Vom Falken und seiner Beute
#4
Hexerei und Haferbrei, Heuert 1406

https://forum.arx-obscura.de/thread-2058...#pid263334

Keine Verwicklungen. Als ich meine bisherige Heimat Hammerhall und mein Geburtslehen Nortgard zwangsweise verlassen hatte, hatte ich mir geschworen, im Sinne meiner Gesundheit die mir verbleibenden Jahre ohne zehrende zwischenmenschliche Verstrickungen zu verbringen; ein kleines Auskommen würde sich wohl finden lassen, um damit eine passable Unterkunft bezahlen zu können und ab und an den körperlichen Trieben nachzugehen und ansonsten wollte ich den Unbillen meines kurzen Lebens mit einem spöttischen Lächeln begegnen ...

... und nun sass ich am Rand (meines) Bettes, grübelte darüber nach, warum sich ein Hexenmeister wie der Gewinner eines Holzfällerwettbewerbes nannte, und hielt die zarte Hand der Person, die mir in den vergangenen Monaten viel mehr als nur seelischer Beistand oder Medica geworden war. Im Grunde genommen hatte das Abstand halten auch schon nicht bei Valeska, der Stallmagd im Neuen Hafen nahe meiner alten Behausung funktioniert, und dafür war ich sogar dankbar. Denn sie war es, die ich in meiner Hilflosigkeit herbei geholt und die sich dann tatkräftig um die "hygienischen" Dinge meines bettlägerigen Gastes gekümmert hatte. Ich selber war recht gut darin, krank siechend auf der Bahre zu liegen, aber derjenige zu sein, der die Krankenpflege übernahm, war ein vollkommen neues Terrain und schmerzhaft ungewohnt.

Natürlich hatte ich daran gedacht, Goldähren oder Ria zu kontaktieren. Auch der Lehensritter fiel mir ein oder der von ihm bereit gestellte Leibwächter. Aber wie hätte ich Innes' Zustand erklären sollen, ohne allzu großes Misstrauen oder Aufsehen zu erregen. Die Hexer beobachteten uns eventuell und ich hatte in den ersten Tagen nach diesem Ritual weder Kraft noch Geduld, mich unangenehmen Fragen stellen zu müssen. Höchstwahrscheinlich würde einer von ihnen früher oder später ohnehin an meine Tür klopfen - Goldähren, Ria, die Sers Kordian oder Mendoza, irgendein Tempeldiener oder Beamter, bloß nicht die Hexer! - , war es doch wohl mittlerweile ein offenes Geheimnis, dass die Priesterin im Altstadtweg ein und aus ging, wie es ihr beliebte.

Ich hatte es Innes (und eventuell auch zu einem kleinen Teil dem Heilmittel, welches ich seit ungefähr einer Woche brav schluckte) zu verdanken, dass ich relativ munter auf meinen zwei Beinen stand, während sie ihre Kraft geopfert hatte, um wenigstens einem von uns die Qual zu ersparen, diesen vermaledaiten Hexern zu dienen. Sie hatten uns beim Überfall im Südwald jeweils eine Haarsträhne gestohlen und uns dann mit garstigen Träumen gequält, die uns letztendlich obsessiv zum Grab eines Nortgarder Landsmannes führten, wo uns die Hexerriege aufgriff, um uns ihnen mithilfe eines blutigen Rituales willfähig zu machen.

Doch wo keine Kraft war, konnte man auch keine rauben und ich war relativ schnell marode und hing in den Fesseln und hätte beinahe alles gesagt, um dieser Qual zu entgehen. Doch die Priesterin flehte ihrem Gott entgegen und ich fiel in eine gnadenvolle Ohnmacht, während Innes die Eidworte sprach ... Meine Wahl wäre eine andere gewesen. Ich hatte nicht im geringsten die weiße Weste, welche Innes mir immer mit Freuden überzog, zudem hatte ich meine mir prophezeite Lebenszeit bei Weitem überschritten. Meine Wahl wäre auf sie gefallen, wenn schon einer gerettet werden sollte, dann wohl sie.

Ich las ihr aus meinen Lektüren der Kräuter - und Gelehrtenkunde vor, erzählte ihr Geschichten aus meiner Heimat, oder versuchte ihr Hühnersuppe einzuflössen. Ihr Zustand bessert sich kaum merklich, als der Brief der Erzpriesterin eintraf oder ich die Grüße von der Rabenkreislerin ausrichtete. Ab und an musste ich aus dem Haus (hatte ich schon erwähnt, dass ich einen hundsmiserablen Krankenpfleger abgeben würde?) und schaute in der Vogtei und bei Odelia, meiner Verkaufsgehilfin vorbei, oder schlug mich einfach in den Wald, um dort die Antwort darauf zu finden, warum man zwei Menschen für eine Einkaufsliste derart traktieren musste. Nein, auch wenn fähige Schneider recht schwer aufzutreiben waren, es musste noch mehr dahinter stecken.

Am vierten Tag dann endlich schien Innes aus ihrem Dämmerschlaf zu erwachen und verlangte Haferbrei. Hunger war immer ein gutes Zeichen (das kannte ich auch von mir) und ich schickte die gute Valeska, die entsprechenden Zutaten zu besorgen. Ich konnte nur hoffen, dass es von jetzt an weiter bergauf ging und sich die Erzpriesterin von wo auch immer eilen würde, damit auch diese Episode letztendlich nur eine fabelhafte Geschichte in unser beider Lebenslauf abgeben würde ...
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Vom Falken und seiner Beute - von Dewain Dary - 17.09.2018, 00:54
RE: Vom Falken und seiner Beute - von Dewain Dary - 31.07.2019, 04:34



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste