FSK-18 Tagebuch
#11
Das Erwachen war, so denke ich, der beste Teil dieses Tages.

Es war .. schön einfach da zu liegen und zu dämmern, das Gefühl von Wärme an der Seite und die Vorstellung .. sie wäre es. Die Illusion endete, als die fette Katze sich geräuschvoll streckte und dabei ihre Krallen in meinem Hemd verhakte.
Mistvieh. Zu faul um Ratten und Mäuse zu fangen, aber verdammt flink, als ich versuchte sie zu packen und ihr den Hals umzudrehen.

Von dem Augenblick an war mir klar, dass dieser Tag nichts werden würde. Da ahnte ich noch nicht, wie sehr mir die Wirklichkeit noch ins Gesicht schlagen sollte.

Ich hatte mit meinem geschnürzen Ranzen kaum den Gänsestall verlassen, als ich die Aushänge bemerkte in denen mit grossen Buchstaben die Berufung des neuen Rates verkündet wurde.

Godwin Ganter
Gideon Ganter

Ich kann nicht sagen, wie lange ich einfach nur fassungslos auf das Schreiben starrte, unschlüssig mich zu entscheiden, ob hysterisches Lachen oder bedauerndes Weinen die richtige Antwort wäre. Die Gänse hatten es tatsächlich geschafft, offenbar genug Schmalz in verschiedenen Ärschen verteilt. Nun waren sie an einem Platz, wo sie sich unter den Augen einer aufmerksamen Öffentlichkeit zum Narren machen konnten. Und das .. versöhnte mich beinahe. Denn dass sie es schaffen würden ihre Unfähigkeit aller Welt zu zeigen, daran bestand für mich keinen Zweifel.

Und wenn es erst soweit war .. konnte für mich vielleicht noch etwas herausspringen.
Das machte mir die Schritte leicht, ich liess Löwenstein bald hinter mir zurück und folgte der Strasse gen Norden bis zu jenem ausgestretenen Pfad, der eine schon lange der Verwitterung und Wildnis überlassene Strasse gewesen war. Die Regenfälle hatte grimme Spuren hinterlassen, Erde davongewaschen bis nur blanker Stein zurückgeblieben war und dabei Rinnen wieder freigelegt, die vor langen Zeiten für schwer beladene Karren geschlagen worden waren. Diese aufgegebenen Stollen waren auch heute mein Ziel. Gegenüber Jakobine hatte ich den entdeckten Einstieg erwähnt, der erst durch einen Erdrutsch wieder freigelegt worden war und genau das war für heute mein Ziel. Früher hatten diese Felsen viel Eisen in sich getragen und auch jetzt sah man die Ablagerungen von Rost überall dort, wo das Wasser sich einen Weg suchte: Wo auch immer es für längere Zeit stand setzten sich die Spuren erkennbar ab.

Ein guter Bergmann, so hatte ich einmal gehört, konnte nicht nur anhand der Felsen erkennen was für Metall darin verborgen sein musste, er wusste es auch durch die passenden Pflanzen, die auf die rechte Weise wuchsen und die fraglichen Stellen anzeigten, an denen es sich lohnte zwischen den Wurzeln nach Silberstufen zu suchen. Ein guter Bergmann war aber nicht zur Stelle und für mich waren diese Steine nur Steine und das Kraut, das ich zur Probe ausriss, einfach nur irgendein Grünzeug, das die Fluten nur überstanden hatte, um nun ohne einen zweiten Gedanken ausgerissen zu werden. Nichts. Natürlich nicht.

Die Mittagsstunde war längst vorbei, als ich jene Stelle passierte, an der ich vor gut einer Woche beinahe abgesoffen war. Das kleine Tal aus meiner Erinnerung hatte sich in einen flachen Teich verwandelt an dessen Grund ein bodenloses schwarzes Loch lauerte. Hier würde so bald niemand mehr nach Erz suchen, aber mein Ziel lang ohnehin an einer anderen Stelle. Nicht höher .. aber ein Stück entfernt.

