FSK-18 Von der Holzfällerin zur Ritterin
#10
Es konnte nicht mehr lange bis zur Mitte der Nacht sein. Die Luft war kalt und schnitt bei jedem der Atemzüge tief in ihre Lungen. Der Duft der Bäume wurde dünner, gerade so als stünde sie irgendwo unten am Strand. Der Blick streifte die Baumwipfel und das Unterholz. Heute hatte sie es nicht eilig. Ihre Wache war vorbei und es waren genug Milizen im Lager. Heute galt ihre einzige Sorge dem Bündel über ihrer Schulter. Zehn feinste Lagen schieren Fleisches als Opfer für die Zeremonie morgen. Anfangs hatte sie das Fleisch kaufen wollen, doch dies erschien ihr nicht richtig. Es fühlte sich an als wäre es unvollkommen, unrein. So hatte sie selbst versucht zu jagen, sicher war es ihr gelungen das eine oder andere Tier zu erlegen. Aber zum zerlegen reichten ihre Kenntnisse dann nicht. So war zu einem Fachmann in Löwenstein gegangen. Ihm hatte sie die Tiere verkauft, ihre einzige Bezahlung sollten zehn Lagen feinsten Fleisches sein. Wolf, Schaf, Ziege.. es war wirklich alles dabei.


Ein Knacken im Gebüsch nahe ihres Pfade lies sie aufhorchen. Konnte es wirklich sein das soweit im Norden Truppen der Indharimer waren. Es war eher unwahrscheinlich. Aber bei dem was sie über dem Rücken trug.. sie wurde blass. Im Augenblick war sie ein wandernder Köder für alles was Fleisch fraß.
'Nur Mut, wie viele hast du erschlagen für das bisschen Fleisch im Bündel?'
Auch wenn ihr Bauch irgendwo Recht hatte, drauf ankommen lassen wollte sie es nicht. Sie beschleunigte ihre Schritte, es war bestimmt nicht mehr als eine halbe Stunde Weg bis nach Hohenquell.


Wieder dieses Knacken gefolgt von einem dumpfen Grunzen. Es konnte ein Wildschwein sein. Sie wusste nur zu gut wie aggressiv diese Biester wurden wenn man ihnen oder ihrem Nachwuchs zu nahe kam. Wieder erklang dieses Grunzen.. aber es klang nicht wie ein Schwein. Nichtmal ein Wildschwein konnte solche Geräusche von sich geben. Valyra versuchte ihre Schritte zum dämpfen. Bloß nicht aufscheuchen. Langsam und in leicht geduckter Haltung ging sie weiter. Es war doch beinahe geschafft.
Dann stand er vor ihr, als wäre er frisch aus dem Boden hochgeschossen. Seine groben Züge und die gezackten Tätowierungen waren im Mondlicht viel zu gut zu sehen. Das Bündel mit dem frischen Fleisch fiel zu Boden und ihre Hand zuckte zum Schwertgriff. Vergebens, die Keule in seiner Hand traf sie direkt an der Schläfe. Einen dumpfen Aufprall später fand sie sich auf dem Fußboden wieder.. dann wurde auch schon alles schwarz.


Mhm – das roch so gut. Ihre Mutter machte den besten Wildbraten weit und breit. Nur noch schnell die Hände abwaschen und dann gäbe es.. etwas stimmte nicht. Valyra versuchte ihre Hände zu bewegen aber etwas oder jemand hielt sie fest.
Sie blinzelte.
Wieder ein Versuch die Hände zu bewegen.
Wieder ein Blinzeln.
Woher kamen diese Kopfschmerzen?
Als sie sich vorbeugen wollte, der nächste Schock. Etwas lag um ihren Hals. Dieses Waldstück war nicht ihr Zuhause und der Kerl am Lagerfeuer grillte IHRE Opfergaben.


Was war passiert? Sie musste einen klaren Gedanken fassen. Die Tränen unterdrückend versuchte sie ihre Hände zu sehen, aber irgendetwas grobes, schnürendes hielt sie hinter dem Rücken. Kalter Schweiß sammelte sich auf ihrem Körper. Sie schauderte. Sie war gefesselt. Nicht nur ihre Hände und ihre Füße, nein auch um den Hals lag ein Strick, ein Strick der nach oben zum dicken Ast eines Baumes führte. Zum Glück würgte der Strick Valyra nicht obwohl er schon sehr eng war. Eines stand fest, viel Bewegen konnte sie sich nicht. Ihr Blick wanderte im Lager des wilden herum. Zumindest hatte er ihr die Leinen Unterkleidung gelassen. Ihre Stiefel und ihr Rüstzeug lagen achtlos neben dem Baum an dem ihr Strick festgemacht war. Tatenlos musste sie mitansehen wie er eine Lage Fleisch nach der anderen verdrückte. Stumme Tränen rannen ihr über die Wangen. Die Arbeit von drei freien Abenden fraß dieser Kerl einfach auf.


