FSK-18 Es wird schmutzig.
#1
Im Untergeschoss der Totengräberei zieht sich eine Spur von breiten, schlammigen Stiefelabdrücken vom Hintereingang bis zum Aktenregal in der Raummitte. Direkt vor dem Möbelstück wurde mit feuchtem Erdreich ein deutliches X auf den Boden gemalt und mit einzelnen Grashalmen verziert. Das stark einparfümierte Stoffbündel, welches bis dato im obersten, leeren Fach geruht hatte, ist verschwunden. Im Gegenzug findet sich dort ein altes, aufgeschlagenes Buch mit dem Titel "Fabelhafte Fabelwesen - von Rupert Knecht".


doch zur Beruhigung sei genannt, dass der letzte Kobold vor über 70 Jahren in den Hohenmarschener Sümpfen gesichtet worden ist. Nichtsdestotrotz ist dringend angeraten, sich alle Buchstaben zu notieren.

Kapitel 7 - Geister, Gespenster & Irrlichter


Ein kalter Schauer mag einem über den Rücken laufen, wenn man an diese Wesen denkt. Fast ein jeder von uns hatte schon eine Begegnung mit einem Geist, wenngleich die meisten es dann doch lieber als Hirngespinst abtun, als sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Es gibt sie und wenn man weiß auf welche Merkmale man achten muss, sind sie geradezu erschreckend einfach zu erkennen.

Geister sind nicht durchsichtig. Sie wollen in erster Linie eine äußere Erscheinung erreichen, die der eines Menschen möglichst ähnlich sieht. Obgleich sie sich durch Wände und andere Hindernisse bewegen können, sind sie also im Besitz eines gewöhnlichen, festen Körpers. Als eines der drei wichtigsten Merkmale wäre zweifellos der Helm aufzuführen. Alle Gespenster die sich auf dem Erdboden bewegen wollen, tragen einen Kopfschutz aus Eisen, der nicht nur dazu dient ihren leeren Blick zu verhüllen sondern auch ihren flüchtigen Körper davon abhält in die Luft zu steigen. Die zweite Besonderheit der Geister ist ihr sonderbarer Gang, der sich dadurch auszeichnet, dass sie stets fünf Schritte voran und dann wieder einen zurück gehen. Experten glauben, dass es an ihrer Vergangenheit liegt, die ihnen stets im Nacken sitzt und ein Vorankommen verhindern will. Das letzte Erkennungszeichen stellt die lange Robe dar, die auf Herzhöhe einen schäbigen Flicken aufweist. Ganz bedeutend ist die Farbe der Gewandung, da ein grüner Stoff beispielsweise einen freundlichen Geist kennzeichnet, der den Sterblichen gerne auch einmal mit einem weisen Rat zur Seite steht. Sollte es sich allerdings um einen Weiß- oder Grauton handeln, sollte man jedwede Forderung des Geistes erfüllen, sofern man an seinem Leben hängt.

[Bild: ghost.png]
Abb. 13: Gespenst im Maisfeld, nach Beschreibungs eines Augenzeugen
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#2
Ist es nicht kälter geworden?



"Willst du nicht Aug’ und Sinn ermatten,
Lauf’ auch der Sonne nach im Schatten!"

F. Nietzsche


Sollte es sich allerdings um einen Weiß- oder Grauton handeln, sollte man jedwede Forderung des Geistes erfüllen, sofern man an seinem Leben hängt.

Nichts, was sie nicht schon gewusst hätte. Cleo als unaufmerksam zu bezeichnen, hieße ihr Unrecht zu tun. Sie war aufmerksam, allerdings richtete sich diese Aufmerksamkeit nicht auf die Oberfläche des alltäglichen Geschehens, sondern auf die vielschichtigen Dimensionen, die sie dahinter, darüber und darunter vermutete und ihr unermüdliches Kombinieren errichtete dort Ordnungen, wo andere nichts als den Zufall walten sahen.

Hier war die Ausrichtung des Schubkarrens ein Indikator für die Laune von Lew; das kleine Bild im Treppenhaus verriet ihr etwas über das Wetter des kommenden Tages und wenn das Gräberfeld morgens vom schweren Nebeldunst verhangen war, dann bedeutete das, dass sie sich vor den Bienen in Acht nehmen musste. Selbst vormittags musste die Kerze im Schlafzimmer brennen und wenn sich der Tag dem Abend entgegen neigte und die Schatten länger wurden, dann krochen stets die Geister der Toten von allen Seiten auf sie zu und ihr Flüstern lockte sie zu sich hinab in die tiefen Gräben jenseits Lebens und damit allen Sterbens. Immer wenn sie die Augen schloss, dann fühlte sie sich stürzen.

Dass Geister nicht durchsichtig waren, das wusste sie natürlich und natürlich wusste sie auch, dass die Aufzählung in diesem Buch weder korrekt noch vollständig war. Der Autor hatte sich einer methodisch fragwürdigen Induktion schuldig gemacht und unzulässigerweise von einem Einzelfall auf das allgemeine Phänomen geschlossen. Ja, es gab gewiss Geister, die anhand dieser Merkmale zu identifizieren waren, aber aus eigener Erfahrung wusste sie, dass sie sich auch in ganz anderer Gestalt zu erkennen gaben.



Aber das war es nicht, was sie an dem Tag beschäftigte, an dem sie das Buch aus dem Regal holte und die aufgeschlagene Seite las. Nein, sie wartete darauf, dass Lew endlich aufwachte und das Haus verließ und glaubte ihn schon im Reich der Toten wandeln, bis endlich der knarrende Fußboden sein Erwachen verriet.

"Kommst du mit?"
- "Nein."


Sie sah ihr Leben an sich vorbeiziehen und wie sie um Jahre alterte bis Lew endlich in die Gänge kam und ging, aber dann holte sie die Schatulle mit dem Geld ... Es wäre gut angelegt.


[Bild: ifbm.png]
Abb. 24: Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer.
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