Geschichten einer alten Frau
#1
1. Gram und Scham

Die Alte saß gebeugt über ein Buch und der schwache Kerzenschein erfüllte die Schreibstube mit flackerndem Licht. Die Schatten tanzten an der Wand und ließen den Raum ein wenig unruhig wirken. Es war eine recht warme Nacht und es war still. Es war bereits spät und in der Akademie waren kaum noch Menschen unterwegs. Schlicht Theobald, der Bibliothekar, war wie immer noch lange wach und las in einem alten staubigen Folianten.

Die Feder kratzte über das Pergament und hinterließ schwungvolle saubere Buchstaben darauf. Immer wieder versank die Alte in Gedanken und überlegte ihre nächsten Worte.

Sie war nun schon recht lange in Löwenstein und hatte einiges erreicht. Doch um ihr leeres Herz zu füllen würde sie noch mehr erreichen müssen. Sie hoffte inständig, dass niemand ihr Geheimnis je lüften würde. Zu schmerzhaft wäre es darüber zu sprechen. Sie hatte jedem erzählt, dass sie nie verheiratet war und erst Recht keine Kinder besaß. Ihr Vater war Zeit ihres Lebens stets krank gewesen und sie hatte schon in jungen Jahren Sorge für ihn tragen müssen. Doch nach dem Tod ihrer Mutter wäre sie daran zerbrochen wenn er nicht gewesen wäre.

Nun war sie alleine und in ihrem Herzen breitete sich von Tag zu Tag mehr eine stille Einsamkeit aus welche sie zu verschlingen drohte. Ihr Herz brannte in der Brust und ein tiefer Schmerz machte sich in ihr breit. Tränen glitten von ihren Wangen und tropften auf die noch feuchten Buchstaben.

Am Ende konnte man nur noch einige Buchstaben ausmachen welche sich verschwommen über das Pergament verteilten.

Es ... mir ... Le...
Ver..b ... bitte.


Die Trauerfeier der Magnifizenz hatte sie wieder in diese Dunkelheit gerissen aus welcher sie sich langsam entfernt hatte. Mit jeder Aufgabe welche sie übernahm konnte sie die alten dunklen Gedanken wieder vertreiben. Das einzige was sie nie aus ihrem Kopf bekommen würde, war die Frage:

"War ich es Schuld?"
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#2
2. Von erschütterten Hoffnungen & Träumen

Die Straßen waren wieder einmal voll und auf dem Markt herrschte reges Treiben. Stimmengewirr, das lautstarke Feilbieten von Waren und Hämmer welche auf Eisen aufschlugen in der Ferne. Doch Aurora fühlte sich als wäre alles in ihrem Körper taub.

Irgendetwas stimmte nicht mit ihr und sie wusste nicht was es war. Körperlich fühlte sie sich gut doch seit einiger Zeit schien ihr Geist wie vernebelt zu sein.



Die Akademie war eine Heimat für sie geworden und sie konnte nur schwer fassen, dass ihre Liebe für die Akademie und das Engagement an jener, nicht von den anderen Mitgliedern gewürdigt wurde.

Es war ein Schlag ins Gesicht gewesen als der Name des Morkander ihr entgegensprang und ihn als neuen Sprecher der Akademie anpries. Was hatte sie nur falsch gemacht? War sie zu ihren Kollegen unfreundlich gewesen? Hatte sie jemanden mit ihren Worten verletzt?

Vielleicht hatte sie sich auch zu sehr in die Angelegenheiten der Akademie eingemischt. Viele hielten sie sicher für eine Frau welche sich alles unter den Nagel reißen würde.

Sie musste hart an sich arbeiten.
Sie wollte hart an sich arbeiten.

Niemand hatte sie von der Akademie verwiesen und dieser kleine Rückschlag würde sie nur motivieren. Sie würde alles tun um an der Akademie etwas zu erreichen.

Tagelang hatte sie damit zugebracht ihre Meisterarbeit zu verfassen. Doch dieser kombinatorische Unterricht war eine Gefahr für das Bestehen der Prüfung. So viele Fehler könnte eine Arbeit enthalten welche nur auf Annahmen und schwammigen Grundlagen basierte. Einen weiteren Rückschlag würde sie nur schwer verkraften können.

Die Akademie war ihr Leben und sie hatte wirklich versucht die klaffenden Lücken zu schließen welche geöffnet wurden als die neue Akademieleitung gewählt wurde. Sie hatte sich versucht mehr im Stadtrat zu engagieren und gleichsam in der Zunft in der sie nun auch den Vorstand hatte. Doch ihre Liebe galt weiterhin und das war unumgänglich, der Akademie.



Sie wanderte also über den Marktplatz und ihre Sinne waren vernebelt. Der Weg führte sie zur Zunft der Gelehrtenkundigen. Hier herrschte immer eine tiefe Ruhe welche sie stets genoss. Jene Ruhe brachte sie zurück in die Realität und sie legte sich nieder in eines der Betten welche oben bereit standen.

War war nur los mit ihr...?
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