FSK-18 Schlaflos
#2
[Bild: jekic5ic.png]

(Stimmungslied im Bild)

Ich bin nicht mehr ich selbst. Ich fühle es wie einen Strudel, der mich tiefer saugt, mit jeder Stunde die vorbei tickt. Da ist nichts, was meine Paranoia, meine Angstspiralen, meine Sorgen, ausbremsen kann. Keine Müdigkeit, die einen Streit auf natürlichem Wege beenden würde. Kein Durst, der die Zunge träge machen könnte, nur der Hunger, der stetige Hunger.
Ich dachte, ich sei ein wenig Hunger gewohnt, und ich möchte mir nicht vorstellen, wie es reichen Pfeffersäcken gehen würde, sollten sie in meine Lage geraten. Die Gier plagt mich gar schrecklich, und egal wie oft ich meinen Durst stille, er mag niemals ganz verschwinden. Das Trinken selbst ist eine solche Extase, dass es schwer ist nicht süchtig zu werden. Ich fröne dem Hunger zu oft, zu viel, zu genüsslich. Andere erbrechen nach einem langen Abend Schnaps, ich erbreche Blut. Bisher konnte ich es vermeiden, eine weitere Person zu töten, aber wenn ich weiter so aus der Bahn gerate, wird sich das wohl bald ändern.
Ich weiß es ist falsch, aber wie soll ich etwas so Herrliches mäßigen?
Wie sehr ich die Kontrolle über mich verloren habe, merke ich erst durch die Streitereien mit meinem Mann. Ich bin mir sicher, dass meine Gründe rational sind, dass ich nicht zuviel von ihm fordere, dass ich ein paar Zugeständnisse verdient habe, aber die Art wie er das Gesicht verzieht, sich duckt, mürrisch abwendet, beißender antwortet, spricht eine andere Sprache. Wir haben nie wirklich gestritten, ab von ein paar Meinungsverschiedenheiten, aber wirkliche Streitigkeiten? Nein. Ich gab stets klein bei, fand einen Kompromiss, beendete das unwohle Thema um ihn nicht in Ecken zu drängen.
Diese Fähigkeit scheint mir irgendwo auf dem Weg durch schlaflose Nächte abhanden gekommen zu sein. Ich vermisse sie, dem lieben Frieden wegen.

Da ist sie wieder. Die Stimme im Winkel, aus den Schatten, aus weiter Ferne. Ich zucke, wie ich schon die Nächte zuvor zuckte, wenn ich glaubte etwas zu hören. Ich habe meinem Mann nichts davon erzählt, und nun, wo er sich ein paar Tage auf Reisen begeben hat, wünsche ich mir nichts sehnlicher als dass er hier ist und ich ihn fragen kann, ob er sie auch hört. Das Wispern. Das Zischen. Das ärgerliche Raunen.
Ich starre in die Ecke, wo ich die Quelle dieser Stimme vermute. Stehe auf und gehe näher, auf leisen, bloßen Sohlen, die Zehen gespreizt für einen besseren Halt, sollte ich schlagartig flüchten müssen.
Nichts. Niemand. Stille.
Ich gehe in die Hocke, strecke alle Sinne nach dem Murmeln, das sich in meinem Geist verheddert hat, lehne mich weiter und weiter vor, bis meine Nase beinahe den frischen Putz berührt. Meine Stimme ist kaum mehr als ein Hauchen, ein milder Windstoß in der Nacht.
"Ist da jemand?"

Ich öffne mich zu weit. Bin zu bereit, zu hören. Mergys springt mich an wie eine Banshee, rammt sich in meinen Verstand wie ein Poltergeist.
Die Wucht der Verbindung schleudert mich zurück und lässt meinen nackten Rücken über den Holzboden scharren, bevor ich zum Stillstand komme, die Augen weit und blicklos, während unsere Geister sich vermischen.
Dann bin ich fort, gefangen in der Vision, getrennt von meinem Körper.

Man sollte eben aufpassen, was man sich wünscht.
You and I, we may look the same
But we are very far apart
There's bullet holes where my compassion used to be
and there is violence in my heart
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Schlaflos - von Vertigo - 24.09.2016, 03:01
RE: Schlaflos - von Vertigo - 25.09.2016, 23:28
RE: Schlaflos - von Vertigo - 13.10.2016, 14:13
RE: Schlaflos - von Vertigo - 23.10.2016, 03:43
RE: Schlaflos - von Vertigo - 18.12.2016, 19:49
RE: Schlaflos - von Vertigo - 24.01.2017, 05:51
RE: Schlaflos - von Vertigo - 09.05.2017, 17:58
RE: Schlaflos - von Bijoux - 04.01.2018, 17:15
RE: Schlaflos - von Bijoux - 02.06.2018, 02:54
RE: Schlaflos - von Bijoux - 25.03.2019, 18:09



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