FSK-18 Grübeleien
#11
Einer dieser Tage....

Der Tag hatte an sich so schön begonnen. Sie war aufgewacht und Er war da. Sonst wachte sie meist alleine auf. Sie merkte zwar des Nachts dass er bei ihr war, aber meist schliefen sie nebeneinander ein, beide zu müde vom Tag um noch mehr als die wichtigsten Neuigkeiten auszutauschen, die eben weitergegegeben werden mussten. Sie hielt ihn oft noch eine Stunde oder zwei wach um ihn vorzubereiten auf einige Dinge und zu berichten, angefangen mit den wichtigsten oder dringendsten Dingen, bis schließlich zu dem was einfach nur ihr wichtig war zu erzählen, was ihr auf dem Herzen lag. Meist war er dann immer schon sehr müde. Er bemühte sich sehr zuzuhören, aber oft sparte sie es sich, da sie merkte wie ihm die Augen zufielen. Er nahm ihre Sorgen und Nöte durchaus ernst wenn sie Zeit fanden über solche Dinge zu reden, aber Zeit gemeinsam zu träumen und zu spinnen, blieb ihnen immer seltener. Aber sie hielt sich daran fest dass es nicht für Dauer sein würde. Irgendwann würden die Dinge geregelt sein und sie würden wieder mehr Zeit haben und vielleicht würde das Leben dann wieder unbeschwerter sein. Doch irgendwas in ihr sagte dass die Welt nie unbeschwert sein würde und einfach. Es würden immer wieder Dinge geschehen die ihre Aufmerksamkeit fordern würden. Dinge die es ihnen nicht erlauben würden einfach nur in den Tag hineinzuleben. Sie hatten sich so entschieden und es war gut so. Dennoch sehnte sie sich in Momenten wie diesen nach den Augenblicken die so waren wie als sie sich kennenlernten. Die Welt war so heiter so einfach. Als sie ihn das erste Mal sah lachte er bis ihm die Tränen kamen. Er lag vor dem Brunnen am Boden und sie folterten ihn mit Kitzeleien und wenn sie zurück sah war es in dem Moment schon um sie geschehen. Sein Lachen, seine Grübchen, sein rotes Haar…
Deswegen hatte sie ihn angesprochen als sie ihn einige Tage später wiedergesehen hatte. Zuerst hatte er nicht mal gewusst wer sie war. Aber Abends waren sie sich wiederbegegnet, mit Garah und Carmelina. Und es war kein Zufall gewesen sondern eine höchst willkommene Gelegenheit, bei ihm am Schoß zu sitzen, sich an ihn zu schmiegen und mit Erdbeeren füttern zu lassen. Sie hatten alle sehr viel gelacht an dem Abend. Doch dann war Elynia aufgetaucht und sie hatte es sich selbst zuzuschreiben dass sie dann vergessen gewesen war. Dennoch war insgeheim die Eifersucht groß gewesen. So groß dass sie Garah geküsst hatte. Es war verrückt gewesen. Auch alles was dann noch folgte. Die vielen Aufs und Abs, bis sie sich schließlich in den Armen liegen konnten und wussten dass sie nichts mehr trennen würde. Sie dachte an den Abend an dem sie Liv etwas kennenlernen durfte, und damit meinte sie nicht die unglückliche Vorstellung an dem Abend in Garahs Hütte. Auch an dem Abend hatten sie viel gelacht und gescherzt und schließlich war sie geblieben und in seinen Armen eingeschlafen. Und an dem Abend hatte sie Livera ins Herz geschlossen. Und sie dachte an einen Abend wo er sie pudelnass und voll grüner Farbe durch die Stadt getragen hatte. Schon in dem Moment war sie verliebt gewesen.

Doch all dies schien so weit weg zu sein. Er wurde aufgefressen von seinen Pflichten und sie schwamm in dieser trüben Suppe dahin die die Zeit gerade bildete. Die Dinge gingen nicht vorran. Aber sie glaubt daran dass es einmal besser werden würde.
Es gab ein paar Bestellungen, ein paar offene Baustellen und einige Menschen mit denen sie Zeit verbrachte.
Manchmal endeten solche Begegnungen aber in Wut oder Tränen. So wie heute.