Ich folgte den sich windenden Pfaden herüber zu einem abgeschnitten wirkendem Bergschädel. Nichts als blanker Stein glänzte der Sonne entgegen, hier war der Berg so flach als wäre Mithras' Hammer persönlich an dieser Stelle aufgeschlagen und hätte jeden störenden Fels in Staub verwandelt. Ein guter Orientierungspunkt, leicht zu merken und hier setzte ich mich auf einen Weg, der wieder abwärts führte, bis ich das frische Geröllfeld erreichte. Hier hatte der Regen gearbeitet und dem Berg Material abgerungen, damit einen verschütteten Eingang wieder freigelegt, der wer weiss wie lange nicht mehr begehbar gewesen war. Darin lag meine Hoffnung: Falls es auch früher eine Rutschung gegeben hatte, dann war hier vielleicht noch etwas zu finden. Nicht genug für meine Freiheit. Aber .. vielleicht .. ein wenig um die Hoffnung zu nähren.

Auch hier war der Regen eingedrungen - als ich in das Halbdunkel trat, schlug mir muffiger Gestank entgegen. Das war .. mehr als nur abgestandene Luft: Wahrscheinlich hatten sich Pilze und Moose angesiedelt gehabt und verfaulten nun, nachdem die Nässe sie ertränkt hatte. Aber das war auf jeden Fall ein Bergwerk gewesen: Es waren noch Reste von Stützpfosten vorhanden, auf dem Boden gab es eine unübersehbare Linie aus Rost, die vielleicht einmal das Seil für eine Lore gewesen war. Diesen Aufwand machte man sich nicht für einen kleinen Stollen. Nicht einmal für zwei oder drei Quergänge.

Ich will es meiner Aufregung zuschreiben, die mich die nächsten Schritte unbedachter machen liessen, aber das Jagdfieber hatte mich gepackt und wir alle wissen, dass Hoffnung ein erbärmlich verräterischer Gefährte ist. Feuchtigkeit glänzte überall auf den Steinen und warf den trüben Schein meiner Laterne zurück. Feuchtigkeit - aber keine Nässe. Trotz des Regens war dieses Bergwerk nicht abgesoffen.

Mhm. Ich kann .. meine Überraschung nicht in Worte fassen, denn Buchstaben werden dem .. einfach nicht gerecht. Um es kurz zu schreiben: Ich erschrak mich beinahe zu Tode, als ich den Kreuzgang erreichte und mich einem grinsenden Toten gegenübersah - genug, um die Laterne fallen zu lassen und zu straucheln, zu rutschen, zu stützen. Das Licht des Eingangs reichte gerade noch weit genug um zu bescheinen, wie ich mich wenig rühmlich auf die Nase legte und ein paar Schritt bis in die Senke rutschte, in der sich das Regenwasser gesammelt hatte. Keine weiteren Gänge - das kapierte ich trotz meines Schocks.

Und keine weiteren Bewohner, ausser dem verdammten Toten, der gewiss schon seit Jahrzehnten hier unten vergammelte. Ein Bergmann, der von dem Steinschlag überrascht worden ware? Ich hatte keine grosse Lust es mir genauer anzusehen, schon gar nicht als ich mich fluchend und triefend aus der Pfütze kämpfte. Und von einer Leiche würde ich mich auch nicht abhalten lassen diesen Berg auf Schätze abzuklopfen.

Die Dunkelheit war längst hereingebrochen als ich mir eingestand, dass ich - wieder einmal - auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Es war nicht so, als .. wäre hier gar nichts und im ersten Augenblick hatte ich mich durch den hellen Glanz sogar täuschen lassen, bevor ich erkannte, dass ich auf die Täuschung von Katzengold hereingefallen war. Katzengold. Davon schlug ich in diesen Stunden mehr aus dem Fels als je zuvor und meine Laune verdüsterte sich mit jedem Stück ein wenig mehr. Sonst war da nichts: Nur tauber Stein und dazwischen das funkelnde Grinsen dieses wertlosen Gerölls. Es war gegen Mitternacht, als der wieder aufkommende Regen mich endlich zu Verstand brachte.

Nun war es zu spät um zurück nach Löwenstein zu gehen. Ich würde hier schlafen müssen in Nässe und Kälte mit einem Toten als Bettkumpan.

Und trotzdem war mir nicht sicher, ob das hier nicht besser ist als ein Ruheplatz im Hause Ganter.
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Tagebuch - von Durias Zobel - 07.05.2013, 19:33
Am Anfang - von Durias Zobel - 07.05.2013, 19:41
RE: Tagebuch - von Durias Zobel - 11.05.2013, 18:53
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RE: Tagebuch - von Durias Zobel - 20.06.2017, 19:45
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RE: Tagebuch - von Durias Zobel - 12.02.2018, 18:14



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