Wer heilt hat Recht!
#11
Ich habe wirklich schlecht geschlafen. Was aber nach den Ereignissen des gestrigen Tages nicht verwundern will.
Freudig hatte ich die Patientin Cleo Heim geleitet und war nun schon mit den Gedanken bei Lyanna, wollte ich ihr doch nun endlich die Ergebnisse meiner Forschungen mitteilen.
Wir waren in der neuen Heilerstube verabredet und so ging ich forschen Schrittes, wurde aber schon nach wenigen Schritten von einem stoisch wirkenden Mann namens Pregator aufgehalten. Es musste sich ja ganz klar um einen schlecht informierten Mann handeln, da er sich weigerte mich durch zulassen. Zugleich traf eine Gardistin ein, welche Schreie vom Grundstück gehört haben wollte und nun Eintritt verlangte. Hin und her, her und hin, es ertönte ein gellender Schrei vom Greifenfels'schem Haus und alle Dämme brachen, wir stürmten los.
Ich sah Lyanna blutverschmiert und schreiend am Boden liegen, zwei Männer, maskiert mit braunen Roben befahlen ihr Ruhe. Sie wirkten überaus bedrohlich, wenngleich nicht mörderisch.
Ich machte mich natürlich sofort daran, Lyanna aus dem Dunstkreis dieser Kerle zu ziehen und ihre Wunden provisorisch zu versorgen.
Zu allem Überfluss tauchte in diesem hektischen Moment Carl Gustav Jehann auf. Mir wurd heiß und bang, ob nicht er nun als nächster zusammen geschlagen würde, aber er behielt die Ruhe, verlangte Eintritt und verschwand zu meiner größten Verwunderung nach einigem hin und her, im Haus.
Verdammt noch eins. Was ging hier vor?
Lyanna verlangte nach Hilfe, aber es wurde uns untersagt, dass Gelände zu verlassen. So schnappte sich Lyanna ein Pferd und preschte im schnellsten Galopp an den Kerlen vorbei, gen Stadt um Hilfe zu holen.
Die wohl eine Zeit später auch eintraf, ich war schon mit der Versorgung eines weiteren Verletzten in der Heilerstube befasst, als Carl Gustav Jehann mich aufsuchte, mich beruhigte mit den Worten: Es wäre eine konfliktträchtige Familienangelegenheit und wir gingen nun, da Lyanna im Ganterhaus liegen würde und Hilfe benötige.

Und so war es dann auch. Leider kamen wir ein paar Momente zu spät. Gaius Ganter hatte schon angefangen mit einem gewachsten Faden, Lyannas Braue zu nähen. Herrje, was für ein Desaster, er hatte sie verknotet, wie einen Rollbraten, wenngleich er so tatsächlich die Blutung fast zum Stillstand genötigt hatte. Er übergab mir die Patientin mit einem vorbildlichen Zustandsbericht. Ich muss ihn bei Gelegenheit mal fragen, woher er diese Kenntnisse hat. Und ich werde ihm Nähen von Platzwunden beibringen! Wollen wir hoffen, dass der Wulst sich gut zurückbildet und die Narbe fein und nahezu unsichtbar wird, im Laufe der Zeit.

Nachdem alle versorgt waren, zogen Herr Jehann und ich uns in seine Schreibstube zurück. Die Ruhe und Kraft, die von ihm ausgehen, sind nicht minder wohltuend, als die herzliche Wärme, mit der er mir begegnet. Ich beginne langsam ihm zu vertrauen.
Wir unterhielten uns eine Weile über die Vorfälle, bis die Müdigkeit mich zu übermannen drohte und ich mich eilig in die Felle machte.

Meine Forschungsergebnisse würden also warten müssen!
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#12
Was, liebe Eirene, ist deine eigentliche Aufgabe?
Diese Frage musste ich mir in den letzten Tagen mehrfach stellen, um mich immer wieder auf das wirklich Wichtige in meinem Leben zu fokussieren: Meine Forschungen!

Aber es war nicht leicht, die innere Ruhe und Konzentration dafür zu finden.
Diese ganze verworrene Greifenfels-Geschichte mit ihren Auswüchsen, raubt mir einfach zuviel meiner Konzentration.
Aber ich sorge mich wahrlich und aufrichtig um meine Freundin Lyanna und und daraus ergibt sich fast zwangsläufig, dass ich immer für sie da bin. Die Forschung muss also eine Weile hintan stehen.

