Abbitte
#1
Am ersten Tag vor genau einer Woche war das Gefühl des kühlen Marmors am Körper angenehm. Die Hitze des Tages hatte die Luft aufgeheizt, und selbst mit dem luftigen Leinenhemd und der dünnen Hose war es schon fast zu unangenehm, um aus dem Haus zu gehen. Doch der Altarraum des Tempels war angenehm kühl gewesen, und so auch der Boden, auf dem Emanuel lag, die Augen geschlossen und die Arme und Beine von sich gestreckt in dem Bestreben, einer Sonne so nahe zu kommen, wie es einem mit vier Gliedmaßen nur möglich ist. Die Geste der großen Unterwerfung macht den Bußgänger klein und verletzlich, und vermutlich ist dies auch der Hintergedanke. Doch im ersten Moment war es eine willkommene Kühle, die einem die Härte des Marmors vergessen lässt.
"Vergib mir Mithras, denn ich habe Dunkelheit das Licht meiner Seele beflecken lassen.
Ich habe Seiner Gnaden widersprochen und versucht, ihn zu belehren. Ich war respektlos und habe mich seinem Befehl verweigert.
Alles dies reut mich und ich vertraue deiner Führung, damit ich wieder im Licht wandle..."

Die Worte hat er leise gesprochen, doch die große Halle warf die Worte oft hin und her, bis das Bußgebet wie ein Mantra in den Ohren klingelte. Die Kühle wurd zur Kälte, und bald schmerzte jeder Knochen. Sich zu konzentrieren, wurde schwer. Und es läutete zur vollen Stunde.


Er hört hinter sich Schritte. Gläubige, die zum Gebet gekommen sind. In den frühen Morgenstunden, in denen er die restlichen Tage zum Bußgang gekommen ist, ist dies nicht sehr häufig geschehen. Ein Bauer trägt einen Korb mit sich und legt sein Opfer an den Altar, ehe er um Emanuel herum gen Ausgang läuft. Er war vor zwei Tagen schon hier gewesen, und Emanuel kann seinen Blick auf sich spüren.
"Vergib mir Mithras, denn ich habe Dunkelheit das Licht meiner Seele beflecken lassen...
Der letzte Tag. Eine Woche und sieben Bußgänge sind nicht genug, um sich an diese Haltung und die Kälte zu gewöhnen. Nach zwei Stunden fühlt er seine Finger kaum noch. Nach drei Stunden ist die Haut dort, wo sie bloß auf dem Marmorboden liegt, gerötet, und er muss seine Hände reiben und anhauchen, bis er wieder ein Gefühl in ihnen hat. Sein Mund ist trocken vom Beten, und sein Kopf schwirrt ob des Echos. Und dann geht er hinaus und tritt in den Sonnenschein, und die Wärme durchströmt ihn wie ein Segen. Aus dem strafenden Blick des Herrn wurde ein wohlwollender. Er hat gebüßt, und er fühlt sich, als hätte Mithras ihm vergeben.

Nun muss nur noch Seine Gnaden der gleichen Meinung sein.
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