FSK-18 Von der Holzfällerin zur Ritterin
#2
"Komm schon zier dich nicht, solange der Anführer nicht da ist bin ich der Erste und ich werde mir von dir nehmen was ich will."
"Du und die anderen Scheusale sollen sich von mir fern halten." Eine schallende Ohrfeige erfüllte den Raum, Valyra schreckte in ihrem Bettchen hoch. Ihre Hände zitterten, als würde irgendwas nicht stimmen. Eilig sah sie sich in ihrem Zimmer um und warf sogar einen Blick aus dem Fenster, doch nichts war zu sehen. Schnell zog sie die Wolldecke enger um sich und kuschelte sich an ihre Strohpuppe, von dem was gerade zwei Räume weiter vor sich ging, bekam sie nichts mit.... nichts außer dieses unwohle Gefühl im Bauch.


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Schweiß gebadet erwachte die junge auf dem Fußboden des Heilerhaueses. Jedes ihrer Glieder zitterte. Trotz der kühlen Morgenluft war daran nicht die fehlende Decke Schuld. Eine Gänsehaut über zog ihren gesamten Körper, zumindest soweit Valyra das erkennen konnte. Mit reiben und rubbeln versuchte sie sich zu beruhigen um einen klaren Gedanken fassen zu können. Was war passiert, wieso war sie hier.. die Indharimer.. der Kampf.. DAS SÄGEWERK?!
Sofort sprang sie auf, was ihre Prellungen mit einem dumpfen Schmerz quittierten.
"HnnnnG!"
Ein kurzer Blick auf, Anouk und Algrid beide schliefen... unruhig aber sie schliefen.

So schnell ihre Beine sie trugen lief sie zum Sägewerk herüber, zumindest zu dem was davon übrig war. Die Milizsoldaten beäugten ihren Ansturm zwar misstrauisch schienen sie aber wieder zu erkennen.
In den Überresten angekommen sah sie erst einmal durch die verschiedenen Räume, doch die meisten bekannten Gesichter schliefen noch, oder sie schliefen jetzt erst. Die Gesichter der Soldaten hier sahen aus als wären sie mindestens fünfzehn Sommer älter als der Rest ihrer Körper. Von einer unbekannten Krankheit geplagt, von Schnitten übersät, von Quetschungen deformiert und von der Müdigkeit übermannt. Niemand hier sah aus als würde er gern hier sein.

Valyra fachte das Feuer wieder an und stellte sich eine der Schalen mit dem Eintopf nahe daneben, immer noch besser als ihn komplett kalt zu essen. Leises murmeln und brummeln lies sie zusammen zucken. Keine 10 Schritt von ihr entfernt, im Schatten eines Durchganges, saß an Mann an die Wand gelehnt. Hatten die Wachen übersehen wie er sich eingeschlichen hatte? War er einer von uns? Was mache ich denn nun? Zu viele Gedanken kreisten durch den Kopf von Valyra.

'Eins nach dem anderen, weck ihn doch auf und FRAG IHN.' Möglichst geräuschlos erhob sich Valyra und ging einige Schritte auf den Mann zu.
'Ziehst du bitte deine Waffe?' Doch die Neugier überwog. Erst einmal aufwecken, dann konnte man ihn immer noch angreifen.

"Hrm?" Der Mann hob den Kopf und mühsam geöffnete Augen sahen in Valyras Richtung. Schande aber auch, nun war es zu spät.

"Seid ihr einer dieser Indharimer?" Schon einen Lidschlag nach der Frage schalt sie sich selbst. Falls er einer wäre hätten die Wachen ihn aufgehalten, falls er aber ein Spion war, würde er es sicherlich gerade ihr auf die Nase binden.

"Ich muss ja echt übel aussehen wenn man mich mit so einem vergleicht." Da war es wieder, Valyras Blick fiel nach unten wie ein Sack Mehl der aus dem Obergeschoss. Wie viele Peinlichkeiten konnte man sich in zwei Tagen leisten?

"Verzeiht ich wollte euch nicht beleidigen oder verletzen."

"Hrm." Also wirklich gesprächig schien der Mann noch nicht zu sein.

"Mein Name ist Valyra." So einfach würde sie nicht aufgeben, vielleicht war er kein Spion, aber niemand konnte so wortkarg sein, oder?

"So nennt mich Aughril der letzte der Daorah." Valyra straffte ihre Haltung ein wenig.