Immerhin liegen meine Forschungsergebnisse zum Lebertran, dem Stadtrat vor und ich warte mit Spannung, ob wir in die nächste Runde einsteigen können.
Die Ergebisse aus dem großen Versuch mit dem eingelegten Pferdehaar und dem Fieber habe ich immerhin schon gelistet und zusammengefasst.
Bald werde ich diese beiden Projekte dem Heiler-Bund vorstellen.

In der Familie Jehann fühle ich mich zunehmend wohl. Es sind besondere Menschen, feinsinnig, gutmütig, großmäulig, humorvoll und willenstark. So könnte man sie alle bezeichnen. Selbst Ernst entpuppt sich als einer, der mehr Tiefgang hat, als er im ersten Moment einem glauben machen möchte.
Ich freue mich, für Lena und ihn. Ihre Leidenschaft für einander, springt ihnen aus jeder Pore, auch wenn sie sich redlich bemühen, dies zu verbergen.

Wer hätte gedacht, dass der große Carl, soviele Schwierigkeiten hat, ein Kompliment anzunehmen? Lieber versucht er mir brüsk vor den Kopf zu stoßen und mir Schleimerei zu unterstellen, als das er auf die Idee käme, dass ich nur das ausspreche, was ich wahrnehme. Naja, ich werde ihn langsam daran gewöhnen müssen.
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#13
Und wieder ist dieser Sommer viel zu schnell vorüber gezogen. Auch wenn ich den Herbst mag, mit dem bunten Laub und der duftenden, regennassen Erde, die Wärme ist mir dann doch lieber. Naja, alles lamentieren hilft hier nichts, ich werde auch bei Kälte meine Studien fortsetzen.

Ein erster Durchbruch ist mir nun gelungen: der Lebertran wird vom Stadtrat für alle Bürger verordnet. Immerhin ein Fortschritt im Kampf gegen die Keuche. Zwei weitere Versuche laufen diesbezüglich noch.
Der Heilerbund kommt nicht gut voran, wir ziehen nicht an einem Strang, dass muss sich dringend ändern. Allein werden wir gegen die Keuche nichts ausrichten können. Aber ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, unsere Kräfte zu einen.

Meine Schülerin Sam wächst mir täglich mehr ans Herz. Ich möchte sie nicht mehr missen. Ich kann gar nicht genau sagen, was es ist, aber sie inspiriert mich immerzu. Alle Ideen die wir haben - und davon produzieren wir reichlich - enden meistens im Erfolg.
Ich bewundere sie für ihren Mut. Sie traut sich manchmal was, was ich nicht mal zu denken wage. Aber sie ist niemals überheblich, oder belehrend dabei. Ich werde sie beschützen mit all meiner Kraft. Wenn sie nur nicht so schrecklich faul beim Lernen wäre, sie könnte innerhalb kürzester Zeit so viel Wissen anhäufeln. Aber ich werde ihr sie heraus fordern.

Das Leben bei den Jehanns ist sehr schön und wird von Woche zu Woche interessanter, weil ich die Menschen dort immer besser kennenlerne.

Ernst und Magda heiraten nun bald. Ernst ist gar nicht immer so schlimm, wie man so denkt, er kann sogar nett sein. Also nicht nett, wie man es von anderen Leuten kennt, sondern für seine Verhältnisse ist schon weniger knurrig sein, nett. Magda wird ihm in dieser Hinsicht immer ähnlicher. Sie knurrt auch oft. Aber ich habe sie von Herzen gern. Und sie macht eine sehr anspruchsvolle Arbeit. Ich werde immer ein besonderes Auge auf sie halten, damit sie gesund bleibt.

Inara. Inara ist so schön und so liebevoll. Nur leider merkt sie vor lauter Arbeit gar nicht, wie sie verehrt und angehimmelt wird. Aber das kriegen wir auch noch hin.

Roland und Daranan sind zwei Hauswachen, wie man sie sich nur wünschen kann. Ruhig und zuverlässig. Roland redet, wie Dara auch, sehr wenig, aber wenn er was sagt, trifft er oft schnell den Kern der Dinge. Ich fühle mich in ihrer Gegenwart sehr sicher.

Simon, Gil und Vigga sind so unglaublich emsig, dass ich sie viel zu selten zu sehen bekomme. Ich werde allen Drei ein besonders heißes Moorbad zubereiten. Und extra viel Lebertran geben.

Carl Gustav Jehann ist ein kluger und gebildeter Mann, ich fange an, ihn als Herzensfreund wahrzunehmen. Sein Rat ist klug und wohl durchdacht. Ich bin froh, ihn zu haben. Und ich werde ihn schimpfen. Er war weder im Moorbad, noch hat er seinen Lebertran genommen. Das werde ich mir keine weitere Woche anschauen!

Aber ich kann sagen, dass es mir im Großen und Ganzen gut geht.
Und heute gehe ich zum Weinfest!
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#14
Ich war tot.
Natürlich denken alle, ich war ohnmächtig, vom Anblick des zerfetzten Paulus'. Als würde mich so ein Anblick noch übermäßig erschrecken können. Aber ich war nicht ohnmächtig, ich war tot!

ER hatte meinen Atem, mit einem tiefen Atemzug seinerseits aus mir heraus gezogen, so dass meine Liungen nicht mal mehr brannten und die Lungenflächen luftleer aneinander klebten. SEINE Stimme fragend in meinem Kopf, ob ich ebenso sterben wolle, wie Paulus?
Hätte ich Luft zum Sprechen gehabt und wäre diese ganze Situation nicht so aberwitzig verrückt, hätte ich ihm ein paar scharfe Widerworte verpasst. So blieb mir aber nur seine huldvolle Gunst, meinen einzigen Gedanken zu lesen: NEIN!
Nicht langsam und vorsichtig hauchte er mir wieder meinen Atem ein, sondern mit einem Schlag, so das meine armen Lungenflügel immer noch brennen, als stünden sie lichterloh in Flammen.
Ich solle mich dankbar zeigen, waren seine gelachten Worte.

Und seltsamerweise bin ich dankbar. Ich lebe wieder.
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#15
Es ist so unglaublich viel passiert in den letzten Tagen, dass es mir schwer fällt aus der Fülle, das Wesentliche zu extrahieren.
Ich bin von früh bist spät im Krankenhaus, entweder in der Kirche, oder im Armenviertel und es gibt nur seltene Momente einer Unterbrechung.
Wie wohl es tat, als Dara entschied, ich hätte jetzt frei und mit mir ans Wasser ging, zum Durchschnaufen.
Sam macht sich richtig gut, als Heilerin und als meine Seelenverwandte sowieso.
Die Zusammenarbeit mit Lyanna klappt hervorragend, wir ergänzen uns sehr gut. Und ich in meiner neuen Funktion als stellvertretende Heilerbundsprecherin, habe nun reichlich Gelegenheit mit ihr zusammen zuarbeiten, immerhin ist sie nun die neue Sprecherin des Heilerbundes.

Mein ehemaliger Gehilfe beim Pressen der Fischleber, Caleb, ist mir zu einem wichtigen Begleiter geworden. Und meinen heimlichen Plan, ihn zum Heiler auszubilden, werde ich nicht so schnell fallenlassen, wenn gleich er da noch höchst skeptisch ist und sich kein Talent zuschreibt, was ich aber deutlich anders sehe.

Während ich diese Zeilen niederschreibe, merke ich deutlich, dass es durchaus kleine, leuchtende Lichtblicke im Morast dieser Zeit gibt. Es sind die kleinen Dinge, die nun immer wichtiger werden. Kurze und schöne Begegnungen mit Menschen, aus denen ich meine Kraft für meine Arbeit ziehe.
Kaslyn, die neue Köchin im Hause Jehann zum Beispiel. Eine so herzliche Person, dass ich sie gleich in mein Herz geschlossen habe und gern Zeit mit ihr verbringe.
Oder die Schneiderinnen dieser Stadt: Anabella, Carmelina, Simona, Fräulein Veltenbruch und die Dame Kastner, so bereit willig wollen sie für den Heilerbund spenden, das es eine wahre Freude ist.
Oder Serbitar Morgenstern. Anfangs fand ich ihn grässlich von sich eingenommen und humorlos, aber nun sehe ich wie zuverlässig und aufrecht dieser Mann ist. Wie besorgt er sich einsetzt für die Schwachen und Kranken. Ich ziehe meinen Hut vor ihm, für seinen Mut. Unsere kurzen Gespräche werden immer interessanter.
Oder Siegfried Maxi Jehann - ich nenne ihn heimlich Maxi, irgendwie passt es zu ihm. Hat er mir doch vollkommen selbstlos einige Schillinge überlassen, als ich sie brauchte.

