Ein erfolgreicher Abend
#1
“Platsch”, ein kleiner, schwarz glänzender Stein landete im Wasser und durchbrach damit die sanften, gleichmäßigen Wellen, die leise an die Pfosten des Steges schlugen. Der Blick grauer, wacher Augen folgte dem Steinchen, wie es langsam im “Nichts” verschwand. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen folgte der nächste Kieselstein.


Die letzten Sonnenstrahlen des Tages röteten den Himmel als die junge Frau sich erhob und die beiden letzten Steinchen in ihrer Hand, so weit sie es vermochte, dem untergehenden Sonnenball entgegenwarf. Eilig schlüpfte sie aus der verdreckten Hose und zog sich das löchrige, verschwitzte Hemd über den Kopf ehe sie mit ihren stinkenden Füßen voraus in das klare kühle Nass sprang.


Mit einer sauberen roten, sehr kurz gehaltenen Hose und einem grauen, weit ausgeschnittenen Oberteil bekleidet, die ansonst nackten Füße in etwas zu klein geratene Stiefel gequetscht und das lange schwarze Haar gebürstet machte sie sich auf den Weg in den Neuen Hafen.


Gestern Abend hatte sie zumindest teilweise Erfolg gehabt, ein Matrose hatte auf ihre Frage, nach dem großen Nortgarder, mehr zu berichten gewusst als das Wenige was die anderen Mädchen ihr erzählen konnten. Kurz huschte ein freches Grinsen über ihre Lippen, als sie mit ihrer Hand die Münzen in ihrer Hosentasche ertastete, die sie dem Matrosen an dem Abend noch abgenommen hatte. Falls der Leibeigene die Schillinge auch noch herausrücken würde, so könne sie mit den Einkünften der gestrigen Nacht durchaus zufrieden sein. Und die Kekse waren so köstlich gewesen. Allein bei dem Gedanken daran, lief ihr das Wasser im Mund zusammen und sie leckte sich mit der Zunge über ihre weichen, vollen Lippen.


An dem Zaun, des Hauses das sich gegenüber der Taverne befindet hing tatsächlich ein Stück Papier. Am vierten Tag der Woche stand geschrieben, könne man vorbei kommen. Sie nahm einen kleinen Kohlestift aus den Untiefen ihrer Umhängetasche und kritzelte ganz unten auf den Fetzen mit grossen Buchstaben: KOMME ZUR 6. STUNDE. und unterschrieb mit T.X.
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#2
Die Nacht war noch jung, als sich Tira auf dem Weg zu ihrem Schlafplatz machte. Für gewöhnlich nächtigte sie in einer leeren Pferdebox eines öffentlichen Stalles, nur manchmal suchte sie sich außerhalb der Stadt einen Platz. Diese Nacht, dachte sie gar nicht daran, in der Nähe anderer Menschen zu bleiben. Sie wollte alleine sein um ungestört zu grübeln, nachzudenken über sich selbst.

An manchen Tagen verstehe ich mich selbst nicht. Ich reagiere anders als sonst, treffe falsche Entscheidungen oder erzähle wildfremden Männern persönliche Dinge. Wozu? Warum?
Und mein Auftritt in der Schneiderei? Seit wann verhalte ich mich denn so? Was hat die Alte immer zu mir gesagt?

“Sei unauffällig und freundlich bei Tage. Behandle Damen und Handwerker mit Respekt, denn du weißt nicht, ob du sie eines Tages noch brauchen wirst. Blicke Männer, bei Sonnenschein nie direkt an, denn sie sollen in dir auch wenn du dann alt und verunzelst bist wie ich noch eine Schönheit sehen. Bist du nicht auf Freiersuche, so brauchst du auch nicht frech oder anzüglich sein. Bist du es, und ein Mann ist nicht interessiert, dann gehe. Niemals, wirklich niemals vergeude einen Abend mit einem Gespräch. Erzähle keinem Mann jemals etwas über dich, keine Gedanken, keine Empfindungen, keine Probleme. Sie sollen dich nicht als reale Frau sehen, nicht wie ihr jammerndes Eheweib oder ihre nervenden Verwandten. Das haben sie zu Hause. Du bist Abwechslung, du bist Unterhaltung. Probleme haben sie selber, dein Zeug ist deines. Merk dir das Mädl und du wirst ein angenehmes Leben haben.”

