Bettelstab und Brotkrumen
#1
Als Landstreicher hatte man es nicht leicht, das hatte der Alte schon in den Zwanzigern merken müssen. Nicht, dass er es sich damals ausgesucht hätte, doch lieber Landstreicher und nirgendwo wirklich gewollt, als tot am Strick!
Seitdem war er durch Servano gewandert, immer darauf bedacht, sich so wenig Ärger, wie möglich einzuhandeln. Mit den Jahren kamen dennoch die Narben, Knochenbrüche, Schmähungen, Demütigungen und manches Mal beinahe der Tod. Besonders die kühleren Monate im Jahr waren schwer für ihn gewesen, so ganz ohne feste Unterkunft, ohne Vorräte und meistens pleite. Die größte aller Sorgen war jedoch das Schuhwerk.
Und die blieb es auch, als der Mann nach vielen Jahren mit Ende 30 wieder in die Stadt zurückkehrte, wo alles angefangen hatte. Löwenstein.
Zuerst war er ins Armenviertel gegangen, das einzige, was einer Art von Heimat nahekam, seit er, gerade erst geboren, dort vor 41 Jahren wie ein Bündel Müll vor die Pforten des Heilerhauses hingeworfen worden war. Die Diener des Mithras hatten ihm versucht, eine Zukunft zu ermöglichen, einem Waisen, der sonst niemanden hatte. Sie versagten bei nahezu allem, außer, dass sie einen gläubigen Menschen aus ihm machten, der nach Kräften versuchte, ihnen gerecht zu werden. Die vermittelte Schreinerlehre endete fulminant und wäre beinahe am Galgen besiegelt worden, doch davor hatte ihn die Landstreicherei bewahrt. Und ein Leumund aus der Priesterschaft, der unerkannt blieb... vermutlich einer seiner ehemaligen Heimvorsteher, der so blauäugig war und ihn noch immer nicht aufgegeben hatte.
Seitdem die Hexerkeuche schlimmer geworden war, hatte Elrik der Bettler, Elrik der Landstreicher, das Hinkebein und die Eiterbeule... das nämlich selbst bereits. Irgendwann, so war er sich sicher, würde die Hexerkeuche ihm den Garaus machen, wenn nicht vorher irgendein Schläger der Banden im Norden der Stadt ihm die Kehle aufschlitzen würde oder der Hunger ihn dahin raffte.

Denn auch als Bettler in einer Stadt hatte man es nicht gerade leicht.
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