Väter
#1
Man zweifelte in den letzten Wochen und Monaten
oft an meiner Loyalität. Man hatte Angst ich würde Mist bauen,
lügen und verraten. "Elda mach keinen Blödsinn.", "Elda denk nach.",
"Ihr wollt mich doch loswerden.", "Elda, du hast mich enttäuscht."
Woher das kommt, kann ich nicht einmal erraten. Ich bin jung, ja.
Ich bin auch naiv. Ich bin unerfahren, unberechenbar, launisch und
emotional. Vor allem anderen bin ich loyal. Man sieht es mir nicht an,
weil ich das so will. Doch diesem einen, alten Mann gilt meine
gesamte Treue.

Die wenigstens Menschen besitzen den Luxus gemeinsam mit ihren
Vätern aufzuwachsen. Oder gar das ihr Vater noch lebt. Krieg,
Seuche und Gier haben viele Väter getötet und werden noch einigen
Kindern ihre entreißen. Ich wuchs ohne Vater auf. Meine Mutter sagte
mir immer, er sei ein herum wandernder Druide gewesen.
So schnell wie er gekommen war, war er auch wieder Weg.
Ich suchte mir andere Väter. Eine Tochter braucht doch ihren Papa,
so sagt man. Mein Großvater hat diesen Platz mit viel Liebe und
Verständnis ausgefüllt. Er ist in Galatia. Vermutlich schon tot. Und dann
war ich in Löwenstein. Ein einsames Kind. Ein junges, ängstliches
Mädchen. Und dann kam Nikolaj.

Er gab mir ein Dach über dem Kopf. Er gab mir Essen, Wasser und
Kleidung. Von ihm bekam ich die Waffe, die ich noch heute bei mir trage.
Ein altes Jagdmesser, das jeder andere wohl schon weggeschmissen oder
eingeschmolzen hätte. Mit dieser Klinge tötete ich das erste Mal. Das Blut
von so vielen klebt daran. Ich habe das Messer so oft benutzt.
Und ich habe es immer für ihn benutzt. Er hat mich alles gelehrt was ich
heute weiß. Ihm verdanke ich mein Leben und doch zweifelt man meine
Treue zu ihm an. Er ist mir mehr Vater, als mein Leiblicher jemals war.
Ich liebe diesen dreckigen Gauner. Für ihn würde ich jeden töten.

Ich habe das ungute Gefühl, bald wird ein Sturm hereinbrechen.
Vielleicht überlebe ich das Umwetter nicht. Vielleicht wird er das hier
niemals lesen. Aber irgendjemand wird diesen Zettel finden.
Und dann wird man wissen, wessen Wort ich stets gefolgt bin.
Ihr könnt an mir zweifeln so viel ihr wollt. Redet mir ins Gewissen und
mahnt mich zu mehr Besonnenheit. Mir ist Löwenstein egal. Der alte Hafen
geht mir am Arsch vorbei. Für mich zählt nur er. Auch wenn ich selten
seine Beweggründe verstehe oder sogar seine Taten verurteile.
Auch wenn ich weiß, das er mir nicht halb so viel Hingabe widmet,
wie ich ihm. Er ist mein Vater. Sein Wort ist Gesetz. Und dies ist das
einzige Gesetz das ich niemals brechen werde.

Vielleicht wird es Sam das Leben kosten. So wie es schon bei
anderen war. Arden musste sterben, damit Nikolaj leben konnte.
Vermutlich wird es irgendwann auch andere die ich Liebe erwischen.
Und es wird mir nicht leid tun. Ich will nicht noch einen Vater verlieren.
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