Leider bleibt meine Forschung dieser Tage vollkommen auf der Strecke. Und ich kann es kaum erwarten, mich endlich wieder an die Arbeit zu machen.
Und mein Traum in der letzten Nacht war vielleicht gar nicht so unangebracht. Ich träumte, dass wir - alle Bewohner Löwensteins - auf dem Marktplatz vor dem Monatrum knieten, aber statt angstvoll von ihm zu weichen, stimmten wir einstimmig ein Gebet an, welches immer kraftvoller wurde und das Monster zum Verschwinden brachte.

Naja...sicherlich nur ein Hirngespinst, was weiß ich schon von der Vertreibung von solchen Ungeheuern.
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#16
Wenn ich Kaslyn nun sagen würde, dass mir das Aufflackern der Keuche in der Stadt auf eine gewisse, sehr spezielle Art Freude bereitet, dann würde sie mir vermutlich die Freundschaft kündigen.
Aber gut, Freude im herkömmlichen Sinne ist es nicht, eher ein Aufwallen meines leidenschaftlichen Forschungsdrangs.
Endlich habe ich die Gelegenheit die Keuche noch besser zu erforschen, endlich kann ich mich daran machen, ein Heilmittel zu finden.

Es ist schlimm. Schlimmer als ich es mir je habe vorstellen können.
Mein feines Näschen kann die innere Verwesung im Leibe des Beron Andau schon riechen, auch wenn meine Augen nur eine Ahnung von dunklen Schatten auf seiner Haut ausmachen können.

Also gut, was haben wir bisher an Symptomen:
Es beginnt mit Kopfschmerzen, leichtem Fieber, Reizhusten ohne Auswurf und einer verstopften Nase. Das ist fatal, weil es jedem harmlosen Schnief sehr sehr ähnlich ist.
In den ersten drei Tagen nach Ausbruch zeigt es sich, ob es die Keuche ist, oder doch nur ein harmloser Schnupfen.
Dieses Stadium bezeichne ich als das 1. Stadium.
Im 2. Stadium kommt es zu einem quälenden Husten mit zunehmend blutigem Auswurf. Das Bewußtsein schwindet zeitweilig.
Noch kann ich das 3. Stadium nicht sicher beschreiben, aber ich vermute, die dunklen Flecken auf der Haut werden sich deutlicher zeigen.

Es regnet und es kalt und viele Menschen erkälten sich und landen im Armenkrankenhaus, wo sie bis zu 3 Tage ausharren müssen, ehe sie guten Gewissens entlassen werden können.

Und wir Heilerinnen stehen da, können nur versuchen die Symptome ein wenig zu lindern. Aber ohne ein echtes Heilmittel in Händen zu halten.

Was ich gestern von Carl erfahren habe, übertrifft alles bisher gehörte: Die Quarantäne-Insel ist voll und es kann kein einziger Kranker mehr aufgenommen werden. Es wird in Löwenstein einen Quarantäne-Bereich geben und er fragte mich, ob ich bereit wäre diesen zu betreuen.
Das ist die Chance auf die ich seit Monaten warte. Ich kann direkt an Erkrankten nach einem Heilmittel forschen. In der Kirche bei dem armen Herrn Andau ist dies kaum möglich, da muss ich eher darüber wachen, nicht gleich mit getötet zu werden.
Ich bin mir absolut im Klaren darüber, dass ich die Quarantäne vermutlich nicht lebend verlassen werde. Aber vielleicht gelingt es mir, zumindest einen Hinweis auf ein mögliches Heilmittel zu finden.

Ich habe Angst. Sogar furchtbare Angst. Aber ich weiß, ich kenne mich ja, wenn ich erst einmal in meiner Arbeit versunken bin, dann spüre ich sie nicht mehr.
Nur eins weiß ich ganz sicher, ich werde mir ein sehr starkes Gift mitnehmen. Sollte ich mich mit der Keuche infizieren, werde ich meinem Leben damit ein Ende setzen.
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#17
Zur Sicherheit packe ich eine zweite und dritte Ration Gift ein. Und ich schwöre bei allem was mir heilig ist, sollte dieser Mann, sich als Plage heraus stellen, dann werde ich ihn vergiften und ihm eigenhändig den Schleim eines Keuchekranken ins Gesicht schütten und an ihm forschen ohne Rücksicht.

