Flügelschlag und Wolfsgeheul ...
#1
"WO SIND SIE?" Die dunkle volltönige Stimme des schwarzhaarigen Mannes mit den graublauen Augen überschlug sich fast, in seinem Versuch all der Frustration, der Angst, der Wut und Enttäuschung platz zu machen. Die Gestalt des eigentlich adrett gekleideten Dieners in gutem Lederhemd, mit feiner weißer Bluse und teuren Lederhosen zitterte am ganzen Leib wie Espenlaub, sah er doch den Funken Wahn und tödliche Entschlossenheit in den Augen seines Gegenübers. Eines dreckigen, noch mit dem Staub seiner Reise bedeckten Mannes der nicht das vorgefunden hatte, was er erwartet hatte. Markas hielt den Diener ihres Auftraggebers am Kragen gepackt, sodass die teuren Materialien sich unter dem Gezerre durch seine Hand gefährlich stark dehnten. "WO ... SIND SIE?" erklang die Stimme noch ein zacken schärfer und bedrohlicher und das Funkeln in den graublauen Augen schien sich in die Fratze des Wahnsinns zu verwandeln. "L-l-l-l-la ... las-las-laskandor Herr ... der Herr schickte sie nach Laskandor ... w-w-w-ir haben bisher n-n-ni-nichts mehr von ihnen gehört ...". Als hätte man Markas einen heftigen Hieb in den Magen gegeben, lies er den levrierten Diener los, der sein Heil in der Flucht suchte und mit seiner Geschwindigkeit bestimmt jeden Sprintwettkampf gewonnen hätte.
Da war es wieder ... Laskandor ... ein Name der ihn und die Seinen wie ein Fluch verfolgte. Die ihn eben noch beseelende Kraft wich wie bei einem tödlich verwundeten und sterbenden Menschen aus seinem Körper und er sackte an der schmutzigen Hauswand hinunter. Er griff zu den Dokumenten, die er für seinen Hauptmann mitgebracht hatte, die Antwort die sich dieser gewünscht hatte ... endlich gute Nachrichten ... und zerknüllte die Papiere. Die Erkenntnis, dass die Söldnerrotte der "Silberfalken" ohne ihn aufgebrochen war ... und dann auch noch nach Laskandor, bemächtigte sich seines Körpers und drückte ihm die Kehle zu, sodass er Mühe hatte lebenserhaltende Atemstöße zu vollführen. "... wir haben bisher nichts mehr von ihnen gehört ..." Natürlich nicht ... kaum jemand der einen Fuß in dieses verwunschene und verfluchte Lehen setzte wurde danach nochmal gesehen ... und wenn dann waren die Berichte so diffus und unglaublich, dass man diese Leute nur für Wahnsinnig halten konnte und doch ... für jemand der keine Heimat kannte, der sein ganzes Leben nur gewandert war, der nur Geschichten kannte, die guten als auch die schlechten ... kam dieser verfluchte Name einem diffusen und undefinierbaren Gefühl nach einer Art Heimat am nächsten. Und das obwohl er nie einen Fuß hinein gesetzt hatte. Sein Laskandrisches Erbe hatte weder ihm noch seiner Mutter JEMALS etwas Gutes beschert und nun wo sie schon seit Jahren tot war, auch wenn sie nie wirklich gelebt hat, nahm ihm dieses Teufel verfluchte Land auch noch die zweite Familie die er gefunden hatte, verschluckte sie ohne sie je wieder auszuspucken...


Er öffnete die Augen und betrachtete die Zeltplane, die sich wie ein grauer Himmel über ihn spannte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, das verriet ihm das wenige Licht in dem Zelt des Turnierplatzes, in das er sich kurzerhand einquartiert hatte, nachdem Marquardt das Gebäude der Rotte mit purem Alkohol ... "gereinigt" hatte wie er sagte. Die Dämpfe von dem Zeug stülpten ihm schon beim alleinigen Gedanken an den Gestank erneut den Magen um, sodass er mit einer fahrigen Geste sich durch das Gesicht fuhr. Und während er darum bemüht war die Kontrolle über seine eigenen Körpersäfte zu behalten, hatte er genug Zeit über die vergangenen paar Tage nachzudenken. Seid die Grenzen von Servano geschlossen wurden, hing er hier, genauer gesagt in Löwenstein fest. Für ihn der nie viele Mittel besessen hatte, begann genau wie für viele andere ein harter Kampf ums Überleben. Zum Glück gab es hier - noch - keine Gesetze gegen Wilddiebstahl da die Bestände des Waldes an Wild reichlich waren und er sich so wie viele andere, immer mal etwas schießen konnte um den drängendsten Hunger zu bekämpfen, doch das würde sich bald ändern, besonders wenn der Winter hereinbrach. Markas hasste Winter. Wenigstens sorgte das Chaos der Quarantäne dafür, dass es reichlich Kopfgelder für allerhand Briganten und Räuberpack einzuholen gab, genau wie für diese widerlichen Vogelweiber.

