvollen Gedanken nur schlecht beseite schieben könnend, weihte sie schließlich ihren Verlobten ein. Sie wusste um das Risiko, dass er wütend werden könnte, aber ihr blieb keine andere Wahl.

So machten sie sich schließlich mit Fackeln und Salz bewaffnet zum Friedhof auf. Ein in Leinen gewickelter Gegenstand befand sich ebenfalls in ihrer Tasche, der einzige Gegenstand, von dem sie wusste, dass er einmal mit einem Magier in Verbindung stand. Schon vor vielen Monden hatte ihr Firu diesen geschenkt und Firu war ein Magier gewesen, der einzige, den sie kannte. Sie mussten eine Weile suchen, ehe ihnen ein frisch aufgeworfene Erde und das helle Leuchten des noch beinahe sauberen Leichentuches den Weg zu der richtigen Stelle wiesen.

Während Ernst angespannt und aufmerksam die Fackel hielt, kniete sie sich nieder, wickelte den Gegenstand aus und legte ihn behutsam vor sich. Den Blick zum dunklen Himmel gewandt, begann sie leise zu sprechen - schließlich wollte sie die Toten nicht aufwecken:

Herr - Ogma! Erhöre deine Tochter!
Bitte vergib mir meinen Frevel, den ich euch, den alten und rechtmäßigen Göttern antat!

Sie nahm den Krähenfuss in die Hand und hielt ihn mit beiden Händen nach oben gen dunklem Nachthimmel, als wolle sie diesen jemandem darbieten.

Nimm dies, mein Opfer!

Dann warf sie es mit Schwung vor sich, in die Grube, auf den frischen Leichnam.

Behüte und beschütze mich, meinen Mann und mein Kind, Herr - Ogma!

Dann war das kleine Ritual vollbracht. Sie erhob sich, schaute sich nochmals unruhig um und beinahe fluchtartig verließen sie den unheimlichen Ort.

[Bild: ru4pvlww.jpg]
Zitieren
#6
6. Tag - Artio

Die war die Prüfung, vor der ihr am meisten graute. Sie war sich sicher, dass sie nicht mit den wahren Artio-Jüngern konkurrieren konnte, doch sie wollte für diese Göttin der Jagd tun, was in ihrer Macht stand. Also legte sie alles ab, bis auf Bogen und einfache Pfeile und einer Robe und ritt zum alten Tagebau, wo sie ihr Pferd abstellte. Dann lief sie barfuß durch den Wald, bis zum Wasserfall. Angespannt lauschte sie, ob der Bär in seiner Höhle war und schon nach kurzer Zeit konnte sie sein lautes Schnauben und Knurren hören.

Auch die Robe legte sie jetzt noch ab und nahm all ihren Mut zusammen, ehe sie - nur mit Bogen und Köcher bewaffnet - die Höhle betrat. Es war ein langer und harter Kampf, unzählige Ratscher und Kratzer von den Dornen und Ästen des Unterholzes zierten ihren Körper, ihr Widersacher war durch die Pfeile, die schon in seinem Körper steckten bis aufs Blut gereizt, grollend und trampelnd walzte er alles nieder, was sich ihm in den Weg stellte. Doch dann traf sie ihn perfekt - dieser eine Pfeil besiegelte das Schicksal des monströsen Raubtieres. Schnaufend und ausser Atem stand sie eine Weile über dem toten Riesen, ehe sie vom nahen Hof Messer und Axt holte.

Nicht sonderlich geschickt, aber recht effektiv hackte sie solange auf den toten Körper ein, bis sie den Kopf vom Rumpf getrennt hatte. Sie schleppte ihn in die Höhle und nackt wie sie immer noch war, kniete sie sich im dumpfen Gestank der der Raubtierhöhle auf den kalten Boden.

Artio - Herrin der Jagd und der wilden Tiere!
Ich rufe dich an! Erhöre deine Tochter!
Vergib mir meine Schuld! Ich bringe dir diesen Schädel als Opfer zur Sühnung dar!
Nimm mich erneut auf in die Gemeinschaft Deiner Gläubigen!