"Ser." Der Mann nickt respektvoll und Valyra verstand gar nichts mehr. Sie war weder eine Ri.... dann kam von hinten auch schon:

"Den Göttern zur Ehr." Natürlich hatte er nicht mit ihr gesprochen, Valyra wandte sie um und verbeugte sich so gut es ging. Für eine Audienz bei Hofe würde es mit Sicherheit nicht reichen, aber für diese Ruine und die Umstände war es durchaus ausreichend.. oder gar zuviel des Guten.

"Nicht so nah bei der Front, wenn sich ständig jemand vor mir in den Dreck wirft, könnten die Indharimer auf die Idee kommen mich mit Pfeilen zu spicken." Ihre Wanderung auf dem Pfad der Dummheit wollte heute kein Ende nehmen. Wie konnte man dem Feind besser seinen kommandierenden Offizier zeigen als sich ständig vor ihm zu verbeugen?

'Sie werden dich nicht fressen nur weil du Anfänger Fehler machst.' Ihre Gedanken kreisten kurz darum was man sonst mit Neulingen tun konnte die aus Dummheit den ganzen Einsatz gefährdeten. Zum Feind schicken? Zum Küchendienst verbannen? Als Köder vor der Palisade... Sie dachte die Gedanken nicht zu Ende.

Glücklicherweise lenkte Ser Ulfson sie mit einem Gespräch ab. Sie hatte Gelegenheit ihn über so vieles aus zu fragen und geduldig wie eine Eiche stand er Rede und Antwort. Der Werdegang eines Ritters, der Kodex und so vieles mehr. Auch wenn es nur Brocken waren.. Valyra verschlang sie alle mit wachsender Neugier. Abschließend überließ er ihr sogar eine Waffe aus einer Spende, die ein Schmied getätigt hatte. Das Langschwert war eine gewöhnungsbedürftige Waffe, aber schon bald spürte Valyra den Unterschied im Gewicht kaum noch.

"Seht noch einmal nach dieser Algrid, wenn sie auf den Beinen ist, soll sie sich bei mir im Sägewerk melden."
"Ja Edler." Diese Anreden waren für Valyra noch immer schwierig, aber es wurde besser. Dem Befehl folgend trabte sie zum Heilerhaus und fand Algrid noch schlafend in ihren Fieberträumen. Valyra schaut zu Anouk herüber und beschloss sich die Wunde anzusehen.

Sie machte gerade sich daran den Wundverband zu wechseln als sie erschrak. War das eine Entzündung? War das schon eine Infek.. insek... eine Vergiftung von innen heraus? Die Wunde sah furchtbar aus. So schnell sie konnte verband sie diese zumindest wieder. Aber bei sowas konnte sie nicht helfen. Das beste wäre Ser Ulfson zu informieren. Wieder einmal rannte sie, die schon bekannte Strecke zwischen dem Heilerhaus und dem Sägewerk entlang. Aus der Ferne hörte sie Stimmen und... ja was waren das für Geräusche ein Schmatzen und Stöhnen oder ein Knurren?

Kaum um die letzte Biegung gerannte sah sie schon den Grund für die seltsamen Geräusche. Einige Menschen die aussahen wie Monate altes Gemüse schlurften vom See Richtung Palisaden. Sollte die Indharimer Armee genauso geschunden sein wie unsere? Endlich einmal gute Neuigkeiten. Kaum das sie die Palisade passiert hatte sah sie auch schon eine Horde Waffen starrender Soldaten.

"Sehr gut, Valyra zieht euer Schwert, wir werden diesen Untoten Einhalt gebieten."

"Diesen was?, Aber die Verwundete Druidin." Wollte sie eigentlich sagen, sie war sich auch sicher das die Worte ihren Mund verlassen hatten, nur über die Kraft ihrer Stimme war sie sich nicht im klaren.

"Eines nach dem anderen, erst die Untoten, dann die die schon in Sicherheit sind." Valyra nickte und zog ihre Waffe. Als ihr klar wurde was Ser Ulfson gerade gesagt hatte wurde sie blass. Untote. Ihre Mutter erzählte nur selten Geschichten über sie, es waren wohl mal Menschen die durch finsterste Wunder erneut wandelten und nach dem Fleisch der Lebenden trachteten.

