FSK-18 Schlaflos
#3
Es ist Tag, und ich beobachte die hübschen, pastellgelben Vorhänge, die mein Vormieter spendierte. Herbstwind ist etwas hässliches, kommt in Böen und beißt, aber selbst er kann aus den Fensterverhängen nichts Abstoßendes machen. Die letzten Tage waren gefüllt mit Säbelrasseln und wesentlich weniger rasselndem Herumschleichen und Spionieren, unterbrochen von Maergys' Besuchen und Einflüsterungen.
Ich tue manchmal was sie will, nur um keine weitere Vision zu riskieren. Die letzte war nicht sehr erbaulich... um nicht zu sagen, furchteinflößend.

Mein Ahn lässt seine neu gefundenen Kinder hinter seinen Experimenten aufräumen. Weiß er, welch ein Herzklopfen er damit in mir weckt? Es kitzelt an meinen Nerven, durch die Gassen pirschen zu können, und nach Spuren suchen zu können, als hätte mein Leben einen Sinn. Vielleicht hat es den nun, vielleicht ist es ein guter Lebenszweck, der beste Nachwuchs zu sein, der ich sein kann. Ein Kind, auf das man vielleicht nicht stolz sein kann, sehr wohl aber zufrieden damit.
Noch habe ich nicht viele Spuren gefunden, eine Siedlung ist in der Hinsicht schlimmer als ein Wald. Soviele Verstecke, soviele Löcher und Lücken, Fluchtwege und Routen... Aber da sind die Spuren an der Wand. Ich habe die Sterblichen dabei beobachtet, wie sie diese mustern, ihre kleinlichen Diskussionen führen, und ich bin mir sicher: Mein Halbbruder war hier, und wen auch immer er attackierte, das Opfer hat Glück nicht im Grabe geendet zu sein.
Dann ist da noch die Sache mit meinem neuen "Freund". Er kann mir helfen, meinen Halbbruder zu finden, das sagte er zumindest. Aber traue ich einem Sterblichen? Einem Hexer noch dazu?
Bleibt mir etwas anderes übrig?
Er scheint gut genug in seinem Handwerk zu sein, immerhin wusste er sofort was los ist, als wir durch die mageren Behausungen gingen, und beide gleichzeitig stolperten. Was für ein seltsames Phänomen, nicht wahr?
Maergys lacht, irgendwo tief in meinem Hinterkopf, spöttisch und auf ihre einzigartige Art. Lacht mich aus, während sie mich beobachtet, weit außerhalb jener Teile meines Seins, die ich nach Belieben berühren könnte. Sie kommt und geht wie ein Ausschlag im Schritt, und ist ähnlich hilfreich.
Das Lachen reißt nicht ab, und ich werfe mit einem Stirnrunzeln und einer gehörigen Portion Frustration einen mentalen Blick auf meine letzten Gedanken. Was könnte sie so amüsiert haben? Dass ich gestolpert bin? Dass wir beide gestolpert sind?

In einem atemlosen Moment spüre ich, wie meine Pupillen sich ruckartig verengen und mein Herz still wird. Er verderbt den Boden den er berührt.
Dann schlage ich mir mit der Hand etwas zu fest vor den Kopf und verziehe das Gesicht. Natürlich, kein Wunder dass Maergys lacht! Ich bin blinder als ein Karnickel nach dem Häuten! Es wäre ein so guter Ort, sich zu verstecken...

Ich werfe dem Sonnenlicht hinter den in der Briese wiegenden Vorhängen einen prüfenden Blick zu. Noch ein paar Stunden, dann kann ich meinen Ahn informieren. Noch ein paar Stunden, dann wird er mich loben, oder zumindest zufrieden aussehen. Noch ein paar Stunden.
You and I, we may look the same
But we are very far apart
There's bullet holes where my compassion used to be
and there is violence in my heart
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Schlaflos - von Vertigo - 24.09.2016, 03:01
RE: Schlaflos - von Vertigo - 25.09.2016, 23:28
RE: Schlaflos - von Vertigo - 13.10.2016, 14:13
RE: Schlaflos - von Vertigo - 23.10.2016, 03:43
RE: Schlaflos - von Vertigo - 18.12.2016, 19:49
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RE: Schlaflos - von Bijoux - 04.01.2018, 17:15
RE: Schlaflos - von Bijoux - 02.06.2018, 02:54
RE: Schlaflos - von Bijoux - 25.03.2019, 18:09



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