Wenn sie an Ceras dachte schäumte sie wieder vor Wut und gleichzeitig stiegen ihr die Tränen den Hals hoch. Bis jetzt hatte sie wegen Lenas Tod keine Träne vergossen, doch nun tat sie es. Sie wusste nicht so genau warum, sie hatte ihr nie ganz vertraut, dennoch wäre sie für sie weit gegangen und sie hatte Lena wirklich gemocht. Lediglich die Frage was sie noch wusste und vor ihr verbarg, hatte sie davon abgehalten sie Freundin zu nennen. Und diese Frage würde für immer unbeantwortet bleiben, denn sie war heimgekehrt zu den Göttern, zu den Gaben aus denen sie geschaffen war. Sie hatte sie nichtmal gefragt an was sie glaubte. Die Tatsache dass sie den goldenen Raben als Treffpunkt gewählt hatte, lies sie aber vermuten dass sie dem alten Glauben angehangen hatte. Sie wusste so wenig über sie. Sie wusste mehr über ihre Träume als über ihre Geschichte. Dennoch weinte sie um sie. Jeder sollte jemand haben der um einen weinte.
Und sie war so voll Wut auf Ceras. Wütend weil er sie angeschrien hatte und beleidigt und ganz besonders weil er sie nicht ernst genommen hatte. Er dachte sie wäre ein unbedarftes Mädchen. Er dachte ernsthaft er könnte mit Hilfe seiner neuen Freunde ihrem wachsamen Blick entwischen?
Sie war traurig denn sie hatte ihn als Bruder gesehen, als Freund, als Familie. Und nun fiel er ihr in den Rücken. Er dachte zu wissen was gut für sie wäre und dachte dabei am Ende doch nur an sich selbst und sein verkorkstes Gewissen. Sie wusste sie konnte es nicht ändern, sie sah wie er sich selbst verlor. Sie konnte nichts dagegen tun dass er in seinem Wunsch nach Rache sich zu weit im alten Hafen verlief. Und er würde den Weg zurück nicht finden. Sie sah was aus den Menschen wurden und sah wie sich die Korruption wie ein Spinnennetz von dort aus über die ganze Stadt verbreitete. Von der Stadtwache bis ins Rathaus, vom Hafen über die Kirche. Überall streckten sie ihre schmierigen mörderischen Finger hin. Und ihre Seelen waren noch schwärzere Abgründe als Aryns.
Aber es lag nicht in ihrer Macht. Sie konnte gleich einem Druiden nur raten, nicht zwingen. Sie konnte nur hoffen dass er zur Besinnung kam und sich nicht ganz verlor. Doch die Hoffnung war gering, denn irgendwann würde kein Weg zurück führen und dann konnte sie nur noch andre vor ihm schützen, Andre und ihre Heimat. Die einzige Möglichkeit ihn vor sich selbst zu schützen wäre dann ihn zu töten. Und dies würde sie nur tun wenn er sie darum bat. Zumindest so lange er niemandem gefährlich wurde.

Sie sah täglich mehr von diesem Netz dass sich über die Stadt wob, sie sah wie die Menschen wie Fliegen darin zappelten und ihre eigenen kleinen Netze woben die nur von den dickeren Spinnen in ihre eigenen eingesponnen wurden und hin und wieder wurde einer gefressen. Einige wehrten sich noch standhaft indem sie gemeinsam feste mit den Flügeln schlugen um sich etwas Luft zu verschaffen und indem sie ruhig in diesen kleinen freien Ecken lauerten und hofften nicht bemerkt und nicht gefressen zu werden.