Als er gerade auf dem Weg zu einer Taverne war, kam er an der gewaltigen Kathedrale dieses Mithras vorbei, wo er sie sah. Cathia Eilenbogen, Schützin, Ravinsthalerin - mit all ihren Vorzügen und Nachteilen -, ehemalige Hure und perspektivloses Mädchen ... in der Reihenfolge.
Ein Blick in ihre Augen war, als würde er sich einen Spiegel vorhalten und in die Augen von sich vor 7 oder 8 Jahren blicken. Es war haargenau derselbe Blick, auch wenn ihre Situationen Grund verschieden waren. Und er war froh, seiner Laune gefolgt zu sein und sich ihrer angenommen zu haben. Die Entwicklung ging rasend schnell wie er fand. Er hatte wesentlich länger gebraucht, sich mit seiner Situation damals abzufinden und sie zu akzeptieren, zu erkennen dass das Leben das man ihm anbot eine Chance war und keine Strafe. Aber Sie passte sich schnell an, flink und biegsam wie sie im Kampf war, schien sie auch die neuen Herausforderungen des Lebens zu meistern und so dauerte es auch nicht lang bis sie von freischaffenden Kopfgeldjägern, neue Mitglieder in der Söldnerrotte der "Grauwölfe" wurden.

Markas drehte seinen Kopf zur Seite, während neue angenehm kühle Luft von außen durch die Nasenflügel strömte und betrachtete sich das im Dunkeln nur als Schemen erkennbare Wappenkleid. Soweit er es bisher beurteilen konnte, hatten sie es mit den Wölfen nicht schlecht getroffen. Sicher, wie alle Söldnerrotten war es eine Ansammlung von Mördern, Kriegern, Hurensöhnen (und -töchtern), Säufern, durchgeknallten Irren und den ein oder anderen Exoten aber die meisten von Ihnen schienen aufrichtig zu sein und dass war beileibe mehr als man von dieser ganzen beschissenen Stadt und dem Umland sagen konnte. Langsam setzt er sich auf und schwang seine Beine aus dem Lager. Behutsame, bedachte und teilweise sogar geschmeidige Bewegungen brachten seinen Körper neben die Zeltstange des Eingangs, wo er beflissentlich den auf einem kleinen, fast vollständig eingegrabenen Holzbrettchen drappierten zerkleinerten Walnussschalen auswich die er ausgestreut hatte und diese simple Konstruktion direkt hinter der Zeltplane des Eingang verbarg. Er verschränkte die Arme und blickte hinaus in die Dunkelheit, von dem ganzen Platz nicht viel mehr als Schemen wahrnehmend.
3 Monde hatte er sich verpflichtet, bis weit in den Herbst hinein, falls er dann noch lebte. Bis dahin würde die junge Halbjurin ihren Platz gefunden haben, schoss es ihm durch den Kopf und wenn es weiter so ging, war es nicht mal ein schlechter. Gar nicht mal schlecht, für mein erstes "gerettetes" Leben oder Hauptmann? 3 Monde wären im Vergleich zu ihm Rekord. Er hatte fast 2 Jahre gebraucht, Jahre in denen er seinem Ausbilder Blut, Schweiß und vor allem Nerven gekostet hat ... Gott er war wirklich ein sturer, kleiner mieser Drecksack gewesen. Flüchtig hoben sich die Mundwinkel bei der Erinnerung daran und verdrängten kurz den eben noch erlebten Traum und die Gedanken an das Ende dieser Geschichte. 3 Monde ... und dann? Er wusste es nicht. Zuviel im Voraus zu planen war sowieso nur hinderlich in einem schnelllebigen "Beruf" wie dem seinen. Er konnte nur hoffen, dass sie ein paar einträgliche Aufträge ergattern konnten um einen konstanten Geldfluss zu gewährleisten, denn er brauchte viel davon, sehr viel ... vermutlich sogar viel zu viel. Informationen waren schon immer teuer gewesen. Informationen über ein verfluchtes und verhextes Lehen mit dem Niemand etwas zu tun haben wollte, geschweige denn ein Fuß hinein zu setzen wagte, waren es besonders. "Gefahrenzulage" würde man es wohl nennen. Aber er gab nicht auf. Seit diesem Tag an dem er seine zweite Familie verlor und wovon die allermeisten - vermutlich sogar alle - tot sein würden, suchte er danach. Suchte so verzweifelt danach, dass er sich schon manches Mal fragte ob sein Interesse nicht schon längst einer verrückten und gefährlichen Vernarrtheit gewichen ist. Eine Suche die ihn schon fast 2 weitere Jahre, etliche Schilling und Gulden und jede Menge Frust gekostet hat.
Während die abgekühlte Nachtluft über die warme und von einigen Brandnarben gezeichnete Haut seines unbedeckten Oberkörpers strich, lenkte er den Blick zu dem Schemen der - wie er glaubte - zu einer Person zu passen schien und verengte die Augen um besser sehen zu können. Ich werde ihn finden, schwor er sich einmal aufs Neue während sich seine Augen weiter an das spärliche Licht des heranbrechenden Morgens zu gewöhnen suchten ... den Sinn und das Geheimnis von Laskandor.
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