Bilderrätsel
#1
Mit einer Mischung aus Skepsis und Neugier betrachtete er das zerfledderte Buch vor sich. Die Kritzeleien und Bildchen erinnerten eher an das Werk eines Kindes. Doch es war ein Kochbuch, so seltsam es auch anmutete. Und es war nicht irgendein Kochbuch. Es war Bauer Hinnerks Kochbuch!

Gorkon hätte nicht im Traum daran gedacht, dass Hinnerk so etwas überhaupt besaß. Hinnerk war der typische Bauer gewesen, vollgestopft mit vielen bäurischen Weißheiten, einer guten Portion Intuition und einer Prise Fingerspitzengefühl. Er konnte sich nicht erinnern, dass er Hinnerk jemals mit einem Buch in der Hand gesehen hätte... nicht einmal mit einem Kochbuch. So gut wie Hinnerk mit seinen Pflanzen und seinem Bogen umgehen konnte, so schlecht konnte er lesen und schreiben. Aber vermutlich musste er ja auch irgendwie Mal klein angefangen haben und so zerfleddert wie das Buch aussah, stammte es wohl sicher noch aus seinen jüngern Jahren.

Jan schaute ihn abwartend an, während Gorkon langsam in dem Buch blätterte und sich die Kohlestift-Bildchen ansah. Um das Problem des Schreibens und Lesens zu umgehen, war Bauer Hinnerk wohl auf die Idee gekommen die Koch- und Backrezepte mit Symbolen und Bildchen auf Papier zu bringen. Doch was für Hinnerk eine Hilfe gewesenen sein muss, war für Jan und auch für Gorkon nun ein Problem.

Jan hatte das Buch von einem Freund seines Onkels bekommen, wohl als kleine Erinnerung an den Verstorbenen. Doch nun da Jan das Buch besaß, wollte er es nicht einfach in einen Schrank stellen und dort verstauben lassen. Jan war irgendwie auf die Idee gekommen in die Fußstapfen seines Onkels zu treten. Auch wenn ihm bewusst war, dass es ein langer Weg sein würde, alles Stück für Stück zu erlernen, so hatte ihn irgendwie der Ehrgeiz gepackt. Und beginnen wollte er damit die Rezepte in diesen Buch, eins nach dem anderen, zu entschlüsseln und auszuprobieren.

Deshalb war Jan zu Gorkon gekommen und hatte ihn um Rat gefragt. Auch wenn Gorkon selbst noch als Lehrling galt, so hatte er doch viel von Jans Onkel gelernt und diesem oft über die Schulter sehen dürfen. Jan hatte sich wohl gedacht, wenn es einen gibt, der die Rezepte verstehen kann, dann wohl Hinnerks ehemaliger Lehrling.

„Das sieht aus wie eine Ähre... vermutlich eine Weizenähre. Und da ist noch eine... also zwei.“ So begann die Arbeit mit dem Buch. Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem ersten Rezept wohl um Pfannkuchen handelte. Gemeinsam entschlüsselten sie die Symbole, eines nach dem anderen, wobei Gorkon Jan geduldig erklärte, an was er sich aus seiner Lehrzeit bei Hinnerk erinnerte, und was er selbst, aufgrund seiner Erfahrungen in der Bäckerei, tun würde. Jan machte sich dabei fleißig notizen. Nach fast einer Stunde Arbeit, hatten sie dann endlich das erste Rezept zu Papier gebracht und lächelten beide zufrieden. Doch sie wussten, dass das erst der Anfang war.

Beim nächsten Mal würden er und Jan wohl zusammen die Pfannkuchen backen und das nächste Rezept entschüsseln. Es wartete ein langer Weg auf beide, bis sie die Rezepte aus diesem Kochbuch alle durch hatten.
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