Löwenstein war ein Sündenpfuhl ein Drecksloch ein Spinnennetz. Servano war ein einziger riesiger Sumpf aus Intrigen und Korruption. Löwenstein war das was man über Ravinsthal sagte nur dass sich hier alles hinter einer Maske verbarg. Löwenstein war düsterer und tiefer und diese sumpfige Dunkelheit verbarg sich hinter den geblendeten Augen der Menschen. Die Mithraskirche überstrahlte alles mit ihrer grellen Selbstgefälligkeit und macht die Augen blind vor den Gefahren, Sumpflöchern und Intrigennetzen die überall lauerten.

Und sie musste alles tun was sie konnte um zu verhindern dass sich solche Menschen und solche Machenschaften ausbreiteten. Dass sich schon so viele Augen auf ihre Heimat richteten, teils voll Begehrlichkeiten, teils voll Zorn, teils voll Angst und dass sich schon die ersten Netze hier webten mit dem Ziel sie über Ravinsthal zu werfen, galt es unter allen Umständen zu verhindern. Die einzige Hoffnung die sie hatte war, dass das einzige was vom Hafen nach Hause schwappen würde, Ceras war und das, so hoffte sie, würde sie an der Leine halten können.

Die Tränen waren versiegt, die Gedanken in Schubladen gepackt, die Gebete gesprochen. Einige würden vermutlich nicht glücklich sein wenn sie wüssten welcher Götter segen sie ihnen anempfahl, aber was sollte es. Janusch war ihr nun mal ein Freund geworden und sie hatte ihn wirklich gern. Und ein Segen von 22 Göttern würde sicher besser helfen als der von einem. Sie durfte es ihm nur nie verraten.
Sie sah auf den schlafenden Rotschopf neben sich und krabbelte zu ihm unter die Decken, küsste ihn zärtlich auf die Stirn und atmete tief durch. Er war alles für sie und irgendwann würden sie vielleicht einmal unbeschwerte Momente erleben, wenn auch nicht heute und nicht morgen. Doch jeder Tag mit ihm, war besser als ein Tag ohne ihn, auch wenn man unabhängig davon an manchen Tagen, solchen wie heute, einfach nicht hätte aufstehen sollen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Grübeleien - von Anabella - 07.06.2013, 18:52
RE: Grübeleien - von Anabella - 22.06.2013, 00:25
RE: Grübeleien - von Anabella - 22.06.2013, 18:00
Feuer - von Anabella - 02.07.2013, 15:05
RE: Grübeleien - von Anabella - 02.07.2013, 15:10
RE: Grübeleien - von Anabella - 13.07.2013, 14:25
RE: Grübeleien - von Anabella - 18.07.2013, 01:15
RE: Grübeleien - von Anabella - 18.07.2013, 13:51
RE: Grübeleien - von Anabella - 20.07.2013, 20:58
RE: Grübeleien - von Anabella - 07.08.2013, 01:03
RE: Grübeleien - von Anabella - 20.08.2013, 01:21
RE: Grübeleien - von Anabella - 21.09.2013, 20:04
RE: Grübeleien - von Anabella - 28.09.2013, 12:14
RE: Grübeleien - von Anabella - 12.10.2013, 03:32
RE: Grübeleien - von Anabella - 18.10.2013, 02:52
RE: Grübeleien - von Anabella - 13.11.2013, 03:07
RE: Grübeleien - von Anabella - 30.05.2014, 23:40
RE: Grübeleien - von Anabella - 28.05.2019, 00:11
RE: Grübeleien - von Anabella - 04.06.2019, 15:19
RE: Grübeleien - von Anabella - 16.06.2019, 01:02
RE: Grübeleien - von Anabella - 24.06.2019, 23:54
RE: Grübeleien - von Anabella - 30.06.2019, 21:00
RE: Grübeleien - von Anabella - 02.08.2019, 00:14
RE: Grübeleien - von Anabella - 17.08.2019, 23:16
RE: Grübeleien - von Anabella - 30.08.2019, 20:48
RE: Grübeleien - von Anabella - 30.09.2019, 14:58
RE: Grübeleien - von Anabella - 10.11.2019, 20:19
RE: Grübeleien - von Anabella - 29.11.2019, 18:40



Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste