FSK-18 Von der Holzfällerin zur Ritterin
#8
Wir werden jene bewachen die die Burg weiter aufbauen. Valyra dachte immer noch an diesen Satz. War ihr taktisches Verständnis einfach zu klein? Sie hielt diese Strategie für äußerst fragwürdig. Einen Haufen Zivilisten näher an die Front zu schleppen um ein Gebäude zu errichten das bestenfalls in drei oder vier Monden bezogen werden konnte. Die Soldaten würden also über große Teile der Front verteilt sein, um die Stellungen und gleichzeitig die Bauarbeiten zu schützen. Die Soldaten, ein bitterer Geschmack sammelte sich in Valyras Mund. Wir Soldaten, Grauwölfe und Gardisten Ravinsthals. 

Valyra ging mit den anderen, vom Steinbruch aus nach Hohenquell hinein. Wie eine Gruppe scheuer Rehe standen die Handwerker und Tagelöhner herum. Der Rekrutin dämmerte Schlimmes. Der Leutnant seufzte ebenfalls resignierend und der Rest der Truppe hielt mit seiner fehlenden Begeisterung auch nicht hinter dem Berg. 
Es wurde also Zeit diese Leute aufzubauen und zu motivieren. Glücklicherweise fühlten sich die Ritter und Adeligen berufen diese Aufgabe zu übernehmen. 
"Sieh genau hin, ein besseres Theaterstück wirst du nie sehen."
Wer dies sagte, erkannte Valyra nicht, sie fand diese Bezeichnung auch unpassend... bis... ja solange bis die großen Reden anfingen. 

Verlernte man die Möglichkeit, sich in das Volk hinein zu versetzen wenn man geadelt wurde oder den Ritterschlag erhielt? Mit jedem neuen Redner sank Valyras Hoffnung, dass man heute noch zur Burg aufbrechen würde. Aber so konnten zumindest die Stellungen im Steinbruch wieder voll besetzt werden. Die Reden wurden hochtrabender und gruseliger und die Bürger wurden unruhiger, einen schienen gehen zu wollen. 
"Postiere dich unauffällig auf dem Weg der Zur Brücke führt." Valyra erkannte die drohende Gefahr später als ihr kommandierender Offizier. Sie wollten tatsächlich gehen. Nun erwartete sie nicht von einem Zivilisten das er freudestrahlende auf eine Baustelle nahe der Front trabt, aber zumindest genug Rückgrat um für sein Land einzustehen. Merkten diese Leute nicht das es nicht darum ging eine Statue für einen eitlen Herrscher zu bauen sondern das dies Teil ihres Überlebenskampfes war? 

Die Sonne stand schon sehr tief als man sich endlich in Bewegung setzte. Viel Zeit zum arbeiten würde nicht mehr bleiben. Der Tag war für die Soldaten beinahe wie jeder andere. Abgesehen davon das man nicht ALARM schreien durfte wenn man etwas sichtete. Jede noch so kleine Störung hätte eine Panik ausgelöst. Als Kordian dann noch sagte, einer der Arbeiter sei über die Brüstung gezogen worden.. zum Glück habe das niemand außer den Soldaten mitbekommen, war es aus. Sie wollte schreien, sie wollte herum rennen und den Leuten ihre Meinung ins Gesicht brüllen.  Aber was hätte das gebracht? In diesem Moment hätte man in weiter Ferne ein leises Knacken und das Zerbrechen einer zart aufkeimenden Hoffnung hören können. 
'Versuch nicht eine schlechte Welt zu verbessern, sie wird nur hinab ziehen auf ihr Niveau.' Ihr Bauch hatte ausnahmsweise Recht. Sie würde sich an diejenigen halten denen sie vertraute und das tun was man von ihr verlangte solange sie im Dienst der Garde stand. Aber ihr Wunsch Ritterin zu werden war heute ferne denn je. Selbst ihr ansonsten unbändiger Drang anderen zu helfen war heute nur noch ein ein flackerndes Licht in einem Meer der Dunkelheit. 

Diese Nacht konnte Valyra nicht schlafen. Es waren nicht die Träume vom Elend oder ekelhafter Fleischeslust. Es war die Wut im Bauch die sie wach hielt. Feiglinge.. allesamt.. erwarteten sie das ständig jemand ihre Haut rettete, wollten sie wirklich schwach bleiben und unter die Decke der Freiheit kriechen die man ihnen großmütig gab und wieder nehmen konnte? RAAAAAARRRR... FEIGLINGE. Natürlich hatten sie Angst.. und das verstand Valyra auch. Jeder hier hatte Angst und zeigte dies mehr oder weniger. Sie fühlten sich wie vereinzelte kleine Zweige, Zweige die selbst ein Kind brechen könnte. Keiner von ihnen sah das große Ganze. Denn ein zusammenhaltendes Bündel aus Zweigen konnte selbst der Stärkste nicht brechen. Solange sie aufeinander Acht gaben konnten sie hier gewinnen. Aber diese Überlegung war eine Straße die nur in eine Richtung befahren wurde. 
'Wir wollen, gebt uns mehr, segnet noch das, und tragt uns dort hin!' Es würde niemals enden. Die Reichen und Adeligen würden reicher und dekadenter werden, die Armen und Verängstigten würden ärmer und furchtsamer werden und zwischen diesen Leuten standen Soldaten die auf einen Befehl warteten um den Armen und Ängstlichen mit Waffen klar zu machen das sie dort unten bleiben sollten. 

In dieser Nacht hatte die Wut, die junge Rekrutin fest im griff. Rote Augenränder würden den anderen zeigen das sie übermüdet war, doch der kalte und starre Blick würde zeigen warum. 
~ Sind sie es wert beschützt zu werden? ~
Leise säuselte die Verführerin ihr zu. Die Gestalt einer Krähe zeichnete sich auf einem Baumstumpf in der Nähe ab und blickte Valyra an. 
~ Es wäre so viel einfacher mit erhobenem Schwert durch ihre Reihen zu marschieren.. nicht wahr? ~
~ Sortiere die Schwachen aus... dies wird auch die hohen Herren in Angst versetzen. ~
Die Worte rannen die Kehle des jungen Mädchens hinab wie ein bittersüßes Gift. Es würde ein einziges Massaker sein, dass die Geschichte dieses Landes änderte. Was waren schon 50 tote Bauern wenn dafür dem Rest des Landes das benötigte Rückgrat wuchs? 50 Seelen, aus ausgebluteten Leibern. 50 Seelen aus der Existenz gerissen um einem höheren Zweck zu dienen. 
~ Jaaaa.. jaaaa. Fühle es, erkenne deinen Weg, behalte die Opfergabe im Auge ~

"Harter Tag, Küken." der ältere Veteran setzte sich auf einen Fels nahe Valyra. Während er ein geschnitztes Holzpfeiffchen entzündete sprach er, ziehend und schnaufend weiter.
"Sie sind nicht immer so, weißt du. Du hast heute eine sehr schlechte Seite von ihnen gesehen. Haben viel durch gemacht. Das können sie nicht einfach so abschütteln. Dafür sind se nich hart genug." Die Glut glomm in seiner Pfeife auf. 
"Gib ihnen ein bisschen Zeit, schenke ihnen ein wenig Geduld und lerne sie kennen. Sie haben nicht die Herzen von Kriegern, aber sie sind ehrliche hart arbeitende Leute. Ich kenne viele von ihnen seit sie Kinder waren. Haben Frösche gejagt und mit Vogelfedern ihre Puppen verziert. Lass den Kopf nicht hängen, es werden Tage kommen an denen sie dich noch überraschen können." Der Alte stand auf und klopfte die Pfeife auf einem kleinen Stein aus. Dann schlenderte er davon. Die krähe auf dem Baumstumpf erhob sich in den Himmel und es klang als schrie sie hasserfüllt einen Namen.... 

Noooodoooon.

Valyra ging zu den anderen Soldaten herüber die sich gerade betranken.
"Kennt einer von euch den Namen dieses älteren Kriegers? Oder seinen Rang?" 
"Jo ich kenne ihn, sein Name ist Derwish und er ist unser Wachhund, zumindest ist er der einzige der in der Richtung steht in die du gerade zeigst."
Valyra blickt verwirrt auf den Hund, wo eben noch ein stattlicher Krieger gestanden haben müsste. Das konnte doch nicht sein, fantasierte sie schon wieder, sie tastete die Stirn ab, aber die schien ihr nicht sonderlich warm zu sein.
"Setz dich Kindchen, nimm mal ein Schluck flüssiges Feuer, damit du das trinken lernst." 

Valyra trank an diesem Abend noch nicht mit den Soldaten... sie ging in eine ruhige Ecke des Steinbruches und starrte in den Himmel. 

Leise begann sie zu singen. Eine alte Sage von Liebe und von Treue. 
Faolan der Wolf und die schneeweiße Falkin Onagh. Ein Liebespaar das sich nur alle 1000 Jahre treffen darf. Bei Nacht ist er ein Pech schwarzer Wolf und sie ein Mensch, am Tage ist sie ein schneeweißer Falke und er ein Mensch. Tränen rinnen über ihre Wangen während sie singt. Wie können zwei gestalten aus einer Sage soviel Treue und Herz zeigen, und hier greifen dunkelste Schatten von Menschen, nach anderen Menschen? 

Faolan
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RE: Von der Holzfällerin zur Ritterin - von Valyra Eichenwald - 16.11.2017, 12:53



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