Zumindest kann ich es mir ja einmal vornehmen.
Und ehrlich gesagt, bin ich froh, dass noch jemand anwesend sein wird. Vielleicht entpuppt er sich ja auch als Bereichung, wer weiß das schon?
Wie gut, dass ich Sam diesen Wahnsinn ausreden konnte, oder war es doch eher Carl's Verbot? Egal. Sie bleibt draußen. Ein Glück. Aber es ist so gut zu wissen, dass mir die nahen Menschen, nah sein werden.

Morgen werde ich in die 3. Zone der Quarantäne-Insel ziehen.
Ich will versuchen noch zu Lenas und Ernst' Hochzeit zu gehen, ich möchte noch einmal alle sehen, mir ihre Gesichter einprägen und mich dann leise verziehen.
Wenn ich in mich horche, dann fühle ich eigentlich nur Erschöpfung und eine immer mal wieder aufflackernde Angst. Aber diese Angst wird mich so vorsichtig wie möglich sein lassen.
Ich werde mich vollkommen und einzig auf die Versorgung der Kranken und die Erforschung eines Heilmittels konzentrieren. In all den Jahren, habe ich gelernt, meine Gefühle tief in mir zu verschließen. Und wenn der Tod an meine Türe klopft, dann will ich es ihm schwer machen, sperrig werde ich mich ihm präsentieren und ihn schlußendlich darum bitten mich rasch zu sich zu nehmen. Weil Schmerzen aushalten ist nicht so ganz meine Stärke. Aber noch lebe ich und ich will versuchen, so lang wie möglich durchzuhalten. Seltsamerweise sehe ich den Tag nicht vor meinem inneren Auge, an dem ich die Insel verlassen werde. Ich spüre die Kraft der Götter, ich weiß das Mabon mir zur Seite steht, er wird durch meine Hände wirken. Aber mein Leben danach kann ich weder fühlen, noch mir ausmalen.
Aber nun Schluss mit diesen Gedanken, ich habe wichtigeres zu tun.

Gestern kam mir plötzlich eine Idee, als ich Gnaden Alina so leiden sah. Sie verlangte nach Licht. Immer mehr Licht. Und da kam mir die Idee: Feuer bekämpft man mit Feuer, wenn Wasser nicht hilft.
Das könnte ein Ansatz sein für meine weitere Forschung.
Die Frage ist: Warum erholen sich manche rasch von einer Erkältung? Welche Säfte wirken da, dass sie sich schnell und gründlich erholen?

Ich werde also die Antwort suchen: Was ist das Gegenfeuer zum Keuchefeuer? Gleiches mit Gleichem bekämpfen.

Und nun packe ich die restlichen Dinge zusammen und gönne mir eine Mütze Schlaf, wer weiß, wann ich wieder dazu kommen werde.
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#18
Angeklagte, aufstehen! Ich werde nun die Anklageschrift verlesen.
Euch wird zur Last gelegt, die Seuche nicht geheilt zu haben, obwohl ihr über eine fundierte Ausbildung verfügt und jedwede Unterstützung des Königs erhalten habt.

Eure Räumlichkeiten sind mit den allerfeinsten Möbeln versehen, Ihr selbst ruht auf einem Federbette, welches sich gar in adligen Gemächern, wie die des großen Carl Gustavs, nur selten vorfinden lassen.
Aber die armen Verseuchten müssen auf muffigen Fellen und harten, durchgelegenen Betten dahin siechen.

Euch werden die feinsten Speisen, gar dreimal täglich aufgetischt. Von der zarten Hand, der lieblichen Leibköchin des Königs, namentlich Kaslyn - die Jungfrau, bereitet und in mundfeinen Happen gereicht.
Und Ihr flößt den Kranken stinkenden Tran ein.

Während Ihr Euch in dekadentem Plauder mit der Dame Sam ergeht, Kurzweil im launigen Geplänkel mit der Edlen Ennisfree aufblüht,
rotten die Verwesenden in Finsternis dahin.