Es dauerte Stunden bis er überhaupt wieder Notiz von ihr nahm. Sein Grinsen entblößte die eine oder andere Zahnlücke. Als wolle er ihr zu prosten hob er ein Stück Fleisch in ihre Richtung und biss dann wieder hinein. Doch sein Spielchen war wohl noch nicht vorbei. Er stand auf und kam zu ihr. Das Fleisch in der Hand stand er vor ihr. In diesem Moment merkte sie erst wie sehr ihr eigener Magen knurrte. Wie lange war sie ohne Bewusstsein gewesen? Er hielt ihr das Fleisch vor das Gesicht. Vielleicht waren sie doch keine Barbaren, vielleicht kannten sie sogar Gnade. In dem Moment, als sie zubeißen wollte entzog er es ihr. Ihr Kopf zuckte dem Fleisch hinterher, und ein dumpfes Röcheln war die Belohnung. Er lachte und hielt ihr das Fleisch wieder vors Gesicht. Glaubte er wirklich sie würde zweimal auf diesen Trick herein fallen? Valyra drehte das Gesicht von ihm weg so gut es ging. Er packte ihr Kinn und zwang sie zu ihm zu sehen. Mit einem Blick der von Irrsinn durchzogen war, spie er seinen Speichel auf das Fleisch und presste es mit der Kraft eines Wahnhaften in ihren Mund. Seine Hand über ihrem Gesicht ließ nicht zu das sie es aus spie. Von Ekel und Scham überwältigt kam es ihr sauer hoch, doch seine Hand war unerbittlich.


Erst nachdem ihr Mund leer war ließ er sie wieder in Ruhe. Nicht einmal die Indharimer konnten so irre sein.
Irgendwann hatte sie aufgehört die Tage zu zählen. Seine Übergriffe wurden von Tag zu Tag schlimmer. Das er ihr Sand in die Augen rieb oder Tierkot im Gesicht verteilte waren nur die kleinsten Widerwärtigkeiten. Zumindest wollte er nicht das geringste was jeder andere Mann von einer Frauen wollen würde. Ihm schien es nur zu gefallen, sie leiden zu sehen.


Valyra hatte keine Ahnung wie viele Tage sie schon in der Gewalt des Irren war. Zu keiner Zeit hatte er sich Fehler erlaubt, immer ihre Stricke nach gezogen und dafür gesorgt das sie keine Chancen sah sich zu befreien. Bis heute. Sein tägliches Ritual, der jungen Frau ihre Würde zu rauben, war zu ende und er schien ein weiteres Mal hoch zufrieden mit sich zu sein. Offenbar hatte er nicht bemerkt wie locker ihre Fesseln davon geworden waren. Als er eingeschlafen war machte sich Valyra daran die Fesseln vollständig zu lockern. Es dauerte sicherlich eine Stunde oder auch mehr, aber dann waren ihre wunden Handgelenke endlich heraus aus den Seilen. Ihre Muskeln schmerzten. Als endlich alle Seile gefallen waren konnte sie kaum stehen.
'Wenn du jetzt nach gibst war es das, dann bete zu Morrigu das sie deine Seele retten soll.'


Ihr Bauch hatte Recht, nun galt es noch einmal. Alles oder nichts. In dem Haufen ihrer Habe suchte sie so leise es möglich war nach ihrem Schwert. Der Wahnsinnige hatte es achtlos weg geworfen. Mit einem Scharren, dass in den Ohren des Frau wie ein Donnergrollen klang befreite sie die Klinge. Dann, Schritt für Schritt, schleppte sie sich auf den Schlafenden zu.
“Möge Morrigu dich durch unzählige Qualen schleifen bevor sie deine Seele für sich behält!“ Die Klinge durchbohrt den schnarchenden Peiniger. Einmal, zweimal, dreimal... schon nach dem zweiten Stich röchelte er nur noch. Wie oft sie zustach wusste sie nicht mehr, sie hörte erst auf als der Morgen dämmerte. Auf allen Vieren kroch sie zu ihrer Habe und ragte alles zusammen. Dann erst stand sie auf und torkelte davon, eine Straße suchend... den Heimweg suchend.
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RE: Von der Holzfällerin zur Ritterin - von Valyra Eichenwald - 02.12.2017, 12:36



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