Die Geschichte von den tapferen Schneiderlinnen
#3
Und da stand sie nun, wie eine Puppe. Im Grunde war sie das ja auch, eine Anziehpuppe, an der die Schneiderin nun die lose zusammengehefteten Teile ausprobierte. Eine Nadel hier, eine Nadel dort. Stillhalten! Drehen! Nochmal drehen! Nein, das mit den Falten stimmt so noch nicht. Pause!

In den Zeiten, in denen sie sich entspannen durfte, spielte sie mit den verschiedenen Kettchen herum, die sie vom Feinschmied erhalten hatte. Gold, oder Silber? Glänzend oder matt? Kleine oder große Glieder? Seufzend legte sie sie wieder zurück und suchte erstmal einen passend großen Knopf aus der Knopfsammlung heraus, die sich im Laufe der Jahre so angesammelt hatte. Ah, der sah gut aus. Ein schöner, nicht zu kleiner, polierter Hornknopf. Es war sehr helles Horn, beinahe weiß. Auf einem herumliegenden Stück Stoff drapierte sie dann Knopf und Kettchen so, dass man einen Eindruck von dem Verschluß bekommen konnte. Helle Knöpfe waren gut, sie sahen edel aus. Und am besten würde da wohl Silber passen. Doch etwas neutraler, als die goldfarbenen.

Doch dann hieß es wieder: Stillgestanden! Ein Stück nach rechts drehen, ein Stückchen nach links. Dann die Abnäher unter dem Busen. Einmal rutschte wohl die Nadel aus und sie spürte einen schmerzhaften Stich. Was tat man nicht alles für die Mode und die Schönheit? Wie hatte ihre Mutter immer gesagt, wenn sie ihr als Kind das lange, zerzauste Haar kämmte:

"Wer schön sein will muss leiden!"
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Die Geschichte von den tapferen Schneiderlinnen - von Rahel L. Goldblatt - 21.04.2018, 18:53
RE: Die Geschichte von den tapferen Schneiderlinnen - von Marie Philippa Strastenberg - 22.04.2018, 14:39
RE: Die Geschichte von den tapferen Schneiderlinnen - von Rahel L. Goldblatt - 23.04.2018, 19:52
RE: Die Geschichte von den tapferen Schneiderlinnen - von Marie Philippa Strastenberg - 24.04.2018, 11:51



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