"SIE KOOOOMMEN!" Diese Wesen waren nicht gerade die schnellsten aber ihre Schläge waren so stark das Valyra Mühe hatte stand zu halten. Mit bloßen Händen droschen sie auf Schilde und Rüstungen ein und das mit gutem Erfolg. Die Schlachtlinie konnte nach ersten Erfolgen die Stellung nicht halten.
"Zurück hinter die Palisaden.. RÜCKZUG, FORMIERT EUCH NEU!" Ser Ulfsons Stimme hallte über das Schlachtfeld. Valyra wich zurück nach einem Fehltritt jedoch fand sie sich auf dem sandigen Uferboden wieder kurz schüttelte sie den Kopf um wieder klar zu werden als sich vereinzelte Zähne aus einem faulig stinkenden Maul in ihren Arm versenkten.

"GRAAAAAHAHAAAAAA." Mit allerletzter Kraft stieß sie ihren Schild in das morsche Gebilde das einmal ein Hals war und tatsächlich, sie konnte sich befreien, weg robben. Das sie die Hälfte des Weges die immer noch kauenden Überreste des Zombie Kopfes mitschleifte merkte sie anfangs nicht. Jemand eilte zu ihr, versetzte den Kopfresten einen Tritt und half ihr auf.
"Ich reinige die Wunde so gut es geht, aber ihr solltet beten das sie sich nicht entzündet." Wer das sagte erkannte Valyra nicht, die Person trug eine Maske vor dem Gesicht.

"Ich stehe im Augenblick nicht soo gut mit Mithras."

"Dann wirds Zeit das wieder zu ändern, meint ihr nicht?" Man sah in den Augen der Person keinen Spott aber auch keine Wut über Valyras eher kleinen Glauben. Diese Augen waren aufrichtig und Hilfsbereit.

Der Rest der Schlacht versank in den Nebeln der Erinnerung. Erst Kordians Stimme riss sie wieder aus den Gedanken.

"Du bist einfach zu stur zum sterben oder?" Zum wie vielten Mal Valyra den Mund offen stehen ließ konnte sie schon nicht mehr zählen.

"Ich kann mir denken warum du noch hier bist, aber ich will es aus deinem Mund hören." Was sollte sie denn nun sagen? Was wollte er hören, dass sie es nicht mit ansehen konnte wie andere leiden, schon gar nicht jene die sich kaum ihrer Haut erwehren können?

"Willst du wirklich den Weg des Schwertes gehen?" Das war alles? Nach all dem was vorgefallen war musste er DAS tatsächlich noch fragen?

"Ja das will ich." Ihre Stimme war klar, fest und so ehrlich wie der Wunsch in ihr.

"Auch wenn es harte Arbeit bedeutet und kein aufregendes Abenteuer mehr ist? Als Soldat stellst du das Wohl anderer über dein eigenes, du opferst dich auf für eine Gesellschaft die dir kaum mehr Dank als ein nettes Lächeln schenken wird."

"Das kann meine Meinung nicht ändern, im Gegenteil. Ich bleibe und helfe."

"Also gut, wenn du es so willst, höre was ich dir zu sagen habe. Ich biete dir an, wenn das hier vorbei ist, dich mitzunehmen nach Ravinsthal. Dort mache ich eine Soldatin aus dir und bringe dir alles bei was du wissen musst um als solche dienen zu können." Valyra war vom ersten Moment an fasziniert. Dieses Angebot musste doch irgendwo einen Haken haben.

"Ich sage es frei heraus, das wird kein Spaziergang. Die Arbeit ist hart und der Lohn karg. Aber wenn du bereit bist alles zu geben, wirst du Teil von etwas größerem. Und eines versichere ich dir, wir Soldaten sind wie eine Art Familie, wir lassen niemanden zurück." Er musste gesehen haben was seine Worte in Valyra auslösten, andernfalls hätte er nicht gelächelt wie ein Wolf der ein Lämmchen zu einem Abendspaziergang einlädt.

So verging des Rest des Abends mit Aufgaben wie, Feuerholz schlagen, den Durchgang zum Weberwald mit einer brennbaren Barrikade schließen und Ausschau halten. Aber all das versank hinter dem Pakt den Valyra gerade geschlossen hatte. Eine gute Soldatin zu sein, wäre der erste Schritt auf ihrem Weg.

"Aber pass auf dich auf." Die Worte ihrer Mutter klangen in ihren Gedanken. Tief in sich wusste sie das sie geboren war um auf andere aufzupassen. Was natürlich nur ging solange sie lebte daher würden diese beiden Ziele Hand in Hand gehen.

Es wurde Zeit sich auf neue Aufgaben vorzubereiten.
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RE: Von der Holzfällerin zur Ritterin - von Valyra Eichenwald - 04.11.2017, 15:09



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