Ich habe mich immer nach ihren Worten gerichtet. Und warum das dann heute? Dieses Suchen nach Kunden macht mich ganz wirr im Kopf. Es war so viel einfacher, als die Alte mir noch die Männer ausgesucht hat. Sie hätte ruhig noch ein paar Jahre länger leben können. Nicht das ich sie wirklich gemocht habe, aber mit ihr war es viel bequemer für mich und nun kümmert sie sich um die Regenwürmer.

Und wer schaut auf mich?
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#3
Durch die zwei Fenster des kleinen Zimmers im ersten Stock drangen die ersten Sonnenstrahlen des Tages und weckten das schwarzhaarige Mädchen das nackt und eingerollt auf den Fellen schlief. Das unzufriedene Murren das aus ihren Lippen drang, wich augenblicklich einem hellem leisen Lachen als sie die Augen aufschlug und ihr bewusst wurde, wo sie genächtigt hatte.

„Mein Zimmer“, murmelte sie leise während sie immer noch in den Fellen kuschelnd den Raum genauer betrachtete. Ein ordentlich gezimmerter Schrank, keiner von den windschiefen, knarzenden Dingern die sie kannte, ein Tisch und ein Stuhl. Alles penibel geputzt und ordentlich aufgestellt. Die Felle rochen frisch gewaschen und auch die Decke die sie umhüllte hatte keine Flecken. Ihr schweifender Blick blieb an den Fenstern hängen. Sie konnte es kaum fassen, doch auch diese waren streifenfrei geputzt sodass ihr die Sonne ungehindert ins Gesicht lachen konnte.

Sie setzte sich auf, lehnte sich an die Wand und schloss einen Moment ihre Augen. Der gestrige Abend hatte ihr Leben grundlegend verändert. Nun hatte sie wieder jemanden der sich um sie Kümmerte, der auf sie achtete. Und das auf einer wirklich vertrauenswürdigen Basis. Eine Geschäftsbeziehung wie sie sich nie hätte erträumen lassen. Sie war zwar davon ausgegangen, dass sie hier arbeiten würde können, doch von Erzählungen wusste sie, dass die Besitzer der Freudenhäuser meist selbst ihre beste Kunden sind und dadurch das Leben in diesen Häusern die Frauen schon nach kurzer Zeit wieder auf die Straße trieb um zumindest am Tage befreit von anzüglichen Bemerkungen und ungewolltem Anfassen zu sein. Diese beiden waren anders, kurz musste sie schmunzeln als sie an den jungen Gehilfen dachte, doch auch sein Herr war ein wirklicher Geschäftsmann, der scheinbar genau wusste wie und mit welchen Mitteln er das Gewicht seines Geldbeutels am besten vermehren konnte.

Um dieses Zimmer jedoch behalten und vielleicht zusätzlich auch noch die Schwere ihres Münzbeutels vergrößern zu können, musste dieses Haus erst einmal eröffnet werden und dafür fehlten noch Mädchen. Schließlich konnte sie unmöglich alleine alle Dienste erfüllen. Leise vor sich hinsummend hüpfte sie von den Fellen auf, hängte die Decke über den Stuhl und die Felle aus dem Fenster hinaus um sie zu lüften und schlüpfte in ihre Hose und ihr Hemd. Das Haar wurde schnell gebürstet und zu Zöpfen geflochten.

Leise öffnete sie die Zimmertür und schlich die Treppe hinunter, denn sie wollte die Herren nicht um ihren Schlaf berauben, und verließ das Haus in Richtung des Hafens.
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#4
Tira saß mit angezogenen Beinen auf dem Stuhl in ihrem Zimmer. Die neueste Ausgabe der Gösselpost, vor sich auf dem Tisch ausgebreitet, einen Becher mit Wasser gefüllt in ihren Händen, las sie, während sie immer wieder einen kleinen Schluck zu sich nahm, den Artikel über den Neuen Hafen.

„Was schreiben die da für einen Unsinn“, *murmelte sie leise, doch mit mit sichtlich aufgebrachter Stimme. Auf ihrer Stirn bildeten sich kleine Falten, und sie musste das Glas auf den Tisch stellen, da ihre Hände vor Aufregung zu zittern anfingen und schon die ersten Tropfen auf dem Papier landeten.
„Eine Verbrecherbande? Und die beiden sollen dazu gehören? Das ist doch einfach nur erfunden. Alles nur Lügen. Nun ja, für Orestes würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen, der hat bestimmt irgendwas zu verbergen, so wie er sich verhält von dem nicht einmal sein Herr etwas ahnt. Doch der Herr selbst? Ein Verbrecher? Niemals!“