Und als Gipfel der Dreistigkeit, habt Ihr das überaus verlockende Angebot des Würgers Wahnfried ausgeschlagen, Euch von Eurer erbärmlichen Existenz, per einstweiliger Erdrosselung, zu erlösen.

Und nun frage ich Euch, ein allerletztes Mal, Angeklagte:
Schuldig oder nicht schuldig?

Schuldig, Euer Ehren Gaius Ganter, in allen Punkten!


Notiz an mich selbst: Eirene, atmen! Tief ein und ausatmen! Schlaf ist vollkommen nebensächlich!
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#19
Mein allerliebstes Tagebuch,
du hattest nun genug Zeit, dich von meinen Ergüssen zu erholen und wirst es nun wieder verkraften können, wenn ich wieder schreibe.
Monate auf der Keuchen-Insel liegen nun hinter mir und ich lebe noch.
Erstaunlich.
Es gab Tage, an denen ich mir den Tod schon fast gewünscht hätte. Zweimal gab es den Moment, in dem ich mich infizieren wollte, um endlich voranzukommen. Und vermutlich wollte ich nur dem Druck auf der Insel ausweichen. Und Druck gab es reichlich.

Niemals werde ich die Sterbenden vergessen, in deren Augen blanker Irrsinn stand. Was für ein grausamer Tod.

Und all jenen Toten, an denen wir forschen konnten, ist es zu verdanken, dass wir letztlich ein Heilmittel gegen die Keuche in Händen halten.
Aber warum kann ich mich nicht richtig freuen über das Heilmittel? Sind da immer noch Zweifel in mir, ob wir es wirklich geschafft haben? Habe ich etwas übersehen?
Jeden Tag fühle ich mich unwohler, als würde das 'dicke Ende' noch erst kommen.
Oder hat sich meine Wahrnehmung des gewöhnlichen Lebens in den letzten Monaten nur so sehr verschoben, dass ich gar nicht mehr entspannen kann?

Es ist noch nicht vorbei.
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#20
Einatmen - ausatmen - einatmen - ausatmen.
Die vertraute Stimme hallt in meinen Ohren wider, als stünde sie neben mir. Was hatte mich Großmutter gelehrt? Atme tief, wenn du aufgeregt bist, wenn dir das Herz hämmert, die Gedanken wild kreisen.

Herrje, und ich atme ein, atme aus.
Aber diese elende Unruhe in mir, will nicht weichen. Seit wir nun endlich das Heilmittel gefunden haben, ich den Umzug ins Heilerhaus fast allein gemacht habe, Spenden für die Miete des Heilerhauses gesammelt habe, gibt es nichts mehr zu tun für mich.

"Eirene, entspann dich! Ruh' dich aus, nach den Strapazen!" sagen sie alle, sie haben ja Recht. Aber ich kann nicht. Ich kann weder schlafen, noch ruhig herum sitzen. Ich fühle mich getrieben, unruhig und immer 'auf dem Sprung'. Unaufhörlich kreisen Bruchstücke von Gedanken in meinem Kopf, tauchen blitzartig Bilder auf, die mich erschrecken. Wieder und wieder. Neulich wurde mir sogar die Brust eng und ich dachte kurz, nicht mehr atmen zu können.
Aber das Schlimmste ist, dass ich es niemandem wirklich sagen kann. Man würde mich doch für verrückt erklären, mich nicht über das Heilmittel freuen zu können. Natürlich freue ich mich darüber, aber viel mehr drückt mich die Schuld, es erst so spät gefunden zu haben.

Ob das der Zustand ist, von dem Wahnfried mehrfach sprach? Vielleicht sollte ich mit ihm reden.

Ach verdammt, warum ist mein Glaube nur so schwach, als das er mir nun wirklichen Trost spenden könnte? Fast beneide ich Liesel um ihren fanatischen, nicht gerade zerbrechlich wirkenden Glauben.

Also gut, fassen wir zusammen:
1. Eirene Kerlow bedarf einer gründlichen inneren Reinigung.
2. Eirene Kerlow wird einem großen Aderlass zugeführt.
3. Eirene Kerlow sucht das Gespräch mit Wahnfried. (Punkt 2 +3 könnten zeitgleich durchgeführt werden)
4. Eirene Kerlow bemüht sich Trost im Glauben zu finden und hält sich in der Nähe von Gläubigen auf, vielleicht färbt es ja auf sie ab.
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