[Bild: artio0xot4.jpg]
Zitieren
#7
6. Tag - Nodons

Nachdem sie sich von dem Kampf mit dem Bären und der anschließenden blutigen Arbeit gesäubert hatte und wieder ihre Kleidung trug, blieb er noch ein weiterer Gott, dem sie huldigen wollte.

Nur allzu gerne erinnerte sie sich an die Legenden und Sagen, die sich um einen wahren Helden Ravinsthals rankten und von denen sie oft genug an den Feuern gehört hatte: Benedict "Das Falkenauge"

Er hatte die Lebensmittellieferungen der Reichen und Adligen überfallen, um sie an Arme und Bedürftige zu verteilen - so ging die Legende. Also hatte sie ihm zu Ehren ihr Nusskuchen-Meisterwerk gebacken. Sie ritt zur Grenze nach Ravinsthal - der Ort, an dem sie ihm wohl in diesen schweren Zeiten am nächsten sein konnte. Ein alter Stich, den sie in einem der zahllosen Bücher der Bibliothek gefunden und herausgerissen hatte, diente ihr als Unterlage. Vorsichtig setzte sie den Kuchen darauf, kniete sich nieder und richtete ihre Worte an Nodons.

Ich rufe dich an, Nodons - Herr des Kriegertums und der Heilung!
Man sagt, dass man dich dort findet, wo Helden und Märtyrer verehrt werden und so ehre ich Benedict "Das Falkenauge", um deine Aufmerksamkeit zu erlangen, Herr!
Erhöre deine Tochter und vergib ihr die große Sünde, die sie auf sich genommen hat!
In aller Demut bitte ich dich, mir zu vergeben, oh Herr!



[Bild: nodonsk5q5v.jpg]
Zitieren
#8
7. Tag - Cranus

Neblig zog der Morgen herauf, nur schwer konnten die ersten Sonnenstrahlen den feuchten Dunst der Nacht durchdringen. In geisterhaftem Licht lag die Wiese vor ihr, gepenstisch wirkten die hellen Fetzen der feuchten Luft, die zwischen den Bäumen des nahen Alten Waldes lagen.

Das kleine Fass wurde vom Pferderücken gelöst und in das nasse Gras gesetzt. Sie öffnete den Deckel und tauchte das blank polierte Trinkhorn hinein. Ein Moment der Stille und der Andacht, hier draussen, fern der Stadt, ehe sie ihre Stimme erhob:

"Cranus ich huldige dir!"

Langsam floss der Met aus dem Trinkhorn auf das Gras, ehe es erneut gefüllt wurde.

"Sieh auf deine Tochter!"

Wieder ließ sie das Met auf die Wiese laufen, dabei langsam voranschreitend. Sie kehrte zu dem Fass zurück undtauchte den gekrümmten Behälter in die bernsteinfarbene Flüssigkeit.

"Nimm dies Opfer als Zeichen meiner Reue und vergib mir!"

In konzentrischen Kreisen, die sich um das mitgebrachte Fass drehten und immer wieder kurz unterbrochen wurden, um das Methorn nachzufüllen, wiederholte sie ihre Gebete und Anrufungen um Vergebung, bis auch der letzte Tropfen der alkoholischen Flüssigkeit dargebracht war.

[Bild: cranus2s9xd2.jpg]
Zitieren
#9
7. Tag - Amatheon

Das Fest, dieses Sonnabschiedsfest, irgendwie hatte sie sich darauf gefreut, auch wenn es ihr fremd war. Aber so wie Ernst es ihr beschrieben hatte, klang es nach einem gutem Brauch, Kerzen vor die Häuser der Leute zu stellen, die man damit ehren wollte, um den Winter noch einmal davon abzuhalten, zu schnell heraufzuziehen.