Ihre Gedanken wanderten zum letzten Abend. Er war höflich gewesen, sehr sogar. Zurückhaltend, ernst, stets mit Eifer darauf bedacht, ihre Wünsche so schnell es geht zu erfüllen. Wenn sie sich seinen Anblick ins Gedächtnis rief wie er ihr gestern so gegenüber saß, kam es ihr fast vor als hätte er manchmal gelächelt. Nie lange. Nie offensichtlich. Aber dennoch, hatte sie den Eindruck, dass sich sein hartes Auftreten manchmal etwas gelockert habe. Und einen kurzen Moment lang, hatte sie sogar das Gefühl sie würden offen miteinander reden.

Er war eben ein Geschäftsmann, der es verstand, mit seinen Angestellten umzugehen. Der wusste wie man sie behandeln sollte, um sie zur Arbeit zu motivieren, ihnen das Gefühl zu geben nicht nur zu dienen, sondern ein Teil des Ganzen zu sein. Er hatte es geschafft bei ihr den Eindruck zu hinterlassen, dass sie dazu gehörte. Dass sie sich wohl fühlte, und das in so kurzer Zeit.

Er kann kein Verbrecher sein. Er kann nichts Böses wollen. Geld verdienen ja. Viele Münzen. Ja. Doch mit ehrlichen Methoden. Mit Handel und dem Anbieten von Dienstleistungen. Harte Arbeit, die man ihm ansieht. Die ihn fordert und ihn erschöpft. Aber nichts Unrechtes. Niemals!

Sichtlich aufgebracht, zerknüllte sie, die nicht einmal fertig gelesene Zeitung und warf sie kurzerhand aus dem Fenster.
„Ich brauche frische Luft, salzige Luft, Meer“,gab sie immer wieder knurrend von sich während sie die Treppen hinunter polterte und das Freudenhaus in Richtung Hafen verließ.
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#5
Nacht – Heimweg – Münzen – Lachen – Müde – Menschenleere Straße – Ratten – Regen – Dunkelheit – Mondsichel – Schatten – Schritte – Stimme – Glanz – Messer – Angst – Panik –
Blut, so viel Blut


Weit aufgerissene Augen starren die Zimmertüre an. Sekunden, vielleicht Minuten vergingen bis Tira die nassgeschwitzte Decke richtiggehend panisch von sich strampelte und sich von ihrem Lager erhob. Das lange Haar klebte an ihrem nackten, zitternden Körper, stoßweise drang die Atemluft aus ihren Lippen und ihre grauen Augen wanderten rastlos im kleinen Zimmer umher.

Langsam verblassten die Eindrücke des Traumes und mit den verschwindenden Bildern vor ihren Augen kehrte auch wieder Ruhe in ihren Körper ein. Ihr Blick fiel auf das kleine Küchenmesser, das von ihrer letzten Mahlzeit noch am Tisch lag. Zögerlich nahm sie es in die Hand. Ihr Augen verengten sich und auf ihrer Stirn bildeten sich kleine Falten. „Vielleicht hat er recht. Vielleicht sollte ich mich verteidigen können.“ Sie wickelte das Messer in ein Tuch und packte es in ihre Tasche.

Zwei Stunden später hockte sie auf einer Lichtung im Wald neben einer Puppe aus Stroh und Ästen, bekleidet mit einem Hut und einem Umhang, bewaffnet mit einem langen, zugespitzten Stock. Sichtlich zufrieden mit sich selbst kaute sie an einem Stück Brot und sah fasziniert den Schmetterlingen zu, die sich auf der Wiese tummelten.

„Na dann wollen wir mal mein Hübscher“, raunte sie dem Strohmann zu, klopfte ihm auf den Hintern und stellte sich mit dem Küchenmesser bewaffnet vor ihren Trainingspartner. Sie starrte in die Moosaugen ihrer Puppe. Sekunden, vielleicht Minuten vergingen. Ihre Mundwinkel sanken immer weiter nach unten und ihre freie Hand ballte sich zu einer Faust.

„Verdammter Durias!“ Fluchend warf sie das Messer ins Gestrüpp. „Ich kann das nicht.“
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#6
Die kühle Meeresbrise streichelte sanft über Tiras zarte Haut und spielte nur leicht mit den feinen Haaren die ihr ins Gesicht hingen. Sie lag in einen Umhang eingewickelt im Sand und starrte wie so oft aufs Meer hinaus. Ihre Gedanken sprangen von einem Ereignis des letzten Tages zum anderen, vor und wieder zurück, manchmal konnte man ein sanftes Lächeln, dann ein freches Grinsen oder auch zusammengekniffene Augen und einen ärgerlich verzogenen Mund auf ihrem Gesicht erkennen.


„Jetzt habe ich endlich eine Freundin, sie ist wirklich ein liebes Ding und so hübsch noch dazu. Ihre Haare glänzen so schön, ob ich sie mal kämmen darf? Wir sehen aus wie Tag und Nacht, nur hoffe ich wir sind es nicht in unserer Art. Es wäre schön jemanden zu haben mit dem ich darüber reden könnte was ich anziehen soll, was mir so durch den Kopf geht, oder was unsere Männer für Geräusche machen. Ich glaube ich werde mich fest zusammenreißen müssen wenn wir nach so einem Gespräch gemeinsam in der Stadt einen unser Kunden sehen und uns dann anblicken. Es wird einfach nur herrlich.

Er wird sich bestimmt freuen wenn er sie das erste Mal sieht. Was gibt es besseres als zwei so unterschiedlich anzusehende Mädchen wie uns beide. Das einzige was nicht schlecht wäre fürs Geschäft wäre noch ein Drittes. Eine die üppiger ist wie wir zwei Bohnenstangen und vielleicht auch tanzen kann. Ich sollte Denna fragen ob sie es kann. Vielleicht kann sie es mir ja lernen. Obwohl, das sehr mühsam werden wird. Sehr, sehr mühsam. Ich werde mich im Alten Hafen noch mal umsehen müssen ob ich so eine auftreibe. Das dritte Zimmer ist ja noch frei und zu dritt wären dann auch so spezielle Abende von denen Markas gesprochen hat gut machbar.

Markas, der Mann wird mir noch den letzten Nerv kosten. Ständig dagegen, ständig durch die Wand und das auch noch mit viel Schwung. Immer weiß er alles besser, und das ärgerliche daran ist, dass er wirklich immer Recht hat mit dem was er sagt. Ob es wirklich so eine gute Idee ist, ihn für unsere Sicherheit verantwortlich zu machen, ich weiß nicht. Andererseits bevor da irgend so ein steifer Mann, voll bewaffnet vor der Tür steht und wenn ich ihn dann brauche nur gaffend auf mich herab sieht, ohne zu Handeln, habe ich lieber ihn vor meiner Tür sitzen und weiß wenn es Probleme gibt, hilft er. Oder gibt mir Anweisungen was ich gerade falsch mache, dass kannst du natürlich auch haben. Naja langweilig wird uns mit ihm bestimmt nicht, der heckt doch ständig irgendetwas aus, nicht mal mit Denna kann man mit ihn für ein paar Minuten alleine lassen.

Das war auch gestern echt eine blöde Situation. Ich dreckig bis zum geht nicht mehr in meinen alten Klamotten. Denna gerade erst angeworben, sie hatte nicht einmal Zeit ihre Sachen zu holen und dann steht echt der erste Kunde vor der Türe. Naja Markas nicht mitgezählt obwohl er sich selbst für einen Kunden ausgab der Depp. Wahrscheinlich wäre es wirklich gescheiter gewesen ich wäre schnell ins Meer gehüpft und hätte mich um den Mann gekümmert als ihn wieder weg zu schicken aber an was soll ich denn noch alles denken. Ist das mein Haus? Nein. Bin ich für alles hier verantwortlich? Nein. Aber irgendwie haben alle immer mich angesehen. Ich sollte dringend mal mit Orestes über die Eröffnung reden. Es geht nicht, so lange Gerüchte zu streuen und dann nicht wirklich auf zu machen, das verscheucht die Kunden. Jetzt tu ich schon so als sei das wirklich mein Haus. Damit muss ich wieder aufhören, das bringt nur Ärger ein. Der Mann muss sowieso glauben, dass wir lauter Verrückte sind, so wir uns aufgeführt haben mit den ständigen Fußtritten. Einer von den beiden, Orestes oder der Herr sollte schon hier sein wenn Kunden kommen sonst artet das alles noch in einem richtigen Chaos aus und das brauche ich echt nicht.

Ich sollte jetzt heimgehen, sehen ob Denna schon munter ist. Vielleicht können wir zusammen schwimmen gehen oder mir endlich mal was anständig zum anziehen kaufen. Schön nicht mehr alleine zu sein.“
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