Sie wäre zu gern zu dem Weinfest gegangen, aber so kam es nun mal, dass sie ganz und gar auf Ernsts Fest eingebunden war, aber dennoch hatte sie noch etwas besonderes vor. Was für die meisten wie eine Dekoration aussah, war für sie ein Opfer an Amatheon, das große Rad aus Ähren, das sie vor die Tür der Kreuzwegtaverne ausgelegt hatte. So konnte sie ihm huldigen, unter den Augen der Mithrasgläubigen und niemand würde sich etwas dabei denken.

Wobei sie wahrlich auch nicht sehr verwundert war, dass ausser Ernst niemand sonst sehr viel auf diesen alten Brauch gab. Der Glauben des gemeinen Löwensteiners war schwach und die Grußformeln wie: "Mithras Segen", oder "Mithras Licht über euch" nur leere Worthülsen.

Als die Dunkelheit sich schon langsam zu senken begann, füllte sie ihren Becher mit Met auf, dem Trank der Götter und entschuldigte sich bei den Gästen. Sie ging nach draussen, stellte sich in die Mitte des Ährenrades, tunkte ihre Fingerspitzen in den Met und begann zu sprechen:

"Amatheon, Herr der Saat und der Ernte...",

sie sprenkelt den Met auf die Ähren.

"Herr des Wachstums und des Vergehens!"

Und wieder flogen einige Tropfen auf das Ährenrad.

"Höre deine Tochter!"

Jeder Satz wurde nun mit dem Versprenkeln des Mets untermalt.

"Vergib ihre Schuld, die sie auf sich geladen hat!
Nimm dies Rad aus Ähren, als Opfer für meine Sünde!"

Der restliche Met wurde nun vorsichtig im Kreis auf die Ähren gegossen und damit war das kurze Ritual auch schon beendet und sie ging zurück zu der kleinen Festgesellschaft.

[Bild: amatheon39bptx.jpg]
Zitieren
#10
8. Tag - Epona

Es war schon einige Tage her, als im oberen Alten Wald plötzlich etwas durch das Gebüsch brach und stehenblieb, witternd die Luft einzog und dann in einen dunklen, tiefen Schrei ausbrach: Brunftzeit der Rothirsche. Ein kapitales Exemplar und sie wusste, sie hatte nur diesen einen Schuss. Sie war keine Jägerin, aber eine leidliche Bogenschützin und so zog sie so leise wie möglich einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn in die Sehne, spannte den Bogen und visierte den seitlichen Brustkorb an, etwas oberhalb des Vorderlaufes. Ein kurzes Stoßgebet zu Epona und dann verließ der Pfeil sirrend die Sehne. Als er in das Tier einschlug, bäumte es sich auf, sprang los, aber schon nach wenigen Sprüngen brach es zusammen. Ihr war ein fast perfekter Blattschuss gelungen.

Sie kniete sich neben das tote, noch warme Tier und brach es mit ihrem scharfen Messer auf. Es dauerte eine Weile, bis sie es aus der Decke geschlagen und alle verwertbaren Teile herausgeschnitten und in einen Jutesack gestopft hatte. Auch den Kopf konnte sie nach einigen Mühen vom Rumpf trennen.

Stundenlang wurde dieser später gekocht, bis sämlichtes Fleisch vom Knochen gefallen war. Anschließend polierte sie den Knochen mit Salz und einer Speckschwarte, bis er sehr weiß war und glänzte. Zufrieden betrachtete sie das Geweih des Zwölfenders und machte sich schließlich am nächsten Tag in den frühen Morgenstunde auf zur Wiese, die an den Alten Wald angrenzte.

Das Geweih legte sie am Waldessaum auf den Boden und kniete sich davor.

Epona, Herrin der Jagd!

Erhöre deine Tochter und vergib ihr die Schuld, die sie auf sich geladen hat!

Nimm dies als mein Opfer und als Zeichen meiner Reue!


[Bild: epona365xeg.jpg]
Zitieren




Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste